Protokoll der Sitzung vom 17.03.2006

Herr Dulig, bitte.

Wenn Sie mit uns übereinstimmen, dass die Entwicklung der Gemeinschaftsschulen vor allem einen verantwortlichen Umgang mit den pädagogischen Konzepten beinhaltet, dass man mit Freiheiten umgeht, warum haben Sie dann einen Schulgesetzentwurf vorgelegt, der das ganze Gegenteil aussagt?

(Cornelia Falken, Linksfraktion.PDS: Das ist ja gar nicht wahr!)

Unser Gesetzentwurf steht für wohnortnahe und demokratisierte Schulen, in denen länger gemeinsam auf andere Art und Weise gelernt werden kann. Wir setzen uns dafür ein, wir gehen ins Land, wir reden in allen Kreisen. Das steht außer Frage.

Ich komme noch einmal dazu, wie wir möglicherweise zu etwas anderem kommen könnten.

(Widerspruch bei der SPD)

Das ist reine Denunziation. Das kann man von mir aus im Plenum machen, aber wir wollen eine andere Schulkultur und stehen dazu.

(Beifall bei der Linksfraktion.PDS)

Ich komme noch einmal auf gemeinsame Mehrheiten zurück. Der Kultusminister hat gesagt, es wird eine Gemeinschaftsschule geben, die unser Schulsystem nicht „kaputtmachen“ kann. Das macht ganz deutlich, dass Sie die Gemeinschaftsschulen nicht wollen. Wir würden hier nicht über Quantität reden, wenn es 20, 30 oder 40 Gemeinschaftsschulen geben würde, wenn deutlich wäre, dass es landesweit einen Prozess gäbe. Dann würden wir nicht darüber sprechen, dass es nur eine gibt. Aber dass es nur eine Schule gibt, zeigt, wie sehr Sie dieses Modell blockieren. Das ist die politische Unlauterkeit in der Koalition im Umgang mit dem Konzept.

(Beifall bei der Linksfraktion.PDS)

In Bezug auf die Mehrheiten hätten die kalkulatorischen Fähigkeiten in der Gemeinschaftsschule besser gefördert werden können. Kollege Dulig, wir haben noch einmal gerechnet. Sowohl gesellschaftlich gibt es eine Mehrheit, denn 80 % der Sachsen wollen eine längere gemeinsame Schulzeit, aber auch parlamentarisch kann man Mehrheiten, und zwar ganz ohne Beteiligung der Abgeordneten von rechts, locker finden. 31 plus 13 plus 6 plus 7 macht 57 Abgeordnete, die für eine längere gemeinsame Schulzeit stimmen würden.

(Vereinzelt Beifall bei der Linksfraktion.PDS und des Abg. Holger Zastrow, FDP)

Wenn Sie sich nicht von der CDU-Fraktion über den Tisch ziehen lassen wollen und auch keine Lust haben, mit der CDU in die andere Richtung herumzustreiten, dann machen wir Ihnen ein Angebot. Wir wollen die längere gemeinsame Schulzeit. Man muss wissen, was einem das in einer Koalition wert ist. Wir sind den ganzen Tag noch da. Kommen Sie einfach auf uns zu!

Danke, Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei der Linksfraktion.PDS)

Von der GRÜNEFraktion hat sich Frau Günther-Schmidt gemeldet. Bitte schön.

(Interne Wortwechsel zwischen Abgeordneten der CDU und der FDP – Heiterkeit bei der FDP)

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Ich denke, die Wortwahl des Kultusministers war sehr bezeichnend. Er spricht im Zusammenhang mit Gemeinschaftsschulen von „Kaputtmachen“.

(Heinz Eggert, CDU: Oh, ja!)

Es geht hier nicht um Kaputtmachen, es geht um Ergänzen und Bereichern. Ich halte das für schwierig. Eine solche Äußerung macht es für mich problematisch, Ihnen ernsthaft abzunehmen, dass Sie tatsächlich Gemeinschaftsschulen wollen.

(Widerspruch des Staatsministers Steffen Flath)

Manche haben es gut. Wir sind nicht in der Koalition. Wir dürfen sagen, was wir von Gemeinschaftsschulen halten. Wir finden sie gut.

(Beifall bei den GRÜNEN und der Linksfraktion.PDS)

Ich fordere Sie hier noch einmal auf, an die Kinder zu denken. Es geht in erster Linie um Chancengerechtigkeit bei der Bildung. Die Erfahrung in anderen Ländern zeigt, dass längeres gemeinsames Lernen die Leistungserfolge beflügelt und es ermöglicht, Schwache mitzunehmen. Wir haben in Sachsen über 15 Jahre eine Kultur etabliert, die auf Abschieben und Nach-unten-Durchreichen ausgerichtet ist.

(Vereinzelt Widerspruch bei der CDU)

Sie haben vorhin gesagt, dass unser sächsisches Schulsystem ein Modell für andere Bundesländer ist. Ich darf Sie erfreuen: Auch das Gemeinschaftsschulmodell aus Sachsen ist für andere Bundesländer interessant. Sie wissen, in Schleswig-Holstein regiert ebenfalls Rot-Schwarz. Dort gibt es im Koalitionsvertrag auch die Gemeinschaftsschule und einen Förderfonds mit finanziellen Mitteln für zusätzliche pädagogische Aufgaben. Dort interessiert man sich. Man liest bei der GRÜNEN-Homepage „Gemeinschaftsschule-Sachsen.de: – –

(Dr. Fritz Hähle, CDU: Minus Sachsen.de, das ist richtig!)

Gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Wie viele Gemeinschaftsschulen gibt es in Schleswig-Holstein?

Dort ist man genauso fix wie hier. Dort ist man mit dem Aufbau beschäftigt.

(Martin Dulig, SPD: Es gibt keine!)

Das war der Inhalt meiner Äußerung.

Meine Einschätzung ist: Die Gemeinschaftsschule in Sachsen droht nach wie vor zu scheitern. Lassen Sie uns gemeinsam einen Beitrag dazu leisten, dass in Sachsen längeres gemeinsames Lernen ermöglicht wird, vielleicht mit einem Jahr Verzögerung.

Danke schön.

(Beifall bei den GRÜNEN und der Linksfraktion.PDS)

Gibt es weitere Redewünsche aus den Fraktionen? – Redezeit gebe es noch. – Wenn das nicht der Fall ist, dann beenden wir diesen Tagesordnungspunkt.

Wir kommen zum

Tagesordnungspunkt 2

Ausbildungsreife

Drucksache 4/3756, Antrag der Fraktionen der CDU und der SPD, mit Stellungnahme der Staatsregierung

Für eine bessere Berufsorientierung an sächsischen Schulen

Drucksache 4/4542, Antrag der Fraktion der FDP

Hierzu können die Fraktionen wie gewohnt Stellung nehmen. Es beginnen die Fraktionen CDU, SPD und FDP, danach Linksfraktion.PDS, NPD, GRÜNE und die Staatsregierung. Ich erteile der Fraktion der CDU das Wort. Herr Abg. Pietzsch, bitte.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ausbildung erfordert Ausbildungsreife. Seit Jahren besteht erheblicher Handlungsbedarf in Schule und Erziehung. Das duale Berufsausbildungssystem bietet für die Mehrzahl der Jugendlichen optimale Voraussetzungen für den Start ins Berufsleben. Es verbindet theoretisches Wissen und praktisches Können, fördert die Integration der Auszubildenden und erleichtert den Übergang von der Schule in das Berufsleben. Die Kooperation von Betrieben und Berufsschule gewährleistet eine breite berufliche Qualifizierung, die auch einzelbetriebliche Anforderungen berücksichtigt.

Eine erfolgreiche Ausbildung in einem der 350 Ausbildungsberufe setzt jedoch eine entsprechende Ausbildungsreife voraus. Pro Jahr verlassen rund 10 % der Schulabgänger die allgemein bildenden Schulen ohne Abschluss. Nach Erkenntnissen der Pisa-Studie gehen rund 25 % der Schüler ohne ausreichende Ausbildungsreife ab. Gravierende Defizite bestehen bereits bei grundlegenden Kulturtechniken. Die Unternehmen weisen auf schlechte Kenntnisse in Rechtschreibung und Grammatik ebenso hin wie auf unzureichende Fähigkeiten, sich auszudrücken, Texte zu erstellen und zu erfassen. Insgesamt ist ein Abnehmen des Zahlenverständnisses zu konstatieren. Auch oft nur geringe soziale und persönliche Kompetenzen wie Teamfähigkeit, Kritik- und Konfliktfähigkeit bzw. Zuverlässigkeit, Leistungsbereitschaft und Verantwortungsbewusstsein werden von Betrieben und Berufsschulen immer wieder festgestellt.

Dabei werden solche Kompetenzen besonders hoch bewertet, wie eine Umfrage des DIHK ergab. Danach lagen die Grundqualifikationen mit 90,6 % vor gutem Allgemeinwissen mit 68 %, die Teamfähigkeit mit 87 % vor Höflichkeit und Freundlichkeit mit 78 %: Bei den persönlichen Kompetenzen liegt die Zuverlässigkeit mit 94 % vor der Leistungsbereitschaft mit 84 % und dem Verantwortungsbewusstsein mit 74 %.

Angesichts der schwierigen wirtschaftlichen Lage sind umfassende Aktivitäten notwendig, um allen ausbildungswilligen und ausbildungsfähigen Jugendlichen einen Ausbildungsplatz zur Verfügung stellen zu können.

Gleichzeitig bleiben aber auch Ausbildungsstellen unbesetzt mangels Ausbildungsreife. Deshalb fordern neben dem Kuratorium der Deutschen Wirtschaft die Bundesverbände der Lehrerinnen und Lehrer der berufsbildenden Schulen und der Wirtschaftsschulen, die Zahl der Schulabgänger ohne Abschluss deutlich zu reduzieren, die Qualität der Schulbildung nachhaltig auf das für die Ausbildung notwendige Niveau des Ausbildungsreifestandards zu erhöhen und das Erreichen der notwendigen Ausbildungsreife in den allgemein bildenden Schulformen sicherzustellen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wie die Staatsregierung in ihrer Antwort deutlich macht, gibt es eine Reihe von Maßnahmen, von Projekten und Initiativen, die durchaus den Forderungen gerecht werden. Lassen Sie mich dennoch auf ein paar wichtige Aspekte eingehen:

1. Die Aus- und Fortbildung der Lehrer braucht dringend eine Neuorientierung hinsichtlich ihrer Kenntnis der Arbeitswelt.