Unser Antrag beschäftigt sich nicht mit Details und Voraussetzungen, die für gentechnikfreie Regionen gelten müssen. Derzeit wird die gentechnikfreie Landwirtschaft
in Sachsen nicht speziell geschützt. Sie ist von der Kooperationsbereitschaft der Genbauern abhängig. Die Mehrheit von circa 7 000 Betrieben ist von einer Minderheit von zehn Betrieben abhängig.
Das widerspricht auch meinem Verständnis von Demokratie. Bleibt das so, kommt es zu starken ökonomischen Einbußen des Ökolandbaus, der in Sachsen über kurz oder lang ganz unmöglich wird, wenn wir die Weichen nicht anders stellen. Bitte bedenken Sie, dass eine 2 Hektar große Fläche mit GVO-Mais bei einer Pollenreichweite von 800 Metern circa 200 Hektar Ackerland verunreinigt. Übrigens zeigen Untersuchungsergebnisse aus England einen dramatischen Rückgang von Insekten- und Vogelpopulationen durch den Einsatz von Totalherbiziden in Gentec-Kulturen. Es liegt deshalb nicht nur im Interesse der Bauern, sondern der Öffentlichkeit insgesamt, solche Technologien zu vermeiden. Darum brauchen wir GVOfreie Zonen und entsprechende Pufferzonen zum Schutz einer ökologischen und konventionell gentechnikfreien Produktion sowie zum Erhalt der Biodiversität. Diese Gebiete sind langfristig zu sichern. Nur so kann die Wahlfreiheit für Landwirte und Verbraucher erhalten werden.
Zweitens. Der Anbau von gentechnikveränderten Organismen, die sich mit der Wildflora Sachsens kreuzen und/oder eigenständige Populationen abseits landwirtschaftlicher Nutzflächen bilden können, muss ausgeschlossen werden.
Drittens. Wir fordern die Staatsregierung auf, endlich Verantwortung zu übernehmen und Schutzzonen anhand künftiger Kriterien auszuweisen sowie einen Überwachungsplan auszuarbeiten und zu implementieren. Am plausibelsten sind der Schutz der bestehenden gentechnikfreien Regionen und Initiativen sowie die Ausweisung zusätzlicher Entwicklungsgebiete gentechnikfreier Landwirtschaft.
Viertens. Flankierend sind förderungspolitische Maßnahmen durchzuführen, die an eine gentechnikfreie Landbewirtschaftung gekoppelt sind.
Fünftens. Gentechnisch veränderte Lebens- und Futtermittel müssen in der Europäischen Union seit dem 18.04.2004 gekennzeichnet werden. Das gilt jedoch nicht für tierische Produkte, wie Fleisch, Milch oder Eier, die mithilfe von Gentechnik-Futtermitteln für die Tiere hergestellt wurden. Dabei gehen weltweit etwa 80 % aller gentechnisch veränderten Pflanzen als Futtermittel in die Mägen von landwirtschaftlichen Nutztieren. Darum fordern wir die Staatsregierung auf, eine Änderung des europäischen Rechts mit dem Ziel anzustreben, die Kennzeichnungspflicht auf Produkte auszuweiten, die mit gentechnisch veränderten Organismen hergestellt (gefüt- tert) wurden.
Meine Damen und Herren! Was wir mit unserem Antrag fordern, ist nicht mehr und nicht weniger als ein vernünftiger Kompromiss, der Landwirten eine tatsächliche
Chance einräumt, sich für oder gegen den Einsatz gentechnisch veränderter Pflanzen einzusetzen. Die derzeitigen Bedingungen ermöglichen diese Wahlfreiheit über kurz oder lang nicht mehr. Das widerspricht aber den Worten der Staatsregierung, die ja bekanntlich bei jeder sich bietenden Gelegenheit von der Koexistenz der Anbauformen spricht.
Danke schön. – Das war die einreichende Fraktion. Es folgt die CDUFraktion. Herr Abg. Heinz, Sie haben das Wort.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wenn denn Unwissenheit und Selbstvertrauen die Grundvoraussetzungen für einen erfolgreichen Politiker sind, Herr Weichert, dann müssen die beiden Eigenschaften wenigstens indirekt proportional zueinander vorhanden sein, ansonsten funktioniert das Ganze nicht.
