dass 83 zu schließende Schulen und 110 Mitwirkungsentzüge in einzelnen Klassenstufen zurückgenommen werden, was extreme Einbußen an Qualität an den Schulen zur Folge hat.
Herr Colditz, natürlich wollen wir darüber eine Sachdebatte führen. Wir wollten Sie immer führen, und wir bedauern, dass dieses Thema leider immer mehr ideologisch besetzt diskutiert wird und die Zusammenhänge zwischen dem Vorhandensein eines Schulstandorts und der Qualität einer Schule einfach nicht gesehen werden. Wir wollen diese Sachdebatte führen, und wir wollen vor allem die Gelegenheit nutzen, noch etwas für die Schulsituation in Sachsen zu tun, und ich hoffe tatsächlich ernsthaft – auch innerhalb der Koalition – auf Unterstützung. Herr Flath, natürlich ist die Frage, ob man Schulen erhält, direkt mit der Frage der Schulqualität verbunden. Wenn junge Menschen insgesamt drei Stunden am Tag unterwegs sind – wir haben Anfragenmaterial vorliegen, das tatsächlich in Entfernungen und in Stunden belegt, dass es eine Größenordnung von Schülerinnen und Schülern gibt, die so lange unterwegs sind –, verhindern diese langen Schulwege zum einen eine Identifikation mit der Schule und eine Teilhabe am Unterrichtsleben bzw. am Schulleben, weil man danach immer sofort zum Bus laufen muss; andererseits gibt es überfüllte Klassen in den Schulstandorten, die erhalten bleiben, weil die Schüler wiederum in diese geschickt werden. Das betrifft vor allem den städtischen, durchaus aber in einigen Bereichen, in denen extrem zusammengelegt wird, auch den ländlichen Raum. Dadurch wird Schulqualität und Unterrichtsqualität vermindert und gutes Lernen verhindert, und das können wir uns in Sachsen einfach nicht leisten.
Inzwischen wenden sich auch die Kreise gegen die Entscheidungen. Viele Kreise werden aktiv. Aue-Schwarzenberg klagt wegen Eingriffs in die Planungshoheit, andere klagen direkt gegen die Mitwirkungsentzüge. Die Schulen sind in Aufruhr bzw. werden es sein und, meine Damen und Herren, wenn es im Land keine Mehrheit dafür gibt – hier im Landtag gibt es sie eigentlich auch nicht; denn die Koalition steht auch nicht für diese Schulschließungen, sondern trägt sie nur gemeinsam mit –, glaube ich, dass Sie mit diesem Thema wirklich sehr weit von den Bedürfnissen entfernt sind, die die Menschen in Sachsen haben.
Dadurch, Herr Flath, wird das Ganze undemokratisch – einmal abgesehen von dem Verfahren, das Sie gewählt und mit dem Sie versucht haben, innerhalb von acht Wochen diese Schulschließungen durchzudrücken, wobei Sie Anhörungsfristen nicht eingehalten haben, nicht auf die Wünsche der Betroffenen eingegangen sind und nicht auf die Schulträger gehört haben. Das macht es zu einem undemokratischen Verfahren. Deshalb können wir es nicht akzeptieren und wird es vor Ort nicht mitgetragen werden können. Daher wollen wir es heute zurücknehmen.
In den letzten Wochen und Monaten ist eine Kürzungswelle über Sachsens Schulpolitik gegangen. Wenn wir uns das noch einmal in Erinnerung rufen: Gleichzeitig mit den Schulschließungen sind Lehrerstellenkürzungen in Größenordnungen beschlossen und durchgesetzt worden – gerade wurde der Kompromiss unterschrieben. Wir müssen uns vorstellen, was das für die Schulen direkt bedeutet. Wir können nicht erwarten, dass Schulen immer mehr leisten und vielleicht dazu kommen, Ganztagsangebote wahrzunehmen; dass sie die individuelle Förderung und Forderung verbessern; Angebote machen, ihre Unterrichtskultur verändern und wir ihnen gleichzeitig immer mehr die Substanz entziehen.
