Protokoll der Sitzung vom 23.06.2005

Denn auch in unmittelbarer Nähe der zur Schließung vorgesehenen sorbischen Mittelschule Panschwitz-Kuckau wohnt ein Staatsminister, Stanislaw Tillich! Warum wurde diese Schule nicht gerettet? Etwa weil der Ministerpräsident einer anderen Schule, der Schule am Wohnort seines persönlichen Mitarbeiters, den Vorzug gab?

(Zuruf von der CDU: Nein, weil es keine Vetternwirtschaft gibt!)

Das sind wohl Gerüchte und solche Gerüchte sind schlecht. Aber, meine Damen und Herren von der Staatsregierung, Grundlagen für solche Gerüchte zu setzen ist noch viel schlechter. Minderheitenschulpolitik nach ministerialer Gutsherrenart ist nicht der Lösungsansatz, mit dem wir uns als Freistaat präsentieren sollten.

Deshalb wird die PDS-Fraktion den Antrag ergänzen, auf dass endlich ein tragbares schul- und minderheitenpolitisches Konzept für die sorbische Schullandschaft durch die Staatsregierung vorgelegt werden kann, ohne dass zuvor die Basis dazu zerstört wurde. Außerdem werden wir natürlich auch dem Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN zustimmen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der PDS und der Abg. Elke Herrmann, GRÜNE)

Danke schön. – Wir sind noch immer in der Runde zwei der allgemeinen Aussprache. Gibt es weiteren Aussprachebedarf der Fraktionen? – Jawohl, Frau Schütz für die FDP-Fraktion.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Wir unterstützen den Antrag von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, auch wenn uns das „Berichten“ natürlich nicht ausreicht. Aber vielleicht führt ja das „Berichten“ zum Erkenntnisgewinn bei der Staatsregierung. Erkenntnisgewinn dahin gehend, wie es im Antrag von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN formuliert ist, wie es nämlich vertretbar ist, die laufenden und geplanten pädagogischen zweisprachigen Projekte an sorbischen Schulen wie „Witaj“ und „2plus“ mit dem aktuellen Schulnetzplan umzusetzen.

Erkenntnisgewinn statt Ignoranz – das ist nicht nur unsere Forderung, sondern auch die Forderung der Gesellschaft für bedrohte Völker. Diese formulierte ihre Forderung zum Erhalt sorbischer und zweisprachiger Schulen in Sachsen in einer Pressemitteilung am 20. Juni 2005 in der „Sächsischen Zeitung“ wie folgt: „Mit der geplanten Schließung werden öffentliche Sprachräume als Säulen für Erhalt und Revitalisierung der sorbischen Sprache ge

kappt.“ Und weiter: „Aus der Ratifizierung der Rahmenkonvention zum Schutz nationaler Minderheiten durch die Bundesregierung ergebe sich die Pflicht, diese Einrichtungen zu erhalten und auszubauen.“

Ich glaube, wir sind endlich verpflichtet, die existenzielle Bedeutung des sorbischen Schulwesens zum Erhalt des sorbischen Volkes anzuerkennen und unter minderheitlichen Aspekten zu betrachten und zu unterstützen. Lippenbekenntnisse gab es ja dazu von der Koalition heute schon genügend.

Die Ausnahmemöglichkeiten des § 4a Abs. 4 des Schulgesetzes sind für die sorbischen Schulen explizit anzuwenden, vor allem auch unter der Maßgabe der vom Rat für sorbische Angelegenheiten benannten Tangentenlösung zweier Mittelschulstandorte im nördlichen wie im südlichen Teil des sorbischen Siedlungsgebietes.

Für die sorbischen Schüler muss es möglich sein, in zumutbarer Entfernung zweisprachigen Unterricht zu erhalten.

Nun spricht sich die FDP generell für kleinere Schulen und intelligentere Lösungen im ländlichen Raum aus. Ich erinnere da an unseren Gesetzentwurf, der die zumutbare Entfernung für Grundschüler auf 20 Minuten und für Mittelschüler und Gymnasiasten auf 35 Minuten festschrieb. Mindestens aber müssen die Vorgaben des Landesentwicklungsplanes für den ländlichen Raum – hier für die sorbischen Schülerinnen und Schüler – gelten und eingehalten werden.

