Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! In der Koalitionsvereinbarung zwischen CDU und SPD ist unter „Umweltschutz“ zu lesen – ich zitiere –: „Im Freistaat Sachsen gibt es einen hohen Anteil geschützter und schutzwürdiger Landschaftsflächen, zum Beispiel FFH-Flächen, die rechtskonform und zeitnah gesichert werden müssen.“ Weil die Staatsregierung keine Voraussetzungen für diese rechtskonforme und zeitnahe Sicherung dieser Landesflächen geschaffen hat, wird kein Jahr später mit dem Gesetzentwurf der Koalitionsfraktionen in einer Art Notoperation von dieser Vereinbarung abgewichen. Der Gesetzentwurf hat vordergründig die Funktion, Straßenbau durch Vogelschutzgebiete zu legitimieren. Wenn die sächsischen Naturschutzverbände den Gesetzentwurf relativ gelassen hinnehmen, so hat das nur den einen Grund: Ihnen ist der berühmte Spatz in der Hand mehr wert als die Taube auf dem Dach.
Die so genannte IBA-Liste der Naturschutzverbände, an der sich die EU-Kommission orientiert, enthält knapp 50 sächsische Vogelschutzgebiete; von denen hat die Staatsregierung, wie wir gerade von Kollegin Deicke gehört haben, gerade einmal 16 Gebiete nach Brüssel gemeldet. In den Vogelschutzgebieten der IBA-Liste, die nicht gemeldet sind, den so genannten faktischen Vogelschutzgebieten, darf überhaupt kein Straßenbau stattfinden. Damit ist die Staatsregierung gezwungen, mehr Vogelschutzgebiete zur EU nach Brüssel zu melden, als sie sich bisher dazu bequemt hat. Warum – fragen nicht nur wir uns, sondern auch viele andere – dann zusätzlich noch die hektische Eile, mit der jetzt dieses Gesetz durch den Landtag gebracht wird?
Für uns ganz einfach: Sachsens Staatshaushalt für 2005/2006 hat in Größenordnungen Mittel aus dem Europäischen Strukturfonds für Regionale Entwicklung, kurz: EFRE, für den Straßenbau reserviert. Um diese Mittel auszugeben, bleibt nun nicht mehr sehr viel Zeit; denn Ende 2006 läuft die gegenwärtige Förderperiode aus. Wenn es bei den Vorgaben des Vorschlags der EUKommission vom 14.06.2004 für eine Verordnung für den Fonds für regionale Entwicklung bleibt, dann ist es mit der einseitigen Orientierung auf Straßenbau sowieso bald vorbei.
Die Investitionen in Verkehrsnetze – einschließlich der transeuropäischen Netze – und integrierte Strategien zur Förderung eines sauberen städtischen Verkehrs sollen in der neuen Förderperiode ab 2007 zur Verbesserung der Beförderungsleistungen im Personen- und Güterverkehr und des Zugangs zu diesem beitragen. Sie sollen zu einem ausgewogeneren Verhältnis zwischen den Verkehrsträgern, zur Förderung von Systemen des kombinierten Verkehrs und zur Verringerung der Auswirkungen auf die Umwelt beitragen.
Werte Kollegin Windisch, gerade vor diesem Hintergrund kann uns Ihr heutiges Werben für die Annahme des Gesetzes in der bewährten und unnachahmlichen Hausfrauenart wieder nicht überzeugen. Wir bleiben bei der Bewertung, die mein Fraktionskollege Klaus Bartl im Verfassungs-, Rechts- und Europaausschuss und ich im
federführenden Ausschuss für Umwelt und Landwirtschaft geäußert haben: Der Gesetzentwurf taugt nichts.