Welches Signal ist das für die Schulen, wenn wir ihnen sagen: Wir schließen euch, wir nehmen auch die Kapazitäten an Menschen, die vor Ort arbeiten, weg, aber: Macht mehr! Das ist kein Einstieg in eine Qualitätsoffensive, wie sie angekündigt worden ist, sondern das ist extremer Kahlschlag, der in den letzten Wochen hier gelaufen ist. Das muss so benannt werden, und es muss zurückgenommen werden.
Die Stimmung an den Schulen ist im Moment auf dem Nullpunkt, und sie wird es auch zum Schuljahresende bleiben. Wir haben die Möglichkeit, die Mitwirkungsentzüge zurückzunehmen. Dies wird im ersten Punkt unseres Antrages beschrieben.
Im zweiten Punkt wird gefordert, zumindest die von der Koalition festgesetzten Kriterien umzusetzen, was in Größenordnungen einfach nicht passiert ist und wobei ich mich auch innerhalb der Koalition fragen würde, was für ein Arbeiten das überhaupt ist.
Ich bitte Sie um vollständige Zustimmung zu unserem Antrag, um damit noch eine Möglichkeit zu geben, tatsächlich Schulen in Sachsen zu erhalten.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zunächst einmal möchte ich sagen, dass wir hocherfreut sind, dass die Koalitionsfraktionen angekündigt haben, unserem „Sorbenantrag“ zuzustimmen. Wir sehen dies als einen ersten Schritt zu einer minderheitengerechten Bildungspolitik, als einen Silberstreif am Horizont. Nichtsdestotrotz gibt es immer noch Dinge, die uns bekümmern. In der Debatte war die Rede vom Anhörungsverfahren der Schulträger. Wie sich das in den Minderheitenregionen auswirkt, wo die Sorben ihre Schulen erhalten wollen, will ich Ihnen am Beispiel der Gemeinde Radibor verdeutlichen.
Der stellvertretende Bürgermeister hat an das Kultusministerium geschrieben, nachdem er seinen Bescheid über den drohenden Mitwirkungsentzug bekam. Zitat: „Mit Verwunderung und bitterer Enttäuschung haben wir am 27.05.2005 per Fax den Bescheid zum Mitwirkungsentzug an der Unterhaltung der Klassenstufe 5 der Mittelschule Radibor erhalten.“ Weiter heißt es: „Daher können wir den Bescheid nicht akzeptieren und sehen uns gezwungen, Ihnen mitzuteilen, dass wir derzeit rechtliche Schritte prüfen und weitere Maßnahmen gegen diesen Bescheid vorbereiten.“ Schließlich führte er aus: „Wir als Gemeinde sehen in der vorliegenden Handlungsweise eine Nichtbeachtung bzw. einen Verstoß gegen oben genannte Gesetze und bitten um eine erneute Prüfung des Sachverhaltes unter Beachtung der dargestellten besonderen Bedingungen.“
Das heißt, es wurde angehört, aber es wurde nicht darauf gehört, was an Kritik vorgetragen wurde. Für mich als einen Menschen, der fast die Hälfte seines Lebens in Schleswig-Holstein zugebracht hat, ist dieser Umgang mit Minderheiten eher befremdlich. In Schleswig-Holstein gibt es eine dänische Minderheit. Es gibt dänische Schulen. Debatten, wie wir sie hier führen, kenne ich von dort nicht. Ich hoffe, dass wir irgendwann dazu kommen, hier eine Minderheitenpolitik zu betreiben, bei der man erkennt, dass Minderheitenrechte natürlich bedeuten, dass mehr Geld investiert und mehr bedacht werden muss, wenn es darum geht, bestimmte Sensibilitäten zu berücksichtigen.
Es wurde vorhin zum wiederholten Male gesagt, dass wir der demografischen Entwicklung Folge leisten und eine Schulnetzplanung realisieren müssen, die allen Erfordernissen Rechnung trägt. Höchstens in städtischen Räumen käme es zu Überfüllungen.
Ich werde Ihnen einmal ein Beispiel aus dem wirklichen Leben schildern. Kaum einen Steinwurf entfernt vom zukünftigen AKW in Hirschfelde gibt es die Mittelschule Bernstadt.