Wir sind gegen die Pläne des Sächsischen Staatsministeriums für Kultus zur Schließung der Mittelschule Panschwitz-Kuckau und dem Mitwirkungsentzug der 5. Klasse in Radibor. Wir sagen, der Erhalt der sorbischen Sprache ist wichtiger als die Mindestschülerzahl.

(Beifall bei der FDP, der PDS, den GRÜNEN und des Abg. Marko Schiemann, CDU)

Danke schön. – Weiterer Aussprachebedarf seitens der Fraktionen? – Das ist nicht der Fall. Herr Staatsminister Flath, bitte schön.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es war nicht viel anders zu erwarten. Ich habe mir in den letzten Wochen und Monaten eine ganze Menge angehört. Ich habe das auch heute getan und werde mich bemühen, ruhig und sachlich in der Auseinandersetzung zu bleiben. Ein paar Dinge muss ich natürlich zurückweisen. Ich weiß nicht, was undemokratisch sein soll am Vorgehen der Staatsregierung. Ich meine, wenn ein Minister ein Gesetz einhält, dann weiß ich nicht, was daran undemokratisch ist.

(Beifall bei der CDU)

Ich will auch deutlich sagen: Es ist jeder Abgeordnete des Hauses hier, jeder Bürgermeister in Sachsen, jeder Landrat, im Übrigen auch jeder Beigeordnete in Verwaltungen angehalten, verpflichtet, Gesetze einzuhalten; aber mir das immer vorzuwerfen? Ein Mitwirkungsentzug ist im Grunde das letzte oder überhaupt das einzige

Mittel, womit die Staatsregierung Einfluss nehmen kann, ein Gesetz einzuhalten.

Eines will ich auch noch einmal deutlich sagen. Es wird immer der Eindruck erweckt, als gäbe es ein altes, verstaubtes Schulgesetz in Sachsen, das man anzupassen vergessen hätte. Ich will nur daran erinnern, dass nach einer umfangreichen Debatte im letzten Jahr das Schulgesetz verändert und angepasst wurde.

(Beifall des Abg. Dr. Fritz Hähle, CDU)

Dennoch wussten wir, dass es Schmerzen verursacht, eben genau wegen des Rückgangs der Kinderzahl in Sachsen. Darüber wird mir immer ein bisschen zu schnell hinweggespielt, als sei das gar nicht so dramatisch und wir wären jetzt bei einem großen Anstieg. Gott sei Dank steigen die Kinderzahlen in Sachsen, aber sie steigen von einem Tiefpunkt aus.

Ich will auch Folgendes sagen: Wenn immer der Eindruck vermittelt wird, als würde die Staatsregierung nur stur und blind handeln, wo doch jetzt alle Kindergärten überquellen würden, wird eins vergessen hinzuzufügen; ich weiß das noch ziemlich genau, weil ich damals auf der kommunalen Ebene gearbeitet habe. In den Jahren 1991/1992 wurde ziemlich radikal die Anzahl der Kindergärten in Sachsen halbiert. Das wird jetzt immer weggelassen, wenn man davon spricht, dass hier und da erfreulicherweise inzwischen auch wieder angebaut werden muss. So viel vielleicht dazu.

Ich hatte auch heute nicht erwartet, dass uns die Opposition in dem Prozess unterstützt. Ich will mich bei den Koalitionsfraktionen bedanken. Ich will eins noch mal sagen: Sicherlich wird es in jedem Einzelfall so bleiben, dass die Meinungen auseinander gehen, so lange wir uns darüber unterhalten, ob das eine oder andere Kriterium richtig in der Abwägung bewertet wurde. Es gibt kein Mittel, das wirklich – sagen wir mal – auf eine so objektive Ebene zu bekommen, dass alle dazu nicken würden.

Es ist doch auch nichts Schlimmes, Herr Herbst, wenn man jetzt sagt, dass die Sachen vor Gericht überprüft werden. In der Vergangenheit haben die Gerichte die Entscheidungen der Staatsregierung stets bestätigt. Ich weiß nicht, wie das in diesem Jahr ist. Das kann ich nicht vorhersehen. Aber vorwerfen können Sie der Staatsregierung nichts. Wir hätten nichts dagegen, wenn die eine oder andere Kommune auf die gerichtliche Überprüfung verzichten würde. Wir haben natürlich auch nichts dagegen, wenn die Klagen eingereicht werden. Da warten wir ganz einfach das Ergebnis ab. So viel zur Anpassung.

