Protokoll der Sitzung vom 13.10.2006

Zur PDS und ihrem Änderungsantrag! Frau Falken, ich habe mich gefragt, nach welchem Prinzip Sie heute eigentlich argumentiert haben. Wie bleibe ich nichtssagend und trotzdem eine Autorität?

(Staatsminister Steffen Flath: Das ist gut!)

Danke, Herr Flath, ich fand das auch gut.

(Heiterkeit und Beifall bei den GRÜNEN)

Das war für mich sehr schwierig. Sie sind nicht konkret geworden. Auch im Ausschuss haben Sie sich nur an Formalien entlanggehangelt. Es wäre vielleicht besser, wenn Sie in Ihrer Fraktion klären würden, ob Sie Kurse oder Klassen wollen, ob Sie überhaupt eine Grundaussage zur Bildungsphilosophie im Lande definieren wollen. Sie haben heute überhaupt nichts gebracht. Ihr Änderungsantrag ist für mich außerordentlich irritierend.

Danke schön.

(Beifall bei den GRÜNEN – Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion.PDS: Worte sind Schall und Rauch!)

Für die Linksfraktion.PDS Frau Abg. Bonk, bitte.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Frau Kollegin GüntherSchmidt, meine Fraktion hat die Grundzüge der Bildungspolitik im Lande deutlich definiert. Wir haben einen umfassenden Gesetzentwurf vorgelegt, beschäftigen uns mit den grundlegenden Fragen und haben in der Vergangenheit – auch in dieser Debatte – wichtige Impulse gesetzt, gerade auch was die Frage angeht, wie eine solche Diskussion geführt werden muss und wie Betroffene einbezogen werden können.

Erster Punkt! Wir werten es als Zeichen erfolgreicher Oppositionsarbeit, der Diskussion hier im Plenum und gerade auch der Expertenanhörung, die wir ermöglicht haben, dass in diesem Oktober verhindert werden konnte, mit dieser Erprobungsphase Fakten für das nächste Schuljahr zu schaffen. Das muss man einmal festhalten.

(Beifall bei der Linksfraktion.PDS)

Zur Oberstufenreform! Fragwürdig fing das Ganze an. Als das Kultusministerium im April die Absicht verkündete, Veränderungen an der gymnasialen Oberstufe vorzunehmen – wir erinnern uns –, waren kaum Stellungnahmen von Lehrerinnen und Lehrern, Schülerinnen und Schülern zu erwarten, weil sie sich mitten in der Prüfungszeit befanden. Das steht einem Kultusminister, der sich im Schulablauf auskennen sollte, nicht besonders gut zu Gesicht. Im Gegenteil, ein solches Vorgehen erhöht die Frustration und ist politisch unlauter.

Im Grunde war der Kern des Vorstoßes des Kultusministeriums die Abschaffung des Kurssystems, begründet mit der demografischen Entwicklung. Deshalb noch ein Wort zur Lauterkeit: Herr Staatsminister Flath, Sie haben jahrelang Schulen geschlossen, und zwar mit dem Argument, dann Profile und Kurse hochwertig anbieten und bestandssicher gestalten zu können. Jetzt, da der bekannte Geburtenknick davor steht, in der Oberstufe anzukommen, gehen Sie in eine zweite Kürzungswelle; denn als nichts anderes kann ich die Rückkehr zum Klassenverband und die von Ihnen geplante thematische Verengung in der Oberstufe begreifen.

(Beifall der Abg. Dr. Cornelia Ernst und Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion.PDS – Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion.PDS: Sehr richtig!)

Daher noch ein Wort zum Kollegen Herbst: Auch wir streben natürlich gleichwertige Bildungsangebote in Stadt und Land an. Das muss durch die entsprechenden Vorgaben gewährleistet werden. Entscheidend dafür sind natürlich die Mindestangaben zur Klassen- und Kursbildung, die darüber entscheiden, welche Kurse gebildet werden können, und auch, inwieweit Lehrerinnen und Lehrer zur Verfügung stehen, die das abdecken können. Es ist bekannt, dass seit Abschluss des Tarifvertrages in vielen Orten nicht ausreichend Kapazitäten zur Verfügung stehen, um Stunden zu geben, obwohl die Personen da sind. Sie können aber nicht eingesetzt werden.

(Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion.PDS: Hört, hört!)

Zurück zum Prinzip der Kurswahl! Sie wollten davon weg und hin zum Klassenverband. Inzwischen ist uns eine Einigung zwischen Kultusministerium und SPD bekannt geworden, die daran rühren will. Davon haben wir gehört; darüber wird noch zu sprechen sein.

