Protokoll der Sitzung vom 10.05.2006

entschärft. Gleichzeitig werden die Wünsche der Reiter weitestgehend berücksichtigt.

Bemängelt wird die jetzige Gesetzeslage hauptsächlich von Reitvereinen und Reiterhöfen. Aber selbst in dieser Gruppe – auch dies hat die Anhörung ergeben – gibt es offenbar geteilte Meinungen zur Notwendigkeit einer Gesetzesänderung. So einfach ist die Lösung des Problems also nicht.

Wenn man den Spieß einfach umdreht, ist man vor neue, nicht geringere Probleme gestellt; denn dann ginge es um die Sperrung von Waldwegen, die zu regeln wäre. Insofern ist der Verweis auf die angebliche Deregulierung ein Scheinargument, da absehbar ist, dass die vorgeschlagene Regelung – im Gegenteil – einen noch erheblich höheren Regelungsbedarf nach sich ziehen wird.

Meine Damen und Herren! Bei näherem Hinschauen geht es hauptsächlich um Probleme beim Gesetzesvollzug. Sachsen hat bei der Ausweisung eines Reitwegenetzes bereits viel erreicht. Der Stand der Ausweisung von Reitwegen ist allerdings regional sehr unterschiedlich und bietet bisher nicht überall optimale Voraussetzungen für den Reittourismus. Daher müssen vorhandene Hemmnisse beseitigt werden. Hierzu haben die Koalitionsfraktionen bereits eine Initiative auf den Weg gebracht; denn wir wissen natürlich, dass der Reittourismus nicht zuletzt auch als Wirtschaftsfaktor für den ländlichen Raum eine große Bedeutung hat.

Die Planung und Umsetzung der Ausweisung von Reitwegen ist in Sachsen bisher gut vorangekommen. Mindestens ein Drittel der sächsischen Waldwege ist mittlerweile als Reitweg ausgewiesen. Einen Systemwechsel, wie ihn die FDP fordert, lehnen wir ab. Dies wäre aus unserer Sicht etwa so unsinnig, wie wenn ein Hürdenläufer kurz vor der Zielgeraden plötzlich eine Kehrtwendung macht, in die entgegengesetzte Richtung läuft und nun noch mehr Kraft braucht, um neue Hürden zu überwinden. Das Ziel kann so nicht erreicht werden.

(Beifall bei der SPD)

Ich erteile der Fraktion der NPD das Wort. Herr Paul, bitte.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mit dem Tag, an dem ein Gesetz in Kraft getreten ist, gibt es sofort immer auch Menschen, die sich von diesem Gesetz benachteiligt fühlen. So ist es auch bei der vorgeschlagenen Neuregelung zum Reiten im Sächsischen Waldgesetz. Wenn Sie von der FDP-Fraktion dann sofort nach der Abschaffung bestehender Regelungen rufen, sollten Sie sich vorher einmal überlegen, welche Wirkung Sie mit Ihrem Gesetzentwurf eigentlich erzielen. Schauen Sie sich die Erfahrungen in anderen Bundesländern an! Es ist bereits einiges angesprochen worden aus Thüringen, Bayern, Brandenburg usw. Ich erinnere dabei an die zahlreichen Diskussionen, wenn es um die Sperrung von Reitwegen für Reiter geht.

Machen Sie sich einmal die Mühe und schauen Sie sich die endlosen Rechtsstreite an, die in den einzelnen Bundesländern ständig wiederkehren! Schauen Sie sich den Unfrieden an, den vergleichbare Regelungen auch dort geschaffen haben! Genau dieser Effekt wird mit diesem Gesetzentwurf leider erreicht. Hier werden letztlich neue Spannungsfelder zwischen den verschiedenen Interessengruppen aufgebaut.