Die Mittelschule Bernstadt saugt wie ein Schwamm die Schülerschaft der Mittelschule Ostritz auf. Das hat im laufenden Schuljahr dazu geführt, dass man den Unterricht in den Räumen der Grundschule und des Hortes halten musste. Dass Ostritz jetzt keine 5. Klassen einschult und die 7. Klasse mit Mitwirkungsentzug belegt wurde, führte dazu, dass nicht nur der Hort und die Grundschule angefragt wurden, sondern dass der Schulträger auch – jetzt kommt es – an den örtlichen Fußballklub herangetreten ist, ob man dessen Baracke nicht für Schulzwecke nutzen könnte. Der Fußballklub ziert sich noch ein wenig, weil in diesem Gebäude die Pokale des Vereins aufbewahrt werden.
Meine Damen und Herren! Wir nähern uns den Abstimmungen. Wir beginnen mit der Drucksache 4/2219, dem Antrag der Fraktion der PDS. Zu diesem Antrag gibt es, was nicht ganz gewöhnlich ist, einen Änderungsantrag und dann noch einen Änderungsantrag zum Änderungsantrag. Ich bitte deshalb um Ihre Konzentration. Wir beginnen mit der Einbringung des Änderungsantrages der Fraktion der SPD in Drucksache 4/2390, damit wir alle wissen, worauf sich dann der nächste Änderungsantrag bezieht. Herr Dulig, bitte.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mit dem vorliegenden Änderungsantrag zu Punkt 2 des Antrages wollen wir den in der Koalition ausgehandelten Katalog für den Umgang mit Mitwirkungsentzügen verstetigen. Es macht wenig Sinn, nur in diesem Jahr nach den zehn Punkten vorzugehen. Die Schulträger und die für die Schulnetzplanung zuständigen Landkreise und Kreisfreien Städte erhalten somit eine weitere Richtschnur für ihre Planungen. Die einzelnen Punkte sprechen dabei für sich und bedürfen aus unserer Sicht keiner besonderen Erläuterung. Ihnen ist gemein, dass sie die starre Ausrichtung an Schülerzahlen aufbrechen und einige der Ausnahmen nach § 4a Schulgesetz inhaltlich untersetzen.
Besonders wichtig war uns dabei auch, nochmals den Grundsatz zu verdeutlichen, dass auch die künftigen Entscheidungen mit mittelfristiger Perspektive getroffen werden, wir also nicht ein Schulnetz für das absolute Geburtentief einrichten, welches dann in wenigen Jahren aus allen Nähten platzt. Deshalb wollen wir dies in einem gesonderten Punkt 3 festhalten, der zudem auf ein besseres Miteinander von Schulträgern und Schulverwaltung zielt. Die Bildung und Entwicklung unserer Kinder
ist einfach zu wichtig, als dass wir sie zwischen Kompetenzstreitigkeiten zerreiben lassen dürfen. Den eigentlichen Zweck der Schule müssen wir wieder stärker im Blick haben und alle Entscheidungen immer daran ausrichten. Wir bitten um Zustimmung zum Änderungsantrag und beantragen für den Originalantrag der PDS punktweise Abstimmung. Vielen Dank.
Jetzt bitte ich die Kollegen von der PDS erst einmal um Geduld. Ich frage die übrigen Mitglieder des Plenums, ob sie zu diesem Änderungsantrag Aussprachebedarf haben. –
Das ist nicht der Fall. Demzufolge rufe ich jetzt den Änderungsantrag zu diesem Änderungsantrag auf. Die PDS-Fraktion, Frau Bonk.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Im vorliegenden Änderungsantrag finden wir die Punkte wieder, auf die sich die Koalition in ihrer Vereinbarung vom 24.05. geeinigt hatte, die aber vom Kultusministerium in weitesten Teilen nicht umgesetzt worden sind. Nun sucht die SPD eine Vorgehensweise, wie sie doch dazu kommen könnte, dass diese Punkte verbindlich werden. Im Grunde entspricht dieses Anliegen dem, was wir im Punkt 2 gefordert haben. Wir sind froh, dass wir dazu eine Anregung geben konnten, damit wir zu einer Lösung kommen können. Wir haben unseren Änderungsantrag wegen eines Teilsatzes gemacht, der mir im Änderungsantrag der Koalition sehr unangenehm auffällt und der auch bei der Einbringung zum Ausdruck gekommen ist. Da