Grundsätzlich zum Prinzip der Kurswahl im Vergleich! Bildungspolitik muss die gesellschaftlichen Entwicklungen anerkennen und auf sie reagieren. Die Wissensgesellschaft ist proklamiert, was vor allen Dingen eine Zunahme und Diversifizierung, aber auch die kurze Haltbarkeit von Wissen meint. Ziel von Schule und Inhalt von Bildung muss es also sein, an exemplarischem Wissen Fähigkeiten herauszubilden. Auch das hat uns Prof. Meltzer bestätigt.

Wir gehen zudem davon aus, dass junge Menschen dies besonders erfolgreich tun, wenn ihr Engagement von einem gewissen Interesse beseelt ist. Wir wollen ihnen deswegen Spielräume zum Setzen eigener Schwerpunkte einräumen. Darum können wir den Rückschritt zum Fächerfaktenpauken im Klassenverband nicht positiv bewerten.

Sie wollen die Studierfähigkeit erhöhen. Die Eigenverantwortlichkeit für und die Selbstorganisation von Bildungsprozessen sowie das Setzen von Schwerpunkten sind wesentliche Punkte, die zur Studierfähigkeit beitragen. Dies spricht wiederum deutlich für das Kurssystem im Vergleich zum Klassenverband.

Die Stärkung der Naturwissenschaften ist erklärtes Ziel, weil das Land Ingenieure brauche. Ich möchte dieses so leicht akzeptierte Argument einmal grundsätzlich aus linker Perspektive hinterfragen. Sicherlich hat die Wirtschaft, haben Unternehmen Interessen, wie viele andere auch, zum Beispiel Parteien, weltanschauliche Gemeinschaften, Eltern für ihr Kind usw. Die Frage ist, worum es in Bildung und in Schule geht. Wir betrachten Bildung als ein Recht jedes und jeder Einzelnen. Sie sollen in ihrer Entwicklung gefördert, gefordert und unterstützt werden, damit sie in der Lage sind, ihren Lebensweg selbst zu bestimmen und in ihm zu bestehen.

(Beifall bei der Linksfraktion.PDS)

Das Schulwesen soll Wege eröffnen, nicht vorzeichnen und nicht festlegen.

(Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion.PDS: Sehr richtig!)

Das ist strukturell unsere Kritik am gegliederten Schulwesen, da es junge Menschen von Anfang an in die sozialen Gruppen weist, zu denen sie später gehören werden.

Für die Bildungsinhalte gilt das Gleiche. Statt alle auf bestimmte Inhalte zu trimmen und so ihren Weg zu determinieren, muss es die Aufgabe sein, Fähigkeiten und Kenntnisse umfassend zu vermitteln, um auf verschiedene, selbst zu wählende Herausforderungen reagieren zu können. Die Logik der Ausrichtung von Bildung lediglich auf das spätere Erwerbsleben muss also hinterfragt werden. Diese Aufgabe nimmt die Linksfraktion.PDS in diesem Haus gern wahr.

(Beifall bei der Linksfraktion.PDS)

Aber selbst wenn ich mich auf dieses einseitige Politikziel „Naturwissenschaften stärken!“ einlasse – wie einfach gedacht oder geradezu plump ist das Herangehen des Kultusministeriums vor allem im ersten Vorschlag. Da hat man sich wohl gesagt, ach, Naturwissenschaften stärken? Was fällt uns ein? Machen wir einmal Pflicht für alle drei. Was sind die Konsequenzen?

(Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion.PDS: Das Gegenteil wirds!)

Bei der gegenwärtigen allzu oft verbreiteten Unterrichtspraxis bedeutet das nur, in drei Fächern durch Fakten zu hetzen. Das wird noch lange nicht zu einer Kompetenzsteigerung führen, zu einer vertieften Bildung für einige, die bereit sind, sich hineinzudenken, sich für das zu quälen, und Mittelmaß für alle Beteiligten, und das ist keine sehr überlegte Politik, Herr Staatsminister.

(Beifall bei der Linksfraktion.PDS)

Wenn Ihnen etwas an der naturwissenschaftlichen Grundbildung liegt, wäre ein Schritt angesagt, der auch in der Expertenanhörung im Landtag wieder eingebracht wurde: die bestehenden Fächer, die ohnehin ineinander greifen, im Sinne einer komplexen Kompetenzentwicklung zu verbinden. Das dann gerne auch schon eher, das Fach Naturwissenschaft ab der 5. Klasse statt erzwungenem

Fächerpauken in der Oberstufe, denn da haben die jungen Menschen ihren Standpunkt in Bezug auf Naturwissenschaften schon gefunden, zum Positiven oder zum Negativen. Die Mehrzahl der Fälle ist uns bekannt. Daran ändert auch keine Pflicht mehr etwas.

