Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Zunächst herzlichen Dank für die alles in allem sehr sachlich geführte Debatte. Ich klammere jetzt einmal die historischen Betrachtungen aus.
Ich möchte mit einer Zahl beginnen: Knapp 1,5 Milliarden Euro sind in den vergangenen 15 Jahren in die sächsischen Pflegeeinrichtungen geflossen – knapp 1,5 Milliarden Euro! Finanziert wurde das vom Bund, von den Kommunen, den Trägern und auch von uns, dem Freistaat Sachsen.
Dieses Konjunkturprogramm für die sächsische Pflege hat Wirkung gezeigt. Fast 20 000 vollstationäre Pflegeplätze sind für alte und behinderte pflegebedürftige Menschen neu geschaffen worden, Pflegeplätze in einer Qualität, die vor gerade einmal 20 Jahren in Sachsen noch völlig undenkbar waren.
Meine Damen und Herren! Auch ich weiß, wovon ich spreche, denn die Lebensbedingungen in den Alten- und Behinderteneinrichtungen der DDR gehören zu dem schlimmsten, was ich kennengelernt habe. Dazu haben wir in den historischen Betrachtungen leider nichts gehört.
Meine Damen und Herren! Diese fast 20 000 Plätze entsprechen 0,25 Einrichtungen pro 1 000 Einwohnern oder praktischer ausgedrückt: Jede Kleinstadt in Sachsen verfügt zumindest statistisch gesehen über ein Angebot der stationären Pflege. Wenn Sie sich in Ihrem Landkreis umschauen, können Sie das sicherlich bestätigen. Im Vergleich dazu: Baden-Württemberg verfügt lediglich über einen Anteil von 0,11 Einrichtungen pro 1 000 Einwohner.
Auch heute ruhen wir uns nicht aus, auch nicht auf dieser positiven Bilanz. Wir wissen ganz genau, dass wir in der Altenpflege vor gewaltigen Herausforderungen stehen, und zwar aus zweierlei Gründen: zum einen, weil die Anzahl und der Hilfebedarf der Pflegebedürftigen steigen wird, und zum anderen, weil das Unterstützungspotenzial in den Familien sinkt und sich die Fachkräfteproblematik im Pflegebereich verschärfen wird. Die Sächsische Staatsregierung hat darauf reagiert und wichtige Weichenstellungen vorgenommen.
Ich darf Sie – erstens – an unser seniorenpolitisches Konzept erinnern. Unser Altenhilferahmenplan greift alle seniorenpolitischen und altersgerecht wichtigen Handlungsfelder, vornehmlich auch die Perspektive der Altenpflege, auf.
Wir haben – zweitens – eine Seniorenbeauftragte eingesetzt, die als Ansprechpartnerin für die Anliegen unserer
Meine Damen und Herren! Wir haben – drittens – die zweite Konzeption zur Hospiz- und Palliativarbeit im Freistaat Sachsen vorgelegt und fördern ambulante Hospizdienste.
Wir haben uns – viertens – gegenüber dem Bund ganz vehement für eine Pflegezeit eingesetzt. Heute ist die Pflegezeit bundesgesetzlich geregelt und wir werben zum Beispiel auch bei den sächsischen Unternehmen dafür, dass sie die Vereinbarkeit von Familie und Beruf auch hinsichtlich der Pflege von Angehörigen berücksichtigen.
Wir führen – fünftens – seit 2006 regelmäßig Altenhilfekongresse durch, um den fachlichen Austausch auf dem Gebiet der Pflege zu intensivieren.
Wir haben – sechstens – das Gesetz zur Regelung der Betreuung und Wohnqualität im Alter bei Behinderung und Pflegebedürftigkeit im Freistaat Sachsen, kurz BEWOG, auf den Weg gebracht. Der Entwurf befindet sich derzeit in diesem Hohen Hause zur Beratung. Wir stärken mit diesem Gesetz die Arbeit der Heimaufsicht und wir sichern einen modernen Verbraucherschutz für Pflegebedürftige und ihre Angehörigen. Nicht nur die Qualität der Pflege, sondern auch die Qualität der Versorgung und Betreuung der pflegebedürftigen Menschen wird in den Mittelpunkt gerückt.
