Protokoll der Sitzung vom 17.11.2006

(Zuruf der Abg. Andrea Roth, Linksfraktion.PDS)

Ich denke, selbst für Nichtjuristen ist unschwer nachvollziehbar, dass dies nicht gehen kann.

(Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion.PDS: Wieso kann das nicht gehen?)

Das kann nicht so gehen. Ich meine auch, die rechtlichen Argumente sind zur Genüge ausgetauscht worden. Wenden wir uns der Praxis zu.

Wir haben immer gesagt, dass, selbst wenn es gesetzgeberische Handlungsspielräume gäbe – die es nicht gibt –, wir diese nicht ausschöpfen würden, da es an den Partnern vor Ort ist, in den Kommunen einvernehmliche Lösungen zu finden. Dies bedeutet für die Kommunen, die zu fast 90 % Eigentümer der Garagengrundstücksflächen sind, sich mit den Nutzern zusammenzusetzen, um langfristige Verträge zum beiderseitigen Nutzen abzuschließen. Seit hier im März darüber debattiert wurde, ist kaum eine Woche vergangen, in der nicht in irgendeiner Zeitung gestanden hätte, dass Kommunen und Garagennutzer die Verlängerung der bestehenden Pachtverträge vereinbart hätten. Mir sind keine Fälle bekannt, in denen im Freistaat in unmittelbarem Zusammenhang mit der auslaufenden Investitionsschutzfrist Kündigungen von Nutzungsverträgen seitens der Kommunen geplant wären.

(Zuruf des Abg. Klaus Bartl, Linksfraktion.PDS)

Sind mir nicht bekannt. Sie können das gern widerlegen, Herr Bartl.

Gestatten Sie noch eine Zwischenfrage?

Ja, bitte schön.

Herr Bräunig, könnten Sie sich unseren Antrag noch einmal anschauen und könnten Sie dann erkennen, dass es uns genau um den Schutz dieser Beschlüsse geht, indem der Innenminister, wie es 1995 bei Straßenausbaubeiträgen war, einen Erlass erlässt? Per Erlass des Innenministers soll geregelt werden, dass die Kommunen bei ihren Haushaltsplanungen nicht § 73 Gemeindeordnung anwenden müssen, um diese Beschlüsse, die jetzt überall in Gemeinden und Städten gefasst worden sind, zu schützen und sie nicht mit der Genehmigung des Haushalts durch die Kommunalaufsicht wieder aufgehoben werden können. Darum geht es uns. Haben Sie das auch so verstanden, Herr Bräunig?

Frau Abg. Roth, ich habe es so verstanden, dass der Innenminister einen Erlass erlässt. Wir halten das aber nicht für notwendig. Darin sind wir uns nicht einig. Aber ich habe es so verstanden, dass Sie einen Erlass wollen, jawohl.

Ich denke, die Kommunen werden sich im Gegenteil hüten, die Garagen in ihren Bestand zu holen, weil es

ganz einfach unkalkulierbare finanzielle Risiken mit sich bringt; denn die Bewirtschaftung dieser Garagengrundstücke wäre für jede Kommune in Sachsen ein Zuschussgeschäft. Das ist Fakt.

Ein Beispiel aus der Praxis zur Verdeutlichung: Die Stadt Klingenthal hat vor knapp zwei Jahren die Nutzungsverträge für einen Garagenstandort gekündigt – darauf standen circa 30 Garagen –, um Baufreiheit für eine Investition zu schaffen. An diesem Standort befindet sich heute ein Besucherparkplatz für die Vogtland-Arena. Die Stadt hat auf Grundlage der geltenden Rechtslage Entschädigungen an die ehemaligen Garagenbesitzer gezahlt und musste die Abrisskosten vollständig übernehmen. Im Rahmen des Abbruchs der Garagen musste – das hat sich dann herausgestellt – ein Großteil des Bauschuttes als Sondermüll entsorgt werden, weil das Baumaterial extrem schadstoffbelastet war. Das hat ein erhebliches Loch in den Stadtsäckel gerissen. Ich denke, dass die Schadstoffbelastung kein Einzelfall ist.

