Protokoll der Sitzung vom 16.03.2006

(Rita Henke, CDU: Na, na, na!)

Die wirtschaftlichen Auswirkungen möchte ich jetzt ein wenig näher beleuchten. Wir haben in Sachsen ungefähr 7 % des deutschen Hühnerbestandes. Das heißt, acht Millionen Stück Geflügel erzeugen ungefähr eine Milliarde Eier. Die Geflügelhaltung spielt sich im Gegensatz zu den asiatischen Verhältnissen zum überwiegenden Teil in großen geschlossenen Anlagen mit einem hohen hygienischen Standard ab.

Ich appelliere von dieser Stelle aus an die Behörden, in diesen gut kontrollierbaren Anlagen nicht ohne Not zu keulen, sondern erst dann, wenn das Virus wirklich in der Anlage ist. Aufgrund der gesamten öffentlichen Debatte mit den angesprochenen Verunsicherungen hat die Geflügelwirtschaft bereits jetzt einen Nachfragerückgang von bis zu 20 % im Vergleich zum Herbst des Vorjahres zu verzeichnen.

Ein zweites Gebiet, das ich an dieser Stelle beleuchten möchte, hat zwar weniger wirtschaftliche Auswirkungen, aber große agrarhistorische und kulturhistorische Bedeutung. Die Rassegeflügelzucht hat auch in Sachsen schon eine sehr lange Tradition. Im Jahr 1852 wurde hier der erste Verein gegründet. Wenn man sich dann einmal damit befasst, mit welchen Tierarten sich diese Vereine beschäftigen – mit zirka 30 verschiedenen Rassen Großgeflügel, über 70 Hühner- und Taubenrassen –, so kann man sehr schnell feststellen, dass hier noch zahlreiche vom Aussterben bedrohte Haustierrassen gehalten werden. Wir finden so den einzigen Bestand von forellenfarbigen Landenten in Deutschland, finden ebenfalls blaugelbe Landenten und Annaberger Haubenstrupphühner. Davon gibt es in ganz Deutschland noch 16 Stück. Wir finden Deutsche Reichshühner. Davon gibt es ungefähr 30 Stück in Deutschland. Es gibt Sachsenhühner, die ebenfalls in verschiedenen Farbschlägen nur noch selten vorkommen, bis hin zu Vogtländern.

(Heiterkeit – Beifall des Abg. Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion.PDS)

Nicht vorstellbar ist, wenn durch die Keulung ganze Rassen für immer ausgelöscht würden und die Mühe der Züchter zunichte gemacht werden würde.

Über Impfungen von Hobby- und Zootieren sollte weiter nachgedacht werden. Das setzt allerdings die Entwicklung eines Marker-Impfstoffes voraus, der eine Trennung von Feldvirus und Impfvirus ermöglicht. Parallel dazu kann man darüber nachdenken, ob der Lebensraum dieser Restbestände auch in die Vogelschutzrichtlinie aufgenommen werden muss.

Da meine Redezeit zu Ende ist,

(Ach! Oh! bei der FDP)

möchte ich Ihnen, wie meine Vorredner auch, von dieser Stelle aus nur noch einmal mitteilen, dass die Gefahr für den Menschen gering ist, dass es keine Gründe gibt, auf den beliebten Goldbroiler zu verzichten und dass auch Ostern und in diesem Zusammenhang stehende Bräuche wegen der Vogelgrippe wohl nicht ausfallen werden.

Danke schön.

(Beifall bei der CDU)

Wird von der SPD-Fraktion noch das Wort gewünscht? – Dann die Linksfraktion.PDS. Frau Altmann, bitte.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte mich in meiner Rede auf ein Thema konzentrieren, das bisher ein wenig zu kurz gekommen ist – ich dachte, Herr Heinz würde es ansprechen, er hat es aber nur leicht gestreift –: Welche Auswirkungen hatte denn nun die Vogelgrippe, die die klassische Vogelpest ist, bisher auf die sächsischen Geflügelhalter?

Es wurde schon gesagt, dass das, was man im Volksmund Vogelgrippe nennt, die klassische Geflügelpest ist. Obwohl das öffentliche Szenario – dort gebe ich Herrn Heinz nicht vollkommen Recht –, das auch über die Medien gekommen ist, zum Teil schon ein wenig an das erinnert hat, was seinerzeit im Zusammenhang mit BSE stattgefunden hat, sage ich ganz deutlich: BSE und die Geflügelpest sind nicht miteinander zu vergleichen. Die Geflügelpest ist eine klassische Tierseuche und muss – anders als es damals bei BSE gewesen ist – auch als solche behandelt werden.