Wir gehen – siebentens – in unserer Arbeit grundsätzlich von dem Gedanken aus, unseren älteren Mitbürgerinnen und Mitbürgern die Teilhabe zu ermöglichen und ihre Mitbestimmung zu sichern. Deshalb eröffnet uns das BEWOG die Möglichkeit, über die klassische Bewohnervertretung hinaus einen zusätzlichen Angehörigen- und Betreuungsbeirat einzurichten.
Schließlich wollen wir – achtens – mit diesem Gesetzentwurf die Fachkräftequote, die bestimmt, dass 50 % des Personals Fachkräfte sein müssen, gesetzlich festschreiben; denn der entscheidende Faktor für die Qualität der Pflege ist und bleibt ausreichend qualifiziertes Personal.
Ich sage das, meine Damen und Herren, obwohl ich weiß, dass der Fachkräftemangel auch im Bereich der pflegerischen Berufe seine Spuren hinterlassen wird. Aber diesen Mangel werden wir nicht einfach so hinnehmen. Deshalb investieren wir über den ESF und über Landesmittel in Weiterbildung, damit sich pflegende Personen beispielsweise auf den Gebieten Gerontopsychiatrie, Qualitätssicherung oder in Palliativmedizin auf den neuesten Stand bringen können. Außerdem setzen wir auf eine neue Form der Berufsorientierung, um die bisher typische Orientierung der Geschlechter aufzuheben. Beim Boys’ Day
werden die pflegerischen Berufe gezielt für Jungen vorgestellt und es wird ihnen vermittelt: Altenpfleger ist ein Beruf mit Zukunft und auch eine Chance hier in Sachsen, Ausbildung und Arbeit zu finden.
Ich bin überzeugt, dass all diese Maßnahmen für eine Verbesserung der Pflegequalität sorgen werden. Es wird verbindliche Standards für die Pflegequalität geben und die Qualitätsprüfungen vor Ort werden deutlich strenger und häufiger.
Der Medizinische Dienst in Sachsen und die Heimaufsichten haben mir im Übrigen bestätigt, dass die überwiegende Mehrheit der Einrichtungen verantwortungsvoll und mit den erforderlichen Fachkräften geführt wird.
Bei all den negativen Schlagzeilen über Missstände in der Pflege sollten wir nicht das Kind mit dem Bad ausschütten. Die meisten Heime arbeiten gut und den Pflegekräften gehört in erster Linie unser Dank und nicht unser Misstrauen.
Meine Damen und Herren! Ich weiß uns in dem Bemühen einig, dass pflegebedürftige Menschen in Würde in unserer Mitte leben sollen. Ich werbe aber auch für Verständnis. Veränderungen brauchen nicht nur Geld, Veränderungen brauchen auch Ausdauer und Geduld. Beides, meine Damen und Herren, werden wir aufbringen.
Meine Damen und Herren! Ihnen liegt ein Entschließungsantrag zur Großen Anfrage in der Drucksache 4/14977 vor. Die Linksfraktion möchte ihn jetzt einbringen; bitte.
Frau Präsidentin! Ja, auch wir – das stelle ich ausdrücklich voran – haben kein Misstrauen gegen die vielen engagierten Pflegekräfte, vornehmlich eben auch wieder Frauen, in unseren sächsischen Pflegeheimen. Man kann sich nicht oft genug für das Engagement und die Hingabe im humanistischen Sinne bedanken.
Misstrauen, wenn überhaupt, haben wir gegen den Kurs der Staatsregierung. Das will ich dann schon klarstellen. Deswegen gibt es unseren Entschließungsantrag, der im zweiten Teil auf eine Reihe von notwendigen Handlungsfeldern orientiert.