In der Mangelwirtschaft der DDR konnte man bei der Auswahl seines Baumaterials nicht wählerisch sein. Keiner weiß genau, was dabei alles verbaut wurde. Schon aus diesem Grund wird jede vernünftige Kommune die Finger davon lassen, diese Garagen in ihren Bestand aufzunehmen.

(Zuruf des Abg. Klaus Bartl, Linksfraktion.PDS)

Meine Damen und Herren! Der Gesetzentwurf der Fraktion Die Linke im Bundestag – letzte Woche gescheitert – enthielt in der Gesetzesbegründung eine interessante Formulierung, die ich Ihnen nicht vorenthalten möchte. Ich darf aus der Gesetzesbegründung zum Gesetzentwurf der Fraktion Die Linke zitieren: „Da es sich bei Garagen durchweg um stabile, langlebige Baulichkeiten handelt, bedeutet eine derartige radikale Verkürzung der Investitionsschutzfrist für diese Bauwerke einerseits eine ganz und gar unvertretbare entschädigungslose Enteignung der Nutzer und andererseits eine völlig ungerechtfertigte Zuordnung und Schenkung im fremden Eigentum befindlicher bedeutender Sachwerte an die Grundstückseigentümer.“

Meine Damen und Herren! Diese Gesetzesbegründung habe ich einem Kämmerer einer sächsischen Gemeinde gezeigt und ihn gefragt, ob er nunmehr bereit wäre, diese der Gemeinde zum 1. Januar 2007 quasi per Gesetz zufallende Schenkung anzunehmen und die bedeutenden Sachwerte in Gestalt der vermutlich schadstoffbelasteten Garagen in den Vermögenshaushalt der Kommune zu überführen, um diese dann aus dem Gemeindehaushalt heraus zukünftig zu bewirtschaften. Ich sage ehrlich, der gute Mann wusste nicht, ob er weinen oder lachen sollte. Es ist in der Tat grotesk, meine Damen und Herren.

(Beifall des Abg. Johannes Lichdi, GRÜNE)

Zusammengefasst: Dem Anliegen der Linksfraktion stehen nach wie vor erhebliche verfassungsrechtliche Bedenken entgegen. In der Praxis – das ist hier herausgekommen – könnten die Kommunen, dem Grundsatz der

Einnahmebeschaffung folgend, zwar höhere Nutzungsentgelte für die Garagen verlangen; dazu müssten sie sie aber in den Bestand übernehmen und bewirtschaften. Das wiederum würde schon dem Grundsatz der sparsamen und wirtschaftlichen Haushaltsführung entgegenstehen, weil eine wirtschaftliche Bewirtschaftung in keinem Fall absehbar ist. Darum ist Ihr Antrag nicht zustimmungsfähig.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD, der CDU, der FDP, den GRÜNEN und der Staatsregierung)

Ich rufe die NPDFraktion auf; Herr Petzold.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! „Niemand begeht größeres Unrecht als der, der es in Form des Rechts begeht.“ Dieser Satz stammt von dem griechischen Philosophen Platon und trifft bis heute zu.

Besonders zutreffend war dieser Satz, wenn man das sogenannte Schuldrechtsanpassungsgesetz und seine Wirkungen betrachtet. Mit der Verabschiedung des Schuldrechtsanpassungsgesetzes 1994 wurde Unrecht kraft Gesetzes zum Recht erklärt, neuerliches Unrecht in der Form gesetzlich legitimierter Enteignung von Gebäudeeigentum. Bereits im März dieses Jahres lagen hier im Landtag Anträge vor, die eine Änderung des Schuldrechtsanpassungsgesetzes zum Ziel hatten. Diese Anträge wurden, wie nicht anders zu erwarten war, von der CDU, der SPD, der FDP und den GRÜNEN abgelehnt.

Mit der gleichen Arroganz der Macht haben die eben genannten Parteien kürzlich im Bundestag eine immer noch mögliche Gesetzesänderung abgelehnt und damit die entschädigungslose Enteignung Tausender Garagenbesitzer in Mitteldeutschland zementiert.

Aus diesem Grund begrüßen wir den heute vorliegenden Antrag der Linksfraktion mit dem Ziel eines Moratoriums. Es wird möglich, die unmittelbaren Auswirkungen des Gesetzes, zumindest auf den kommunalen Flächen, zu begrenzen oder zeitlich hinauszuzögern. Dies allerdings nur, sofern es umsichtige Entscheidungsträger in den Kommunen gibt, welche die soziale Gerechtigkeit und den Schutz des Eigentums vor die finanziellen Aspekte stellen.