Trotzdem bin ich, sind wir der Meinung, dass auch bei der Vogelgrippe, sollte sie in Sachsen auf die Nutzgeflügelbestände übergreifen, sehr vorsichtig – so, wie es inzwischen bei BSE in Sachsen sehr guter Brauch ist – und immer in engem Zusammenwirken mit den betroffenen landwirtschaftlichen Betrieben sowie verhältnismäßig bei erforderlicher Tötung umgegangen werden sollte. Das wäre eine Forderung, die wir haben.

Wie sehen nun aber die Auswirkungen zurzeit aus, da es diesen Fall zum Glück noch nicht gibt? – In Sachsen gibt es ungefähr 50 Haupterwerbsbetriebe, die sich mit Geflügelhaltung beschäftigen, und dort ist die Geflügelhaltung fast ausschließlich Teil der Produktion. Eine Auswirkung ist heute schon die angeordnete Stallpflicht. Diese wird aber von den Geflügelhaltern schon aus eigenem Interesse, zum eigenen Schutz akzeptiert und wird auch sehr ernst genommen. Vorteile haben bei dieser Stallpflicht die Betriebe, die ihre Stallkapazität nicht im Vorhinein schon sehr knapp bemessen haben. Das betrifft – es ist ganz einfach so – in vielen Fällen Ökobetriebe, die es jetzt gut haben, wenn sie ihre Stallkapazität nicht von vornherein

knapp bemessen haben. Sie haben Spielräume, um ihre Tiere immer noch artgerecht halten zu können.

Die Stallpflicht macht sich zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht sehr bemerkbar. Das ist der Witterung geschuldet. Zurzeit sind die Tiere sowieso zum überwiegenden Teil in den Ställen. Ein Problem wird eintreten, wenn die Stallpflicht über den 30.04.2006 hinaus verlängert werden muss. Dann wird es Auswirkungen nicht nur auf die Legehennenbestände geben, sondern auch auf Enten- und Gänsebestände, denn diese Tiere kommen in der Aufzucht kaum ohne Auslauf aus, ohne dass die Qualität darunter leiden würde.

Ein Problem bei den Legehennen sehen wir heute darin, wenn eine angeordnete Stallpflicht länger als zwölf Wochen dauern muss. Nach dieser Zeit können die dort produzierten Eier nicht mehr als Freilandeier deklariert werden.

Damit komme ich zu einem zweiten Problem, und zwar zu den sehr umstrittenen und sehr kontrovers diskutierten Impfungen von Nutzgeflügelbeständen als Alternative zur Stallhaltung. Ich halte es zum jetzigen Zeitpunkt für nicht sinnvoll, Nutztierbestände zu impfen; denn derzeit gibt es keinen entsprechenden Impfstoff. Impfstoffe, die es zurzeit gibt, sind keine so genannten Markerimpfstoffe. Geimpfte Tierbestände könnten latent immer noch diesen Virus enthalten und damit verstärkt als Überträger infrage kommen.

Trotzdem stellt Impfen oder Nichtimpfen heute schon ein Problem dar. Die Niederlande und Frankreich haben sich bei der EU eine Ausnahmegenehmigung zum Impfen ihrer Tierbestände geholt. Sie tun es auch trotz des riesengroßen Aufwandes, der damit verbunden ist. Unsere Anregung ist, genau zu beobachten, wie sich der Markt für Freilandeier europaweit entwickelt, und dann noch einmal neu über Impfungen nachzudenken. Impfen hat unserer Meinung nach nur dann wirklich Sinn, wenn es einen Markerimpfstoff gibt.

Damit bin ich bei dem dritten Schwerpunkt, den ich hier setzen möchte: der Forschung insgesamt auf diesem Gebiet. Wir haben heute mehrfach gehört, dass wir eigentlich so gut wie nichts wissen, wie diese Art von Vogelgrippe/Geflügelpest verbreitet werden kann. Deswegen regen wir an, in die Forschung für einen Markerimpfstoff viel mehr Kapazität und Mittel zu investieren. Wir regen an – über Sachsen hinaus, auf Bundesebene –, dass die Epidemiologie als Wissenschaftsdisziplin wieder mehr gefördert wird und es dafür ein zentrales Forschungszentrum geben sollte, damit wir in Zukunft besser wissen, wie diese Art von Geflügelkrankheit übertragen wird.

Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der Linksfraktion.PDS)

Wird das Wort von der NPDFraktion gewünscht? – Das ist nicht der Fall. Die FDPFraktion? – Herr Günther, bitte.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich habe Ihnen angedeutet, dass ich einige Vorschläge für den wirklich schlimmen Fall der Fälle hätte, was man dann tun muss und was wir vorbereiten können. Ungefähr seit 1997 erwarten Fachleute, dass eine Pandemie auftreten kann. Für uns als Sachsen würde es bedeuten, dass wir für den Fall der Fälle genügend finanzielle Mittel bereitstellen müssen. Ich gehe davon aus, dass das ähnliche Auswirkungen haben kann wie damals die Flut: Andere Dinge müssen dann zurückstehen. Als Hohes Haus muss uns bewusst sein, dass wir dann in unseren Fachbereichen zurückstehen müssten.

