Protokoll der Sitzung vom 19.05.2005

Die Wahrheit ist genau umgekehrt. Herr Minister Tillich, Sie haben gestern mit dieser Äußerung und mit dem Verweis auf diesen Artikel bewiesen, dass Sie nicht wissen, wovon Sie reden,

(Dr. Martin Gillo, CDU: Na!)

oder – um es etwas wohlwollender auszudrücken –, dass Sie vielleicht etwas verwechselt haben, und das nicht zum ersten Mal.

In dem Artikel, von dem Sie sprachen – ich habe ihn inzwischen genau durchgelesen –, geht es ausschließlich um Biodiesel, und zwar um Rapsmethylester. Ich habe aber in meinem Redebeitrag gestern ausschließlich über reines Pflanzenöl gesprochen. Ich möchte das hier nur klarstellen.

Ich wundere mich dann natürlich überhaupt nicht, wenn Sie bei so fundamentalen Wissenslücken Ihrerseits genauso wie Ihre Vorgänger im Amt an der Strategie festhalten wollen, den Wald dem fortschreitenden Klimawandel anzupassen, statt den Ursachen des Klimawandels konsequent zu Leibe zu rücken, und zwar auf die Art und Weise, wie ich es vorhin vorgeschlagen habe. Nachzulesen ist das ganz eindeutig im Vorwort zum vorliegenden Waldzustandsbericht.

Auf ein weiteres Problem hat die PDS-Fraktion seit dem Jahr 2000 Jahr für Jahr aufmerksam gemacht. Wir fordern seitdem immer wieder, die Art und Weise, also auch die Methodik der Waldzustandserhebung den veränderten Schadstoffeinträgen und den daraus resultierenden Folgen anzupassen, aber gleichzeitig eine wissenschaftlich fundierte Forschung zu Ursachen und Wirkungen zu betreiben, um auf dieser Grundlage langfristig wirksame Gegenmaßnahmen ergreifen zu können.

Ein Stichpunkt dafür ist die Verschiebung der Schadstoffeinträge von Schwefeleinträgen zu Stickstoffeinträgen. Inzwischen ist die verstärkte Ozonbildung eindeutig das entscheidende Stoffwechselgift für die Pflanzen geworden, was sich wiederum darin niederschlägt, dass sich die Schädigungen im sächsischen Wald deutlich von Nadelbäumen zu Laubbäumen verschoben haben.

Ein weiterer Stichpunkt ist, dass die über Jahre im Boden gespeicherten Schwefeleinträge jetzt zum Teil bis ins Grundwasser ausgetragen werden. Auch die Erforschung dieses Ursache-Wirkungs-Zusammenhangs mahnen wir seit längerem an. Außerdem ist mit diesen Schwefelausträgen auch eine Veränderung, eine Verarmung der Nährstoffinhalte im Boden zu verzeichnen.

Das alles nur als Stichpunkte, um deutlich zu machen, was wir mit unserer Forderung, die Waldzustandserhebung den veränderten Bedingungen anzupassen, meinen. Bei der diesjährigen Debatte im Ausschuss zum Waldzustandsbericht haben wir das letzte Mal darauf hingewiesen. Wir haben uns dabei auf eine Stellungnahme der Kommission für Ökologie der Bayerischen Akademie der Wissenschaften gestützt und diese Stellungnahme allen Fraktionen und auch der Staatsregierung zur Verfügung gestellt. Diese Kommission beschäftigt sich nicht explizit mit dem sächsischen Waldzustandsbericht, sondern mit dem Waldzustandsbericht des Bundesministeriums für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft.

Es wird dort darauf hingewiesen, dass die traditionelle, inzwischen zwanzig Jahre andauernde Waldzustandserhebung den neuen Bedingungen überhaupt nicht mehr entspricht und dass angesagt wäre, dort zu neuen Methoden überzugehen. Zum Beispiel wird gesagt, dass die breite Beobachtung und Darstellung des Kronenzustandes überhaupt keine Rückschlüsse darauf zulässt, wie sich das Ökosystem Wald langfristig verändern wird und welche Wirkungen dort überhaupt zum Tragen kommen werden, weil das immer nur eine Momentaufnahme ist.

Es werden in diesem Bericht auch ganz konkrete Vorschläge gemacht, in welche Richtung man die Waldzustandserhebung verändern könnte. Für Sachsen wäre das konkret, genauere und größere Stichproben bei Laubbäumen einzubeziehen, auch in weniger bewaldeten Gegenden. Es müssen dann ganz einfach in den Wuchsgebieten Methoden entwickelt werden, damit man auch in diesen weniger, aber gerade mit Laubbäumen bewaldeten Gebieten zu vernünftigen Aussagen kommen kann.

Was wir beobachten können, ist, dass die Staatsregierung in den letzten zwei, drei Jahren auf einige dieser Anregungen und Forderungen unsererseits schon eingegangen ist. Was uns immer noch fehlt, ist die fundierte Begleitforschung. Dort ist unserer Meinung nach immer noch viel mehr notwendig. Also, in Richtung Staatsregierung erkennen wir durchaus Bewegung in die richtige Richtung.