Vielleicht noch ein Letztes, was auch immer wieder verschwiegen wird. Es geht uns um die Einhaltung der Qualität. Es ist im Prinzip eine Qualitätssicherung, die wir hier vornehmen. Wir nehmen die vor für die Zukunft. Dass das aktuell in dem Jahr kurzsichtig betrachtet nicht immer von jedem nachvollzogen wird, das ist wohl so. Aber über einen längeren Zeitraum sind genau diese Schritte notwendig.

Damit will ich einmal überleiten zum Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und komme auch zu Ihrem Beitrag, Herr Kosel.

Das ist natürlich auch notwendig im sorbischen Siedlungsgebiet. Wissen Sie – das will ich vielleicht voranstellen –, ich habe den sorbischen Kindern gegenüber ebenfalls eine Verantwortung, dass sie in Zukunft eine qualitativ gleichwertige, zumindest eine gleichwertige Bildung erhalten. Ich glaube, Sie würden eher erwarten und viele würden erwarten, dass es eine qualitativ bessere Bildung wird. Aber ich habe doch zunächst abzusichern, dass sie qualitativ gleichwertig ist. Diese Verantwortung habe ich doch zu tragen. Genau deshalb halte ich es eben für notwendig, dass auch in diesem Siedlungsgebiet Anpassungen vorgenommen werden.

Aber nun im Einzelnen. Der Bitte der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN folgend möchte ich an dieser Stelle die Sicht der Staatsregierung auf die bisherige und die zukünftige Entwicklung des sorbischen Schulwesens im Einzelnen darstellen.

Voranstellen will ich, dass für alle sorbischen Grundschulen – diese befinden sich in den Gemeinden Crostwitz, Panschwitz-Kuckau, Räckelwitz, Ralbitz und Radibor sowie in der Stadt Bautzen – das öffentliche Bedürfnis langfristig unstrittig ist. Dasselbe gilt für das sorbische Gymnasium Bautzen.

Diese Schulen wurden und werden auch bei teilweise deutlicher Unterschreitung – ich betone deutlich – der gesetzlich geforderten Normative in vollem Umfang fortgeführt. Begründet wird dieses Vorgehen mit den im Schulgesetz dargestellten Ausnahmefällen.

Problematischer gestaltet sich die Situation im Bereich der sorbischen Mittelschulen. Mit der Einführung des Schulgesetzes – und jetzt wollen wir mal ein bisschen zurückblicken – für den Freistaat Sachsen wurden im Jahre 1992 an allen damaligen POS-Standorten sorbische Mittelschulen eingerichtet, teilweise in unmittelbarer Nachbarschaft und oft seit Anbeginn unterhalb der allgemein gültigen Mindestschülerzahlen.

Aufgrund der bekannten demografischen Entwicklung, die auch um das sorbische Siedlungsgebiet keinen Bogen macht, reduzierten sich die Schülerzahlen an den sorbischen Mittelschulen derart drastisch, dass die pädagogische Aufgabe der Mittelschule, nämlich eine auf Hauptoder Realschulabschluss vorbereitende Ausbildung anzubieten, in einigen Fällen nicht im Ansatz mehr umsetzbar war.

Die Konsequenzen dieser Entwicklung sind bekannt. Alle Entscheidungen über das sorbische Schulwesen werden vor dem Hintergrund der in der Landesverfassung und im Schulgesetz verbrieften Rechte des sorbischen Volkes getroffen. Die Pflege und Entwicklung angestammter Kultur, Sprache und Überlieferung ist im sorbischen Siedlungsgebiet – auch mit dem Widerruf der Mitwirkung des Freistaats Sachsen – an den Eingangsklassenstufen der sorbischen Mittelschulen Panschwitz und Radibor an den verbleibenden Mittelschulen in zumutbarer Entfernung in guter Qualität gesichert.

Im Vorfeld der Entscheidungen wurden auch die von den sorbischen Gremien angeführten pädagogischen Argumente nochmals einer umfassenden Prüfung unterzogen. Beeinträchtigungen der Evaluierung des schulartübergreifenden Konzeptes der zweisprachigen sorbischdeutschen Schule „2plus“ durch die dargestellten Mitwirkungswiderrufe können ausgeschlossen werden.