Über die tatsächlich bestehenden Probleme, dass nämlich bisher zu wenig geeignete Reitwege ausgewiesen worden sind, sind sich, denke ich, ausnahmslos alle Fraktionen in diesem Hause einig. Das haben zumindest die Diskussionen im Ausschuss und die heutige Debatte gezeigt. Im Fachausschuss waren sich nach der Sachverständigenanhörung alle darüber einig, dass dieser Gesetzentwurf am wenigsten geeignet ist, diese Probleme zu lösen. Würden wir den Gesetzesvorschlag der FDP umsetzen, würde sich faktisch wenig ändern, aber es würde, wie gesagt, zu neuen Problemen kommen.

In weiten Gebieten Sachsens stellt es kein Problem dar, eine genügend hohe Anzahl geeigneter Wege auszuweisen. Das muss nur getan werden, und zwar im Zusammenspiel der verschiedenen Akteure. Dort besteht durchaus noch erheblicher Handlungsbedarf.

Was sollte Ihrer Meinung nach aber in Ballungsräumen wie zum Beispiel Moritzburg geschehen? Dazu ist in Ihrem Gesetzentwurf ein entsprechender Verbotsvorbehalt vorgesehen, wenn es zu Konflikten mit anderen Waldbesuchern oder mit den Eigentümern kommen sollte. Tatsache ist aber, dass gerade auch die Moritzburger Wälder sehr stark von Wanderern und Radfahrern besucht werden. Dort treten die beschriebenen Konflikte bereits auf.

Dass noch erheblich mehr und vor allem geeignete Waldwege für das Reiten in ganz Sachsen ausgewiesen werden müssen, ist absolut unstrittig. Dazu gibt es in Sachsen erheblichen Nachholbedarf. Wir erleben bereits seit Wochen, wie sich in einigen sächsischen Regionen, insbesondere im Großraum Dresden, zumindest einiges tut. Es bleibt zu beobachten, ob das letztlich zielführend ist und ob am Schluss wesentlich mehr Reitwege ausgewiesen werden.

Es ist durchaus auch angebracht, in bestimmten Gebieten von der strikten Trennung der unterschiedlichen Nutzungsarten abzusehen, wo das möglich ist, insbesondere in Gebieten, in denen es aufgrund des Naturraumes oder der Siedlungsdichte nur ein begrenztes Wegenetz gibt. An solchen Orten müssen vernünftige Kompromisse gefunden werden, um mögliche Härtefälle zu vermeiden. Ich erinnere dabei an das Beispiel derjenigen Reiterhöfe, die immer noch keine ausreichende Anbindung an das Reitwegenetz haben und somit gegenüber anderen Reiterhöfen wesentlich benachteiligt sind. Solche Zustände darf es nicht geben. Dort ist die Politik gefordert einzugreifen.

Eine generelle Freigabe aller Waldwege und die von Ihnen im Gesetzentwurf vorgeschlagene Systemumkehr werden aber nicht zum Ziel führen, sondern eher neue

gravierende Spannungsfelder aufbauen. Die NPDFraktion wird daher diesen Gesetzentwurf ablehnen.

(Beifall bei der NPD)

Ich erteile der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN das Wort. Herr Lichdi, bitte.

Sehr geehrter Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich werde es sehr kurz machen. Es ist alles schon gesagt worden und ich möchte nicht der Letzte sein, der das alles auch noch einmal sagt.

Die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN ist der Auffassung, dass der Reittourismus ein wesentliches Element ist, das auch ausgebaut werden sollte, weil er auch große Potenziale für den ländlichen Raum und dessen Entwicklung birgt.

Der Gesetzentwurf, den die FDP vorgeschlagen hat, ist sozusagen inspiriert worden durch die Massenpetition der Reiter. Die FDP hat dort eine gute Gelegenheit gesehen, sich öffentlichkeitswirksam in Szene zu setzen. Die Anhörung hat wirklich zur Genüge erbracht, dass das nicht notwendig ist und dass die Probleme woanders liegen. Meine Vorredner haben das ausgeführt.

