Protokoll der Sitzung vom 22.09.2005

Vielen Dank.

(Beifall bei der Linksfraktion.PDS)

Die NPDFraktion, bitte.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der sächsische Bürger, der derzeit die Zeitung aufschlägt, dürfte bei der Lektüre des Öfteren von nackter Existenzangst zerfressen werden. Nicht nur, dass er ab dem Beginn des nächsten Jahres wegen der anvisierten Mehrwertsteuererhöhung eine neue Belastung schultern muss; auch die Energiepreise klettern nun schon seit über einem Jahr in einem rasanten Tempo. Dieser dramatische Anstieg entzieht den Verbrauchern die für das Gedeihen unserer Binnenwirtschaft so dringend notwendige Kaufkraft.

Die Entwicklung der Energiepreise im Verlauf der vergangenen 18 Monate zeigt, dass hier eben kein externer Schock vorliegt, wie er vor kurzem von der Internationalen Energiepreisbehörde IEA wegen der katastrophalen Schäden in der Folge des Wirbelsturms „Katrina“ vorhergesagt wurde, sondern dass die Energiepreisrallye ihren tiefen Grund in marktbestimmenden Mechanismen hat.

Blicken wir zurück! Nachdem am 29. April 1998 das erste Gesetz zur Neuregelung des Energiewirtschaftsrechts in Kraft trat, ist eine Menge Bewegung in die deutsche Stromwirtschaft gekommen. Wir alle hier haben in den letzten Jahren mit den groß angelegten Werbekampagnen der marktführenden Stromanbieter Bekanntschaft gemacht, die auf dem liberalisierten Strommarkt um Kundschaft buhlen. Seit dem vergangenen Jahr können Unternehmen – Privathaushalte erst ab 2007 – EU-weit den Stromlieferanten frei wählen. Der gleichberechtigte Zugang zu den Stromversorgungsnetzen muss somit für alle Anbieter ohne Einschränkung gewährleistet werden.

Durch die Liberalisierung entsteht nach Meinung der Befürworter aus Politik und Wirtschaft ein Wettbewerb, der die Strompreise sinken lässt. Kurzfristig mag diese Annahme zugetroffen haben. Seit 2001 steigen die Strompreise jedoch für Industriekunden, aber auch für die privaten Haushalte wieder an und liegen heute zum Teil über dem Niveau von vor der Liberalisierung. Der Bundesverband der Verbraucherschützer befürchtet darüber hinaus – laut einer Stellungnahme vom Oktober 2003 –, dass eine Quersubventionierung des Industriestroms über die Strompreise der Haushaltskunden stattfindet.

Aber die Preisentwicklung ist nach Auffassung von uns Nationaldemokraten lediglich einer der langfristig skeptisch zu beurteilenden Faktoren. Die verschärfte Konkurrenz unter den weltweit operierenden Strommultis zwingt diese zu Kosteneinsparungen und zur Effizienzsteigerung. Damit verbunden sind Standortschließungen, mit denen Überkapazitäten abgebaut werden, sowie Arbeitsplatzabbau. Kleinere Versorger, insbesondere Stadtwerke, verschwinden vom Markt, sodass aus dem viel beschworenen freien Wettbewerb ein Kartell erwächst, welches den Gestaltungsspielraum der Preise nach eigenem Gutdünken bzw. den Profitinteressen variabel macht. Der deutsche Strommarkt wird heute von einem Monopol von vier Konzernen – RWE, E.on, EnBW und Vattenfall – beherrscht, die sich weitere Konkurrenz durch überhöhte Netzentgelte vom Hals schaffen.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren – zumindest die paar, die noch da sind! Als der Markt 1998 geöffnet wurde, sollte eigentlich ein preisdrückender Wettbewerb zugunsten der Kunden entstehen. Eingetreten ist aber das Gegenteil: Statt eines Wettbewerbs vieler Anbieter wurde zugekauft und fusioniert. Statt einer belebenden Konkurrenz zugunsten der Verbraucher haben sich die vier großen Energieversorger faktisch unangreifbar im Markt aufgestellt, den sie nun zu ihren Gunsten kontrollieren. Diverse Verbraucherverbände haben schon die Ansicht geäußert, dass insbesondere in Mitteldeutschland die Argumente für die beanspruchte Strompreiserhöhung nicht stichhaltig seien; denn gerade hier sind ja die teilweise effizientesten Strukturen der Stromwirtschaft in ganz Europa entstanden; die Kraftwerke haben hier höhere Wirkungsgrade als anderswo. Auch haben wir hier in Sachsen und in Mitteldeutschland insgesamt Brennstoff, der vergleichsweise günstig ist, zum Beispiel Braunkohle, deren Vorkommen, wenn man der Werbung von Vattenfall glauben darf, noch tausend Jahre halten werden.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Nach Ansicht von Verbraucherverbänden könnten die Stromkosten in Deutschland um vier bis 20 % niedriger sein und gewerbliche und private Verbraucher bundesweit bis zu fünf Milliarden Euro sparen, wenn es in Deutschland statt großkonzernfreundlicher Deregulierungsexzesse und monopolistischer Strukturen echten Wettbewerb gäbe. Nach Ansicht des Bundesverbandes der Verbraucherzentralen sind es sogar elf Milliarden Euro, die derzeit zu viel für Strom bezahlt werden. Die höheren Preise, die die

