Protokoll der Sitzung vom 26.01.2006

Denn – und ich wiederhole noch einmal, was auch Frau Schütz angesprochen hat – bei uns ist es nicht so, dass es, wie Sie, Herr Neubert, vorhin erwähnt haben, zu außergewöhnlichen Belastungen bei den Betreuungskosten für die Eltern kommt.

(Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion.PDS: Na, na, na!)

Schauen Sie sich doch einmal die Betreuungskosten an! Ich hoffe, Sie haben den Ausführungen von Frau Schütz zugehört, dass inzwischen bis zu 50 % der Kosten von den Kommunen – aus unterschiedlichen Gründen – getragen werden. Zum einen durch die Begrenzung der Elternbeiträge im § 15; zum Zweiten durch die gesetzlich festgeschriebenen Ermäßigungen für Geschwisterkinder – Sie hatten es erwähnt –; zum Dritten durch die Regelung, dass der Elternbeitrag vom örtlichen Träger der Jugendhilfe dann übernommen wird, wenn die Belastung für die Eltern unzumutbar hoch ist.

Aufgrund der letztgenannten Regelung werden, wie gesagt, jährlich viele Millionen Euro der eigentlich zu erhebenden Elternbeiträge bereits von den Landkreisen und kreisfreien Städten erlassen.

Das können Sie auch noch einmal aufgeschlüsselt nachlesen in der Antwort auf die Kleine Anfrage Drucksache 4/3644. Dort ist es gebietskörperschaftsgenau nachzulesen, wenn darauf hingewiesen wird, dass zum Beispiel der Landkreis Delitzsch oder die Kreisfreie Stadt Hoyerswerda ohnehin bereits bis zu 50 % der Beiträge übernehmen.

Dann stellt sich für mich, Herr Neubert, schon die Frage, warum wir Eltern mit entsprechendem Einkommen ebenfalls gänzlich von den Beiträgen freistellen wollen, wo wir doch an anderen Stellen – jetzt bin ich dran! – die Debatte führen, dass es zu einer gerechten Verteilung der Familienlasten kommen muss. Nämlich die, die mehr verdienen, haben auch die Möglichkeit zu zahlen, und die anderen sollen entlastet werden. Das konterkarieren Sie ja mit Ihrem Antrag.

(Beifall der Abg. Dr. Gisela Schwarz, SPD – Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion.PDS: Dann müssen Sie auch Schulgeld verlangen! – Dr. Cornelia Ernst, Linksfraktion.PDS: Richtig!)

Auf das Finanzvolumen, meine Damen und Herren, das von den Kommunen oder gegebenenfalls vom Freistaat dafür zusätzlich aufgebracht werden müsste, ist heute in den Beiträgen schon mehrfach hingewiesen worden. Es beläuft sich landesweit auf eine Zahl zwischen 170 und 200 Millionen Euro. Ein ausgewogener Vorschlag zur Abschaffung der Elternbeiträge muss sich dann ernsthaft der Frage stellen: Wo sollen die dafür notwendigen Mittel dann anderweitig eingespart werden?

Oder, Herr Neubert, haben Sie etwa vor, eine Neuverschuldung zu unterstützen und damit die zukünftigen Generationen zu belasten? Was hat das mit einer gelingenden Familienpolitik zu tun?

Meine Damen und Herren! Die Sächsische Staatsregierung hat sich auf andere Prioritäten festgelegt, wenn es um die Betreuung in den Kindertageseinrichtungen geht. Wir setzen auch auf Qualität. Wir werden, wie gesagt, nach wie vor dafür sorgen – und dazu sind die Kommunen bereit –, jährlich viele Millionen Euro von den zu erhebenden Elternbeiträgen zu erlassen. Wir werden jedoch weiterhin die Qualität, wie heute auch schon vielfach ausgeführt, in den Kindertageseinrichtungen nach vorn treiben. Wir werden dafür sorgen, dass die investiven Voraussetzungen in den Kindertageseinrichtungen Sachsens weiter an Qualität gewinnen. Wir werden weiter dafür sorgen, dass ein qualifiziertes Schulvorbereitungsjahr zu einer gelingenden Aufnahme in der Grundschule führt.

Wir geben zusätzliche Mittel in das System der Kindertageseinrichtungen, um, wie gesagt, die Qualität zu steigern. Man muss sich in der Tat die Frage stellen – Frau Herrmann hat das schon angesprochen –, ob denn dann

die Mittel, die für eine kostenlose Kita oder ein kostenloses Schulvorbereitungsjahr gebraucht wurden, dazu führen, am Personal oder an eventuellen Bauprogrammen zu sparen. Ich glaube, das kann es nicht sein.