Er stellt zudem eine Art Notgesetzgebung dar, weil es die Staatsregierung verschlafen hat, das Sächsische Naturschutzgesetz bis zur gesetzten Frist, dem 3. April 2005, an das Bundesnaturschutzgesetz anzupassen. Das ist für uns genau der Knackpunkt. Ich wundere mich schon sehr über die Kollegen der BÜNDNIS/GRÜNEN-Fraktion. Ihnen war dieser Gesetzentwurf kein Wort wert – weder im Rechtsausschuss noch im Ausschuss für Umwelt und Landwirtschaft. Hat etwa der Bote mit der Rede aus dem Bundesumweltministerium am Montag vergangener Woche den Zug nach Dresden verpasst, oder wollen Sie uns heute einfach überraschen?
(Staatsminister Thomas Jurk: Das macht nicht jeder so wie Sie! – Zuruf des Abg. Johannes Lichdi, GRÜNE)
Gut, das ist auch in Ordnung. – Nach Auffassung der PDS-Fraktion kann nur die Umsetzung der Vorschriften des Bundesnaturschutzgesetzes in Landesrecht die gewünschte und erforderliche Rechtssicherheit schaffen. Außerdem gelang es den Koalitionsfraktionen mit dieser Art Gesetzgebung, wie sie uns jetzt vorliegt, die Anhörungsrechte der anerkannten Naturschutzverbände, der kommunalen Spitzenverbände und anderer Träger öffentlicher Belange einfach auszuhebeln – Rechte, die ihnen im Gesetzgebungsverfahren der Staatsregierung im Rahmen der Anhörung eines Referentenentwurfs zustehen. Dass darum der Sächsische Bauernverband über Nummer 1 des Gesetzentwurfes, in dem den Naturschutzbehörden ein Recht zur Einstellung von Maßnahmen in Schutzgebieten ohne die danach erforderliche behördliche Entscheidung oder Anzeige bzw. ohne die erforderlichen Prüfungen eingeräumt werden sollen, erbost und verärgert ist, wundert mich überhaupt nicht.
Die PDS-Fraktion bedankt sich an dieser Stelle noch einmal beim Juristischen Dienst des Sächsischen Landtages für das in kürzester Zeit erstellte Rechtsgutachten. Ich möchte anhand von Feststellungen aus diesem Gutachten auf für uns nicht hinnehmbare Mängel des Gesetzentwurfes hinweisen. Ich sage es Ihnen, Frau Windisch, heute noch einmal ganz eindeutig: Dass dieser Gesetzentwurf nicht mit höherrangigem Recht kollidiert, ist nur der Tatsache geschuldet, dass er dieses Recht ganz einfach umgeht.
Das kommt auch im Gutachten des Juristischen Dienstes zum Ausdruck. So wird zum Beispiel ein neuer Typ von Schutzkategorien hier in Sachsen erfunden, den weder das einschlägige Europa- noch das Bundesrecht überhaupt kennen. Im Gutachten heißt es auf Seite 12 – ich zitiere –: „Damit bleibt festzustellen, dass der im GE“ – gemeint ist der Gesetzentwurf – „vorgesehene Typ Schutzgebiet auch im Bundesnaturschutzgesetz so nicht
aufgeführt wird und somit auch nicht diesen Regelungen, wie sie für andere Schutzgebiete gelten, unterfällt.“
Dieser neue Typ stellt also eine Blackbox dar, zu der es in den Naturschutzgesetzen der anderen Bundesländer, bis auf Rheinland-Pfalz, keine Entsprechung gibt. Somit gibt es natürlich auch keine Vollzugs- und Spruchpraxis.
Die PDS-Fraktion ist der Auffassung, dass die im Sächsischen Naturschutzgesetz rechtlich gesicherten Typen von Schutzgebietskategorien sehr wohl für die Zwecke der Sicherung von Vogelschutzgebieten in Sachsen anwendbar sind. Ich weise noch einmal auf die Koalitionsvereinbarung hin: Rechtskonform und zeitnah sollten die geschützten und schutzwürdigen Landesflächen gesichert werden.