Zu Ihrem Antrag: Seit der letzten Diskussion im November-Plenum gibt es eigentlich keine neuen Erkenntnisse. Es haben sich weder wissenschaftlich neue Erkenntnisse gebildet noch gesetzliche Grundlagen verändert. Es ist ein sehr emotional diskutiertes Thema. Das hatten wir schon öfter, wenn neue Technologien eingeführt worden sind.
Ich möchte ein bisschen in die Geschichte gehen und Ihnen etwas am Beispiel des Telefons vortragen. Vor 125 Jahren reagierte die Welt, insbesondere Amerika, auf Mr. Bells tonerzeugendes Ungeheuer ausgesprochen bösartig. In Boston, Philadelphia, New York und Dallas kam es zu Massendemonstrationen gegen die Nutzanwendung einer Erfindung, die als völlig sinnlos, unbrauchbar und lächerlich bezeichnet wurde. In Chicago streikten nicht nur die Botengänger, sondern auch Teile der Postbediensteten, da sie fürchteten, das Telefon könnte sie arbeitslos machen. Zum allgemeinen Unbehagen gesellte sich ein weiterer Faktor. Man fürchtete um Sitte und Moral, um Gesundheit und Beamtenbequemlichkeit. In Berlin beschwerte sich eine erboste Dame beim Generalpostmeister unter Berufung auf ihre drei im Dachgeschoss schlafenden Töchter: „Mit Sicherheit“, hieß es in dem Beschwerdeschreiben, „würden meine drei Töchter Zeugen sittenloser Gespräche werden und großen seelischen Schaden erleiden. Ich verlange von Ihnen, Herr Generalpostmeister, dass Sie die Telefondrähte, die über mein Dach hinwegführen, sofort entfernen lassen.“
Das war seinerzeit kein Einzelfall und von Unwissenheit geprägt, da die Leute damals dachten, die Töne kämen direkt aus den Drähten. Weiterhin haben sich sogar Ärzte dafür hergegeben zu bescheinigen, dass das gefährliche Vergnügen des Telefonierens vermutlich zu einer erhöhten Sterblichkeit bei Telefonabonnenten führen würde usw., usf. Ähnliche Geschichten ließen sich bei Rinderwahn, Elektrosmog, Impfschäden, Waldsterben, beim Eisen
Ich will die Sache etwas abkürzen, meine Damen und Herren, und gar nicht auf die unbewiesenen Behauptungen in verbreiteten Geschichten eingehen, wonach gentechnisch veränderte Pflanzen Schäden bei den Bienen hervorrufen. Ich kann Ihnen nur empfehlen, in Hohen Neuendorf beim Institut für Bienenkunde anzurufen. Die Leute dort konnten mir keine einzige Studie benennen, wonach Bienen, die ihre Nahrung in genveränderten Maisbeständen gefunden haben, Schaden erlitten hätten.
Die sagen mir genau dasselbe. Ich habe Herrn Wicht angerufen. Seit über einem halben Jahr bemüht er sich, mir eine belastbare Studie zukommen zu lassen, in der derartige Ergebnisse nachgewiesen werden.
Belastbar bedeutet, dass sich das unter bestimmten definierten Bedingungen wiederholen lässt und dass man es nachvollziehen kann, und nicht, dass einer, der irgendwann einmal eine tote Biene gesehen hat, sagt, dort drüben ist ein Maisfeld, das gentechnisch verseucht ist, und dann war’s das halt.
Also, meine Damen und Herren, die Gentechnologie steht am Anfang einer Entwicklung, und wir werden keinen Beitrag dazu leisten, diese Technologie zu ächten, bevor man überhaupt weiß, wozu sie nützlich sein kann. Ich möchte Sie also bitten aufzuhören, mit der Angst Politik zu machen. Angst, das wissen Sie alle, ist ein schlechter Ratgeber; sie taugt zwar gelegentlich als Mittel zur Massenerziehung, aber in diesem Falle geht das Ganze am Thema vorbei.
