Protokoll der Sitzung vom 26.01.2006

Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der FDP)

Danke schön. – Der Sprecher der CDU-Fraktion, Herr Kollege Patt, hat das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Was hat Mitarbeiterbeteiligung mit demografischer Entwicklung und mit unserem Arbeitskräftebedarf zu tun? Wie ist die demografische Situation?

1994 halbierten sich die Geburtenzahlen in Sachsen gegenüber den achtziger Jahren, und die damals in Folge nicht geborenen Kinder fehlen 2010 in der Ausbildung

und 2016 als akademischer Nachwuchs. Das Ganze verbinden wir mit einer hohen Abwanderungsbereitschaft, wie wir heute feststellen, die insbesondere – wie das die Mitglieder unserer Enquete-Kommission herausgearbeitet haben – von einer unzureichend beachteten Teilhabe an unternehmerischen Entscheidungen geprägt ist, was vielleicht ganz typisch für junge Leute ist, jedoch unseren Nachwuchs nicht ausreichend motiviert, hier zu bleiben, da man glaubt, in anderen Gegenden wäre das besser.

Auch für dieses Problem ist die Mitarbeiterbeteiligung eine Lösung, denn Heimat ist da, wo man finanziell und persönlich verwurzelt ist. Ziele der Mitarbeiterbeteiligung und der Mitarbeiterkapitalbeteiligung sind aus unserer Sicht, wie Kollege Dr. Schmalfuß ausführte, die langfristige Bindung leistungsorientierter, fachlich kompetenter Mitarbeiter an die Unternehmen, die Flexibilisierung von Personalkosten durch Variabilität erfolgsabhängiger Vergütung und die Beschaffung von günstigem Kapital. Ob dies allerdings, Herr Dr. Schmalfuß, geeignet ist, um darauf eine Altervorsorge aufzubauen, darüber sind wir uns nicht sicher. Dazu muss man offen sagen, welche Risiken mit solchen Modellen verbunden sind: Das Doppelrisiko für den Arbeitnehmer bei einer Insolvenz; denn er verliert seinen Arbeitsplatz und seine Kapitalbeteiligung. Außerdem muss man die innerbetrieblichen Konflikte bei unklaren Kompetenzregelungen berücksichtigen.

Ende 1997 war das Projekt der Staatsregierung ausgelegt, um bis 2002 Mitarbeiterbeteiligungen zu fördern. Einige Zahlen haben Sie genannt. Über 1 100 Unternehmen sind kontaktiert worden. Daraufhin hat es 147 Mitarbeiterbeteiligungen gegeben. Wie viele davon noch bestehen, können wir nicht sagen. Aber ein Erfolgsmodell ist sicherlich auch die Union-Werkzeugmaschinenfabrik in Chemnitz, die heute weiter expandiert und eine reine Mitarbeitergesellschaft ist.

Warum die Aktivitäten der Staatsregierung nicht weitergeführt wurden, sollte im zuständigen Fachausschuss behandelt werden, meint unsere Fraktion. Wir sind der Meinung, dass Mitarbeiterbeteiligungsmodelle als Formen von Kapitalbeteiligung, aber auch von Mitsprache in Sachsen wichtig, jedoch zu wenig entwickelt sind. Diese verschiedenen Formen der Beteiligungen müssen jedoch noch im Fachausschuss herausgearbeitet werden. Es muss berücksichtigt werden, unter welchen sächsischen Verhältnissen wir dies sehen. Sachsen, das Land der Ingenieure: Hier geht man relativ pragmatisch und sachlich an solche Themen heran und wird ganz fair miteinander über Risiken und Chancen solcher Modelle nachdenken können.

Flankierende Maßnahmen des Freistaates – dies sieht die CDU-Fraktion etwas anders als die FDP-Fraktion – können eine Sensibilität für Chancen und Risiken dieser Modelle erzeugen, aber konkrete Beratungsleistungen sollten besser Kammern, Verbände oder Dritte vornehmen, die geeigneter sind.

(Beifall der Abg. Regina Schulz, Linksfraktion.PDS)

Wir möchten nicht, dass sich der Staat überall einmischt, wo Dritte es besser können.

(Vereinzelt Beifall bei der CDU)

Deshalb bitten wir den Antragsteller, Herrn Dr. Schmalfuß und die FDP-Fraktion, zu überlegen, ob dieser Antrag an den Ausschuss verwiesen werden kann. Wir halten ihn dort für geeignet aufgehoben.

Danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU)

Herr Kollege Zais spricht für die Linksfraktion.PDS.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zu den drei Vorschlägen der FDP-Fraktion möchte ich Folgendes ausführen:

Zum Ersten – Sie fordern eine Informationskampagne. Man muss keine neue Kampagne auslösen, um die über mehrere Jahre zum Projekt Mitarbeiterbeteiligung vorliegenden Erfahrungen in Form von Berichten, Studien, Konzepten, Handbüchern und Gutachten weiterhin einer breiten, interessierten Öffentlichkeit von Unternehmern und Belegschaften – darauf lege ich Wert – zur Kenntnis zu geben.

Soll das SMWA das gesamte vorliegende Wissen zum Thema Mitarbeiterbeteiligung den Sachsen auf ihre Internetseite stellen, so bedarf es dann nur eines Klicks, aber sie müssten vorher die Kapazität der Speicher verdoppeln.

(Beifall der Abg. Regina Schulz, Linksfraktion.PDS)

Eine Kampagne wäre deshalb reine Geldverschwendung.

Zum Vorschlag zwei – Beratungsleistungen. Wir gehen davon aus, dass die im SMWA und in der SAB vorhandene Kompetenz jederzeit abrufbar ist. Herr Dr. Schmalfuß, Sie werden mir darin sicher Recht geben – Sie sind ja fast Insider – und diesem ihrem öffentlichen Auftrag zur Beratung von sächsischen Unternehmen selbstverständlich nachkommen.

Interessant wäre für uns zu erfahren, wie die organisierte Wirtschaft des Freistaates Sachsen, also Industrie- und Handelskammer – darin schließe ich mich Herrn Patt an – , Handwerkskammer sowie die im Freistaat ansässigen Unternehmerverbände diese Aufgabe wahrnehmen, ihre eigenen Mitglieder über die Vielzahl der Möglichkeiten der Mitarbeiterbeteiligung zu informieren. Dies zu fördern wäre ebenfalls ein interessantes Betätigungsfeld für die FDP.

Gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Herr Herbst, bitte.

Herr Kollege Zais, Sie machen interessante theoretische Ausführungen.

Ganz praktische!

Sie haben unter anderem ausgeführt, dass diese Informationen jederzeit verfügbar sind, zum Beispiel bei der SAB. Was sagen Sie dazu, dass heute Unternehmer dort anrufen und sagen, sie möchten zu ihrer Information eine Auskunft bekommen, es dafür jedoch keinen Ansprechpartner gibt?

Dann müssen wir dies im Ausschuss sofort klären. Der Herr Staatsminister schreibt es sich auf; man wird das mit Sicherheit ändern. Solche Wege haben wir uns im Landtag angewöhnt. Ich kann mir vorstellen, er wird sicher etwas dazu sagen. Es ist in Ordnung, aber es berechtigt nicht zur Kampagne. Können wir uns darauf einigen?

(Torsten Herbst, FDP: Ich dachte eigentlich, das können wir nicht!)

Gut, dann komme ich trotzdem zu Ihrem dritten Vorschlag, das sind die Rahmenbedingungen in Ihrem Antrag. Im Punkt 3 sehen wir in erster Linie einen Auftrag an die jetzige Bundesregierung. Die letzte umfassende Novelle im Bundesrecht hat es dazu 1999 im Zuge der Reform des Vermögensbildungsgesetzes gegeben – auch für Sie nachlesbar.

In diesem Gesetz wurde insbesondere die Kapitalbeteiligung von Arbeitnehmern verbessert. Im Zuge dessen wurde damals eine umfangreiche Informationsschrift des Bundes mit dem Titel „Mitarbeiterbeteiligung am Produktivvermögen – Ein Wegweiser für Arbeitnehmer und Arbeitgeber“ aufgelegt. Diese ist heute noch lesenswert und ich kann sie nur wärmstens empfehlen. In diesem Sinne ist Ihr Antrag auch völlig richtig, aber er trägt Wasser in hoch stehende Flüsse, das wir sicher nicht zusätzlich hineinschütten müssen.

Bleibt am Schluss eine wirklich inhaltliche Frage – ich dachte, Herr Nolle spricht vor mir, aber er wird es sicher später nachholen –: Warum gibt es in der Unternehmerschaft Sachsens so wenige Nolles? Ich nehme es jetzt einmal vorweg: Er hat nämlich ein solches Mitarbeitermodell. Dafür scheint es objektive wie subjektive Gründe zu geben.