Die Einführung dieses neuen Typs von Schutzkategorie hat ganz einfach negative Folgen auf die Mitwirkung der anerkannten Naturschutzverbände. So wird im Gutachten des Juristischen Dienstes auf Seite 12 im Zusammenhang mit der Tatsache, dass das Bundesnaturschutzgesetz einen derartigen Schutztyp nicht kennt, darauf verwiesen. Ich zitiere: „Damit steht den Verbänden auch nach dem Bundesnaturschutzgesetz kein Rechtsbehelf gegen Befreiung von Verboten und Geboten zum Schutz der Gebiete von gemeinschaftlicher Bedeutung zu.“
Die fehlende Umsetzung der neuen Vorschriften des Bundesnaturschutzgesetzes 2002 hat zudem folgende Konsequenz, auf die im Gutachten auf Seite 7, Buchstabe c hingewiesen wird. Dort heißt es: „Damit ist der Gesetzgeber aufgefordert, unter Maßgabe des § 60 Bundesnaturschutzgesetz über entsprechende Mitwirkungsrechte zu befinden und diese gesetzlich zu regeln. Solange und soweit dies nicht geschehen ist, können anerkannte Vereine daraus aber keine Beteiligungsrechte ableiten.“ Mit anderen Worten: Anstatt das Bundesrecht eins zu eins umzusetzen, soll hier eine Rechtsschutzlücke eröffnet werden, welche die Verbände in ihrer Aufgabenwahrnehmung beschneidet.
Das aber, Herr Tillich, davon bin ich fest überzeugt, wird nicht funktionieren, denn der erste Brief eines anerkannten Naturschutzverbandes an die Generaldirektion Umwelt oder den Umweltkommissar in Brüssel wird diesen Spuk garantiert beenden. Unser Fazit ist und bleibt: Der Gesetzentwurf ist für die PDS-Fraktion durch Änderungsanträge nicht zu verbessern und damit nicht zustimmungsfähig.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wie Sie alle wissen, ist die NPD-Fraktion der schärfste, letztlich auch der einzige Gegner jedweder politischer Kompetenzabtretung an die EU. Es gibt jedoch – das möchte ich mit aller Deutlich
keit sagen –, wenn auch eher selten, sinnvolle EU-Richtlinien, wie zum Beispiel im Naturschutzbereich, deren Inhalt ohnehin nach unserem Politikverständnis im nationalen Recht verankert sein sollte. Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf versucht die Koalition einer Fehlentwicklung entgegenzuwirken, die sie letztlich selbst zu verantworten hat. Die Europäische Vogelschutzrichtlinie und die FFH-Richtlinie sind schließlich nicht erst seit gestern bekannt. Wenn die Sächsische Staatsregierung frühzeitig die entsprechenden Gebiete mit ihrer speziellen Naturausstattung in angemessenem Umfang an die EU gemeldet und diese Gebiete mit dem entsprechend notwendigen Schutzstatus ausgestattet hätte, wäre die heutige Debatte längst überfällig gewesen. Dies zeigt sich deutlich in der Tatsache, dass noch einmal mehr als das Doppelte der vom Freistaat bisher gemeldeten Flächen als faktische Vogelschutzgebiete existieren.
Man kann beim vorliegenden Gesetzentwurf gewissermaßen von einer Maßnahme der Schadensbegrenzung sprechen. Unsere Fraktion sieht die Notwendigkeit der Gesetzesänderung als gegeben an, da der bisherige Zustand fehlender Planungssicherheit in faktischen Vogelschutzgebieten einen nicht hinnehmbaren Zustand darstellt. Durch die Verankerung eines Grundschutzes im Gesetz, mit dem eine klare Gebietsabgrenzung, eine Bestandsaufnahme der erhaltenswerten Arten und eine Definition der Erhaltungsziele einhergehen, wird für die entsprechenden Gebiete endlich Planungssicherheit hergestellt und die Bewertung von möglichen Eingriffen mit den entsprechenden Ausnahmeverfahren erst ermöglicht.