Versorger kassieren wollen, sind nicht begründbar, sondern es muss davon ausgegangen werden, dass sich die im Markt verbliebenen Konzerne in einem Monopol auf Kosten der Verbraucher und der Volkswirtschaft kräftig bedienen.

Deshalb sprechen wir Nationaldemokraten uns für das von der CDU und der SPD vorgeschlagene Informationsbegehren aus. Wir sind aber der Meinung, dass es dabei nicht bleiben darf, sondern dass in Sachsen den Worten endlich Taten folgen und staatliche Genehmigungen von Strompreiserhöhungen zurückgestellt werden müssen, um den Preisauftrieb zu deckeln.

Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der NPD)

Die FDP-Fraktion, bitte.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Wenn man sich die heutige Tagesordnung anschaut, könnte man fast der Versuchung erliegen zu sagen, heute sei der „Tag der Energie“. Wenn man die Themen von gestern hinzunehmen würde, könnte man von der „Woche der Energie im Sächsischen Landtag“ sprechen. Ich möchte es sehr kurz machen; denn das Thema ähnelt dem Antrag zur Gaspreisentwicklung, den wir vorhin besprochen haben.

(Volker Bandmann, CDU: Wie hoch ist der Wirkungsgrad?)

Der Wirkungsgrad der Debatte ist vermutlich sehr gering. Insoweit gebe ich Ihnen gern Recht.

Man muss aber sehen, dass die Entwicklung der Strompreise auch von anderen Faktoren abhängt. Strom kommt nicht einfach aus der Steckdose, sondern er wird durch Primärenergie erzeugt. Wenn die Primärenergiepreise steigen, ist es nicht verwunderlich, dass sich auch die Strompreise erhöhen.

Hinsichtlich der Rolle der Großkonzerne muss man überlegen, von welchen Unternehmen die Verbraucher in Sachsen ihren Strom beziehen. Die Großstädte beziehen ihn nicht von den Großkonzernen. Wenn die Preisgestaltung der Großkonzerne für die hohen Verbraucherstrompreise ursächlich wäre, müssten die Leipziger, die Dresdner und die Chemnitzer mit wesentlich niedrigeren Strompreisen gesegnet sein. Das sind sie aber nicht. Im Gegenteil, sie zahlen höhere Preise als die Verbraucher anderswo. Vielleicht sind es doch nicht die bösen Stromkonzerne, die Schuld haben.

Vielleicht sind es die lokalen Energieversorgungsunternehmen in kommunaler Eigenschaft. Es handelt sich sehr wohl um Monopole, aber nicht um solche, die sich aus dem Wettbewerb entwickelt haben, weil man der Marktkraft freien Lauf gelassen hat, wie es die Linkspartei zu erklären versucht, sondern es handelt sich um Monopole in staatlichem Eigentum. Sie haben sich nicht am Markt entwickelt, sondern wir – nicht wir hier im Landtag, aber

die jeweiligen Kommunen – haben entschieden, dass sie so sein sollen. Es ist nicht der böse Markt, im Gegenteil!

Ich möchte noch einmal darauf hinweisen: Das Jahresergebnis der DREWAG liegt bei 70 Millionen Euro, die Umsatzrendite bei 12 %. Bei den Stadtwerken Leipzig sind es 50 Millionen Euro bzw. 7 %. Nehmen wir Leipzig als Beispiel: Dort wird der Nahverkehr mit 50 Millionen Euro subventioniert. Würde dieser Betrag auf die Kunden der Leipziger Stadtwerke umgelegt und auf die Quersubventionierung verzichtet, dann könnte die Energierechnung jedes einzelnen Kunden um 120 Euro pro Jahr oder zehn Euro pro Monat geringer ausfallen.

