Protokoll der Sitzung vom 11.12.2008

Die FDP hat in einem Antrag am 19. Mai kleinere Klassenrichtwerte gefordert. Diesem Antrag hat die NPD, also wir, damals aus voller Überzeugung zugestimmt. Sie kamen dann ungefähr gleichzeitig mit der Forderung nach veränderten Richtwerten.

Dabei bringen Sie regelmäßig Mindestschülerzahlen, die für die kurzfristige Planung von Klassen benötigt werden, und Richtwerte für die mittelfristige Planung beim Lehrerbedarf mit dem Schulhausbau durcheinander. Man muss es zumindest als naiv ansehen, wenn Sie die Schließung von Schulen und den Verfall vieler Schulgebäude mithilfe der Außerkraftsetzung von Richtwerten und

deren Ersetzung durch die Mindestschülerzahlen des Schulgesetzes verhindern wollen.

Das Grundübel, das zur Schließung und zum Verfall von Schulen in unserem Lande führt, ist die demografische Katastrophe, die nicht nur den Freistaat Sachsen seit vielen Jahren heimsucht. Vielleicht können Sie mit Ihren kosmetischen Reparaturen die eine oder andere Schule retten; das Problem an sich, dass wir nämlich viel zu wenige Kinder haben, werden Sie auf diese Weise nicht lösen können.

(Beifall bei der NPD)

Richtwert hin oder her – viele Schulen im ländlichen Raum veröden schon seit vielen Jahren. Eine Wiedereröffnung erscheint inzwischen völlig utopisch. Nach meinem Eindruck geht es hier auch mehr um die städtischen Schulen; auf dem Land spielen sie eh keine große Rolle mehr.

Wir Nationaldemokraten lehnen prinzipiell alle Aktivitäten ab, die zu weiteren Schulschließungen führen oder führen können. Im Gegenteil, die NPD fordert mehr Mittel für den Schulhausbau. Dazu haben wir auch in die gestrige Haushaltsberatung einen Antrag eingebracht, den Sie allesamt leider abgelehnt haben.

Ihr Anliegen in allen Ehren, meine Damen und Herren von der Linken, aber das Gejammer über die Förderrichtlinie zum Schulhausbau vom 9. Januar 2008 im Rahmen einer Aktuellen – Aktuellen! – Debatte am 11. Dezember 2008 bringt uns nicht weiter und nützt nicht den Schülerinnen und Schülern, um die es uns doch hauptsächlich gehen sollte.

(Beifall bei der NPD)

Ich erteile der Fraktion der FDP das Wort. Herr Herbst, bitte.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Anlass dieser Aktuellen Debatte ist sogar einigermaßen aktuell; das Thema ist allerdings schon ein altes.

(Beifall der Abg. Prof. Dr. Peter Porsch und Andrea Roth, Linksfraktion)

Wir haben hier im März auf Antrag der FDP-Fraktion eine Debatte zur neuen Förderrichtlinie für den Schulhausbau geführt. Schon damals haben wir kritisiert, dass diese Förderrichtlinie insbesondere den ländlichen Raum und kleine Schulen benachteiligt.

Mit dieser Förderrichtlinie wird die Anforderung gestellt, dass die Klassengröße bei 25 Schülern zu liegen habe. Wenn man sich die Realität in Sachsen ansieht, stellt man fest: Insbesondere im ländlichen Raum ist diese Zahl kaum zu erreichen.

Das Ministerium und die Koalition haben in der Debatte im Plenum und auch sonst in der öffentlichen Diskussion immer wieder darauf hingewiesen, dass es ja Ausnahme

vorschriften für den ländlichen Raum gebe und die Förderrichtlinie eigentlich nur darauf abziele, den Druck auf Ballungszentren zu erhöhen. Doch die Ausnahmen wurden kaum angewandt. Heute richtet sich die Förderrichtlinie eben genau gegen die kleinen Schulen, gegen den ländlichen Raum, und das finden wir falsch, meine Damen und Herren!

(Beifall bei der FDP und der Linksfraktion)

Eines der aktuellen Beispiele, warum wir vermutlich heute diese Debatte führen, ist die Sanierung einer Grundschule in Mülsen St. Niclas. Wem der Name nichts sagt: Das ist, wenn ich richtig informiert bin, das „längste Dorf Sachsens“ mit rund 17 Kilometern Länge; es liegt in der Nähe von Zwickau.

In diesem Ort gibt es drei Grundschulen, aus der Sicht des Ministeriums wahrscheinlich eine zu viel.

Warum wird keine Ausnahme gewährt? Weil es – aus Ministeriumssicht – wegen der Lage im Verdichtungsraum von Zwickau kein ländlicher Raum ist. 17 Kilometer sind aber für einen Grundschüler eine Riesendistanz. Deswegen sind wir der Meinung, dass es Ausnahmeregelungen geben muss.

(Beifall bei der FDP und der Linksfraktion)

Interessant an dieser Stelle ist noch, wie das Ministerium herumgeeiert ist. Im November hieß es noch von einem Vertreter des Kultusministeriums, dass es die Fördermittel nur gäbe, wenn mindestens eine Schule geschlossen werde. Dann wurde vor Ort Druck gemacht, und es gab Presseberichte. Schließlich sah es so aus, als würden die Fördermittel gewährt.

Vor kurzem stellten wir als FDP eine Anfrage, auf die uns der Kultusminister mitteilte: Es gibt diese Mittel nur, wenn je Klasse 25 Schüler erreicht werden. Damit wird in der Tat eine Schulschließung durch die Hintertür erzwungen.