Was mich allerdings regelrecht vom Hocker gehauen hat, meine lieben Kolleginnen und Kollegen von der CDU- und von der SPD-Fraktion, ist Ihr Entschließungsantrag zum diesjährigen Sächsischen Waldzustandsbericht. Dieser Entschließungsantrag entbehrt jeglicher Substanz. Dafür zwei Beispiele:

Ich kann es beim besten Willen nicht nachvollziehen, wie die Waldzustandserhebung und die Dokumentierung der Daten dazu beitragen können, wie nur dieser Fakt dazu beitragen soll, dass die sächsischen Wälder stabilisiert werden. Das ist der erste große Kritikpunkt.

Das Zweite ist, welche Schlussfolgerungen diese beiden Fraktionen aus der von mir vorhin erwähnten und zum Teil erläuterten Stellungnahme dieser Kommission für Ökologie in Bayern gezogen haben. Ich glaube, im Ausschuss haben wir völlig aneinander vorbeigeredet, wenn Ihre einzige Schlussfolgerung aus den Anregungen dieser Kommission ist, dass Sie der Staatsregierung vorschlagen wollen, das Sächsische Waldgesetz dahin gehend zu ändern, dass die Waldzustandserhebung nur noch alle drei Jahre stattfinden soll. Das ist mehr als

dünn und es lohnt sich kaum, darüber überhaupt zu reden. Denn in diesem Bericht steckt viel mehr. Ich habe es gerade anzudeuten versucht.

Es ist natürlich sinnvoll – –

Frau Altmann, Ihre Redezeit ist zu Ende. Noch ein, zwei Sätze.

Ich kann an dieser Stelle auch Schluss machen und nachher noch etwas zum Entschließungsantrag sagen.

(Beifall des Abg. Dr. Roland Wöller, CDU)

Gut. – Dann rufe ich die SPD-Fraktion auf. Die Rede wurde ebenfalls zu Protokoll gegeben. – Die NPD hat sich laut Sprechzettel nicht gemeldet. – Die FDP-Fraktion, Herr Günther. Herr Günther verzichtet auch. – Dann die GRÜNEN. Die GRÜNEN nehmen teil. Bitte schön, Frau Hermann.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ein Drittel der Fläche Deutschlands ist bewaldet und allein aus dieser Tatsache erschließen sich die Bedeutung der Wälder für den Naturhaushalt und die Bedeutung der Waldpolitik für die Umweltpolitik. Aber der deutsche und auch der sächsische Wald sind krank, sehr krank. Sie gehören auf die ökologische Intensivstation. Der Wald und seine Bäume weisen Schäden auf wie nie zuvor. 60 % der Bäume in sächsischen Wäldern tragen deutlich erkennbare Schadensmerkmale und mehr als 80 % der Eichen und 50 % der Buchen sind nicht mehr gesund. Das ist zu viel, auch wenn der sächsische Wald im bundesdeutschen Vergleich noch gut abschneidet.

(Staatsminister Stanislaw Tillich: Am besten!)

Der Umfang der Säureeinträge in die Waldökosysteme durch Stickstoffemissionen ist in der letzten Zeit gegenüber den Immissionen, die auf Schwefel gegründet sind, gestiegen; Schwefelemissionen sind zurückgegangen. Diese Stickstoff-Emissionen stammen vor allem aus Industrie und Verkehr sowie aus Ammoniakbelastungen aus der Tierproduktion und machen den sächsischen Wäldern und besonders deren Böden auch heute noch zu schaffen. Sie verstärken die über Jahrzehnte angesammelten Säure- und Stoffeinträge. Wenn dann wie im Jahr 2003 ein heißer Sommer als erster Bote einer drohenden Klimaveränderung hinzukommt, dann sehen wir die verheerenden Folgen.

Um diesen Gefahren für den Wald wirksam zu begegnen, brauchen wir auch im Freistaat in Zukunft eine progressivere Forstpolitik. Wie eine nachhaltige Waldpolitik aussehen kann, möchte ich Ihnen jetzt an einigen Beispielen beschreiben und die Aufgaben der Staatsregierung dabei deutlich machen.

Zunächst ist klar, dass eine aktive Klimaschutzpolitik zugleich die beste Politik zum Schutz des Waldes ist. Die rot-grüne Bundesregierung setzt das Kyoto-Protokoll wie auch das Multikomponentenprotokoll zum Genfer Luftreinhalteübereinkommen in nationales Recht um. Bis 2010 sollen zum Beispiel die gesundheits- und umwelt

schädlichen Luftschadstoffe um 70 %, gemessen an den Werten von 1990, verringert werden. Damit wird natürlich auch dem sächsischen Wald geholfen.

Bedenklich ist aber auch der weitere Anstieg des motorisierten Individual- und Lkw-Verkehrs. Hier müssen dringend Lösungsansätze gefunden werden, um die damit verbundenen Stickoxidemissionen zu reduzieren und weitere Einträge in die Wälder zu verhindern. Sie können das auf der Seite 36 des Waldzustandsberichtes nachlesen. Frau Altmann hat auch schon einiges dazu gesagt, wie man diese Einträge reduzieren könnte.