Herr Präsident! Werte Damen und Herren Abgeordneten! Regelmäßig mit der Vorbereitung der Frühjahrsbestellung und der damit verbundenen Meldung von geplanten Anbauflächen für gentechnisch veränderte Kulturen an das Standortregister beim Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit nimmt die gesellschaftliche Diskussion um die grüne Gentechnik an Schärfe zu. Bauern, Imker und Naturschützer streiten in unterschiedlichen Veranstaltungen um das Für und Wider der grünen Gentechnik. Das Kräfteverhältnis zwischen Befürwortern und Gegnern der kommerziellen Anwendung der grünen Gentechnik
scheint dabei seit Jahren relativ konstant. Wenigen Anwendern steht eine übergroße Ablehnung durch Verbraucher allgemein und speziell von Ökolandwirten und Imkern gegenüber.
Daran gibt es nichts zu rütteln, Herr Heinz, auch wenn Ihnen die belastbaren Studien fehlen: Die Imker bleiben skeptisch. Offensichtlich entfaltet die Diskussion ganz langsam praktische Wirkung. Nach den bisherigen Anmeldungen im Standortregister nimmt der Anbau von gentechnisch veränderten Kulturen in Deutschland, aber auch in Sachsen in diesem Jahr erstmals im Vergleich zu 2008 wieder ab. Herr Weichert hat darauf schon hingewiesen. Dieses Kräfteverhältnis in der Gesellschaft erfuhr allerdings bisher keine Berücksichtigung in der großen Politik der Bundesrepublik und schon gar nicht im Land Sachsen.
Allenfalls übte man sich auf Bundesebene insbesondere vor Wahlen in politischen Abwehrschaukämpfen gegen den angeblichen Druck der EU, indem beispielsweise das Inverkehrbringen von Mais der Linie MON 810 zeitweilig ausgesetzt wurde. Auch unsere derzeitige Landwirtschafts- und Verbraucherschutzministerin, Frau Aigner, prüft gegenwärtig das Zulassungsverfahren und droht unter anderem schon einmal mit Erlaubnisentzug.
In Sachsen war man von vornherein nicht bereit, Handlungsspielräume zur Sicherung der Koexistenz von Gentechnik anwendender und gentechnikfreier landwirtschaftlicher Produktion auszuloten oder Naturschutzgebiete vor der grünen Gentechnik zu schützen. Das ist nicht nötig, denn die offizielle Staatsdoktrin heißt in Sachsen: Die grüne Gentechnik ist eine Zukunftstechnologie – wir haben es von Herrn Heinz gehört –, und Kritiker sind Angstmacher und Technologiefeinde. Zu letzterer Kategorie gehört selbstverständlich auch die Linksfraktion, die sich bekanntermaßen seit Jahren konsequent gegen die Freisetzung sowie gegen den kommerziellen Anbau von gentechnisch veränderten Organismen ausspricht. Die Gründe dafür haben meine Kollegin Altmann und ich in diesem Haus mehrfach hinreichend erläutert.
Ich gebe zu, angesichts dieser politischen Konstellation und der Rückbesinnung auf vergangene Debatten hier im Plenum sowie angesichts dessen, was ich heute bereits wieder von Herrn Heinz gehört habe, grenzt es wirklich schon an Masochismus, sich wieder ernsthaft mindestens um Nachdenken bei den Gentechnikbefürwortern unter den Abgeordneten zu bemühen, zumal ich aus ganz praktischem Erleben zu der Überzeugung gelangt bin, dass regionale Verbraucher- oder Naturschutzinitiativen künftig eine wesentlich größere Durchsetzungskraft gegenüber der Politik erlangen werden, egal, was eine Mehrheit im Sächsischen Landtag beschließt oder eben nicht.
Aber seit dem 2. März ist ein erneuter Versuch durchaus legitim, und wir werden ihn natürlich unterstützen. An diesem Tag nämlich wurden die nationalen Anbauverbote von gentechnisch verändertem Mais der Sorte MON 810 in Österreich und Ungarn vom EU-Umweltministerrat
bestätigt. Ein entsprechender Antrag der EU-Kommission, die Anbauverbote zu kippen, wurde mit qualifizierter Zweidrittelmehrheit zu Fall gebracht. Die ein paar Wochen später angesetzte Abstimmung über das französische und das griechische Anbauverbot scheint danach reine Formsache zu sein. Das heißt, dass es seit dem 2. März deutlich schwieriger geworden ist, eigene Untätigkeit mit dem Fingerzeig auf europäischen Regelungsdruck zu kaschieren.
