Protokoll der Sitzung vom 09.11.2005

Wenn irgendjemand im Haus sein sollte oder außerhalb des Hauses, der Sie gehört hat und meint, es wäre legitim, eine solche Rede zu halten, der müsste mindestens bei dem Wort „fremdvölkisch“, das Sie verwendet haben, anderer Meinung werden. Dass dieses Wort „fremdvölkisch“ in Ihrer Rede vorkommt, entlarvt die gesamte Rede als eine nationalsozialistische Rede.

(Beifall bei der Linksfraktion.PDS, der SPD und den GRÜNEN)

Wenn Sie die DDR-Hymne zitieren: „Auferstanden aus Ruinen“, dann stellen Sie bitte die Frage, wer diese

Ruinen zu verantworten hatte, aus denen das deutsche Volk in vielen Schmerzen wieder auferstehen musste.

Wenn Sie von der Hymne sprechen und wenn Sie verlangen, dass die Geschichte dieser Hymne gelehrt wird, dann müssen Sie schon von der ganzen Geschichte sprechen. Diese Hymne ist in einem Kontext der Befreiungskriege gegen Napoleon entstanden. Die Hymne ist möglicherweise in einem emanzipatorischen Nationalismus entstanden, denn es war auch ein Nationalismus, der sich gegen Kleinstaaterei gewendet hat – Herr Gerstenberg hat das ausführlich dargestellt – und der vor allem Verfassungen in den deutschen Staaten und für den gesamten deutschen Staat und das gesamte deutsche Volk wollte. In diesem Kontext war der Text natürlich berechtigt und man weiß, warum er entstanden ist. Aber Nationalisten und Faschisten haben genau diesen Text dann im Revancherausch von 1871 – 1871 ist Deutschland imperialistisch geworden – für den Überfall auf andere Völker, für die Unterdrückung anderer Völker und für die industrielle Vernichtung des jüdischen Volkes missbraucht. Seither kann man diese Hymne einfach nicht mehr so singen.

(Beifall bei der Linksfraktion.PDS)

Herr Hähle, es tut mir Leid, ein Lied ist ein ganzes Lied und es besteht aus Strophen. Da kann ich nicht selektiv sagen, die dritte Strophe ist eigentlich ungefährlich, die kann ich singen, die ersten beiden dagegen nicht. Die drei Strophen denkt man doch immer alle mit. Ich will mich da jetzt nicht weiter auslassen.

Ich frage mich auch, wieso man auf die Idee kam, eine Melodie zu nehmen, die 1918 vom österreichischen Volk abgelegt wurde, denn die Melodie ist die Melodie der österreichischen Kaiserhymne: „Gott erhalte, Gott beschütze unsern Kaiser, unser Reich, mächtig durch des Glaubens Stütze schirm’ er unser Österreich...“ usw.

Na gut, vorher hat man eine Melodie gehabt, die haben die Engländer gehabt und sie singen sie heute noch. Ich will mich hier nicht weiter auslassen.

Ich möchte nur noch eines sagen, weil Sie mich direkt angesprochen haben, Herr Hähle.

(Dr. Fritz Hähle, CDU: Es ist nicht unser Antrag!)

Es ist nicht Ihr Antrag, aber eines muss ich Ihnen sagen: Ihre Patriotismusdebatte und auch Ihre Forderung, die Hymne in den Schulen zum Lehrstoff zu machen, wogegen üblicherweise gar nichts einzuwenden ist, wenn man die ganze Geschichte erzählt, die Debatte, die Sie mit dem Patriotismusbeschluss Ihres Parteitages angezettelt haben, hat doch diese Provokation erst ermöglicht. Da brauchen wir uns doch gar nichts vormachen.

(Beifall bei der Linksfraktion.PDS)

Jetzt komme ich zum Schluss. Ich singe die Hymne nicht, und zwar etwa aus den gleichen Problemen, die Herr Gerstenberg und vielleicht andere damit haben – ich habe mich aber noch nie so wie Herr Trittin geäußert –, ich singe sie auch deshalb nicht, weil ich wirklich nicht

singen kann. Das tut mir Leid. Die größte Provokation wäre, ich würde sie singen. Aber ich achte jene, die diese dritte Strophe aus der Überzeugung heraus singen: „Einigkeit und Recht und Freiheit“, das sind legitime Forderungen. Da mische ich mich auch nicht so richtig ein. Deshalb ärgert es mich umso mehr und ich halte es für umso hinterhältiger von dieser faschistischen NPD, dass sie genau diese Hymne, von der sie behaupten, sie wäre für sie ein hohes Gut, nur dazu benutzen, die CDU vorzuführen. Der CDU gönne ich, dass sie vorgeführt wird, aber nicht so, wie Sie es gemacht haben. Sie haben genau das Symbol, das Sie verteidigen wollen, in den Dreck gezogen.