(Sebastian Scheel, Linksfraktion.PDS: Was ist dann mit den Fahrpreisen?)

Natürlich kann man politisch entscheiden, dass man diese Quersubventionierung möchte. Wenn man aber auf der einen Seite politisch entschieden hat, so zu handeln, dann ist es aus meiner Sicht unredlich, wenn man auf der anderen Seite die Konsequenzen, nämlich die hohen Strompreise, beklagt.

Wir müssen uns entscheiden, was wir wollen. Wenn wir sagen, wir wollen durch hohe Strompreise den Nahverkehr subventionieren, und sich dafür eine politische Mehrheit findet, dann ist es so. Dann erwarte ich auch von dieser politischen Mehrheit, dass sie nach außen tritt und den Bürgerinnen und Bürgern sowie den Stromverbrauchern sagt: Genau das wollen wir so! und nicht im Landtag auftritt und das Ergebnis beklagt.

(Beifall bei der FDP)

Herr Staatsminister Jurk, ich habe Ihren Ausführungen zu den Gaspreisen aufmerksam zugehört. Wir sind ja in den meisten Punkten gar nicht weit voneinander entfernt. Wir sollten uns aber auch als Freistaat politisch darüber Gedanken machen, ob wir die Entscheidungen der verschiedenen Kommunen im Einzelfall für sinnvoll erachten oder ob wir nicht in der einen oder anderen Form zu einer Änderung des Gemeindewirtschaftsrechts kommen müssen. Herr Lämmel hat das in seinem Debattenbeitrag auch schon angesprochen. Wir sind als Fraktion für solche Überlegungen. Wir sollten gemeinsam im Laufe dieser Legislatur überlegen, ob es sinnvoll ist, dies zu tun.

Wir haben eben deshalb den Änderungsantrag gestellt, weil die Frage der Quersubventionierung in der Bewertung der Strompreise ein wichtiges Argument ist, um in den Bericht, den die Regierungskoalitionsfraktionen beantragt haben, eingefügt zu werden, damit wir für die Bewertung verlässlichere Daten haben. Deswegen bitten wir, unserem Änderungsantrag zuzustimmen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP)

Die Fraktion der GRÜNEN. Herr Weichert, bitte.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wir hatten nicht nur diese Woche dieses Thema im Landtag. Die Aktuelle Debatte vor einigen Monaten haben gerade die CDU und FDP, Herr Lämmel und Herr Morlok, genutzt, um kräftig auf die Ökosteuer einzuschlagen. Herr Lämmel hat die Ökosteuer im Juli „als Betrug an den Wählern“ bezeichnet. Heute gibt es keine vernünftige Partei mehr, die die Ökosteuer abschaffen will.

Herr Brüderle hat heute über Ticker verbreiten lassen, dass das Zeitalter der Aussöhnung von Ökonomie und Ökologie für ihn angefangen hat. Das sagt so manches über die Halbwertzeit Ihrer Energiepolitik, meine sehr verehrten Damen und Herren.

Deutschlandweit tragen Öl und Gas nur in einem Anteil von 11 % zur Stromproduktion bei. In Sachsen ist dieser Anteil noch geringer, denn unser Strom kommt aus der heimischen Braunkohle. Der Preis für Braunkohle ist aber nicht verändert worden. Dennoch gehen die sächsischen Strompreise nach oben. Der Handel mit CO2- und für CO2-Zertifikate hat an dieser Entwicklung nur einen sehr bescheidenen Anteil, und die Ursache für die Entwicklung ist, dass die Stromkonzerne noch schnell vor der Einsetzung der Regulierungsbehörde den Griff in die Taschen der Verbraucherinnen und Verbraucher gewagt haben.

Die Halbjahresbilanz von RWE Power weist trotz gesunkenen Stromabsatzes eine Verbesserung des Ergebnisses vor Steuern von 23 % aus. Das sind 300 Millionen Euro mehr als im Vorjahr.

Vattenfall – über diesen Konzern müssen wir vor allem in Sachsen reden – ist Monopolist bei den Hochspannungsnetzen und fast Monopolist als Vorlieferant. Vattenfall hat sein Vorsteuerergebnis im letzten Jahr um 28 % steigern können. Das ist eine traumhafte Verbesserung des Gewinns, und das auf Kosten der sächsischen Unternehmen und der sächsischen Bürgerinnen und Bürger.

