Protokoll der Sitzung vom 17.03.2006

Gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Ja, bitte.

Frau Günther-Schmidt, bitte.

Herr Dulig, nehmen Sie zur Kenntnis, dass wir Ihre Forderung nach den konzeptionellen Aspekten der Gemeinschaftsschule unterstützen, dass es uns natürlich um eine neue Lern- und Lehrkultur geht, dass wir diese Forderung aber auch mit einem flächendeckenden System verbinden?

Da muss ich fragen, ob Sie jetzt bewusst für die Gemeinschaftsschule noch zusätzlich eine Hürde aufbauen, sodass das überhaupt nicht möglich wird. Wir haben in Sachsen keine Mehrheit für die Änderung des Schulgesetzes, sondern wir haben die Spielräume, die das Schulgesetz in § 15 gibt, auszugestalten. Also wollen Sie, dass es in der Legislaturperiode mehr Gemeinschaftsschulen gibt, dann müssen Sie die Schulen unterstützen, oder Sie sagen, es wird sowieso nichts, weil das Schulgesetz nicht geändert ist. Da widersprechen Sie sich in Ihrer Aussage aber jetzt selbst.

Zu guter Letzt möchte ich, weil es zweimal genannt wurde, darauf hinweisen: Sicherlich gibt es über Fraktionsgrenzen hinweg eine größere Übereinstimmung bei der Frage Gemeinschaftsschule und längeres gemeinsames Lernen, nämlich das, was eine andere Schul- und Lernkultur ist. Ich würde aber vorsichtig mit der Behauptung sein, dass es dafür eine Mehrheit gibt, denn ich beziehe in meine Rechnung die NPD nicht ein.

(Beifall bei der SPD)

Wird von der NPD das Wort gewünscht? – Von der FDP? – Auch nicht. Wird überhaupt noch das Wort von den Fraktionen gewünscht? – Das ist nicht der Fall. Dann bitte ich Herrn Staatsminister Flath.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Kein Tag im Landtag ohne Schuldebatte. Lieber Horst Rasch, ich gewöhne mich langsam daran, auch wenn es ganz schön strapaziös ist.

Heute Aktuelle Debatte zur Gemeinschaftsschule: Was ist aktuell? Was gibt es Neues?

Zunächst, Frau Bonk, Sie wollen sich immer in die Koalition einmischen. Die CDU hat die SPD nicht über den Tisch gezogen. Allerdings lasse ich es auch umgekehrt nicht zu.

(Beifall bei der CDU)

Was ist neu in der Debatte? Es wird im privaten Schulbereich in Sachsen keine Gemeinschaftsschulen geben. Das ist neu, denn es wurde im Land so manche Hoffnung geweckt. Damit will ich noch einmal deutlich auch in Richtung SPD sagen: Damit ist keine Wertung der Ge

meinschaftsschule verbunden, sondern es war meine Sorge, was denn passiert, wenn in Sachsen 112 private allgemein bildende Schulen sich zu Gemeinschaftsschulen entwickelt hätten. Dann wäre unser staatliches Schulsystem kaputt gegangen. Deshalb bitte ich Sie um Verständnis: Es muss doch einen in diesem Land geben, der noch für das staatliche Schulsystem eintritt. Das ist meine Aufgabe und ich tue das.

Frau Falken, von Ihnen hätte ich mehr Unterstützung erwartet. Ich hätte mehr Unterstützung von Gewerkschaften erwartet und deshalb auch von der SPD, die natürlich den Gewerkschaften näher steht als beispielsweise die CDU.

(Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion.PDS: Das ist gut zu wissen!)

Es ist meine Aufgabe, in dieser schwierigen Umbruchphase der demografischen Entwicklung das staatliche Schulsystem zu erhalten und nicht zuzulassen, dass es zerfällt. So viel zum Thema Gemeinschaftsschule im privaten Bereich. Es wird sie also nicht geben.

Was gibt es noch Neues? Ich will die Gelegenheit nutzen und die „Freie Presse“ zitieren. Das müssen Sie jetzt einmal ertragen.

(Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion.PDS: Das ist schwer!)

