Ich möchte noch einen dritten, sehr persönlichen Aspekt anfügen, und das insbesondere auch unter dem Thema, dass in diesem Haus Leute sitzen, die ihrer Ideologie zufolge wahrscheinlich jenseits von Stalingrad wieder Schützengräben buddeln würden. Wir hatten in der Ver
gangenheit die Begriffe „Schwerter zu Pflugscharen“ und „Frieden schaffen ohne Waffen“. Millionen von Menschen haben sich unter dieser Rubrik für Abrüstung, für Frieden engagiert.
Wir haben auf ostdeutschem Boden vor noch nicht allzu langer Zeit erlebt, dass zwei Armeen verschwunden sind: die NVA und die Sowjetarmee. Ich glaube, dass wir uns glücklich schätzen können – dieser Aspekt kommt in dieser Debatte völlig zu kurz –, dass Deutschland in der komfortablen Lage ist, in einem vereinten und friedliebenden Europa Militär zu reduzieren. Darum haben wir alle gekämpft.
Es ist meine persönliche Erfahrung an dieser Stelle, dass wir darauf achten müssen, dass in dem ewigen Kampf zwischen Finanzen, Bund und Land der Gedanke des Friedens in diesem Land, den wir genießen können, nicht untergeht. Aus diesem Grund stimmen wir dieser Vorlage zu.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Verehrte Damen und Herren! Ich bin im Erzgebirge in der Nähe von Schneeberg beheimatet. Deshalb berührt mich das Thema besonders. Die vom Bundesverteidigungsministerium angekündigte Schließung zahlreicher Bundeswehrstandorte im Freistaat Sachsen ist aus Sicht der NPD-Fraktion völlig inakzeptabel, vor allem wenn man weiß, dass zu den Einsparorgien hierzulande gleichzeitig eine geradezu halsbrecherische Aufrüstung der Bundeswehr für künftige weltweite Interventions- und Angriffseinsätze betrieben wird. Dieser sicherheitspolitische Kurs, den die rot-grüne Bundesregierung hier vorgibt, ist nicht nur außenpolitisch unverantwortlich, sondern vor allem grundgesetzwidrig. Müssen ausgerechnet wir daran erinnern, dass nicht nur Angriffskriege selbst, sondern allein schon die Planung von Angriffskriegen von deutschem Boden aus laut Grundgesetz unter Strafe stehen?
(Zuruf von der SPD: Wir führen keine Angriffskriege! – Holger Apfel, NPD: Was war denn in Jugoslawien?)
Wir haben auch nicht das geringste Verständnis dafür, dass die künftigen Kriseninterventionskräfte mit kostspieligem Hightech-Material hochgerüstet werden, während in der Bundesrepublik selbst nicht nur Standorte geschlossen werden, sondern vor allem militärische Kernkompetenzen und der ganze Bereich der Heimatverteidigung völlig ungeniert preisgegeben werden.
Es gibt aber auch eine ganze Reihe von pragmatischen Argumenten gegen das Streichkonzert des Herrn Struck. Sachsen wäre von den Schließungsplänen des Verteidigungsministeriums überproportional betroffen. Gemessen an der Einwohnerzahl wird es der Streichliste aus dem
Verteidigungsministerium zufolge im Freistaat künftig die niedrigste Anzahl von Bundeswehrdienstposten in ganz Deutschland geben. In puncto Stationierungsdichte läge Sachsen in Zukunft nur noch vor den Stadtstaaten Hamburg und Berlin. Schon derzeit gibt es im Bundesland Sachsen insgesamt nur 9 200 Soldaten und Zivilbeschäftigte. Künftig würden daraus ganze 4 700. Das entspräche einer Reduzierung um fast die Hälfte. Somit entfällt in Sachsen zukünftig nur noch ein Dienstposten der Bundeswehr auf 1 000 Einwohner.
Die Schließungspläne sind betriebswirtschaftlich unsinnig. Im Freistaat Sachsen widersprechen diese Pläne dem vom Verteidigungsministerium selbst vorgegebenen Grundsatz der betriebswirtschaftlichen und militärischen Zweckmäßigkeit.
So wurden allein in die Gebirgsjägerkaserne in Schneeberg, die ebenfalls zur Schließung vorgesehen ist, in den letzten Jahren 51 Millionen Euro investiert. Die mit hohem finanziellem Aufwand instand gesetzte Kaserne in Frankenberg gilt sogar als modernste militärische Einrichtung der Bundeswehr überhaupt, die zudem besonders kostengünstig zu bewirtschaften ist. Hier widersprechen die Schließungspläne jedweder ökonomischer Vernunft.