Lassen Sie uns den eingeschlagenen Weg – auch das ist heute schon mehrfach angesprochen worden –, der sowohl qualitativ als auch quantitativ weit über die Grenzen von Sachsen hinaus Beachtung findet – nicht nur bei Wissenschaftlern, sondern auch bei Politikern –, step by step weitergehen.

(Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion.PDS: Steht hier drin: Stufenplan!)

Lassen Sie mich noch einmal deutlich sagen, dass sich die Staatsregierung den Vorschlägen von Bundesseite aus augenblicklich nicht ganz vorbehaltlos anschließen kann, aber alles dafür tun wird, dass dieser Weg, den wir bereits begonnen haben zu gehen, mit Qualität und angemessenem Augenmaß fortgesetzt wird.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU und der SPD)

Gibt es aus den Fraktionen noch einmal Erwiderungsbedarf? – Herr Neubert, noch nicht das Schlusswort, sondern zur Debatte? – Dann Linksfraktion.PDS, Herr Neubert, noch einmal.

(Rita Henke, CDU: Er will sich jetzt für das Gesagte entschuldigen!)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es wurde noch einiges in den Raum geworfen, worauf eine Erwiderung dringend nötig ist.

Frau Orosz, es kommt nicht darauf an, ob der Vorschlag von der CDU-Ministerin kommt, sondern es kommt darauf an, was der Vorschlag beinhaltet. Ich möchte nur darauf hinweisen, dass nicht wir uns der politischen Vorstellung von Frau von der Leyen angenähert haben, sondern dass sich Frau von der Leyen unseren Vorstellungen angenähert hat. Deshalb haben wir dem zugestimmt.

(Beifall bei der Linksfraktion.PDS – Lachen bei der CDU)

Ich möchte einfach noch einmal darauf hinweisen, weil anscheinend der Antrag, den wir heute hier diskutieren, gar nicht so intensiv gelesen wurde, anscheinend auch nicht von den Fachpolitikern: Jede Kritik, Frau Orosz, an unserem Antrag ist eine Kritik an der Familienministerin Ihrer Partei auf Bundesebene.

(Beifall bei der Linksfraktion.PDS)

Natürlich ist es auch Quatsch, uns vorzuwerfen, nicht zu verstehen, dass Familienpolitik mehr sein muss. Selbstverständlich muss Familienpolitik mehr sein, aber wir reden heute über einen Antrag, in dem es um kostenfreie Kitas geht.

(Zuruf der Staatsministerin Helma Orosz)

Ich bin noch etwas verwundert, warum sowohl SPD- als auch CDU-Fraktion so wenig Ehrgeiz entwickeln, über Deutschland hinauszuschauen. Sich immer mit den westdeutschen Bundesländern zu vergleichen ist so eine Sache. Wir haben nie bestritten, dass wir meilenweit voraus sind. Diese Entwicklung haben wir immer unterstützt und in den letzten Jahren um jeden Kita-Platz gekämpft. Das hat sich gelohnt. Deswegen ist es auch unser Beitrag, dass Sachsen so gut dasteht.

(Beifall bei der Linksfraktion.PDS)

Meinen Sie nicht, dass es in der heutigen Zeit angebrachter wäre, über die nationalen Grenzen hinweg zu schauen und sich nicht an der frühkindlichen Bildung Westdeutschlands zu orientieren?

Nun möchte ich eine Aussage der Familienministerin von der Leyen aus dem „Stern“ zitieren. Auf die Frage „Ist Deutschland rückständig?“ lautet die Antwort: „Ja. Wenn Sie mit internationalen Firmen oder Wissenschaftlern über dieses Thema reden, betrachten die meisten von ihnen Deutschland sogar als ausgesprochen rückständig, und das auch noch mit einem gewissen Mitleid.“

(Staatsministerin Helma Orosz: Aber das ist Westdeutschland!)

Gut, die Aussage ist wahrscheinlich viel stärker auf den Erfahrungshorizont von Frau von der Leyen orientiert. Da gebe ich Ihnen vollkommen Recht. Ich bitte Sie aber, nicht nach Westdeutschland zu schauen und zu sagen, wir sind besser. Sie sollten sich an Schweden oder Frankreich orientieren. Das ist das Ziel.

