Protokoll der Sitzung vom 11.11.2004

(Beifall bei der CDU und vereinzelt bei der NPD)

Wenn Sie wollen, dass Populisten hier zum Durchbruch kommen und weiter gestärkt werden und wir bei den nächsten Wahlen noch größere Schwierigkeiten mit solchem Populismus haben, dann müssen Sie nur so weitermachen. Sie wollen hier einen Entlastungsangriff für Ihre junge Kollegin führen, weil sie sich einfach danebenbenommen hat und eine Meinung vertritt, die völlig inakzeptabel ist.

(Beifall bei der CDU, der NPD, des Abg. Gunther Hatzsch, SPD, und der Staatsregierung)

Anhand dieses Beispiels eine sachliche Diskussion innerhalb der Aktuellen Debatte zu führen ist schlichtweg unmöglich. Ich bitte künftig um Mäßigung. Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU, des Abg. Gunther Hatzsch, SPD, und der Staatsregierung)

Wird weiter das Wort gewünscht? – Herr Prof. Porsch, bitte.

(Zuruf von der CDU: Rückzugsgefechte!)

Herr Hähle, Sie brauchen hier nicht den Biedermann zu spielen. Wenn Sie von Affentheater sprechen, dann muss ich sagen: Die Reaktionen aus Ihrer Fraktion waren die, die zuallererst diese Debatte zum Affentheater gemacht haben.

(Beifall bei der PDS – Widerspruch bei der CDU)

Ja, Herr Eggert, Sie werden den Vorwurf halt nicht los, dass Sie scheinheilig agieren.

(Widerspruch bei der CDU)

Wir brauchen eine ernsthafte Debatte.

(Heinz Eggert, CDU: Ausgerechnet Sie!)

Eben wegen der Gefährlichkeit von Drogen, aber von allen Drogen, bitte schön. Nicht nur die legalen herausnehmen, denn die konsumiert man selber, und die illegalen hineintun. Wir brauchen diese ernsthafte Debatte. Darum haben wir sie auch angenommen. Denn die NPD-Fraktion wollte diese Debatte missbrauchen, um einer Kritikerin ihrer Politik eins auszuwischen. Das werden wir nicht zulassen. Und Sie hätten mitmachen sollen in der Ernsthaftigkeit und sich nicht schon in der ersten Runde aus dieser Debatte ausklinken sollen.

(Beifall bei der PDS)

Also geben Sie bitte den schwarzen Peter nicht dorthin, wo er nicht hingehört.

(Beifall bei der PDS)

Wird weiter das Wort gewünscht? – Wenn das nicht der Fall ist, dann beende ich die 2. Aktuelle Debatte, beantragt von der Fraktion der NPD zum Thema „Schöner leben ohne Drogen“.

Meine Damen und Herren! Der Tagesordnungspunkt 3 ist damit beendet. Wir treten jetzt ein in eine Pause bis 13:15 Uhr.

(Unterbrechung von 12:18 Uhr bis 13:16 Uhr)

Meine Damen und Herren! Ich bitte Sie, die Plätze wieder einzunehmen, wir möchten in unserer Tagesordnung fortfahren. – Ich sehe zu Beginn eine Wortmeldung. Herr Dr. Hahn.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte zur Geschäftsordnung einen Antrag stellen und damit auch zur Tagesordnung. Wir haben im Präsidium die Tagesordnung und die Redezeiten festgelegt. Nun war es bisher so üblich, dass die Redezeiten zusammengefasst wurden zu einer Gesamtredezeit und die Fraktionen die Möglichkeit hatten, sie frei auf die einzelnen Tagesordnungspunkte zu verteilen. Das haben wir dieses Mal im Präsidium nicht ausdrücklich bestätigt. So sind jetzt alle Redezeiten einzeln auf die Tagesordnungspunkte aufgegliedert. Ich möchte beantragen, dass die Redezeit wieder als Gesamtredezeit gilt und die Fraktionen frei entscheiden können, zu welchem Tagesordnungspunkt sie im Rahmen ihrer Gesamtredezeit wie lange reden wollen. Es ist klar, dass wir im Präsidium noch einmal darüber reden müssen und dass dann gegebenenfalls eine andere, veränderte Regelung getroffen wird, aber ich beantrage, dass heute die Fraktionen, die sich auch so vorbereitet haben, die Möglichkeit haben, zu den Tagesordnungspunkten im Rahmen ihrer Redezeit die Zeit frei zu wählen.