Wir haben in Sachsen ein großes Reitwegenetz. Das Problem liegt in der mangelnden Zusammenarbeit der beteiligten Kreise. Die Koalitionsfraktionen haben dazu einen sinnvollen Antrag vorgelegt, der zum Inhalt hat, wie an der einen oder anderen Stelle nachgearbeitet werden soll. Wir haben im Ausschuss diesem Antrag zugestimmt. Wir sehen keinerlei Veranlassung, diesem Gesetzentwurf unsere Zustimmung zu erteilen.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei den GRÜNEN und des Abg. Andreas Heinz, CDU)

Wird von den Fraktionen weiter das Wort gewünscht? – Bitte, Herr Zastrow.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Damen und Herren! Kaiser Wilhelm II. hat einmal gesagt: „Ich glaube an das Pferd. Das Automobil ist eine vorübergehende Erscheinung.“ Kaiser Wilhelm hat sich wie in so vielen Sachen während seiner Regierungszeit auch in diesem Punkt getäuscht. Das Automobil hat den Wettbewerb um das effektivste und zumindest vorübergehend beliebteste Verkehrsmittel eindeutig gewonnen. Trotzdem glaube ich, dass unser Freistaat Sachsen einer der deutschen Landstriche ist, in dem die Begeisterung für den Pferdesport am größten ist.

(Beifall bei der FDP)

Es gibt in Sachsen rund 18 000 Reiter und ebenso viele Pferde. Sachsens Zuchterfolge gerade im Landesgestüt in Moritzburg, aber auch in den Gestüten in Zehren, in Graditz, in Ebersbach oder in Cavertitz sind international oft genug gelobt worden. Die großen Moritzburger

Hengstparaden kennt, glaube ich, jeder von Ihnen genauso wie die Rennsportveranstaltungen auf den Galopprennbahnen beispielsweise in Dresden-Seidnitz oder im Scheibenholz. Selbst ganz große sächsische Sehenswürdigkeiten wie der Goldene Reiter in meiner Heimatstadt oder der Fürstenzug zeugen doch erheblich von der Sympathie der Sachsen für ihre Pferde. Unser Freistaat leistet sich sogar etwas ganz Besonderes: Er leistet sich eine eigene Polizeireiterstaffel. Es sei an dieser Stelle die Anmerkung erlaubt: Ich hoffe, dass er sie sich noch sehr lange leistet und dass sie nicht im Zusammenhang mit den unsäglichen Sparmaßnahmen bei der Polizei demnächst eingekürzt wird, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der FDP)

Aber ich denke auch an die mehr als 500 reittouristischen Unternehmen in Sachsen, meist kleine und mittelständische Unternehmen. Ich denke an die 200 Reiterhöfe und Pferderaststationen, an die vielen Hufschmiede, Sattler, Therapeuten, Tierärzte und Trainer, die in Sachsen rund um das Thema Pferd jede Menge Arbeitsplätze schaffen und übrigens auch jede Menge Steuern zahlen, meine Damen und Herren.

Genau deshalb weiß ich, ehrlich gesagt, überhaupt nicht, wieso sich dieses Hohe Haus und der Freistaat Sachsen so schwer mit der Ausweisung von neuen Reitwegen tun.

(Zuruf des Abg. Gottfried Teubner, CDU)

Herr Teubner, das glaube ich nicht. – Obwohl Pferde ein fester Bestandteil unserer Kulturgeschichte und unserer Tradition sind, spielt der Pferdesport bei uns eine untergeordnete Rolle. Während alle Länder um uns herum ihre Gesetzgebung und insbesondere die Waldgesetze liberalisieren, zeigt sich der Freistaat Sachsen als pferdesportliches Entwicklungsland.

(Rita Henke, CDU: Oh! – Zurufe von der CDU und der SPD)

Andere Länder weisen immer mehr Reitwege aus. Andere Länder haben auch die tourismuswirtschaftlichen Potenziale, die im Reitsport existieren, erkannt. Bei uns dagegen geht es nur sehr schleppend vorwärts.