(Beifall bei der FDP und der Linksfraktion)

An dieser Stelle fordern wir einfach mehr Ehrlichkeit vom Kultusministerium. Wenn man der Meinung ist, dass es zu viele Schulen gibt, dann soll das Kultusministerium das sagen und wir führen im Landtag eine entsprechende Debatte. Aber technisch, durch die Hintertür die Schulen zu schließen, ist der feige Weg.

(Beifall bei der FDP und der Linksfraktion)

Wir haben immer gesagt: Wir lehnen die rigorose Schulschließungspolitik, die die Staatsregierung betreibt, ab. Das gilt auch für jeden Versuch, über technokratische Umwege zu erreichen, die Kommunen zu erpressen und die Fördermittel zu verweigern. Das halten wir für den komplett falschen Weg.

Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP und der Linksfraktion)

Ich erteile der Fraktion GRÜNE das Wort. Frau Günther-Schmidt, bitte.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Förderrichtlinie Schulhausbau wurde vor circa einem Jahr verabschiedet. Wir haben diese bereits im Januar 2008 als Mogelpackung entlarvt, weil die neuen Bestimmungen eine Verschlechterung der bis dahin geltenden Regelungen bedeuten. Wir bemängeln, dass bei Mittelschulen und Gymnasien nur noch bis zu 60 % des Schulneu- und -umbaues gefördert werden; nach der alten Richtlinie waren es noch 50 bis 75 %. Für berufsbildende Förderschulen sinkt der Fördersatz von bislang möglichen 75 auf 70 %.

Durch diese Verringerungen steigt zwangsläufig der Eigenanteil der Kommunen. Im März dieses Jahres wurde hier im Landtag auf Antrag der FDP das erste Mal über die mangelhafte Förderrichtlinie debattiert. Schon damals wurde festgehalten, dass hier ein Instrument geschaffen wurde, um den Schulträgern den Schwarzen Peter der Schulschließungen zuzuschieben.

Wir haben dann am 28. Mai – anlässlich des Antrages „Kleine Klassen an sächsischen Schulen ermöglichen“ – noch einmal über die offenkundigen Mängel diskutiert. Ich habe bereits damals auf das Strategiepapier der CDU für die Zukunft des ländlichen Raumes hingewiesen, in dem zu lesen ist – Zitat –: „Eine weitere Reduzierung von Schulen im ländlichen Raum muss vermieden werden – sowohl mit Blick auf die Verlängerung von Schulwegen als auch aus strukturellen Gründen.“

Ich habe mir auch noch einmal die damaligen Äußerungen von Martin Dulig angeschaut, der gesagt hat: „Die Klassenrichtwerte entsprechen weder der gesetzlichen Lage noch der Realität. Wir erwarten, dass die Staatsregierung den Klassenrichtwert an die veränderte gesetzliche Lage und die Realität anpasst.“

Das war damals so richtig und notwendig wie heute. Herr Colditz, da müssten Sie als Regierungsfraktion einmal aktiv werden.

Zwei Tage später im Mai wurde das Thema noch einmal aufgerufen: im Antrag der Linksfraktion „Mindestschülerzahl als Zuwendungsvoraussetzung bei der Vergabe von Fördermitteln für den Schulhausbau und die Schulhaussanierung“. Uns ist bis heute nicht klar geworden, worin die Aktualität des Themas besteht. Es gibt einen Einzelfall; den haben wir genannt. Aber das rechtfertigt meiner Meinung nach keine Aktuelle Debatte. Ein Antrag wäre hier angemessener gewesen.

Denn dass die CDU und, in ihrer Gefolgschaft, die Sozialdemokraten eine verfehlte Bildungspolitik betreiben, ist ja nun wirklich nichts Neues mehr.

(Beifall bei den GRÜNEN – Thomas Colditz, CDU: Das meinen Sie nicht ernst, Frau Günther-Schmidt!)

Das meine ich sehr ernst. Ich finde das auch außerordentlich bedauerlich, weil es auf Kosten der Kinder und der Eltern ausgetragen wird.

Wir erleben hier eine Murmeltierdebatte. Wir wissen, dass der damalige Kultusminister Flath wohl nicht wahr sprach, als er in den Raum stellte, er werde keine Schulschließungen mehr veranlassen.

Tatsache ist: Wer Kommunen durch Drohung mit Unterlassung der Zahlung von Schulhausbaufördermitteln dazu nötigt, eine der Staatsregierung genehme Schulnetzplanung vorzulegen, und dafür gewillt ist, gegebenenfalls auch Schulen zu schließen, erpresst die Schulträger.

(Beifall der Abg. Julia Bonk, Linksfraktion)

Das Verwerfliche der Tat wird hoffentlich nächstes Jahr auch vom Wähler erkannt, und Sie werden hoffentlich heftig dafür abgestraft.

Das Ergebnis dieser Aktuellen Debatte kann also nur sein: Zu einer zukunftsorientierten Schulpolitik sind CDU und SPD offenbar weder willens noch in der Lage.

Danke schön.

(Beifall bei den GRÜNEN und der Linksfraktion)

Ich erteile der Linksfraktion das Wort. Frau Falken, bitte.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Colditz, „Nötigung“ ist eigentlich noch das geringere Wort, das in unserem Antrag zur heutigen Aktuellen Debatte steht. Die gewählten Volksvertreter, Herr Colditz, sprechen nicht mehr von Nötigung, sondern von Erpressung. Ich werde Ihnen an dem Beispiel von Mülsen ganz deutlich zeigen, dass es wirklich Erpressung ist, was hier betrieben wird.

Frau Günther-Schmidt, wir haben bereits im Frühjahr – Sie werden sich erinnern – genau zu diesem Thema eine Antrag eingebracht. Wir waren der Auffassung, dass es angesichts des aktuellen Beispiels, das wir hier vorliegen haben – allen ist eine entsprechende Mitteilung zugeschickt worden –, notwendig ist, jetzt noch einmal darüber zu sprechen.