Ich glaube, das funktioniert eben so nicht. Wer angesichts dieser Ankündigung noch an eine Verbesserung der Bildungsqualität glaubt, meine Damen und Herren, der hat die Bodenhaftung längst verloren.
Der vorliegende Haushaltsplan zeigt eines ganz klar: Nicht der Kultusminister bestimmt die Leitlinien der Bildungspolitik hier in Sachsen, sondern der Kollege Metz, der Finanzminister.
In Richtung SPD kann ich nur sagen, meine Damen und Herren: Sie spielen eine sehr traurige Rolle. Sie haben im Wahlkampf mit einem Thema versucht zu punkten, und das war das Thema Bildungspolitik.
Sie haben die Erwartungen der Sachsen in einen Wandel bei der Schulpolitik bitter enttäuscht. Das zeigen doch die Reaktionen der Schüler, Lehrer und Eltern. Das können Sie nicht ignorieren, Herr Jurk.
Herr Jurk, ich komme noch auf Dinge, die ich durchaus positiv finde. Statt Ihre Handschrift im Kultusetat wirklich zu hinterlassen, machen Sie sich zum Erfüllungsgehilfen der CDU-Schulschließungspolitik. Das kann man doch herauslesen.
Ich will gern zugeben, dass es der FDP nicht leicht fällt, mit diesem Haushaltsplan umzugehen, denn Sie rechnen
uns ja ständig Personalüberhänge vor. Statistisch müsste es bereits deutlich mehr Lehrer geben, als für die Unterrichtsabsicherung notwendig sind. Doch wie sieht es in der Praxis aus? Sie haben letztens als Abgeordnete viele Schreiben von Schulen bekommen. Vielleicht reden Sie gelegentlich auch mit den Schulleitern, mit betroffenen Schülern und Eltern. Dort stellen wir fest, dass dieser Überhang gar nicht da ist und dass er nicht nur mit Fehlsteuerungen oder ein paar falschen Einsätzen von Lehrern zu begründen ist.
Das ist ein Glück, dass die FDP hier im Landtag ist. Bei der letzten Debatte hatten Sie das noch nicht. Da haben Sie ganz Recht.
Woran liegt das? Das liegt eben daran, dass die Rechnung, weniger Schüler gleich weniger Lehrer, nicht unbedingt aufgeht. Das ist auch kein Wunder, weil beispielsweise das Kultusministerium von einer durchschnittlichen Klassengröße von 25 Schülern ausgeht. Wie sieht es in der Praxis aus? In den Grundschulen liegt sie bei zirka 19 Schülern, an den Gymnasien bei 23 Schülern. Wenn man natürlich so rechnet, dann ist der Stundenausfall vorprogrammiert und die Bedarfsanalyse, Ihre Planungsgrundlage, ist ganz klar Makulatur. Ich kann da den Frust der Lehrerverbände und der Gewerkschaften gerade bei den laufenden Tarifgesprächen durchaus verstehen. Statt die Planzahlen der Realität anzupassen, versuchen Sie die Realität der Planung des Kultusministeriums anzupassen. Herr Flath, auch wenn Sie zaubern könnten, so wird Ihnen dieses Kunststück nicht gelingen.
Das sächsische Schulwesen krankt an einem Systemfehler. Ich sage ganz klar: Es mag unter den Bedingungen, unter denen es eingeführt wurde, funktioniert haben. Da hatten wir auch andere Schülerzahlen. Ich halte Ihnen durchaus zugute, dass Sie es mit möglichst vielen differenzierten Angeboten, die Sie schaffen wollten, ernst meinen. Doch 14 Jahre nach der Einführung müssen wir uns einmal fragen, ob wir eine kritische Bestandsanalyse vornehmen müssen. Angesichts sinkender Schülerzahlen stehen wir vor einer wichtigen Entscheidung. Was wollen wir denn eigentlich? Wollen wir Schulstandorte, die noch in der Region verwurzelt sind, oder wollen wir wenige Zentralschulkombinate?