Unter militärischen Gesichtspunkten ist der Abzug der Bundeswehr aus Sachsen nicht vertretbar. Gerade in Notfällen wie zu den Zeiten der Flutkatastrophen der letzten Jahre hat sich die flächendeckende Präsenz der Bundeswehr im Freistaat als sehr segensreich erwiesen. Im Katastrophenfall sind die Kernkompetenzen des militärischen Apparates, wie rasche Verlegbarkeit und Verfügbarkeit von schwerem Material, unverzichtbar.
Aber auch unter dem Aspekt landläufiger militärischer bzw. terroristischer Bedrohung ist die Ausdünnung der militärischen Infrastruktur in Sachsen verantwortungslos. In besonderem Maße gilt dies etwa für die geplante Stilllegung des Divisionsstabs in Leipzig und des Bundeswehrkrankenhauses in Leipzig-Wiederitzsch mit 445 Beschäftigten. Hinzu kommt, dass bereits jetzt infrastrukturelle Vorkehrungen für den Fall getroffen werden müssen, dass sich die Bundeswehr aus ihren zahlreichen internationalen Missionen wieder zurückzieht. Dies wird spätestens dann der Fall sein, wenn im Deutschen Bundestag eine Neuausrichtung der deutschen Sicherheitsund Verteidigungspolitik vorgenommen wird. Es ist sicherzustellen, dass die dann in die Bundesrepublik zurückzuverlegenden Kontingente eine ausreichende militärische Infrastruktur vorfinden.
Auch die sächsischen Kommunen wurden in die Entscheidungsfindung des Bundesverteidigungsministeriums nicht bzw. nur unzureichend einbezogen. In diesem Punkt war vom Verteidigungsministerium zunächst angekündigt worden, es werde in Abstimmung mit Ländern und Gemeinden eine regional ausgewogene Standortverteilung geben.
Dies ist nicht erfolgt. Viele Bürgermeister betroffener Gemeinden mussten sich über die Schließungspläne in der Tagespresse informieren. Für die betroffenen Kommunen hätte der Abzug der Bundeswehr zum Teil katastrophale Folgen. Viele, vor allem kleinere Standorte im Freistaat leben seit langem von und mit der Anwesenheit militärischer Einrichtungen. Die Bundeswehr ist dort traditionell
der wichtigste Arbeitgeber. Nach Angaben der Kommunalverwaltung Schneeberg hätte der Abzug der Bundeswehr aus der Region einen Kaufkraftverlust von rund 15 Millionen Euro zur Folge.
Auch die Vermarktung bzw. Verpachtung frei werdender Bundeswehrliegenschaften an neue Interessenten ist in ohnehin strukturschwachen Gebieten sicherlich problematisch. Ein Ausgleichsprogramm für die betroffenen Standorte ist das Mindeste, was vom Bund zu fordern ist. Für die sächsische Bevölkerung wäre der Standortkahlschlag ein fatales Signal.
Gemessen am Bundesdurchschnitt sind sächsische Rekruten überproportional häufig an Auslandseinsätzen der Bundeswehr beteiligt. Soldatisches Engagement hat bei jungen Männern im Freistaat einen hohen Stellenwert. Auch bei der Bevölkerung genießt die Bundeswehr wegen ihrer Flutkatastrophen-Einsätze der letzten Jahre hohes Ansehen. Vor diesem Hintergrund sind die Stilllegungspläne des Verteidigungsministeriums ein fatales Signal an die sächsische Bevölkerung.
Die NPD fordert deshalb die einstweilige Aussetzung der Schließungspläne des Bundesverteidigungsministeriums, die Ausarbeitung eines neuen, regional stärker ausgewogenen, betriebswirtschaftlich besser durchdachten und militärisch eher vertretbaren Stilllegungskonzepts, das weder die Heimatschutzfähigkeit noch den Katastrophenschutz vernachlässigt. Für die kleineren, besonders betroffenen Stationierungsorte fordert sie die Ausarbeitung von infrastrukturellen Ausgleichsprogrammen, ferner die Aufrechterhaltung einer glaubhaften militärischen Grundversorgung im Freistaat, insbesondere durch Beibehaltung von Stabs-, Sanitäts- und Kadereinrichtungen.
Frau Präsidentin! Verehrte Damen und Herren! Zum Thema Geheimniskrämerei. Wenn man große Entscheidungen voranbringen möchte, muss man manchmal Dinge vertraulich behandeln, sonst sind sie nicht durchsetzbar. Dass Sie das Herrn Struck vorwerfen, kann ich nicht nachvollziehen.
