Wir denken auch nicht, dass eine doppelte Facharztschiene unnötige Kosten verursachen würde. Es gibt genügend gesundheitsökonomische Untersuchungen, die beweisen, dass es teurer wäre, wenn fachärztliche Leistungen ausschließlich in Krankenhäusern angeboten würden. Auch die Versorgungsqualität würde sinken, weil die Wege für den Patienten länger würden und die Versorgung unpersönlicher. Deshalb halte ich nichts von derartigen Planspielen. Ich glaube übrigens nicht, dass die Honorarreform zielgerichtet auf den Weg gebracht wurde, um die Fachärzte zu schwächen. Trotzdem haben sich viele von ihnen mit Eingaben und Beschwerden an das Staatsministerium für Soziales gewandt.
Ich habe das Gefühl, die sächsischen Ärzte und Patienten sind die Leidtragenden eines Spiels zwischen den Gremien auf Bundesebene und der regionalen Selbstverwaltung, bei dem der schwarze Peter immer hin- und hergeschoben wird.
Für die richtige Bewertung der jetzigen Probleme mit der Honorarverteilung muss man drei Dinge wissen.
Erstens. Mit der Honorarreform werden die Rahmenbedingungen für die Honorarverteilung nicht mehr regional festgelegt, sondern auf Bundesebene. Im sogenannten Bewertungsausschuss sind die Spitzengremien der Ärzte und der Krankenkassen vertreten. Die Sächsische Staatsregierung ist nicht involviert. Die konkrete Honorarverteilung wird auf der regionalen Ebene vorgenommen, und zwar von der Kassenärztlichen Vereinigung Sachsen und der Selbstverwaltung der in Sachsen tätigen Krankenkassen. Eine Analyse des SMS hat ergeben, dass sich diese Vertragspartner bei der Honorarverteilung an die von der Bundesebene vorgegebenen Rahmenbedingungen halten.
Zweitens. Bevor die Honorare an die Ärzte verteilt werden können, müssen auf regionaler Ebene sogenannte Vorwegabzüge und Rückstellungen beiseitegelegt werden. Auch das entspricht den Vorgaben der Bundesebene. Dadurch konnte letztendlich weniger Geld für die sogenannte Basisversorgung verteilt werden und Ärzte haben zum Teil weniger Honorar bekommen als im Vorjahr.
Drittens. Eine weitere Ursache liegt darin, dass die Verteilungssystematik geändert wurde. Das betrifft besonders die Fachärzte. Statt nach individuellen Praxisgegebenheiten erfolgt die Vergütung jetzt nach Arztgruppen, beispielsweise die Gruppe der Hals-Nasen-Ohren-Ärzte. Für jede Gruppe wird ein Mittelwert gebildet, der aussagt, wie viele Leistungen für einen Patienten dieser Arztgruppe im Durchschnitt angerechnet wurden. Daran orientiert sich die Vergütung. Sie wird also stark vereinheitlicht und die tatsächlich erbrachte Leistung wird wenig berücksichtigt.
In der Detailebene hat also das Bundesgesundheitsministerium keinen Einfluss auf die Honorarverteilung genommen. Im Gegenteil: Maßgeblich verantwortlich für die Erarbeitung der Verteilungskriterien war die Kassenärztliche Bundesvereinigung. Diese ist für das Ausmaß an Bürokratie genauso verantwortlich wie die Politik.
Darüber hinaus halte ich es für gefährlich und unverantwortlich, die Schwierigkeiten einer Honorarreform als Argument dafür heranzuziehen, die Kassenärztliche Vereinigung abzuschaffen.
Die Abschaffung der Kassenärztlichen Vereinigung würde nicht automatisch zu mehr Verteilungsgerechtigkeit führen und mit dieser Abschaffung ginge eine ganz wesentliche gemeinwohlorientierte Aufgabe verloren. Denn die Kassenärztliche Vereinigung bzw. die Kassenärztlichen Vereinigungen, es sind ja mehrere, haben den Auftrag, eine flächendeckende ärztliche Versorgung sicherzustellen.
Wer sollte diese Verantwortung übernehmen? Wer sollte die richtigen Anreize setzen, damit Unterbesetzungen abgewendet würden? Wer wäre dann unser Partner, wenn es um den Ärztemangel ginge?
Die vielen Maßnahmen, die wir in dieser Hinsicht in Sachsen umgesetzt haben, wären ohne die Kassenärztliche Vereinigung Sachsen undenkbar. Bei allen Problemen also, die mit kassenärztlichen Vereinigungen verbunden sind: Eine praktikable Alternative gibt es nicht. Jedes andere Modell würde die Einzelinteressen der Akteure höher als die Interessen der Bürgerinnen und Bürger an einer wohnortnahen medizinischen Versorgung werten. Diese liegt meines Wissens nach auch den Kolleginnen und Kollegen der FDP-Fraktion nahe.
Es ist bezeichnend, dass die Abschaffung der Kassenärztlichen Vereinigungen bisher nur von Politikern solcher Regionen gefordert wurde, in denen es Überversorgung gibt. Unsere Aufgabe ist es aber, die Interessen aller sächsischen Bürgerinnen und Bürger im Blick zu behalten.
Die Sächsische Staatsregierung ist sich der aktuellen Probleme in der Gesundheitspolitik sehr genau bewusst. Weil sie sich aber um Lösungen kümmern muss, weiß sie auch, dass wir weder auf niedergelassene Fachärzte noch auf Kassenärztliche Vereinigungen verzichten können.
Frau Präsidentin! Verehrte Damen und Herren! Es ist wirklich manchmal gut, man hört sich erst die Standpunkte der Staatsregierung an. Das kann doch zu mehr Klarheit führen und erleichtert dann die Reaktion.