„Das Pisa-Forum im Plenum im Dresdner Landtag“ – meine Einfügung: Das war am 9. Februar dieses Jahres, also durchaus aktuell – „war in einer auf Kritik eingestellten Fachwelt das seltene Beispiel einer Leistungsbestätigung. Der Kieler Direktor des Leibniz-Institutes ermunterte den Freistaat, den eingeschlagenen Weg in der Bildungspolitik fortzusetzen.“

„Wenn ein System gut funktioniert“, so die wörtliche Rede von Prof. Prenzel, „fängt man nicht an, an den Schrauben zu drehen.“ So lautet die Warnung von Prof. Prenzel vor Experimenten. Dazu zählte er die Gemeinschaftsschule ebenso wie etwa die Aufgabe des zweizügigen Schulsystems in Sachsen. So weit der Pisa-Koordinator der Bundesrepublik Deutschland, Prof. Prenzel.

Es waren auch viele Abgeordnete mit im Raum. Es war die Möglichkeit gegeben, seine Erkenntnisse zu widerlegen. Das erfolgte nicht. Somit bleibt stehen: Wir haben ein außerordentlich gutes Zeugnis für unser zweigliedriges System bekommen. Prof. Prenzel empfiehlt die sächsische Mittelschule anderen Bundesländern zur Nachahmung. Das müssen Sie einfach einmal ertragen.

(Beifall bei der CDU)

Dennoch bleibt es dabei: Wir haben einen Koalitionsvertrag. Ich stehe dazu. Das heißt, ich habe die Verpflichtung zur Offenheit gegenüber Gemeinschaftsschulen, und ich handle entsprechend.

Wir haben auch bewusst die Genehmigung für die Gemeinschaftsschule in Geithain erteilt. Frau Falken, wenn

Sie von Anmeldezahlen sprechen, dann ist es doch ein Lob für unsere Einschätzung, dass wir mit der SPD und der Schulverwaltung gemeinsam der Meinung waren, eine Gemeinschaftsschule in Geithain hat eine Chance, weil nämlich die Gemeinschaftsschule dort ein staatliches Gymnasium und eine staatliche Mittelschule ersetzt. Im Gegensatz zu Schneeberg, wo eine Gemeinschaftsschule im Gespräch war. Dort – ich habe mir die Schülerzahlen des staatlichen Gymnasiums und der staatlichen Mittelschule für die nächsten Jahre angeschaut – hätte sie keine Chance. Aber auch das Gymnasium und die Mittelschule hätten keine Chance. So etwas muss man vorher klären. Ich denke, dass wir mit der Entscheidung in Geithain richtig gelegen haben.

Auch das ist neu – weil darauf hingewiesen wurde: Frau Günther-Schmidt, Sie sollten sich nicht mit Herrn Colditz anlegen, was das Chemnitzer Schulmodell betrifft. Man könnte fast sagen, Herr Colditz ist eher der Schirmherr dieser Einrichtung. Er ist dieser seit langen Jahren verbunden und kennt sich dort außerordentlich gut aus.

Ich bin mit dem Oberbürgermeister von Chemnitz, Herrn Dr. Seifert (SPD), im Gespräch, wie diese Schule sich dort entwickeln könnte. Ich kann heute noch nichts zu den Ergebnissen dieses Gespräches sagen.

Ebenso bin ich mit Oberbürgermeister Jung (SPD) von Leipzig im Gespräch. Ich sehe auch dort die Möglichkeit. Andere Standorte heute schon zu nennen wäre wirklich sehr voreilig. Es steht mir als Minister nicht zu, etwa eingereichte Konzepte zu bewerten, und schon gar nicht in der Öffentlichkeit. Aber bei diesen Konzepten ist abzusehen, dass sie keine Chance in diesem Jahr haben, sich auf den Weg zu machen.

Auch hier will ich an die konstruktive Zusammenarbeit bei diesem Thema mit der SPD erinnern. Wir waren uns immer einig: Qualität geht vor Quantität. Wir sollten einfach einmal die Zänkereien im Landtag zurückstellen, was die Anzahl betrifft, denn wir sind uns einig: Wenn Gemeinschaftsschule auf den Weg geht, sollte es auch ein Erfolg werden. Es ist nicht ganz einfach – hier komme ich noch einmal auf Prof. Prenzel zurück –, da es nur wenige Gesamtschulen in Deutschland gibt, die bisher erfolgreich sind. Ich will überhaupt nicht sagen, dass es nicht möglich ist. Wir sind uns auch einig, wenn es in Sachsen erfolgreiche gibt, dann soll uns das recht sein und dann werden diese unser Schulsystem auch nicht kaputt machen.

Gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Ja.