Im letzten Absatz Ihres Antrages führen Sie Pläne zur Ausbildung von Grundschullehrern am Institut für Sorabistik der Universität Leipzig und daraus ableitbare Konsequenzen für die Lehrerstellenversorgung an. Hierzu kurz: Das Staatsministerium für Kultus und das Regionalschulamt Bautzen stehen mit der Domowina und dem Sorbischen Schulverein in engem Kontakt, um für Nachbesetzungen an sorbischen Schulen möglichst sorbischsprachige Bewerber zur Verfügung zu haben.

Wir denken dabei vor allem an Lehramtsstudenten, die die sorbische Sprache in Wort und Schrift sicher beherrschen und darüber hinaus alle weiteren Anforderungen erfüllen. Diesen Grundsatz berücksichtigen wir auch bei der Ausgestaltung des Einstellungskorridors.

Die Ausbildung von Grundschullehrern wird sich auf die Universität Leipzig beschränken, da dort das Institut für Sorabistik beheimatet ist. Diese Universität hat mit Schreiben vom Mai 2005 einen Antrag auf Feststellung der Gleichwertigkeit lehramtsbezogener Masterabschlüsse mit der ersten Staatsprüfung gestellt. Gegenwärtig wird dieser Antrag geprüft. Er muss natürlich auch im Zusammenhang mit der beabsichtigten Umstellung der Lehrerausbildung gesehen werden. – So viel zum Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

Herr Kosel, ich möchte noch eines zurückweisen. Sie haben hier den Eindruck vermittelt, dass Sie anerkannt haben, dass die Schülerzahl auch im sorbischen Siedlungsgebiet rückläufig sei, aber Sie haben dann den Anschein erweckt, als sei dies die Schuld der Sächsischen Staatsregierung, indem Sie sagten, dies wäre ein Gebiet, welches bei der Unterstützung von Wirtschaftsansiedlungen besonders vernachlässigt worden sei. Ich will Ihnen eines sagen, Herr Kosel: Sie wissen selbst, dass das nicht stimmt.

(Beifall des Abg. Alexander Krauß, CDU)

Ich war in der letzten Legislaturperiode unter anderem für die Entwicklung des ländlichen Raumes in Sachsen zuständig, und ich kann für diese fünf Jahre – und auch für die zehn bzw. neun Jahre meines Amtsvorgängers – eines sagen: Das, was die Staatsregierung in der ländlichen Entwicklung tun konnte – und jeder, der durch sorbisches Siedlungsgebiet fährt, kann es auch sehen –, haben wir getan.

(Beifall bei der CDU)

Eines kann die Staatsregierung nicht: Sie kann nicht über irgendein Unternehmen dieser Welt bestimmen, an einem bestimmten Ort in Sachsen zu investieren. Das kann die Staatsregierung nicht, sie kann nur unterstützen und werben; und dies tun wir auch weiterhin. Aber dass auch bei den Sorben die Kinderzahl gesunken ist, kann man nicht der Staatsregierung anlasten, und dass es ganz besonders auch im sorbischen Siedlungsgebiet Abwanderungen gibt, kann man der Sächsischen Staatsregierung ebenfalls nicht anlasten. Das ist meine Bitte: Von minderheitenpolitischen Bosheiten – so möchte ich es zitieren – gegenüber der Staatsregierung zu sprechen ist nicht berechtigt, deshalb will ich dies zurückweisen.

Danke schön.

(Beifall bei der CDU)

Danke schön. – Damit ist die Aussprache beendet. – Wir kommen zu den Schlussworten. Die Schlussworte haben die Fraktionen der PDS und der GRÜNEN – in dieser Reihenfolge, jeweils fünf Minuten. Frau Bonk spricht für die PDSFraktion.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich finde es ein wenig traurig, wenn wir dieses Thema in der vergangenen Zeit diskutiert haben und eine Stimmung aufkommt, als würden die Schulen seitens aller Parteien schon als verloren aufgegeben. Gerade auch die Koalition scheint in ihrem Änderungsantrag in die Richtung gehen zu wollen, noch etwas zu tun. Natürlich setzen wir dieses Thema wieder auf die Tagesordnung, weil sich die Situation nicht geändert hat und weil es uns darum geht, eine der größten Fehlentscheidungen für das sächsische Schulwesen zurückzunehmen und dafür zu sorgen,