Meine Damen und Herren! Nun gab es ein bisschen Ärger in der Koalition um die Reform der gymnasialen Oberstufe, zumindest im Sommer, aber da verbreiten sich solche Informationen vielleicht auch leichter. Jetzt haben wir wieder so einen Antrag vor uns liegen, einen Antrag, der positive Zielvorstellungen formuliert, auch im Eifer und mit glänzendem Gesicht vorgetragen, aber ein Antrag mit Zielvorstellungen, zu denen ich klar sage, die teilen wir. Aber was ist das eigentlich für ein Verständnis des Ausfüllens von Regierungsverantwortung der regierungstragenden Fraktionen hier im Haus, Lyrik fürs Parlament zu formulieren und jede konkrete Ausgestaltung dem Kultusministerium zu überlassen? Lässt sich die SPD so abspeisen, auch mit einer leidenschaftlich vorgetragenen Rede? Uns liegt hier eine Übersicht Ihrer Übereinkunft vor. Immer noch gehen Sie von bisher acht möglichen Leistungskursfächern auf fünf. Ich frage: Wozu die Verengung der Vertiefungsmöglichkeiten?

(Zuruf des Staatsministers Steffen Flath)

Ich sage Ihnen ganz deutlich, Herr Flath, wir sind in unserer Fraktion in der Positionsfindung. In der Sondersitzung hatten Sie die Möglichkeit, das näher auszulegen. Leider ist sie nicht genutzt worden.

Immer noch, meine Damen und Herren, müssen zwei Naturwissenschaften belegt werden. Alle Schüler haben verpflichtend Biologie oder Geografie. Wo bleibt da das Prinzip der Kurswahl? Immerhin, ich erkenne an, Geschichte, Kunst oder Chemie können zusätzlich als Leistungskurs gewählt werden und es müssen nicht mehr drei naturwissenschaftliche Fächer sein. – Das zum Kompromiss und Abgleich zu den ursprünglichen Vorstellungen des Kultusministeriums.

Aber stellen Sie sich vor, jemand sagt zu Ihnen, ich nehme jetzt zwei Äpfel weg und der Kompromiss ist dann, dass man nur einen der Äpfel verliert. Das ist immer noch kein gutes Ergebnis.

(Zuruf von der CDU)

Möchte jemand eine Zwischenfrage stellen?

Ganz klar ist, für uns ist dieser Kompromiss kein Abschluss der Diskussion um die gymnasiale Oberstufe. Er ist ein neuer Stand, der in die öffentliche Diskussion gegeben werden muss. In diesem Zusammenhang steht unser Änderungsantrag. Dazu werden wir später noch mehr erklären, Herr Flath.

Abschließend, meine Damen und Herren: Wenn man über eine Reform der gymnasialen Oberstufe nachdenkt, vielleicht noch ein Punkt zu den grundlegenden Prinzipien: Normalerweise steht das Recht, die Aufgabe der Schulen, das Profil selbst zu bestimmen, im Mittelpunkt. Die damit im Zusammenhang stehende Demokratisierung

und Qualitätsentwicklung begrüßen wir. Stimmen Sie also, wenn Sie das immer so abstrakt formulieren, zu und sagen Sie, es ist völlig berechtigt, die Schulen sollen mehr Freiräume bekommen. Dann wäre die Aufgabe eher gewesen, die Vorgaben für die Oberstufe zu lockern, anstatt die Daumenschrauben enger anzulegen.

(Beifall bei der Linksfraktion.PDS)

Die CDUFraktion, bitte.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich werde auf mein Schlusswort verzichten, stattdessen aber jetzt noch einmal auf einige Redebeiträge eingehen, weil man einige Dinge, die hier gesagt worden sind, nicht so stehen lassen kann. Ich möchte es auf den Punkt gebracht einmal so ausdrücken: Meine Damen und Herren von der Opposition, irgendwie ist aus dem Thema die Luft raus. Ihnen ist es meines Erachtens sehr schwer gefallen, überhaupt gegen das, was hier auf dem Tisch liegt, zu argumentieren.

(Beifall bei der CDU und der SPD)

Herr Kollege Herbst, Ihnen muss ich bestätigen: Sie haben uns in Ihrer Rede durchgängig gelobt, haben eigentlich all das befürwortet, was wir in unserem Entwurf schon geregelt haben. Am Schluss stellen Sie aber fest, dass Ihre Überlegungen weiterreichend sind. Das ist doch ein bisschen schwach gewesen.

(Zuruf des Abg. Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion.PDS)

Frau Kollegin Falken, Sie haben die Reform generell infrage gestellt. Sie haben die Notwendigkeit dieser Reform infrage gestellt. Ich muss Sie wirklich fragen, ob Sie die Entwicklung, die zurzeit stattfindet, und die Expertenanhörung richtig gewertet haben.