Ich will aber noch einmal auf eines aufmerksam machen, weil das hier nicht so stehen bleiben kann. Ja, meine sehr verehrten Damen und Herren, ich habe das von diesem Pult aus schon sehr oft getan. Die Pflegesituation in der DDR war wahrlich kein Ruhmesblatt. Das gebe ich zu. Wir werden uns auch zu keiner Zeit in irgendeiner Weise hinstellen und das etwas schönreden. Aber, meine sehr verehrten Damen und Herren, ich mahne auch Differen
ziertheit an. Wir dürfen auch mit dem Blick 20 Jahre zurück nicht zulassen, dass das etwa das große Engagement der damals in den Pflegeheimen Tätigen einschließt. Das darf nie in Vergessenheit geraten. Manchmal wurden zum Teil katastrophale Zustände in den Heimen, für die man sich schämen muss, durch stärkeres Engagement und durch Hingabe der Pflegekräfte auszugleichen versucht. Man konnte es nicht, aber zumindest wurde versucht, die Situation etwas abzumildern. Das soll hier deutlich gesagt werden.
Zum Punkt 4 unter I eine Bemerkung, weil das vorhin nicht verstanden wurde, denn ich will ja, dass Sie zustimmen. Deshalb will ich es Ihnen erklären.
Wenn Sie die Frage stellen, weshalb die Kommunen künftig in Größenordnungen zusätzlich beim Sozialhaushalt belastet werden, kann ich Ihnen antworten. Das hängt damit zusammen, dass sie künftig aufgrund dessen, dass die Privatisierungsquote erheblich zugenommen hat, kaum noch Anteil am sogenannten Pflegemarkt haben. Es ist völlig klar, dass wegen des Wegfalls der Fördermittel, was wir bedauern, Pflegesätze und Mieten in den Heimen entstehen, die in Zukunft schon deshalb von den Kommunen übernommen werden müssen, weil die Altersarmut in Deutschland in hohem Maße zunehmen wird. Das wissen wir doch alle. So versteht sich Punkt I Nr. 4 unseres Entschließungsantrages.
Auf eines möchte ich noch aufmerksam machen, weil auch das bisher keine ausreichende Rolle gespielt hat. Wir brauchen nicht nur im stationären Bereich eine stärkere Kontrolle durch die staatliche Heimaufsicht. Es kann doch nicht angehen, dass im ambulanten Pflegebereich überhaupt keine Kontrollen stattfinden. Das geht nicht. Auch das müssen wir ändern.
Insofern kann ich Sie nur bitten, unserem Antrag heute zuzustimmen. Ich appelliere insbesondere an die SPDFraktion, weil ich aus dem Vortrag von Frau Dr. Schwarz herausgehört habe, dass Sie uns mit ihrer Programmatik in der Altenpflege näher steht als die CDU-Fraktion. Befreien Sie sich heute und stimmen auch Sie unserem Antrag zu, verehrte Freunde von der SPD-Fraktion!
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Zunächst möchte ich eine Vorbemerkung machen. Die Reaktion von Herrn Pellmann zum Zwischenruf meines Kollegen Rolf Seidel war vollkommen unangemessen. Ich bedauere, dass Herr Pellmann sich zunehmend eines rüpelhaften Tones in diesem Hause bedient.
Zunächst einmal zu den zwei Teilen des Entschließungsantrages, wie sie jetzt auch noch einmal vorgestellt worden sind. Zu Teil 1. Wir haben alle gemeinsam unsere
Anerkennung und unseren Dank an das Pflegepersonal ausgesprochen. Herr Staatsminister Kupfer hat es namens der Staatsregierung ebenfalls getan. Wir halten es nicht für notwendig, deswegen einen Entschließungsantrag zur Debatte zu stellen. Zu Teil 2. Herr Pellmann sagt zu Recht, dass es darum geht, ein Stück Misstrauen gegen die Regierung abzubauen: „Es wird mittel- und langfristig eine zusätzliche Belastung kommunaler Sozialhaushalte beträchtlichen Ausmaßes erwartet.“ Meine Damen und Herren, das sehen wir überhaupt nicht so. Wir sehen die Sache mit einer Mischung von gemeinnützigen, kommunalen und freien Trägern in der Altenpflege gut aufgestellt, sodass diese Aussage geradewegs falsch ist.