Gentechnische Forschungen müssen ohne Wenn und Aber zugelassen und erweitert werden. Nur so wird es gelingen, auf schnellem Wege, falls der Virus aktiv ist, wirksame Impfstoffe zu entwickeln und herzustellen. Neue Wirkstoffe werden nicht mit den alten Methoden hergestellt, wie zum Beispiel mit der Eierbebrütung. Für diese Forschung brauchen wir schnellstmöglich Genforschung. Mit GlaxoSmithKline haben wir in Sachsen – in Dresden – eine Firma, die Impfstoffe entwickelt. Das ist eine Ausnahme deutschlandweit. Es ist ein starker Partner. Wir sollten uns dem nicht verschließen. Forschung, Wissen und neue Technik werden in Zukunft Leben retten können.

Pannenserien, wie sie auf Rügen passiert sind, müssen der Vergangenheit angehören. Deshalb ist der Katastrophenschutz finanziell und technisch so auszustatten, dass wir der neuen Herausforderung gewachsen sind. Kompetenzen müssen klar benannt und vor Ort gestärkt werden. Neben Ärzten und Apotheken sind Berufsverbände und Kammern in die Pandemieplanung einzubeziehen. Ich weiß, dass das läuft. Jeder beteiligte Helfer muss von Anfang an wissen, was er im Fall der Fälle zu tun hat.

Die Vorbereitungen müssen für die Bevölkerung transparent sein, sodass auch jeder weiß, was dann zu tun ist. Wir Sachsen wissen ganz genau: Einen hundertprozentigen Schutz wird es nicht geben. Aber die Sachsen können erwarten, dass es einen hundertprozentigen Einsatz – auch von uns Politikern – geben wird. Die Bekämpfung der Vogelgrippe bzw. Pandemie ist eine absolut überparteiliche Herausforderung.

Gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Frau Altmann, bitte.

Herr Günther, ich hatte jetzt eine kurze Denkpause. Ich musste erst einmal richtig hinhören. Haben Sie in dem Zusammenhang wirklich „Gentechnik“ gesagt?

Ich frage Sie: Wo haben Sie Ihr Wissen her, dass die Erforschung eines wirksamen Impfstoffes über Gentechnik schneller gehen soll als über die herkömmliche immunologische Forschung und Impfstoffherstellung? Wissen Sie, dass alles, was mit Gentechnik zu tun hat, in der Bewilligung und im Einsatz weitaus längere Zeiten benötigt als das, was auf herkömmliche Weise hergestellt wird. Ich halte auch auf diesem Gebiet Gentechnik wirklich nicht für das notwendige und erstrebenswerte Verfahren.

Ich halte es dringend für notwendig. In den Gesprächen mit den Experten aus der Pharmaindustrie, die die Wirkstoffe herstellen, wurde klar und eindeutig gesagt, was schneller geht, was jetzt schon angepackt werden kann und wie jetzt schon darauf hingewirkt werden kann. Wenn der Virus dann da ist, muss schnell darauf reagiert werden. Deshalb muss jetzt der Weg für die Forschung freigemacht werden.

(Beifall bei der FDP)

Gestatten Sie eine weitere Zwischenfrage?

Bitte, Frau Altmann.

Kann es sein, dass Sie Ihre Informationen nur von einer Seite haben? Mehr Mittel in Forschung bejahe ich, aber ich denke, das sollte nicht einseitig geschehen, sondern auf gefahrlose Art.

(Zuruf des Abg. Johannes Lichdi, GRÜNE – Beifall bei den GRÜNEN)

Ich möchte fortfahren. Die Bekämpfung der Vogelgrippe und der Pandemie muss für uns eine absolut überparteiliche Herausforderung darstellen. Die Lösung dieses Problems ist weder konservativ oder sozialistisch noch liberal, sondern nur gut oder schlecht. Ich bin mir mit meiner Fraktion darin einig,

(Zuruf des Abg. Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion.PDS)

dass wir in Sachsen ein Stück weit vorangekommen sind, und wir reichen der Staatsregierung zur Lösung dieses Problems unsere Hand.

Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP)

Wird von der Fraktion der GRÜNEN noch das Wort gewünscht? – Das ist nicht der Fall. Dann frage ich die CDU-Fraktion. – Frau Nicolaus, bitte.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir haben uns sehr engagiert und umfänglich mit der Vogelgrippe/Geflügelpest