Danke. Ich frage die Fraktionen: Gibt es dazu Redebedarf? – Herr Lehmann.

Wir haben uns im Präsidium noch nicht auf das vorläufige Redezeitmodell definitiv verständigt. Deswegen können wir dem Antrag der PDSFraktion, heute noch einmal in der alten Weise von Gesamtredezeiten auszugehen, folgen. Ich bitte Sie, das so zu machen.

Gut, das findet offenbar Zustimmung. Ich möchte es ganz einfach förmlich abstimmen lassen. Dann würden wir Ihnen die Gesamtredezeiten noch einmal bekannt geben. Wer diesem Antrag zugeneigt wäre, es so zu lösen wie von Herrn Dr. Hahn vorgeschlagen und von Herrn Lehmann unterstützt, den bitte ich um das Handzeichen. – Danke schön. Gibt es Gegenstimmen? – Gibt es Stimmenthaltungen? – Das ist nicht der Fall. Dann würden wir so verfahren. Einen kleinen Moment, jetzt muss ich rechnen: Es ergeben sich für die CDU 80 Minuten, PDS 60 Minuten, SPD 35 Minuten, NPD 35 Minuten, FDP 25 Minuten, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 25 Minuten und die Staatsregierung 60 Minuten. Ich hoffe, jetzt haben wir alles in der richtigen Reihe. Vielen Dank.

Damit rufe ich auf

Tagesordnungspunkt 4

Sächsische Bundeswehrstandorte

Drucksache 4/0103, Antrag der Fraktion der CDU

Hierzu können die Fraktionen Stellung nehmen. In der Reihenfolge der ersten Runde werden das sein CDU, PDS, SPD, NPD, FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie die Staatsregierung, wenn gewünscht.

Ich erteile der Fraktion der CDU als Einreicherin das Wort. Herr Colditz, bitte.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Dieser von uns vorgelegte Antrag bietet die Möglichkeit, die jüngst durch das Bundesverteidigungsministerium getroffene Entscheidung zur Schließung von Bundeswehrstandorten in Sachsen noch einmal zu diskutieren. Ich denke, es besteht Einigkeit darüber, dass angesichts der getroffenen Entscheidungen diese Diskussion dringend geboten ist. Nicht nur die Diskussion ist geboten, sondern es sind meines Erachtens auch parlamentarische Initiativen und Initiativen der Staatsregierung gefordert, um die Entscheidung, so wie sie jetzt getroffen wurde, im Sinne von Sachsen zu modifizieren. Meine Damen und Herren! Sachsen ist im Osten durch die Stationierungspläne ungleich härter betroffen als andere Länder. Während in Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern jeweils drei Standorte mit unter 1 000 Dienstposten geschlossen werden sollen, trifft es Sachsen mit acht Standorten – unter anderem in Schneeberg mit 1 400 Dienstposten – besonders schwer. Während inzwischen der Kelch an Frankenberg und Marienberg vorübergegangen ist, kommt es dennoch zu signifikanten

Reduzierungen in Chemnitz um 200 Dienstposten, in Leipzig um 2 240 auf 680 Dienstposten sowie insbesondere auch in Zeithain von 1 270 auf 170 Dienstposten. Damit hat Sachsen eine weitere Ausdünnung der ohnehin schwachen Stationierungsdichte hinzunehmen, denn der Bundesdurchschnitt liegt bei 3,5 Dienstposten auf 1 000 Einwohner. In Sachsen liegt er gegenwärtig bei 1,1. Damit bildet Sachsen, was die Stationierungsdichte anbelangt, das absolute Schlusslicht.

