Protokoll der Sitzung vom 26.06.2009

In der Vergangenheit wurde deutlich, dass aufgrund der veränderten Schulwege und des Wegfalls von Schulstandorten die Familien gleich mehrfach bestraft wurden: erstens durch den Wegfall des Schulangebotes vor Ort, zweitens mit Einschränkungen hinsichtlich der freien Schulwahl, die sich aus den Beförderungssatzungen der Kreise ergeben, und drittens durch steigende Preise, die den Familien übertragen worden sind. Wir sagen: Das ist unverantwortliche Politik!

(Beifall bei der Linksfraktion)

Die Konsequenzen Ihrer Versäumnispolitik sind jedenfalls absehbar: Marode Schulgebäude führen zu sinkender Attraktivität, diese wiederum führt zu sinkenden Schülerzahlen. Der Schulträger muss die Schule schließen, aber die Staatsregierung wäscht dabei ihre Hände in Unschuld. Diese Politik ist inhaltlich eine Katastrophe und in der Vorgehensweise unredlich, meine Damen und Herren.

Halten wir mal fest: Mit Ihrer Kahlschlagspolitik haben Sie undemokratisch am Mehrheitswillen der Bevölkerung vorbei regiert und sind dem demografischen Wandel nicht anders begegnet als mit dem Rotstift; und die Menschen merken sich das. Natürlich findet diese Debatte im Licht der im August stattfindenden Wahl und der Bilanz dieser Regierung statt. Wir stehen für eine Politik, die Schulschließungen vermeidet und nicht provoziert. Wir stehen für eine Bildungspolitik, die diesen Namen auch verdient. Wir stehen nicht für sinkende, sondern für steigende Bildungsausgaben und für eine Politik im Interesse von Schülerinnen und Schülern, Eltern, Lehrerinnen und Lehrern.

Vielen Dank.

(Beifall bei der Linksfraktion)

Ich erteile der Fraktion der SPD das Wort; Herr Dulig, bitte.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich weiß nicht, ob die FDP

erst die Anzeigen schaltet und dann überlegt, was sie sagt, oder umgekehrt.

(Holger Zastrow, FDP: Wir machen zwei Dinge auf einmal!)

Es ist reiner Populismus. Ich bleibe bei dem, was Herr Colditz hier gesagt hat. Wir sind hier in der letzten Plenarsitzung und es wird natürlich ein sehr populäres Thema – ohne Frage –

(Zuruf des Abg. Holger Zastrow, FDP)

auf die Tagesordnung gehoben und suggeriert, man könnte hier tatsächlich handstreichartig ein ganzes Schulkonzept mit einem Antrag beschließen.

(Zuruf der Abg. Cornelia Falken, Linksfraktion)

Das ist unredlich, weil wir wissen, dass es eben nicht nur um die Frage geht, ob man die Mindestschülerzahl ändert, sondern es geht generell darum, ein Schulnetz zu sichern, es geht generell darum, ein wohnortnahes Schulnetz zu erhalten und vor allem Zukunftsfähigkeit abzusichern.

Nun bin ich trotzdem der Letzte, der dieses Schulgesetz verteidigt. Dieses Schulgesetz ist deutlich älter als diese Koalition, daran sei an dieser Stelle auch noch einmal erinnert. Wir haben aber versucht, die Spielräume des Schulgesetzes gemeinsam so auszuweiten, dass wir weitere Schulschließungen durchaus verhindert haben. Ich erinnere daran, dass wir durch den Koalitionsvertrag zusätzliche Kriterien erarbeitet haben, um gerade im dünn besiedelten Raum Schulschließungen zu verhindern. Insgesamt sind dadurch 200 Schulstandorte erhalten geblieben.

Das Problem dabei ist nur, dass es für die Schulen, die erhalten wurden, eine Selbstverständlichkeit ist. Sie sehen es nicht als eine Leistung der Koalition, dass sie jetzt noch am Leben sind. Aber für die, die trotzdem geschlossen worden sind, ist es ein schwacher Trost, dass die Nachbarschule erhalten geblieben ist. Es ist mir schon klar, dass deshalb das Argument problematisch ist. Aber es sei an dieser Stelle schon noch einmal darauf hingewiesen, dass wir uns in dieser Koalition sehr wohl Gedanken darüber gemacht haben, ein wohnortnahes Schulnetz zu erhalten,

(Sebastian Scheel, Linksfraktion: Wann denn?)

und dass deshalb zumindest 200 Schulstandorte, die eigentlich zur Schließung vorgesehen waren, am Leben geblieben sind.