Meine Damen und Herren, die Schulpolitik, die SPD und CDU machen, funktioniert für die drei Großstädte in Sachsen. In den ländlichen Regionen sorgen sie für einen Kahlschlag.
Herr Flath hat gesagt, wenn eine Schule schließt, stirbt ein Teil des örtlichen Lebens, geht Kultur verloren. Auch diesen Satz, Herr Flath, kann ich durchaus unterstreichen. Sie haben Recht. Nur die Schlussfolgerungen sind die falschen, denn Ihnen und den Koalitionsfraktionen fehlt der Mut, das sächsische Schulsystem kritisch zu hinterfragen. Ihnen fehlt auch der Mut zuzugeben, dass vielleicht Entscheidungen, die in der Vergangenheit getroffen wurden, heute so keinen Bestand mehr haben können. Die Kultusbürokratie, meine Damen und Herren, ist überfordert, trotz sinkender Schülerzahlen den Stundenausfall zu verhindern. Was Kollege Dulig hier angeführt hat, war quasi eine Bankrotterklärung an die Mitarbeiter in den Regionalschulämtern. Ich bin der Meinung, wir können die Regionalschulämter abschaffen, weil ich glaube, dass sie nicht die Lösung sind. Aber dann sollte man das klar sagen, denn die Situation von Schule zu Schule ist heute einfach zu unterschiedlich, als dass diese zentrale bürokratische Ressourcenteilung, die viel mit Planwirtschaft zu tun hat, überhaupt noch funktionieren könnte.
Wir wollen als FDP mehr Freiräume, mehr Eigenverantwortung an den Schulen. Das betrifft die Lehrereinstellung, die Unterrichtsgestaltung, aber auch die Möglichkeit, Finanzen zu gestalten. Nur so kann es gelingen, eine echte Identifikation von Schülern, Eltern und Lehrern und von dem regionalen Umfeld, auch regionalen Unternehmen, mit ihrer Schule zu erreichen. Nur so kann es überhaupt gelingen, das hier schon oft vielbeschworene Schulklima und damit auch eine bessere Unterrichtsqualität zu erreichen. Mit Schulkombinaten wird das nicht funktionieren.
Wir sind hier in Sachsen, Dr. Hähle, und ich bin ganz froh, dass ich nicht in Nordrhein-Westfalen lebe. Dort gibt es ja auch Rot-Grün.
Ich finde es übrigens erstaunlich, dass die Zahl von Schülern, Lehrern und auch von Schulstandorten, also von Schulen, seit Jahren sinkt, doch die Anzahl der Mitarbeiter gerade in den Regionalschulämtern bleibt fast gleich. Im Gegenteil: In den vergangenen Jahren ist sie sogar noch leicht gewachsen. 491 Lehrerstellen sind durch Abordnungen oder anderweitigen Einsatz dem praktischen Schuldienst vor Ort entzogen. Hier liegen Reserven, die längst nicht gehoben sind. Hier hätte man auch schon vor Jahren initiativ werden können, weil diese Zahlen nicht erst in den letzten Monaten entstanden sind.
Bei aller Kritik und auch als Opposition will ich es nicht versäumen, auf einige positive Weichenstellungen hinzuweisen. Herr Jurk, Sie haben das Thema Ganztagsschulen und vorschulische Bildung angesprochen. Ich denke, hier ist vieles in die richtige Richtung angeschoben. Auch für die FDP kann ich erklären, dass wir das ausdrücklich unterstützen, weil dort die Defizite echt groß sind und etwas getan werden muss.
Diese Lichtblicke, meine Damen und Herren, überdecken jedoch nicht die Schattenseiten des Haushalts. Ihre Vorschläge, jetzt im Haushalt festgeschrieben, bleiben ja teilweise sogar hinter dem zurück, was Sie im Koalitions
vertrag geschrieben haben. Nun sagt Herr Flath, ein Koalitionsvertrag ist nicht bindend. Das ist richtig. Es ist zunächst einmal eine Absichtserklärung. Ich gehe davon aus, wenn Sie die Absicht haben, etwas zu schaffen, wollen Sie das auch in der praktischen Tagespolitik umsetzen. Statt 800 zusätzlicher Stellen an den Grundschulen steht im Haushaltsplan netto – verglichen mit 2004 – ein Plus von 393 Stellen. Da helfen auch Rechentricks mit kw-Stellen nichts, meine Damen und Herren, das müssen Sie akzeptieren. Wir stellen übrigens einen Änderungsantrag, dann können Sie diesen Fehler ausmerzen. Wir sorgen für die 800 Stellen, auch wenn wir ein Stück weit zur Erfüllung des Koalitionsvertrages beitragen.