Ich hatte es bereits gesagt, meine Damen und Herren: Der Standort Schneeberg ist besonders hart betroffen – sowohl durch die Größe des Standortes als auch hinsichtlich der Entwicklungen der letzten Jahre. Ich kann mir als Abgeordneter dieser Region an dieser Stelle beim besten Willen eine scharfe Kritik an dieser Entscheidung nicht ersparen. Diese Kritik will ich auch argumentativ untersetzen. Dabei kann diese Argumentation durchaus als exemplarisch auch für andere Standorte gelten, ich denke insbesondere an den Standort Zeithain.

Meine Damen und Herren! Die Entscheidung gegen den Standort Schneeberg hat vor Ort große Betroffenheit ausgelöst. Akzeptanz für diese Entscheidung ist nicht vorhanden. Insofern kann man meines Erachtens auch nicht mit einem „Basta und Schluss!“ einfach zur Tagesordnung übergehen. Sehr pauschal hat der Bundesminister militärisch-organisatorische und betriebswirtschaftliche Argumente als Entscheidungskriterien vorgegeben, ohne sie differenziert für die einzelnen Standorte offen zu legen. Diesen pauschal vorgegebenen Kriterien entspricht

der Standort Schneeberg nach bisherigen Analysen dennoch. Das war aber, meine Damen und Herren, schon bei der Standortdebatte im Jahr 2000 so. Sie erinnern sich: Wir haben auch dazu in diesem Hause eine Debatte geführt. Wohl kaum einer von uns hat es deshalb tatsächlich für möglich gehalten, dass nach der Standortdiskussion von 2000 Schneeberg erneut auf die Streichungsliste des Bundesverteidigungsministeriums gesetzt wird.

Meine Damen und Herren! Es ist meines Erachtens vor allem auch eine Frage der politischen Glaubwürdigkeit, wenn Argumente, die vor vier Jahren zum Erhalt des Standortes geführt haben, jetzt ignoriert werden – zudem ohne Rückkopplung in die regionale Verantwortung – und bedauerlicherweise gleicht auch das Vorgehen wieder dem von damals. Geheimniskrämerei und eine Entscheidung, die offensichtlich vom grünen Tisch aus gefällt wird, sorgen für wenig Transparenz und lassen vorgegebene Entscheidungskriterien in ihrer Ernsthaftigkeit fragwürdig erscheinen.

Meine Damen und Herren! Es kann doch nicht sein, dass der damalige Bundesverteidigungsminister sich nach dieser Revidierung seiner Entscheidung selbst nach Schneeberg begeben hat und die Argumente, die dort vorgetragen wurden, noch einmal verifiziert hat, einsichtig war, dass die Investitionen in Schneeberg nach der Rücknahme dieser Schließungsentscheidung letztlich weitergelaufen sind, und jetzt all das gewissermaßen nicht mehr wahr sein soll.

(Beifall bei der CDU)

Meine Damen und Herren! Das Bundesministerium bleibt in der Pflicht, zumindest die Entscheidungskriterien, die scheinbar gegen Schneeberg sprechen, aber auch die gegen andere Standorte in Sachsen sprechen, offen zu legen. Das ist meines Erachtens das Minimum an Transparenz, das wir als Landespolitiker erwarten können.

Abgesehen davon, dass Sachsen erneut am meisten zur Ader gelassen wird, dass – wie gesagt – ohnehin die geringste Bundeswehrdichte weiter ausgedünnt werden soll, werden eben wiederum die betriebswirtschaftlichen, aber auch militärisch bedeutsamen Entwicklungen einfach ausgeblendet. Das kann so nicht sein. Es ist eine Vorgehensweise, die wir so nicht nachvollziehen können und der wir uns gemeinsam geschlossen und überparteilich auf Landes- und Regionalebene entgegenstellen sollen.

An dieser Stelle möchte ich besonders hervorheben: Ich bin sehr dankbar gewesen – wie viele Verantwortungsträger vor Ort ebenfalls –, dass es diese regionale Geschlossenheit auch überparteilich gegeben hat. Ich danke insbesondere auch den SPD-Kollegen im Bundestag, die sich frühzeitig aus der Region heraus deutlich gegen diese beabsichtigten Schließungspläne geäußert haben.