(Lebhafter Beifall bei der Linksfraktion.PDS)

Es ist eben auch kein Flickenteppich, den wir hier vorlegen. Es ist nicht das erste Mal, dass wir in dieser Diskussion Vorschläge unterbreiten. Wir haben in den alternativen Doppelhaushalten der letzten Jahre begonnen, kostenfreie Hortplätze einzubauen. Das war der erste Schritt in Richtung kostenfreie Kinderbetreuung in Sachsen. Aus dem Grund ist es jetzt kein Schnellschuss oder Flickenteppich.

Ich möchte noch auf Frau Dr. Schwarz eingehen. In unserem Antrag wird zunächst ganz freundlich nach einer Meinung gefragt, wie denn die Staatsregierung dazu steht. Das halte ich persönlich für wichtig, denn ich habe Frau Orosz in der Öffentlichkeit Kritik daran üben hören, was Frau von der Leyen mit der Absetzbarkeit von der Steuer vorschlägt.

(Staatsministerin Helma Orosz: Das verstehe ich auch!)

Was folgt denn daraus? Das ist doch die Frage. Wenn Sie sich in der Öffentlichkeit dazu äußern, dann werden Sie auch im Bundesrat aktiv, zum Beispiel mit dieser Geschichte. Das habe ich aber nicht gehört.

(Beifall bei der Linksfraktion.PDS)

Ein weiterer Punkt. Sie sprechen von step by step, wir nennen das Stufenplan.

(Beifall bei der Linksfraktion.PDS)

Es geht darum, dass bis zum Mai 2006 ein Stufenplan vorgelegt wird, bei dem man sich damit auseinander setzt, wie es möglich ist, mittelfristig bis 2010 zur kostenfreien Kita zu kommen. Das steht drin und nicht eine Veränderung von heute auf morgen.

Des Weiteren fordern wir Sie auf, im Bundesrat noch ein paar Aktivitäten zu entfalten. Ich weiß nicht, ob Sie schon Ministerin waren, als wir im Landtag schon mal eine Diskussion zur Regelfinanzierung des Bundes für Kinderbetreuung hatten.

Eigentlich wollte ich nicht darauf eingehen, aber da CDU- und SPD-Fraktion darauf eingegangen sind, möchte ich es auch tun. Die Haushaltsverhandlungen liegen nun schon einige Zeit zurück. Die damalige PDS-Fraktion hat sich dazu positioniert. Wir haben es begrüßt, dass die Pauschale aufgestockt, für das Schulvorbereitungsjahr Geld eingestellt wurde und Investitionsmittel vorgesehen wurden, aber – –

(Dr. Gisela Schwarz, SPD: Aber, aber.)

Ich sage natürlich „aber“, Frau Dr. Schwarz. Entschuldigen Sie bitte. Wir haben das positiv formuliert. Nun bringen Sie doch nicht die nächsten fünf Jahre immer diese Geschichte. Wenn man es sich vor Augen führt, dann hat die Erhöhung der Pauschale einen nachholenden Charakter und die Einstellung der Investitionsmittel den Grund gehabt, dass sie zwei Jahre vorher im Haushalt herausgefallen waren. Vor dem Hintergrund der frühkindlichen Bildung möchte ich nicht immer die Haushaltsverhandlungen von vor zwei Jahren diskutieren müssen.

Frau Staatsministerin, wir waren vor zwei Wochen gemeinsam auf der Fachtagung zum Bildungsplan. Sie hatten einen Termin und mussten eher weg. Das ist in Ordnung. Die Tagung begann morgens mit der permanenten Anmahnung, dass die Rahmenbedingungen nicht stimmen und verbessert werden müssen, um den Bildungsplan umzusetzen. Das ging am Nachmittag in jedem Redebeitrag so weiter. Das ist ein wichtiger Aspekt.

(Staatsministerin Helma Orosz: Wir werden darauf reagieren!)

Entschuldigung, in dem Bereich haben Sie leider noch keine Aktivitäten entwickelt. Auf der Tagung gab es vom Sozialministerium und auch von Ihnen keine konkreten Aussagen, wie es zu verbessern wäre und die Rahmenbedingungen geschaffen werden können. Das ist dringend notwendig.

Den Rest lasse ich an dieser Stelle weg. Ich bitte trotzdem um Zustimmung zu unserem Antrag.

(Beifall bei der Linksfraktion.PDS und der FDP)