Und das heißt weiter: Es gibt sehr wohl Handlungsspielräume innerhalb der EU, und es gibt vor allen Dingen Handlungsspielräume für nationale Politik, die nach wie vor überwiegende Meinung der Bevölkerung, die gentechnisch veränderte Produkte nicht auf ihren Tellern haben will, endlich ernst zu nehmen.
Diese Handlungsspielräume werden uns von mündigen Bürgern eröffnet. Bundesweit gibt es inzwischen 188 gentechnikfreie Regionen bzw. Initiativen und 176 Kommunen, die sich zur gentechnikfreien Bewirtschaftung ihrer Ländereien bekannt haben. Zugegeben, in Sachsen sind es noch nicht ganz so viele – Herr Weichert hat sie alle genannt –, aber es gibt Bewegung in vielen Kreisen, und es gibt ein umtriebiges Aktionsbündnis für eine gentechnikfreie Landwirtschaft in Sachsen.
Vor fast genau einem Jahr habe ich Ihnen hier im Rahmen einer durch die GRÜNEN beantragten Aktuellen Debatte über einen Antrag meiner Kreistagsfraktion im damaligen Landkreis NOL berichtet, der die Landwirte und Grundstückseigentümer ermutigen sollte, auch weiterhin auf den Anbau von Gentec-Pflanzen zu verzichten. Ich bin Ihnen noch das Ende der Geschichte schuldig: Der Antrag wurde im Juni 2008 im Kreistag mit CDU-Mehrheit abgelehnt. Aber die fast einjährige Diskussion, die dieser Antrag ausgelöst hat, ist der eigentliche Erfolg. Deshalb werde ich es meinem alten und neuen Landrat selbstverständlich nicht ersparen, erneut einen ähnlichen Antrag in den Kreistag Görlitz einzubringen und sich der Abwägung von wirtschaftlichen, naturschutzfachlichen und Verbraucherschutzinteressen zu stellen.
Ich möchte, dass sich gerade auch die Christdemokraten im Kreis mit der ethisch-moralischen Dimension der Einführung der grünen Gentechnik stärker auseinandersetzen, selbst wenn wir als Linke sie dazu tragen müssen.
Die selbstorganisierte und freiwillige Ausweisung von gentechnikfreien Regionen durch Landwirte und Bürger ist eine Reaktion der Verbraucher auf fehlende politischrechtliche Rahmensetzungen in Bund und Land. Damit ist es geradezu eine Aufforderung an sächsische Politik, sich endlich dezidiert dem Schutz der gentechnikfreien Landwirtschaft und von ökologisch sensiblen Gebieten zuzuwenden. Das kann sie, wenn sie die bestehenden gentechnikfreien Regionen oder gleichgelagerte Initiativen endlich unterstützt.
Die Formen einer möglichen Unterstützung beschreibt der Antrag der GRÜNEN. Ich könnte ergänzen, dass dazu auch eine erneute Anpassung des Sächsischen Naturschutzgesetzes hinsichtlich des Anbaus von GVO in Schutzgebieten und der Festlegung wirkungsvoller Abstandsregelungen zu solchen Flächen geboten wäre.
Es ist für mich unverständlich, dass man sich einerseits um einzelne Lobbygruppen sehr stark bemüht – ganz heftig reißt man sich ja gegenwärtig von konservativer und liberaler Seite beispielsweise um die Imker, die mehrheitlich ausgesprochene Gentechnikskeptiker sind –, aber den überaus deutlichen, seit Jahren unveränderten Willen der Verbraucher konsequent ignoriert.
Liebe Kolleginnen und Kollegen der CDU, stärken Sie Ihrer schwesterlich verbundenen Ministerin in Berlin auch gegenüber parteiinternen Kritikern den Rücken, die nach eigenen medialen Bekundungen der Schaffung von gentechnikfreien Zonen sehr offen gegenübersteht. In diesem speziellen Fall kann man wirklich mal von Bayern siegen lernen. DIE LINKE stimmt dem vorliegenden Antrag zu.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Erst kürzlich haben wir einen ähnlichen Antrag der GRÜNEN hier verhandelt. In ihm ging es darum, dass der Freistaat den Anbau auf eigenen Flächen verbieten soll. Ich habe in der Debatte damals schon darauf hingewiesen, dass der richtige Weg darin besteht, EU-Recht zu verändern.