(Beifall bei der CDU und vereinzelt bei der SPD)

Meine Damen und Herren! Es muss auch in Berlin klar sein, dass die Bundeswehr nicht nur als unmittelbarer Arbeitgeber, sondern auch als Bedarfsträger für Zulieferungen wirtschaftliche Bedeutung hat. Der Verlust eines Standortes wird damit die ohnehin angespannte Arbeits

markt- und Wirtschaftssituation weiter verschärfen, und darüber kann auch das Philosophieren über irgendwelche Ausgleichsmaßnahmen nicht hinweghelfen. Im Gegenteil: Gerade in den strukturschwachen Regionen wie Schneeberg und Zeithain lassen sich Liegenschaften wie der dortige Bundeswehrstandort eben nicht problemlos und alternativ verwerten.

Ich will nicht falsch verstanden werden, aber das habe ich schon oft in der Diskussion gehört: Es geht nicht darum, meine Damen und Herren, die wirtschaftliche Entwicklung allein regional an der Bundeswehr zu orientieren. Aber es ist doch von Bedeutung, dass sich ein Beziehungsgeflecht der regionalen Wirtschaft und des Handels zum Standort entwickelt hat. Das kann bei der Entscheidung nicht einfach ignoriert werden, insbesondere, wenn es um strukturschwache Regionen geht.

(Beifall bei der CDU)

Meine Damen und Herren! Für die betroffenen Gemeinden entstehen Einschnitte, die auch die kommunale Entwicklung nachhaltig negativ beeinflussen. Ich will nur einige Punkte benennen: das Ansteigen der Arbeitslosigkeit in den Regionen, in denen die Arbeitslosenquote ohnehin schon 20 % beträgt, die Verschärfung des Bevölkerungsrückgangs durch den Wegzug vieler Soldatenfamilien, infolgedessen auch drohende Schließungen von Kindergärten und Schulen, schließlich auch der zusätzliche Wohnungsleerstand und die Belastung des Immobilienmarktes oder auch der Verlust an Kaufkraft und der Verlust von Aufträgen durch die Wirtschaft mit der Folge von Geschäftsaufgaben und Insolvenzen. Diese Dinge können meines Erachtens nicht einfach kleingeredet werden.

Die kommunalen Versorgungsträger haben in den Bereichen Wasser, Abwasser und Fernwärme die Kapazitäten ihrer Einrichtungen auf den Großkunden Bundeswehr ausgelegt, dies kann beim Wegfall ihrer Großabnehmer letztlich wirtschaftlich nicht mehr ausgeglichen werden. Außerdem, meine Damen und Herren, in Zeiten knapper Kassen und offensichtlich vorhandener Löcher im Bundesetat ist es meines Erachtens in keiner Weise nachvollziehbar – um es zurückhaltend auszudrücken –, wenn getätigte Investitionen am Standort in Millionenhöhe – wir reden über 65 Millionen Euro, die am Standort investiert wurden – jetzt einfach in den Sand gesetzt werden. Warum finden die geleisteten Investitionen bei den Entscheidungen keine Berücksichtigung?

Meine Damen und Herren! Das Engagement des Standortes – ich rede hier besonders von Schneeberg – bei internationalen Friedenseinsätzen wurde immer von einer breiten und wahrhaftigen Anteilnahme der Bevölkerung vor Ort begleitet. Nicht zuletzt erklärt sich aus dieser engen sozialen Verwurzelung des Standortes auch die Rekrutierung junger Menschen aus der Region, von denen sich mehr als die Hälfte der am Standort stationierten Soldaten für vier Jahre und länger verpflichtet haben. Die Motivation ergibt sich hierzu letztlich auch aus dieser wohnortnahen Rekrutierung. Eine Entscheidung gegen Schneeberg oder Zeithain ist meines Erachtens damit auch in gewisser Weise eine Entscheidung gegen Zukunftsperspektiven junger Menschen in diesen Regionen. Dies betrifft in besonderer Weise auch entstandene Fami

liengründungen vor Ort, aber auch die am Standort Schneeberg beschäftigten Zivilpersonen – wir sprechen von über 120 Zivilbediensteten und 500 bis 600 länger als vier Jahre Dienenden.