Ich möchte mich zunächst auch namens meiner Fraktion für die Debatte bedanken. Wir führen bekanntermaßen nicht zum ersten Mal solche Diskussionen. Das ist in der Tat wahr. Aber solche Debatten sind, wenn es um Problemlösungsansätze und Problemlösungsnotwendigkeiten geht, in jedem Fall nicht sinnlos.
Ich möchte auch anmerken, was in Krisensituationen notwendig ist. Unser Gesundheitsstruktursystem ist in einer Krise, davon gehe ich fest aus. Das hat erst einmal noch nichts mit einer Krise der Versorgung schlechthin zu tun, sondern wir haben eine Strukturkrise und nach wie vor auch einen Reformstau. Aber genau in solchen Situationen ist manchmal vielleicht auch etwas mehr Gelassenheit angezeigt und vor allem angezeigt, dass man nicht zu rasch zu Schnellschüssen neigt.
Denn an einem kranken alle Reförmchen und Reformen der letzten 30 Jahre im Gesundheitssektor der Bundesrepublik: Man war nie bereit – gleich unter welcher Regierung –, wirklich die Wurzeln im Gesundheitssystem mal anzuschauen, geschweige denn anzufassen. Das ist das Problem und das sind die Ursachen. Da werden wir, wenn das so weitergeht, in drei, vier, fünf Jahren das Gleiche – wenn auch möglicherweise mit anderen Details – erleben.
Genau deswegen, denke ich, geht es um mittelfristige Überlegungen. Frau Herrmann, Frau Schwarz und ich, wir sind uns sicher einig: Wir brauchen eine Bürgerversicherung, ganz gleich, wie wir sie nennen. Wir brauchen aus meiner Sicht auch eine Einheitskasse, ob Sie das wollen oder nicht.
Es ist doch in der Demokratie gut und richtig, da können sich Wähler entscheiden, wofür sie sind, wenn man nicht um den heißen Brei herumredet.
Man kann sich als Wähler entscheiden, ob man für ein solches System oder für das antiquierte System, das Sie fordern, ist. Das ist die Entscheidungsfrage, vor der man stehen kann.
Das Gleiche gilt für die Kassenärztlichen Vereinigungen. Da stimme ich Prof. Lauterbach zu. Wenn es eben nicht möglich ist, dass diese Institution, die im Übrigen auch erheblich historisch belastet ist – das nur am Rande –, in der Lage ist, den Sicherstellungsauftrag ordnungsgemäß zu erfüllen, dann muss man über ihre Existenz nachdenken. Das ist doch das Normalste der Welt. Es hat doch niemand Existenzberechtigung wie ein ehernes Gesetz.
Insofern muss man prüfen – das fordern wir auch –, was mit der Kassenärztlichen Vereinigung wird. Ist sie die Institution, die wirklich Interessen von Ärzten vertritt, oder ist sie das nicht? Wir wissen ja, dass wir genügend andere berufsständische Organisationen von Ärzten haben.
Es ist dann – darin gebe ich Ihnen recht, Herr Kupfer – die Frage zu stellen, wer den Sicherstellungsauftrag übernimmt. Dazu sage ich Ihnen: Zunächst einmal hat der Staat den Sicherstellungsauftrag nur weitergereicht. Das wollen wir doch einmal festhalten.
Denn der Staat hat eine Daseinsvorsorgeverpflichtung gegenüber allen. Er kann diese Verpflichtung delegieren. Aber wenn diese Delegierung dazu führt, dass das nicht mehr hinhaut, muss man sich überlegen, ob es noch wie bisher geht.
Eine letzte Bemerkung: Ja – und das gehört zum Anfassen der Wurzeln –, wir müssen in der Tat über die Doppelstruktur im Gesundheitswesen in Deutschland nachdenken. Das, was wir hier erleben, ist fast einzigartig in der Welt. Das führt unter anderem dazu – auch das haben Gesundheitsexperten ausgerechnet –, dass 30 bis 40 Milliarden Euro im Jahr sozusagen eingespart werden könnten, wenn wir zu einer anderen Struktur kämen.
Das geht nicht von heute auf morgen. Wir wollen auf keinen Fall Ärzte in ihrer Existenz bedrohen oder etwa die Abschaffung der niedergelassenen Ärzte fordern. Wir können nicht in jedem Dorf eine Poliklinik schaffen. Das wissen wir auch. Aber wir können uns sehr wohl vorstel
len, dass in jedem wichtigen Dorf mindestens ein Arzt vorhanden ist, sodass auch dort die medizinische Versorgung gewährleistet ist.
Lassen Sie uns endlich ernsthaft an die Sache herangehen, anstatt immer wieder Jahr für Jahr über neue kleine Reförmchen nachzudenken, die dann scheitern. Das erleben wir gegenwärtig.
Ich sehe jetzt keinen Diskussionsbedarf mehr. Damit schließen wir diese Debatte ab und beenden den Tagesordnungspunkt.
Im Nachgang zu meiner Kleinen Anfrage zur LutherDekade (Drucksache Nr. 4/13882) hat Herr Landesbischof Bohl den Vorschlag unterbreitet, eine Lucas-CranachAusstellung anlässlich dessen 500. Geburtstages durchzuführen.
Ich frage die Staatsregierung: Wird die Staatsregierung diesen Vorschlag des Landesbischofs aufgreifen, und wie sehen die konkreten Planungen dazu aus?
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Vorschlag von Landesbischof Bohl klingt interessant, und die Staatlichen Kunstsammlungen Dresden werden ihn auch in ihre Überlegungen für die Vorbereitung einbeziehen.