Zu den objektiven Gründen, scheint mir, gehört die Unternehmensstruktur, sprich die Größe und die Anzahl der Beschäftigten der Unternehmen im Freistaat Sachsen. Dazu möchte ich ein paar Zahlen nennen: Von insgesamt 145 561 Unternehmen sind 99,7 % der mittelständischen Wirtschaft zuzurechnen. Davon entfielen – das ist der reale Stand in Sachsen – 128 000 auf Kleinstunternehmen bis neun Beschäftigte, 14 000 auf Kleinunternehmen mit

zehn bis 49 Beschäftigten und 2 651 Unternehmen haben 50 bis über 249 Beschäftigte.

Nun ist es interessant, in der Differenzierung diese 147 Unternehmen gegenüberzustellen, die sich eines Projekts der Mitarbeiterbeteiligung, eines Modells angenommen und dieses eingeführt haben. Es sind sechs Unternehmen mit weniger als zehn Beschäftigten, 45 Unternehmen zwischen zehn und 49 Beschäftigten, 41 Unternehmen zwischen 50 und 199 Beschäftigten, 28 Unternehmen zwischen 200 und 499 Beschäftigten und 17 Unternehmen hatten über 500 Beschäftigte.

Daraus kann man klar ersehen, dass in Unternehmen mit einer Größe von über 50 bis 200, fast 500 Beschäftigten, am ehesten ein Modell der Mitarbeiterbeteiligung möglich ist. Das heißt für uns, die sächsische Betriebsgrößenstruktur zu entwickeln. Es ist vornehmlich – darin sind wir uns alle einig – eine innovative Aufgabe, Produkte und Technologien zu fördern, um diese letztlich auf dem Exportmarkt bestehen zu lassen.

Ferner gibt es eine subjektive Größe, die einen gravierenden Mangel bei der betrieblichen Mitbestimmung hat, Herr Schmalfuß. Wer Mitarbeiterbeteiligungen in den Unternehmen einführen will, der braucht zweierlei: a) den überzeugten Unternehmer

(Zuruf von der Linksfraktion.PDS: Richtig!)

und b) eine organisierte Belegschaft.

(Vereinzelt Beifall bei der Linksfraktion.PDS – Zuruf des Abg. Holger Zastrow, FDP)

Herr Zastrow, wir kommen gleich dazu. Man braucht also zwei Akteure, wovon die FDP –

(Zurufe des Abg. Holger Zastrow, FDP)

Herr Zastrow! – Man braucht zwei Akteure, wovon die FDP der Vertreter der Unternehmer sein will. Nun müssten Sie sich aber auch um die andere Seite kümmern, da Sie Firmen mit Mitarbeiterbeteiligung fördern wollen. So verstehe ich Ihren Antrag. Herr Zastrow, Herr Günther, Herr Morlok, Herr Schmalfuß, Herr Bartl und Herr Hähle, wie aktiv sind Sie in Ihren Unternehmen, eine Mitarbeiterbeteiligung einzuführen?

(Holger Zastrow, FDP: Gut!)

Im Jahre 2006 könnten im Freistaat anlässlich der Betriebsratswahlen in 33 000 von 118 000 Unternehmen Arbeitnehmervertreter gewählt werden. Tatsächlich bestehen Interessenvertretungen aber nur in 10 000 sächsischen Unternehmen. Da Betriebsratswahlen vom 1. März bis 31. Mai 2006 auf der Tagesordnung stehen, besteht die Chance, etwas für zwei voneinander nicht zu trennende Prozesse zur Aufwertung der sächsischen Unternehmerlandschaft zu tun: erstens die betriebliche Mitbestimmung zu befördern und zweitens eine Mitarbeiterbeteiligung einzuführen. Das ist eine Herausforderung für alle demokratischen Fraktionen im Landtag sowie für die Staatsregierung. Eine Herausforderung muss das nun auch für die Halbtagsparlamentarier der FDP-Fraktion sein.

(Beifall bei der Linksfraktion.PDS – Zurufe von der FDP – Herr Zastrow, Sie können ja aufstehen und mich etwas fragen. (Zuruf des Abg. Holger Zastrow, FDP)

Aber Sie wollen die Aufgabe lieber an eine Informationskampagne der Staatsregierung delegieren. Nein, nein, wir sind gern bereit, uns das Ganze wieder einmal mit dem Wirtschaftsausschuss vor Ort konkret anzusehen. Das kann wie im Jahre 1999 wiederum ein Besuch im Druckhaus der Dresdner GmbH sein, nämlich beim Kollegen Nolle. Wir sind aber im Zuge der Gleichbehandlung von Unternehmen gleichwohl bereit, jedes von der FDPFraktion vorgeschlagene Unternehmen mit Betriebsrat und Mitarbeiterbeteiligungsmodell zu besuchen.

Schönen Dank.