Gestatten Sie mir bitte noch ein Wort zu den Schulen in freier Trägerschaft. Hier wurde angekündigt, dass es eine Novellierung des entsprechenden Gesetzes gibt. Auch Herr Colditz hat es vorhin erwähnt. Es soll eine Verkürzung der Wartezeiten geben. Doch im Haushalt, meine Damen und Herren, ist kein einziger Euro zusätzlich neben dem, was jetzt bereits gesetzlich erforderlich ist, eingestellt. Hier wird die Öffentlichkeit ganz einfach verschaukelt, weil es ein solches Gesetz nicht zum Nulltarif geben kann.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der vorliegende Einzelplan ist kein Beitrag zu einer höheren Bildungsqualität in Sachsen. Er ebnet den Weg zur Massenstreichung von Lehrerstellen, er ebnet den Weg zu einem weiteren dramatischen Schulsterben auf dem flachen Land. Ich sage ganz klar: Das sind die falschen Lehren aus „Pisa“. Sachsen wird damit im europäischen Bildungswettbewerb weiter zurückfallen.
Aus Verantwortung für unser Land, für die Schüler, für die Eltern und Lehrer lehnen wir diesen Haushalt deshalb auch ab.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der heute zu beschließende Einzelplan 05 ist in Zahlen gegossene Bildungspolitik. Wir haben – schon bevor der Einzelplan aufgerufen wurde – sehr emotionale Anmerkungen vonseiten des Ministerpräsidenten zur Bildungspolitik im Lande gehört; Herr Colditz ist mit Inbrunst in die Debatte eingestiegen – man könnte ja fast denken, Sie haben ein schlechtes Gewissen. Denn: Uns Demagogie vorzuwerfen, noch bevor wir als Opposition das Wort ergriffen haben, ist sehr, sehr schwierig.
(Rita Henke, CDU: Das wissen wir doch aber schon! – Dr. André Hahn, PDS: Sie überraschen uns vielleicht! – Weitere Zurufe – Glocke des Präsidenten)
Also, ich sehe mich bestätigt, ich finde es wirklich beeindruckend – manchmal könnte man meinen, Kultuspolitik wird hier mit der Axt im Walde betrieben. Wir haben deutlich gehört, dass neue Akzente gesetzt wurden. Die Sozialdemokraten kämpfen immer noch tapfer, wir warten auf die Ergebnisse. Wir sehen im Moment Schulpolitik als Billigvariante. Wir haben eine Pro-KopfVerausgabung von 4 000 Euro pro Schüler inklusive Verwaltung – damit sind wir an vorletzter Stelle von 16 Bundesländern. Man könnte ja sagen, na gut, unter fiskalpolitischer Maßgabe ist das vielleicht eine günstige Angelegenheit; man muss aber schauen, was dabei herauskommt. Wir haben 10 % Schüler eines Jahrganges, die die Schule verlassen, ohne zu einem Schulabschluss zu gelangen. Wir haben insgesamt ungefähr ein Viertel Schüler – 25 % –, die zur so genannten Risikogruppe gehören. Normalerweise hört man dann aus Ihren Reihen, das ist im Westen vielleicht noch schlimmer. Aber wir schaffen das ganz und gar ohne Migrationshintergründe. Wir haben einfach keine Kinder, von denen man sagen muss, sie haben ein so schlechtes Ausgangsniveau, was die deutsche Sprache anbelangt, dass dies gerechtfertigt sein könnte. Das heißt, die Defizite müssen im sächsischen Bildungssystem zu finden sein.