steht, dass das Kultusministerium sich von den genannten Punkten in den künftigen Jahren leiten lassen und auf die Art und Weise Schulnetzplanung verstetigt werden soll. Abgesehen davon, dass ich finde, dass diese Punkte zur kurzfristigen Verhinderung von Schulschließungen geeignet sind, weil gerade da die jahrgangsspezifischen Mitwirkungsentzüge geplant waren, sind sie natürlich keine pädagogische Richtschnur, an der man sich für eine langfristige Schulplanung entlang hangeln kann. Außerdem fällt auf, dass mit dieser Formulierung zu befürchten steht, dass gerade die Streichliste, die uns jetzt vorliegt und um die es jetzt geht, mit den 83 Schulschließungen und 110 Mitwirkungsentzügen in den Jahrgangsstufen, nicht betroffen sein wird, sondern dass die wiederum von der Kultusbürokratie einfach ausgelassen wird, so dass dieser Antrag zwar ein Zeichen ist, sich aber in der Realität nicht niederschlägt. Das gilt es zu verhindern. Wenn ich Ihnen Unrecht getan habe und eigentlich genau dies das Anliegen der Koalition ist, dann freue ich mich. Dann finden wir uns praktisch bei unserem Änderungsantrag wieder, der – damit bringe ich ihn ganz konkret ein – fordert, dass verbindlich festgeschrieben
wird, dass diese Punkte in aller Konsequenz vollständig und jetzt auch auf die vorliegende Liste bedrohter Schulen anzuwenden sind. Dazu bitte ich, wenn es Ihnen auch darum geht, um Zustimmung.
Meine Damen und Herren, gibt es jetzt Aussprachebedarf zum Änderungsantrag des Änderungsantrages? – Herr Kollege Colditz, bitte.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir lehnen den Änderungsantrag zum Änderungsantrag ab, weil er von einer Unterstellung ausgeht; denn das haben Sie gerade gemacht, Frau Kollegin Bonk. Sie haben unterstellt, dass bei den aktuellen Mitwirkungsentzügen diese Vereinbarung vom 24. Mai nicht berücksichtigt worden sei. Ich habe das auch in meinem Redebeitrag versucht zu widerlegen. Ich habe es punktuell widerlegt. Es ist für uns nachvollziehbar, dass die Entscheidung, die am 27. Mai getroffen worden ist, die Vereinbarung vom 24. Mai berücksichtigt hat. Deshalb lehnen wir Ihren Änderungsantrag ab und bitten um Zustimmung zu unserem unveränderten Änderungsantrag.
Der Änderungsantrag der CDU und der SPD, den wir verändern wollen, hat insbesondere zwei gravierende Mängel. Der erste besteht in dem Wörtchen „auch“ im Punkt 2. „Auch“ in den folgenden Jahren solle man sich davon leiten lassen. Man hat sich in diesem Jahr schon nicht davon leiten lassen.
Wenn das so ist, Herr Hähle, dass das, was wir erlebt haben, das Leitenlassen an dieser Vereinbarung war, dann ist sie natürlich extrem daneben gegangen. Das wollen wir auch in den folgenden Jahren nicht. Das ist der erste Punkt.
Der zweite Punkt – das will ich Ihnen auch noch einmal gerne beweisen mit dem Einhalten oder nicht, falls Sie das jetzt wieder in Abrede stellen –, der Punkt d) in Ihrem Änderungsantrag, der hier enthalten ist, ist durch den Kultusminister 46 Mal, in 46 Fällen gebrochen worden. Ihre Vereinbarung 46 Mal! Das war übrigens auch die Position der SPD. Wir können doch den Bruch dieser Vereinbarung jetzt nicht noch für die Folgejahre festschreiben. Doch genau das ist mit dem Wörtchen „auch“ gemeint.
Unser Antrag eröffnet die Möglichkeit, den Minister aufzufordern, diese Punkte für die jetzt im Raum stehende Schließungsliste noch einmal zu überprüfen und da, wo notwendig, Rücknahmen der Mitwirkungsentzüge deutlich zu machen. Das wollen wir mit dem Antrag und das ist die eigentlich notwendige Entscheidung des Parlamentes.
Herr Kollege Hahn, ich vermute, dass das jetzt eine Frage an Sie ist. Sie haben ja selbst entschieden, dass Sie am Saalmikrofon stehen, Sie hätten auch hier vorne stehen können. Gestatten Sie eine Zwischenfrage?