Zusätzlich wird mit dem Gesetzentwurf Planungssicherheit für den Umweltschutz geschaffen, da es mit der Festschreibung der Gebietsgrenzen, der Erhaltungsziele und der Naturausstattung der Gebiete nicht mehr wie bisher vorkommt, dass erst im Zuge der Planung von Eingriffen eine Feststellung der schützenswerten Arten erfolgt. Es ist nicht hinnehmbar, dass bei der derzeitigen wirtschaftlichen Situation und der angespannten Arbeitsmarktlage Bauprojekte durch Verfahrenshindernisse verzögert oder gänzlich verhindert werden. Die Verfahrensvereinfachung und der geringere Schutzstatus der Gebiete nach der Gesetzesverankerung dürfen in diesem Zusammenhang nicht dazu führen, dass Vorhaben ohne ausreichende Datengrundlage im Schnellverfahren mit unzureichenden Eingriffsbewertungen durchgesetzt werden.
Ein besonderer Zeitdruck liegt aus Sicht unserer Fraktion aufgrund der langen Vorgeschichte vor. Im Übrigen teilen wir zwar die Auffassung, dass die Absicherung der FFH-Gebiete vorrangig aufgrund vertraglicher Vereinbarungen erfolgen sollte. Eine gesetzliche Verankerung ist jedoch aus unserer Sicht nicht notwendig.
Der vorliegende Gesetzentwurf stellt für uns eine erforderliche Korrektur der momentan herrschenden Missverhältnisse dar. Im Ergebnis der Sachverständigenanhörung zum Gesetzentwurf wurde deutlich, dass noch weitere Änderungen im Sächsischen Naturschutzgesetz notwendig sind. Diese zahlreichen Hinweise aus der Praxis werden hoffentlich ihren Niederschlag in der anstehenden Novellierung des Gesetzes finden. Aus diesem Grund und aufgrund der Dringlichkeit für die faktischen
Vogelschutzgebiete wird unsere Fraktion dem vorliegenden Gesetzentwurf in der jetzigen Fassung zustimmen.
Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Grundsätzlich stimmt die FDP-Fraktion dieser Gesetzesänderung zu.
Vorausgeschickt sei dargestellt, dass Vogelschutzgebiete und das damit verbundene Ziel der Wahrung von Vogelarten generell wünschenswert und das nachhaltige Wirtschaften mit unserer Natur und unserer Umwelt erforderlich und wichtig sind.
Auch wenn es die Linkspartei und andere nicht glauben wollen, so hat die Ausweisung von FFH- und Vogelschutzgebieten meist gravierende Auswirkungen auf die wirtschaftliche Betätigung von Unternehmen, wenn sie sich in einem solchen Gebiet oder auch nur in einem angrenzenden Bereich befinden. Daher sind Konsenslösungen durch die enge Zusammenarbeit von Ministerien und Wirtschaft erstrebenswert, die den Fortbestand der betroffenen Unternehmen auch langfristig sichern. Der vorliegende Gesetzentwurf stellt eine solche Konsenslösung dar.
Aber, Herr Tillich, an der Preisverleihung für den schnellsten Gesetzentwurf werden Sie sicher nicht teilnehmen können.
Die Geschwindigkeit, mit der dieser Entwurf beraten und dargestellt wurde, bevor es zum Beschwerdeverfahren der EU-Kommission kommt, ist grenzwertig. Mein Tipp wäre, hier etwas vorauszudenken.
Die Ausgestaltung des Gesetzentwurfs ist zu begrüßen. Wie dargestellt sind die Einordnungen von Vogelschutzgebieten entweder nicht passend, siehe Landschaftsschutzgebiet, oder zu weitgehend, siehe Naturschutzgebiet. Die Lösung mit den so genannten faktischen Vogelschutzgebieten wird für diesen Fall als optimal eingeschätzt.
Was kann man noch tun, um seltene Vogelarten zu schützen und zu erhalten? Ich kann nur jeden auffordern, endlich den Bau von so genannten Vogelschredderanlagen und Vogelzughemmnissen, diesen Windrädern, zu beenden.
Der verstärkte Schutz unserer einheimischen Vogelarten und anderer Tiere in unserer Heimat ist uns als FDP