So haben wir doch in diesem Hause erlebt, dass auch bei viel weniger gewichtigen Entscheidungen, zum Beispiel der Regierungsbildung, Personen wie der Herr Ministerpräsident nur dann eine Mehrheit in ihrem Hause sehen, wenn sie gewisse Entscheidungen geheim halten. Andernfalls sind manche Dinge nicht durchsetzbar; wie schwer das trotz Geheimhaltung ist, haben wir gestern erst erlebt.
Ich bin auch der Auffassung, dass Sie als CDU-Fraktion diesen Antrag nicht unbegründet eingebracht haben. Sie als Mehrheitsfraktion tragen diese Staatsregierung. Offensichtlich trauen Sie der Staatsregierung nicht zu, von selbst richtig zu reagieren. Vielleicht haben auch Sie gemerkt, dass die Politik im Freistaat in den letzten sechs Wochen durch Koalitionsverhandlungen wie gelähmt war und es deswegen notwendig ist, die Staatsregierung
(Zuruf von der CDU: Quatsch! – Rita Henke, CDU: Wir sind in Sachsen und nicht in Baden-Württemberg!)
Ich denke, wir müssen uns alle über die Friedensdividende freuen. Vor 15 Jahren standen in Deutschland auf beiden Seiten Panzertruppen. Deutschland lief Gefahr, Kriegsschauplatz für einen Einsatz taktischer Atomwaffen zu werden. Dahin wollen wir doch alle nicht mehr zurück!
Wenn wir uns über diese Friedensdividende freuen wollen, dann müssen wir auch zur Kenntnis nehmen, dass die Bundeswehr deutschlandweit herunterfahren wird. Es ist nicht Aufgabe der Bundeswehr, Strukturpolitik zu betreiben. Die Bundeswehr ist eine Armee und keine Beschäftigungsgesellschaft.
Wie ein bockiges, zorniges Kind, dem man sein Spielzeug wegnehmen möchte, stur am Erhalt der Bundeswehrstandorte festzuhalten, ist nicht zukunftsgerichtet. Der Antrag der CDU-Fraktion geht daher nicht weit genug. Anstatt – dies wurde hier auch schon ausgeführt – stur für den Erhalt zu kämpfen und zu schauen, was man tut, wenn es dann doch nicht gelingt, wäre es viel zukunftsweisender, uns schon jetzt in Gesprächen mit der Bundesregierung über Beiträge der Bundesförderung, die Unterstützung des Bundes im Rahmen der Konversion zu unterhalten. Das wären zukunftsgerichtete Arbeitsplätze, die für Sachsen und die Region langfristig von Nutzen wären.
Deswegen beantragen wir als FDP-Fraktion auch die Änderung zum Antrag der CDU-Fraktion. Es soll festgeschrieben werden, dass wir keine rückwärts gewandte Politik machen, sondern eine, die nach vorn blickt, um langfristig zukunftssichere Arbeitsplätze in Sachsen zu schaffen.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Colditz hatte gesagt, das Anliegen der heutigen Debatte und dieses Antrages sei es, die Entscheidung des Bundesverteidigungsministeriums im Sinne Sachsens zu modifizieren. Wir können uns sicherlich alle vorstellen, dass dieses Anliegen an allen Standorten, in allen Bundesländern, die betroffen sind, geteilt wird. Wenn dieses Anliegen überall verfolgt wird, kann es zu keiner Strukturreform der Bundeswehr kommen und auch zu keinen neuen Stationierungsentscheidungen.
Ich denke, der Geist, der sich durch den CDU-Antrag zieht, ist der, dass alles beim Alten bleiben soll. Nicht nur hier im Sächsischen Landtag ist einiges neu; auch die Bundeswehr ist in einer neuen Zeit und in einer neuen Situation angekommen. Das betrifft auch das Thema, das wir alle als zentrales politisches Thema ansehen, nämlich die Frage der finanziellen Sparsamkeit und der Haushaltskonsolidierung. Da kann und soll die Bundeswehr nicht ausgenommen werden; sie soll auch nicht am Ende stehen.
Uns betrifft auch die friedenspolitische Situation. Wir sind seit dem Ende des Warschauer Paktes keiner Bedrohung mehr durch Panzerarmeen ausgesetzt und wir haben hier in der Bundesrepublik Deutschland kein Landesverteidigungsheer mehr zu unterhalten, was die Forderung nach flächendeckenden Standorten der Bundeswehr rechtfertigen könnte.