Wir haben massiven Handlungsbedarf; denn wenn wir uns nicht grundsätzlich überlegen, wie wir ein Schulnetz absichern, werden in einigen Jahren nur noch in den Kreisstädten weiterführende Schulen vorhanden sein. Die demografische Entwicklung geht ja weiter. Deshalb besteht Handlungsbedarf und wir müssen da grundsätzlicher herangehen – und durchaus mit kreativeren Lösungen –, als nur an der Frage der Mindestschülerzahl zu drehen. Es geht um die Frage der Absicherung von

Qualität und um die Frage der Absicherung von langfristigen Lösungen.

Nun wird es Sie nicht wundern, dass wir immer wieder auf Konzepte hinweisen, die wir von Anfang an diskutieren und die auch in der Frage der Sicherung der Schulstandorte eine Rolle spielen. Gemeinschaftsschulen sind eine Antwort darauf.

(Thomas Colditz, CDU: Nein!)

Auch wenn Sie es nicht gern hören, Herr Colditz, Gemeinschaftsschulen sind eine Antwort darauf, weil sie natürlich bis mindestens zur 8. Klasse die Schulgänge nicht trennen und weil deshalb mehr Schülerinnen und Schüler vor Ort an einer Schule sein können. Das ist das große Argument, das auch Ihre CDU-Bürgermeister überzeugt hat, die gesagt haben: Ja, wir wollen eine Gemeinschaftsschule. – Und das auch in Regionen, in denen die SPD gerade nicht sehr stark vertreten ist. Dort hat die CDU gesagt: Gute Lösung, machen wir!

(Beifall bei der SPD)

Vor Ort ist man also viel pragmatischer, weil man weiß, dass es tatsächlich darum geht, eine wohnortnahe Schule zu erhalten.

Es geht auch darum, zum Beispiel mit den Möglichkeiten, die das Schulgesetz jetzt schon hat, flexibler umzugehen. Ich frage mich, warum es nicht möglich ist, eine Schule an mehreren Standorten zu haben. Wer sagt denn, dass die Zweizügigkeit unter einem Dach sein muss? Auch das kann eine Lösung sein, um wohnortnahe Schulen zu erhalten.

Ich bleibe dabei: Es geht grundsätzlich darum, das Schulgesetz zu ändern,

(Zuruf der Abg. Julia Bonk, Linksfraktion)

und wir werden dafür auch kämpfen. Gemeinschaftsschule ist eine Antwort, die Frage der Zügigkeit durchaus auch. Aber bitte mit einem langfristigem Konzept, denn das hat etwas mit Haushaltsstellen zu tun, es hat mit Lehrerstellen zu tun. Das hat etwas mit dem Schülerverkehr zu tun, und dabei sind die Kommunen mit im Boot. Ich kann nicht akzeptieren, dass der Schülerverkehr so organisiert wird, dass sich der Schulbus in konzentrischen Kreisen langsam auf die Schule zubewegt und die Kinder trotz niedrigerer Kilometerzahl länger im Bus sitzen, weil größere Entfernungen abgewickelt werden müssen, um viele Orte in diesen Schulverkehr einzubeziehen. Dort habe ich den Eindruck, dass viele Kommunen ihren öffentlichen Personennahverkehr auf den Schülerverkehr abschieben. Das kann nicht Sinn und Zweck der Sache sein.

Deshalb sage ich: Das ist nicht im Handstreich mit einem Antrag zu machen. Da braucht man schon tiefgründigere Überlegungen, aber dafür ist die FDP nun wirklich der falsche Ansprechpartner.

(Beifall bei der SPD – Zurufe der Abg. Cornelia Falken, Linksfraktion, und Holger Zastrow, FDP)

Ich erteile das Wort der Fraktion der NPD; Frau Schüßler, bitte.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Sozusagen kurz vor Toresschluss erfreut uns die FDP mit einer Aktuellen Debatte zum Thema Schulschließungen. Dazu hatte sie ursprünglich einen Antrag eingebracht, der vor allem einen umfassenden Bericht von der Staatsregierung zu den Schulschließungen seit den Neunzigerjahren einforderte. Wegen des besseren Zeitpunktes in der Tagesordnung am Vormittag ist die FDP nun auf eine Aktuelle Debatte umgestiegen.

Besonders aktuell ist das Thema aber nun nicht gerade. Es war vor fünf Jahren noch aktueller, als massenhaft Schulschließungen vorgenommen wurden oder vor der Tür standen. Aber auch jetzt noch müssen wir befürchten, dass weitere Schulschließungen, vor allem im ländlichen Raum, vorgenommen werden. Dagegen – insoweit stimmt die NPD den Liberalen sogar zu – muss etwas getan werden.