Waldumbau, liebe Kolleginnen und Kollegen, ist ein wichtiges grünes Thema unserer Forstpolitik. Noch immer prägen ausgedehnte Fichtenmonokulturen die sächsische Kulturlandschaft – viel zu viele. Gerade diese Monokulturenforstwirtschaft trägt wesentliche Schuld für die Instabilität dieser Lebensräume. „Buchdrucker“ und „Kupferstecher“ vollbringen in den Fichtenkulturen bemerkenswerte Leistungen. Leider kommt der von uns geforderte Waldumbau zu zögerlich voran. Forstangestellte mit tradierten Denkmustern bremsen an vielen Stellen noch das notwendige Tempo.

Es ist recht spät am Tag, aber vielleicht bringen Sie genügend Fantasie auf, um mir jetzt in den bayerischen Wald zu folgen,

(Zuruf von der CDU: Nein!)

genauer gesagt, in den Nationalpark Bayerischer Wald.

(Zurufe von der CDU)

Dort können Sie inmitten einer aufregenden Wildnis stehen, die so gar nicht in unsere Kulturlandschaft passen will: Gigantische Fichten und Tannen ragen in den Himmel. Einige von ihnen kränkeln, etliche sind abgestorben. Wieder andere wirken so, als könnten ihnen weder Borkenkäfer noch Luftverschmutzung etwas anhaben. Besonders wild sieht es am Boden aus. Kreuz und quer liegen gebrochene und entwurzelte Urwaldriesen. Dazwischen sprießt bereits überall frisches Laubgrün, Ebereschen, Bergahorn und junge Tannen,

(Dr. Martin Gillo, CDU: Wunderbar!)

vollkommen unverbissen, weil die Rehe und Hirsche nicht durch den Verhau hindurchkommen.

(Beifall des Abg. Dr. Martin Gillo, CDU)

Für viele sieht das natürlich schlimm aus – das ist mir schon klar –, gerade wenn man ein statisches Bild vom Wald, von der Natur gewohnt ist. Man muss lernen, sich bei solchen Naturereignissen mehr Gelassenheit zu Eigen zu machen. Was von vielen immer noch als Katastrophe angesehen wird, ist doch bloß Teil von natürlichen Prozessen.

Ein zweiter Ausflug in den Steigerwald, in das Forstamt Ebrach. Das ist ein Naturwaldreservat. Dort finden Sie über 400 angelegte Tümpel und die dickste Buche Deutschlands. Doch nicht nur Buchen wachsen hier. Dass inmitten dieser lieblichen fränkischen Hügellandschaft auch dickstämmige Birken, Wildkirschen, Tannen und völlig in Vergessenheit geratene Edelhölzer wie die

Elsbeere stehen, überrascht Sie sicherlich. Noch mehr werden Sie aber überrascht sein, wenn ich Ihnen sage, dass man an diesem Beispiel sehen kann, wie in Wirtschaftswäldern die Synthese vom Schützen und Nützen gelingen kann. Denn aus dem Wald, der 5 350 Hektar groß ist, werden jährlich mehr als 30 000 Festmeter Holz geborgen.

Einer der Waldbaumeister ist der ehemalige Staatsdirektor Georg Sperber, und dieser sagte einmal: „Willst du einen Wald vernichten, pflanze Fichten, Fichten, Fichten!“ Es ist Ihnen sicherlich nicht unbekannt, dass sich meine Partei auch für das Instrument der Naturwälder und Naturwaldzellen einsetzt. In ihnen wird bedrohten und seltenen Tierarten ein besonderer Lebensraum zur Verfügung gestellt und außerdem erhalten Forstwirtschaftler damit ein Freiwaldlaboratorium für ihre notwendigen Untersuchungen, ohne Nutzungskonflikte vorzuprogrammieren.

BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN setzen sich konsequent für eine Erhöhung des Waldanteils in Sachsen ein. Wir plädieren dafür, wenig ertragreiche landwirtschaftliche Standorte in das Wiederaufforstungsprogramm einzubeziehen. Natürlich gilt das nicht für naturschutzrelevante Flächen.

(Zuruf von der CDU: Aha!)

Optimal ist es, Hochwasser- und Waldschutz gleichzeitig zu praktizieren. Die Waldanlage stellt in jedem Fall auch eine präventive Hochwasserschutzmaßnahme dar. Sie wissen um die Fähigkeit des Waldes zur Wasserspeicherung.

Aus diesen Gründen fordern wir die Landesregierung auf, die Kammlagen des Erzgebirges wieder aufzuforsten. Es ist für uns unverständlich, warum diese Flächen, die wesentlich zum Katastrophenhochwasser 2002 beigetragen haben – das ist übrigens auch die Meinung der Experten und der Staatsregierung –, noch immer nicht in Wald zurücküberführt wurden.

Frau Herrmann, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Ja, bitte.

Bitte.

Ist Ihnen bekannt, dass die Kammlagen des Erzgebirges größtenteils in Tschechien liegen?

Ja, das ist mir bekannt.