Wenn in dieser Situation ein neues Konzept erarbeitet wird und Bundesverteidigungsminister Struck die Stationierungsentscheidung getroffen hat, wie sie uns jetzt vorliegt, dann ist das eine unumgängliche Entscheidung und sie ist sehr konsequent. Ich denke, der Bundesminister unterscheidet sich in diesem Punkt von seinen Vorgängern, die diese Entscheidung immer vor sich hergeschoben haben, gleich welcher Partei sie angehörten. 123 Bataillone der Bundeswehr werden auf 78 reduziert. Das muss zwangsläufig zu Standortschließungen führen.
Die Auswahl dieser Standorte kann nur nach objektiven Kriterien erfolgen, wie sie die Weizsäcker-Kommission empfohlen hat – die Bündnisgrünen haben sie damals unterstützt –: Das sind zum einen die militärischen Funktionen der Standorte und zum anderen die betriebswirtschaftliche Sicht. Nur auf diesem objektiv begründeten Weg werden Umstrukturierungen durchsetzbar sein.
Vermutlich werden auch sächsische Standorte geschlossen werden. Diese Standortschließungen mit gesellschaftlicher Akzeptanz zu begründen führt völlig in die Irre. Die gesellschaftliche Akzeptanz der Bundeswehr wird dadurch begründet, dass sie sich als eine Armee in einer demokratischen Gesellschaft mit einer entsprechenden inneren Führung ausgestaltet. Diese Akzeptanz wird vor allem dadurch erreicht, dass die Einsatzzwecke und die Einsatzentscheidungen der Bundeswehr von einer hohen gesellschaftlichen und friedenspolitischen Mission getragen werden.
Wenn die Bundeswehr als Wirtschaftsfaktor angemahnt wird, so muss man sagen: Vor Ort mag das so sein, aber das kann nicht maßgeblich für Standortentscheidungen sein. Die Bundeswehr ist kein Instrument der Regionalentwicklung oder der Wirtschaftsförderung; das wäre der teuerste Weg. Sie ist auch kein Mittel, wie in der Diskussion angeführt, um im Katastrophenfalle zur Verfügung zu stehen oder um – auch das gibt es in der Diskussion – die öffentliche Sicherheit zu garantieren. Dafür gibt es die Katastrophenschutzeinheiten, die Polizei und den Bundesgrenzschutz.
Sachsen sollte sich vor diesen Aufgaben und vor der Verantwortung nicht drücken. Wir haben eine Entscheidung, die schmerzhaft für die betroffenen Regionen ist; dieser muss vor allem mit Konversion begegnet werden. Konversion ist aber zuerst Aufgabe des Landes und seiner Kommunen. Die Umsatzsteuer-Anteile stehen übri
gens schon seit 1993 dafür bereit – vergessen wir das bitte in dieser Diskussion nicht. 1993 hat der Bund 2 % der Umsatzsteuer genau zu diesem Zweck abgegeben.
Aber natürlich – unsere Bundestagsfraktion hat das sehr klar erklärt – hat auch der Bund in dieser Situation für strukturschwache Regionen eine Mitverantwortung. Ich freue mich deshalb sehr, dass die PDS-Fraktion unsere Forderungen nach einem Bundeskonversionsbeauftragten aufgegriffen hat, also einen Beauftragten, der Unterstützung und Hilfe in dieser schwierigen Phase bundesweit bietet und der auch das entsprechende Management für Fördermittel zur Verfügung stellt. Das betrifft sowohl EU-Fördermittel als auch die Mittel des Städtebaus und der regionalen Wirtschaftsförderung.
Besonders schmerzhaft ist die Entscheidung für den Standort Schneeberg, aber auch für den Standort Zeithain. Aber wenn ich bei Schneeberg bleibe – Herr Colditz hat das ja besonders in seinem Beitrag betont –, dann ist natürlich klar, dass das eine Region mit hoher Arbeitslosigkeit ist, für die das ein enormes Mittel der Beschäftigung darstellt. Aber die Entscheidung zu Schneeberg ist doch alles andere als überraschend gefallen. Sie haben selbst gesagt, dass im Jahr 2000 diese Diskussion hier bereits stattgefunden hat. Wieso hat die Landespolitik, wieso haben sich vor Ort die verantwortlichen Kommunalpolitiker und die Landtagsabgeordneten in dieser Zeit nicht darauf vorbereitet? Wieso haben Sie nicht ein Konversionsmanagement aufgebaut, um das, was damals schon an die Wand geschrieben war und was jetzt eintritt, handhaben zu können? Da hilft kein Klagen und da hilft kein Hoffen, dass alles ganz anders kommt. Wenn Sie jetzt wieder versuchen, solche Anträge hier zu stellen, dann tun Sie nur eines: Sie gaukeln den Menschen in der Region wieder etwas vor.