Herr Flath, geben Sie mir Recht, dass die Erarbeitung eines pädagogischen Konzepts wirklich eine wissenschaftliche Begleitung braucht, nicht nur schlechthin die Durchführung?

Ich weiß nicht, ob Sie auf meine Frage eingehen. Wenn ich bis zum Schluss warte, kann ich diese Frage nicht noch einmal eindeutig stellen: Wie viele Schulen haben

derzeit mit Unterstützung des Regionalschulamtes und des Kultusministeriums eine wissenschaftliche Begleitung angeboten bekommen bzw. setzen sie gerade um?

Frau Abg. Falken, es ist – und da kann ich konkret Auskunft geben – in Geithain so, dass das Konzept in der Entstehungsphase wissenschaftlich begleitet wurde. Wir haben gesagt, dass wir dort auch finanzielle Möglichkeiten sehen. Nur, bevor man an die Erarbeitung eines pädagogischen Konzeptes geht, sollte man vor Ort die Voraussetzungen prüfen und sich mit dem Schulträger einigen, denn er ist der Antragsteller. Deshalb halte ich überhaupt nichts von Ihrem Ziel, flächendeckend in ganz Sachsen an pädagogischen Konzepten für Gemeinschaftsschulen zu arbeiten. Wir haben wirklich nicht so viel Geld in der Kasse, dass wir es jeden Tag zum Fenster hinauswerfen können. Wenn abzusehen ist, dass eine Schule eine Chance hat, dann kann man sich gern darüber unterhalten, und dann können Sie mich auch beim Wort nehmen.

Meine Damen und Herren, wir sollten es einmal ertragen, wenn die anderen Bundesländer gut über unser Schulsystem sprechen. Wir sollten es auch gelegentlich tun. Das wäre meine Empfehlung an die Linksfraktion.PDS, die nach Pressemitteilungen gemeinsam mit der GEW, dem DGB, der SPD, den GRÜNEN, dem Landesschülerrat und dem Landeselternrat eine Kampagne plant. So haben Sie es jedenfalls verkündet. Vergessen Sie nicht, Frau Falken, dass Sie auch Mitglied im Bezirkspersonalrat in Leipzig sind. Begründen Sie es nicht damit, dass Sie die Arbeit an den staatlichen sächsischen Schulen schlechtreden, sondern meine Bitte wäre, wie Sie es heute im Hohen Haus getan haben – ich habe genau zugehört –, loben Sie diese Arbeit – –

(Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion.PDS: Für das Loben haben wir genug da drüben!)

Es geht doch darum, wenn Frau Falken mit Lehrern spricht. Ich denke, die Lehrerinnen und Lehrer in Sachsen haben mit diesem Pisa-Zeugnis Lob verdient, und daran sollten wir uns halten.

Danke schön.

(Beifall bei der CDU und des Staatsministers Thomas Jurk)

Gibt es bei den Fraktionen noch Redebedarf? – Es haben alle Fraktionen noch etwas Redezeit. – Frau Bonk, bitte.

(Staatsminister Steffen Flath: Stimmen Sie doch zu!)

Vielleicht könnte ich Ihnen einmal zustimmen, wenn wir über die gleiche Sache sprechen würden.

Ich muss einfach zurückweisen, was Sie zu meiner Kollegin Cornelia Falken sagten: nicht auf die inhaltlichen Argumente einzugehen, sondern die Arbeit schlechtzureden. Natürlich reden wir die Arbeit der sächsischen

Lehrerinnen und Lehrer nicht schlecht, aber wir sagen: Politik muss Rahmenbedingungen dafür zur Verfügung stellen, dass die Arbeit anders geleistet werden kann.

(Beifall bei der Linksfraktion.PDS und der Abg. Astrid Günther-Schmidt, GRÜNE)

Kollege Dulig, immer dieses böswillige Missverstehen! Sagen wir es einmal deutlich: Wir wollen nicht nur die Gesetzesänderung oder nur die Unterstützung der Schulen, sondern wir wollen beides, damit ein Prozess im Land entstehen kann. Deshalb erwarten wir von der SPDFraktion, dass sie sich in der Koalition dafür einsetzt. Wir unterstützen sie dabei, um ein Umdenken bei der CDUFraktion voranzutreiben.

(Martin Dulig, SPD, meldet sich zu einer Zwischenfrage.)

Ich akzeptiere eine Zwischenfrage.

Herr Dulig, bitte.