Uns fehlt bis heute ein Gesamtüberblick über die Auswirkungen der Schulschließungen, die unmittelbar mit der demografischen Katastrophe zusammenhängen. Darauf aufbauend könnte man dann Schlussfolgerungen für eventuell oder sicher gefährdete Standorte ziehen.

Geradezu bedrückend ist die Einfallslosigkeit, mit der die Staatsregierung – hier vor allem natürlich Kultus – dem Problem der Schulschließungen begegnet. Ich frage mich manchmal, ob die Kultusbürokratie das Problem überhaupt wahrnimmt. Fahren Sie doch einmal aus Dresden heraus in die Provinz, also in die Gegend außerhalb der von der Koalition sogenannten sektoralen Wachstumspole!

Ist die Schule im Ort erst einmal geschlossen, verfällt nach und nach das ganze Gemeindeleben. Die Schule ist auf dem Land nicht irgendeine Einrichtung, sondern von ganz zentraler Bedeutung. Wie will man außerdem wieder junge Leute in einen Ort locken, wenn deren Kinder vielleicht über eine Stunde in die nächste Schule fahren müssen?

Für uns Nationaldemokraten steht jedenfalls fest: Die Schulschließungspolitik der Staatsregierung – hier vor allem der CDU – ist eine Katastrophe für unser Land. Ihre Folgen werden erst ganz allmählich sichtbar und sind leider vielen Bürgern noch nicht richtig bewusst geworden.

Natürlich sind die fehlenden Schüler der Dreh- und Angelpunkt des Problems. Aber das Problem wurde noch verschärft, weil man stur an der generellen Zweizügigkeit der Schulen festhielt, obwohl auf dem Land nun mal eine niedrigere Schülerdichte existiert. Aber statt hier innovativ vorzugehen, wurden einfach immer mehr Schulen dichtgemacht.

Warum eigentlich keine Einzügigkeit? Warum kein jahrgangsübergreifender Unterricht und warum keine verringerten Klassenstärken?

Nein, immer wieder mussten die Sachsen erleben, wie Schulen geschlossen wurden. Bekanntlich sind es seit 1995 fast tausend Schulen gewesen.

Das Schulgesetz, meine Damen und Herren, ist kein Naturgesetz. Es kann geändert werden, man muss es nur politisch wollen. Nach Überzeugung der NPD gibt es dafür sogar eine verfassungsrechtliche Verpflichtung. Wo sind denn bitte noch die gleichwertigen Lebensbedingungen, wenn das eine Kind in der Großstadt einen Schulweg von fünf Minuten hat, während das andere Kind auf dem Land seine Zeit mit endlosen Busfahrten bis zur nächsten Schule verbringen muss? Diese Zustände sind völlig inakzeptabel.

In einem Punkt allerdings geben wir Herrn Staatsminister Wöller recht: Diese von der FDP beantragte Debatte und das damit verbundene Wahlkampfgetöse ist unreif. Ich bin sehr gespannt, wie sich die Liberalen nach der Landtagswahl zu diesem Thema positionieren werden.

Danke schön.

(Beifall bei der NPD)

Ich erteile das Wort der Fraktion der GRÜNEN; Frau Günther-Schmidt, bitte.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die verhängnisvolle Schulschließungspolitik der CDU, die sich auch unter Beteiligung der SPD leider fortgesetzt hat und deren Ende nicht wirklich absehbar ist, hat uns GRÜNE bereits Anfang 2005 dazu veranlasst, einen eigenen Entwurf für ein Schulgesetz vorzulegen, der mit der problematischen demografischen Entwicklung konstruktiv umgeht. Wir GRÜNE sind davon überzeugt, dass Schwankungen bei den Schülerzahlen nicht zwangsläufig zum Mitwirkungsentzug des Kultusministeriums und damit zu Schulschließungen führen müssen. Hier sind intelligentere Lösungen und natürlich das politische Bekenntnis gefragt.

Unser Gesetzentwurf sollte den einzelnen Schulen ausreichend Flexibilität einräumen, um je nach Bedarf auf die Entwicklung der Schülerzahlen reagieren zu können. Die Verengung des Blickwinkels bei den Vorgaben für die Schulnetzplanung im Lande auf Mehrzügigkeit verkennt nämlich völlig die pädagogischen Erfordernisse, so zum Beispiel, dass besondere Schularten mehr Lehrkräfte benötigen, wie zum Beispiel Ganztagsschulen, Brennpunktmittelschulen und eben auch Gemeinschaftsschulen.

Wir forderten damals und fordern noch heute unter anderem eine Senkung der Mindestschülerzahlen. Die Mindestzügigkeit und die Schülerzahl pro Klasse müssen aufgehoben werden.