Besonders im Bereich der Netznutzung haben die Konzerne zugeschlagen. Die Netznutzungsentgelte liegen bei Haushaltskunden über sechs Cent pro Kilowattstunde und haben einen Anteil von mehr als 30 % am Strompreis. Sie sind in den vergangenen Jahren in Deutschland erheblich gestiegen und liegen nach Angabe der Verbraucherverbände für Tarifkunden zwei bis drei Cent pro Kilowattstunde höher als im europäischen Vergleich. Mit dieser Preispolitik muss die neue Wettbewerbsbehörde endlich Schluss machen.

RWE, E.on, EnBW und Vattenfall Europe kontrollieren mehr als vier Fünftel der Kraftwerkskapazitäten in Deutschland und sogar 100 % des Hochspannungsnetzes. Einen Markt kann man das nicht nennen.

Die Politik, die auf Vertrauen zu den großen Konzernen und Selbstregulierung des Marktes in diesem Sektor setzte, ist gescheitert. Die vier großen „Stromer“ haben dieses Vertrauen ausgenutzt, haben den Strommarkt als Selbstbedienungsladen missbraucht und den Wettbewerb umgangen.

Wie viel Macht die Stromkonzerne haben, konnte Frau Merkel im Wahlkampf erleben, als sie billigeren Strom für das Zugeständnis forderte, die AKW länger laufen zu lassen. Das Deutsche Atomforum hat darauf ganz klar geantwortet: Der Preis wird nicht sinken.

Meine Damen und Herren von der Koalition! Wir stimmen Ihrem Antrag zu, denn er zielt in die richtige Richtung. Diese kritische Politik gegenüber den Stromkonzernen ist aber zum Scheitern verurteilt, wenn Sie hier in Sachsen wie bisher nur auf einen Konzern als Basis der sächsischen Energiepolitik bauen. Es müsste doch eigentlich für die Kollegen von der FDP eine Freude sein, hier mehr Wettbewerb zu verlangen.

Die Zukunft der Energiewirtschaft auch hier bei uns in Sachsen liegt in der Dezentralität, in kleineren Anlagen, in Biomassekraftwerken und in anderen Quellen der erneuerbaren Energien.

In den Vorträgen zum Beispiel der Fachbehörde des Staatsministeriums für Umweltschutz und Landwirtschaft, Herr Minister Tillich, sind Sie zu einem kleinen virtuellen Kraftwerk zusammengeschaltet. Diese kleinen Anlagen sind bereits Realität. Lassen Sie uns diesen Weg gemeinsam weiter gehen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Wird von den Fraktionen weiter das Wort gewünscht? – Das ist nicht der Fall. Ich frage die Staatsregierung. – Herr Minister Jurk, bitte.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Eine langfristig sichere, umweltverträgliche und preiswerte Energieversorgung ist wesentliche Voraussetzung für einen starken Wirtschaftsstandort Sachsen. Dabei spielt in unserer hoch technisierten Welt die Elektroenergie eine besondere Rolle. Ohne elektrischen Strom ist unser tägliches Leben nicht mehr denkbar. Strom muss praktisch jeder, ob Unternehmer oder Haushalt, beziehen und bezahlen. Deshalb beunruhigen die fast täglichen Meldungen über steigende Energiepreise die Wirtschaft und die Bürgerinnen und Bürger.

Energie ist ein wertvolles Gut und deshalb muss sie auch ihren Preis haben. Darüber sind wir uns wohl alle einig. Es gibt auch sachliche Gründe: den weltweit steigenden Energiebedarf, Erfordernis von Klimaschutz und Ressourcenschonung, die einen Anstieg der Energiepreise auf mittlere und lange Sicht erwarten lassen. Dazu habe ich mich ausführlich in der Aktuellen Debatte am 13. Juli dieses Jahres geäußert.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die jüngste Strompreisentwicklung hat aber ebenso wie bei Erdgas und Kraftstoffen mittlerweile eine Dynamik erreicht, die äußerst problematisch ist. Ich verweise an dieser Stelle nur auf die Börsenpreise für Stromlieferungen für das Jahr 2006, die zum Beispiel für Grundlast von 34 Euro je Megawattstunde zum Jahresanfang 2005 auf aktuell

43,60 Euro je Megawattstunde angestiegen sind. Das macht fast ein Viertel aus und würde den Gesamtstrompreis eines Verbrauchers um zirka ein Cent pro Kilowattstunde zuzüglich Mehrwertsteuer belasten. Deshalb werde ich alles in meiner Macht Stehende tun, um den sich abzeichnenden weiteren Strompreisanstieg in Sachsen zu dämpfen und keine Extraprofite für die Stromerzeuger zu ermöglichen.