Wir haben beschlossen, die Bildungsempfehlung zu überprüfen. Wenn ich es richtig gesehen habe, haben die CDU und die SPD zugestimmt. Das hier zu kritisieren ist relativ unredlich. Nur das Problem ist wie immer bei Beschlüssen im Sächsischen Landtag; es passiert sehr oft folgendermaßen: Der Landtag beschließt etwas, erteilt der Regierung einen Auftrag, aber bis heute ist nichts passiert. Wir erleben wieder Politik im Schneckentempo.
Herr Kollege Herbst, ist Ihnen bekannt, wie Leistung zustande kommt, insbesondere in der Grundschule, und auf welche Art und Weise hier auch soziale Faktoren beteiligt sind? Stimmen Sie dann mit mir darin überein, dass Schule nicht nur den Auftrag hat, Leistungsfähigkeit festzustellen, sondern auch Leistungsfähigkeit zu befördern, und dass die Frage nach Bildungsempfehlung nur eine Seite des Übergangs von der Grundschule ins Gymnasium oder in die Mittelschule sein kann?
Herr Porsch, ich stimme nur mit Ihrer letzten Bemerkung überein. Natürlich wünschen wir uns eine individuellere Förderung, auch schon an den Grundschulen. Wir sind uns sicher, dass wir damit auch die Voraussetzungen für das Gymnasium besser erreichen können, aber im derzeitigen System, so, wie es angelegt ist, bringt doch ein Aufweichen der Bildungsempfehlung keine besseren Leistungen.
Meine Damen und Herren! Die Diskussion zeigt, dass sich CDU und SPD in der Bildungspolitik wieder einmal nicht grün sind. Das ist nichts Neues, aber bedauerlich daran ist, dass sie ihre ideologischen Konflikte auf dem Rücken der Schüler, Eltern und Lehrer austragen. Das haben die sächsischen Schüler mit Sicherheit nicht verdient.
Nun noch ein kurzes Argument in Richtung SPD. Sie sprachen von „Lebenschancen verbauen“. Lieber Martin Dulig, ich glaube, die Entscheidungen der Regierung zur Schulschließung, die Ihre Fraktion mitgetragen hat, haben deutlich mehr Lebenschancen verbaut, meine Damen und Herren.
Wenn man hier schon zitiert – es ist ja toll, dass man auch im Internet recherchieren kann –, sollte man vielleicht auch einmal genauer hinschauen. Ihr erstes Zitat, Herr Dulig, war vom 15. Landesparteitag der FDP. Wir entwickeln ja gelegentlich die Programmatik weiter, vielleicht machen das auch andere Parteien. Nun raten Sie einmal, bei welchem Parteitag wir am morgigen Tag sind. Können Sie es beantworten? Es ist der 26. Landesparteitag. Sie als SPD sind wie immer Jahre hinter der Realität hinterher, meine Damen und Herren.
Herr Kollege Herbst, Herr Kollege Dulig, man sollte nicht überbewerten, dass innerhalb einer Fraktion verschiedene Positionen existieren. Wichtig und entscheidend ist, dass Entscheidungen innerhalb einer Koalition das Land trotzdem voranbringen. Ich denke, wir sind diesbezüglich seit zwei Jahren auf einem guten Weg.
Im Übrigen muss ich feststellen, dass wir in fast jeder Landtagsdebatte eine schulpolitische Diskussion führen. Wenn man sich einmal die Protokolle nimmt und anschaut, worüber diskutiert wurde, vollziehen wir immer dasselbe Ritual. Jeder trägt seine ideologischen Vorstellungen von Bildungspolitik vor. Sie werden nebeneinander gereiht und es erfolgt keine Verständigung darüber, was uns in diesem Land voranbringt. Es werden auch nicht die objektiven Bewertungsgrundlagen, die international vorliegen, zugrunde gelegt.
Ich habe vorhin bewusst aus diesem F.A.Z.-Artikel zitiert, um deutlich zu machen, wo wir im internationalen Vergleich stehen. Ich sage mit Nachdruck: Eine höhere Abiturientenquote für Sachsen ist nicht wünschenswert, und zwar in zweierlei Richtung. Wenn wir unser Gymnasium nicht entwerten wollen, was das Leistungsniveau anbelangt, können wir keine höhere Abiturientenquote anstreben. Im Umkehrschluss muss man sagen: Wenn man das Kernstück unserer sächsischen Schullandschaft, nämlich die Mittelschule, nicht entwerten will, ist die höhere Abiturientenquote genauso wenig wünschenswert.
Meine Damen und Herren, selbstverständlich können wir wie in Finnland, was von Ihnen immer als Paradebeispiel angeführt wird, die Abiturientenquote auf 60 oder 70 % führen. Wissen Sie, was dann passiert? Dann hat die Krankenschwester in diesem Land Abitur zu haben. Was haben wir denn damit erreicht?
Abiturquote haben als wir in Sachsen, nur Dumme aufs Gymnasium schicken und dort auch nur minderqualifizierte Menschen mit dem Abitur entlassen?
Frau Günther-Schmidt, ich wehre mich dagegen, es an einer statistischen Zahl festzumachen und zu sagen, wir brauchen 70 % Abiturienten, um in Sachsen ein gutes schulisches Angebot vorzuhalten. Wir brauchen ein Schulsystem, das dem unterschiedlichen Leistungsniveau der Schüler gerecht wird.
Das brauchen wir, das ist der richtige Weg. Aber von vornherein zu postulieren und als Evangelium in die Welt zu senden, dass wir 70 % Abiturienten brauchen, um gute Schule zu machen, ist verlogen. Im Gegenteil, damit machen wir die Struktur, die wir entwickelt haben, kaputt. Wir brauchen leistungsfähige, differenzierte Strukturen, um jedem entsprechend seinem Leistungsniveau gerecht zu werden und ihn dementsprechend zu fördern. Das ist der richtige Ansatz.
Herr Colditz, meinen Sie nicht, dass es anders sein muss. Wir brauchen ein Schulsystem, das Kinder mit unterschiedlichen Voraussetzungen zum Erbringen von Leistungen auch unterschiedlich und individuell fördert.
Sind Sie nicht auch meiner Meinung, dass man sich nicht an Abiturientenzahlen hochziehen soll, sondern sagen muss, dass wir ein Schulsystem brauchen, das jedes Kind nach seinen Anlagen fördert und – wenn es möglich ist – zum Abitur führt? Vielleicht sind die Schulsysteme in dieser Frage anderswo besser.
Ein differenziertes Schulsystem, das auch unterschiedliche Lernangebote vorhält, ist besser geeignet als ein Einheitsschulsystem, bei dem im Prinzip als Maßstab gesetzt wird, dass man 70 % Abiturienten in diesem System hat, und das am liebsten noch durch längeres gemeinsames Lernen.
Kollege Colditz, ist Ihnen nicht aufgefallen, dass Sie genau dem widersprochen haben, was Sie vor meiner Frage sagten, nämlich, dass wir ein Schulsystem brauchen, das den unterschiedlichen Leistungsfähigkeiten der Schüler entspricht?
Nein, Sie legen die Schülerinnen und Schüler doch fest auf das, was sie von Anfang an zu leisten imstande sind, und nicht auf das, was bei Förderung an Leistungen herauskommen könnte.
Kollege Porsch, ein gegliedertes Schulsystem fixiert die Schüler nicht von vornherein auf ihr Leistungsniveau, sondern führt Schüler auf unterschiedliche Leistungsniveaus heran.