(Zuruf von der NPD: Blödsinn!)

Herr Dr. Hähle, bitte.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich erinnere mich an die Nacht vom 2. auf den 3. Oktober 1990, als wir zum ersten Mal als Bürger der Bundesrepublik Deutschland die Nationalhymne des vereinten demokratischen Deutschlands singen durften.

(Beifall bei der CDU)

Ich konnte die Tränen nicht zurückhalten. Es hat viele Jahre gedauert, bis ich mich emotional einigermaßen im Griff hatte, wenn diese Hymne gesungen wurde. In der Zwischenzeit bin ich auch etwas ruhiger geworden. Aber ich lasse mir weder meine Emotionen noch dieses Symbol für Demokratie und Freiheit von der NPD beschmutzen und okkupieren.

(Lebhafter Beifall bei der CDU, der SPD, der FDP, den GRÜNEN und der Staatsregierung – Vereinzelt Beifall bei der Linksfraktion.PDS)

Ich weise im Namen meiner Fraktion diesen gesamten furchtbaren „Apfel-Mus“, der hier verbreitet worden ist, zurück.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU, der SPD, der FDP, den GRÜNEN und der Staatsregierung – Vereinzelt Beifall bei der Linksfraktion.PDS)

Herr Abg. Nolle von der SPD-Fraktion, bitte.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren der demokratischen Fraktionen! Ich wollte eigentlich nicht ans Mikrofon gehen, aber nach den Ausfällen des Neonazis Apfel, nach seinen Potenzfantasien, die er hier ausbreitete, denke ich, müssen noch ein paar Sätze gesagt werden.

Ich habe vor einem halben Jahr gesagt, dass Faschismus keine falsche Meinung ist, sondern ein Verbrechen. Dabei habe ich an Sie gedacht, Kollegen der NPD-Fraktion.

(Widerspruch bei der NPD)

Die kulturellen Wurzeln des Nationalsozialismus, unsere kulturellen Wurzeln, hat Herr Apfel gesagt, das war zwölf Jahre lang das Deutschlandlied nur mit der 1. Strophe und zwölf Jahre lang mit drei weiteren Strophen, mit dem so genannten Horst-Wessel-Lied. Und mit Erlaubnis des Präsidenten, meine Damen und Herren, zitiere ich dieses Lied.

Haben Sie die Erlaubnis schon, Herr Kollege Nolle?

(Vereinzelt Heiterkeit bei der CDU)

Ich gehe davon aus.

Auch das ist eine Symbolik, die sich in diesem Hause verbietet.

(Beifall bei der CDU und der SPD)

Ich gestatte Ihnen dies nicht.

(Zurufe von der CDU: Abschalten! Setzen!)

Herr Präsident! Der Text lautet: – –

Nein, Herr Nolle, das geht nicht.

(Unruhe im Saal)

Sie können mir ja gern das Mikrofon dabei abdrehen.

Das habe ich eigentlich nicht vor, denn wir sind Kollegen.

Dann trage ich das weiter vor.

Nein, dann drehe ich ab. Aus. So geht das nicht!

(Unruhe im Saal – Beifall bei der NPD)

Tut mir Leid.

(Erich Iltgen, CDU: Das Horst-Wessel-Lied vorzutragen ist eine Unverschämtheit! – Uwe Leichsenring, NPD: Neonazi Nolle!)

Artikel 1 Grundgesetz.

(Karl Nolle, SPD: Der Kollege hat gerade zu mir „Neonazi Nolle“ gesagt! – Gelächter und Beifall bei der NPD)

Es tut mir Leid um den Zwischenfall.

Meine Damen und Herren! Gibt es weiteren Aussprachebedarf seitens der Fraktionen? – Ich stelle fest, dies ist nicht der Fall. Ich frage die Staatsregierung. – Herr Flath, Staatsminister für Kultus, bitte.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeordneten! Die NPD-Fraktion hat einen Antrag gestellt. Herr Abg. Apfel, Sie haben in Ihrem ersten Redebeitrag provozierend die Hoffnung geäußert, dass Sie Zustimmung zum