Praktisch wurden keine Konsequenzen aus „Pisa“ gezogen. Wir haben es vorhin wieder gehört: Es wird sich immer noch in dem sanften Licht gesonnt, dass wir den dritten Platz im innerstaatlichen Vergleich belegt haben, aber wir können ja damit überhaupt nichts anfangen. Wir haben eine Abiturquote, die relativ gering ist, um die 30 %. Vorhin wurde uns angedroht, wenn wir jetzt die Zugangskriterien „aufweichen“, um zum Gymnasium zu kommen, dann würde das quasi zu einem Billigabitur führen. Wer so etwas äußert, der zeigt, dass er die Zeichen der Zeit überhaupt nicht erkannt hat. Es geht nicht darum, ein Billigabitur für alle zu ermöglichen, sondern es geht darum, möglichst breiten Bevölkerungsgruppen den Zugang zu qualifizierter Bildung zu ermöglichen. Das bedeutet, dass wir uns abkehren müssen vom drei- oder mehrgliedrigen Schulsystem. Solange wir immer nach unten durchreichen – vom Gymnasium zur Mittelschule, von der Mittelschule zur Hauptschule, von der Hauptschule zur Förderschule –, werden wir natürlich immer die Möglichkeit haben zu sagen: Die schaffen es nicht, wir haben ja noch andere pädagogische Möglichkeiten. Wenn man sich aber der Notwendigkeit bewusst ist, dass man Potenzial, dass man Fähigkeiten aus Schülern herauslockt durch pädagogische Arbeit, dann muss man eine ganz andere Konsequenz ziehen. Das muss sich dann auch ganz anders im Haushaltsplan niederschlagen.
Herr Colditz hat es vorhin ja schon richtig erkannt: Die Mittelschulen werden sich dadurch verändern, dass wir neue Zugangskriterien bei den Bildungsempfehlungen haben. Ich möchte nicht, dass Mittelschulen die „Restschulen“ unseres Schulsystems sind; das liegt aber in Ihrer Verantwortung. Wenn wir nämlich feststellen, dass
wir ganz deutliche Unterschiede haben, was den Erfolg von Mittelschulen im sächsischen Vergleich anbelangt, dann stellen wir fest: Es gibt Regionen, in denen ganz besonders viele Schulversager produziert werden, während es Regionen gibt, wie zum Beispiel Dresden, in denen der Anteil relativ gering ist.
Das zeigt uns doch aber deutlich, dass es hier einen besonderen pädagogischen Förderbedarf gibt. Wenn wir dann quasi mit der Gießkanne drüber gehen und sagen, wir haben für alle die gleichen Kriterien – jede Schule, jede Klasse bekommt so und so viele Lehrer für so und so viele Schüler –, dann werden Sie keine differenzierte pädagogische Arbeit vornehmen können. Das heißt, diese Brennpunktschulen, die Sie als Restschulen bezeichnet haben – was ich ja sehr bedenklich finde –, bedürfen eigentlich Ihrer besonderen Aufmerksamkeit und Unterstützung. Hier erwarten wir Aktivitäten.
Wir schlagen zum Beispiel vor, mehr Lehrer dorthin zu entsenden. Stattdessen planen Sie, ein Drittel der sächsischen Mittelschulen aus demografischen Gründen aufzugeben. Das ist ja geradezu unmoralisch. Im ländlichen Raum werden Sie in Zukunft Mittelschulen suchen können, Sie werden lange Anreisen mit dem Busunternehmen haben – es ist vielleicht eine Branche mit Zukunft, muss man mal schauen –, Sie werden Kinder über Land schicken, über Stunden. Es ist geradezu unzumutbar.
(Uwe Albrecht, CDU: Tage! – Volker Bandmann, CDU: So groß ist Sachsen nun auch nicht! – Weitere Zurufe von der CDU)
Sie sollten es ruhig ernst nehmen. Sie kommen aus einer Gegend, in der man weite Wege fahren kann, Herr Bandmann. Im NOL-Kreis hat man dann wirklich viel zu bereisen, ganz vorsichtig.