Kollege Heinz hat vorhin das Beispiel Thüringen genannt. Richtig, dort gibt es eine andere Gesetzgebung, als Sie wollen. Doch seien Sie wenigstens ehrlich, wenn Sie auf Thüringen zu sprechen kommen! Thüringen als kleineres Land hat nämlich 12 000 Kilometer Reitwege ausgewiesen. Wir haben nicht einmal die Hälfte, meine Damen und Herren. Das sind die Tatsachen, was Reitwege und Pferdefreundlichkeit in unserem Land angeht.

(Beifall bei der FDP)

Und, Frau Altmann, wenn Sie das Beispiel Brandenburg nennen, so seien Sie bitte auch ehrlich! Es geht dort ausschließlich um Änderungen im Großraum Berlin. Das ist eine ganz besondere Situation. Unser Gesetzentwurf – das wissen Sie, Frau Altmann, ganz genau – lässt das auch zu. Ich kann mir vorstellen, dass in der Dresdner Heide

und vielleicht auch in Moritzburg andere Regelungen als irgendwo auf dem flachen Land in der Oberlausitz oder in Niederschlesien getroffen werden müssen. Das lässt unser Gesetzentwurf doch zu. Bitte schön, worauf bezieht sich dann Ihre Kritik?

Gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Natürlich.

Herr Zastrow, haben Sie gehört, dass ich gesagt habe, dass ich das, was in Brandenburg passiert, für Sachsen noch viel massenhafter befürchte, weil Sachsen bedeutend dichter besiedelt ist als

(Holger Zastrow, FDP: … Berlin! – Heiterkeit)

Brandenburg? Im Land Brandenburg passiert das natürlich um diesen Verflechtungsraum Berlin herum. Ansonsten haben wir in Sachsen mehr große Städte, mehr Ballungsgebiete als Brandenburg. Genau deshalb hat Brandenburg nur um Berlin herum Probleme. Ich befürchte in Sachsen noch mehr Probleme.

Ich frage Sie also, ob Sie das gehört haben, und auf der anderen Seite, ob Sie auch mitbekommen haben, dass wir überhaupt nicht gegen das Lückenschließen, gegen mehr Reitwege in Sachsen usw. sind, dass wir das für notwendig halten, sondern dass wir nur Ihren Gesetzentwurf für das nicht geeignete Lösungsinstrument halten.

Frau Altmann, jetzt komme ich auf das zu sprechen, was Sie vorhin gesagt haben, dass Sie schon viel früher etwas Ähnliches, ähnliche Initiativen zur Ausweitung des Reitwegenetzes in Sachsen hier im Landtag auf den Weg gebracht haben, was ich übrigens auch sehr begrüßen würde. Sie haben doch die Erfahrung, wir sind noch neu. Glauben Sie ernsthaft daran, dass das Reitwegenetz unter dieser Regierung in den nächsten Jahren tatsächlich ausgebaut wird? Dann, muss ich ehrlich sagen, beglückwünsche ich Sie zu Ihrem Gottvertrauen.

(Beifall bei der FDP)

Ich habe diesen Glauben nicht. Ich bin der festen Überzeugung, dass es jetzt an der Zeit ist, dass das Parlament, nachdem es bei der Staatsregierung bisher nicht funktioniert hat, selbst das Zepter in die Hand nimmt und eine eigene, eine andere Regelung vorschlägt, meine Damen und Herren.

(Dr. André Hahn, Linksfraktion.PDS: Das machen wir 2009! – Volker Bandmann, CDU: Gottvertrauen ist aber eine nützliche Grundlage, die sollten Sie nicht missachten!)

Ich bin immer noch bei der Antwort, denn es gab noch eine zweite Frage. – Da haben Sie übrigens Recht, Herr Bandmann. – Frau Altmann, Berlin ist nicht Dresden. Ich wünsche mir auch eine wachsende Stadt, aber das werden wir trotzdem nie erreichen. Jeder von uns weiß, dass die Konzentration im Großraum Berlin eine andere ist. Sachsen ist – anders als Berlin – eben kein Stadtstaat,