Das grundsätzliche Problem wird damit aber nicht aus der Welt geschafft. Aus unserer Sicht kann eine solche Minimallösung nur als Übergangslösung betrachtet werden. Wir sind nach wie vor der Auffassung, dass es Aufgabe des Staates ist, für ein geschichtlich entstandenes Unrecht – also die Enteignung – einen finanziellen Ausgleich zu zahlen. Wir sind auch der Auffassung, dass es auf den Flächen der öffentlichen Hand gar nicht erst zu neuem Unrecht kommen darf. Gerade diese Flächen sind hauptsächlich betroffen, da sich ein Großteil dieser Grundstücke nun im kommunalen Eigentum befindet. Auf diesen

Grundstücken gibt es, wenn es denn politisch gewollt ist, keine widerstrebenden Interessen.

Die öffentliche Hand kann und muss selbstverständlich zugunsten des sozialen Friedens auf mögliche Einnahmen aus diesen Grundstücken vorerst verzichten. Tut sie es nicht, ist dies nichts anderes als Raub von Eigentum. Hätte es eine echte Anpassung der in der ehemaligen DDR geltenden rechtlichen Bestimmungen an die in der Bundesrepublik geltenden Rechtsbestimmungen gegeben, so wie es im Einigungsvertrag festgeschrieben war, würden wir die heutigen Probleme gar nicht haben.

(Heinz Eggert, CDU: Aha!)

Damals gab es aber keine Anpassung des Rechtes. Stattdessen wurde die Rechtsauffassung der Bundesrepublik nachträglich einfach übergestülpt und damit erhebliches Unrecht geschaffen. Dem betroffenen Garagenbesitzer wird man es nicht übel nehmen können, wenn er Zweifel bekommt, ob er tatsächlich in einem freiheitlichen Rechtsstaat lebt, in dem das Eigentum angeblich eines der höchsten Güter sein soll.

In Anbetracht der derzeit bestehenden Mehrheitsverhältnisse hier und im Bund unterstützen wir die Forderung im Antrag. Den Kommunen wird zumindest die Möglichkeit gegeben, die Investitionsschutzfrist zu verlängern und bei Bedarf Entschädigungen zu zahlen. Die bevorstehenden Enteignungen und Vertragskündigungen bei den betroffenen Grundstücken sind nach unserer Rechtsauffassung klar rechtswidrig. Daraus folgende Einnahmen der Kommunen sind nach unserem Rechtsverständnis folglich genauso rechtswidrig und können keinesfalls mit den Einnahmengrundsätzen der Kommunen begründet werden.

Wir werden dem vorliegenden Antrag zustimmen, weil er für die auf den kommunalen Grundstücken von Enteignung Betroffenen zumindest die Chance auf einen gerechten Ausgleich ermöglicht.

(Heinz Eggert, CDU: Schwachsinn!)

Grundsätzlich kann das Problem allerdings nur gelöst werden, wenn in Deutschland das Recht wieder vor finanziellen Interessen steht und geltende Gesetze nicht mehr nach Bedarf verbogen werden.

Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der NPD)

Die FDP-Fraktion erhält das Wort. Herr Dr. Martens.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Zum Vorredner nur so viel: Sie sollten sich nicht in der Rechtspolitik versuchen, bleiben Sie bei Blut und Boden.

(Heiterkeit bei der FDP)

Herr Bartl, das war schon – ich sage es mal so – wie im März der elegante Versuch, möglichst großartige Schre

ckensszenarien zu verbreiten – 200 000 Kündigungen und Ähnliches, garniert mit der Behauptung des Rechtsbruchs gegen den Einigungsvertrag und dem Hinweis auf die armen Garagennutzer, die jetzt aus reiner Profitgier der Kommunen kurzfristig mit der Kündigung und der Enteignung ihres Garageneigentums zu rechnen hätten.

Meine Damen und Herren! Sie können es nicht lassen, Herr Bartl, offensichtlich wollen Sie mit aller Gewalt doch noch einmal die DDR ein Stückchen weit retten, und sei es wenigstens nur auf zwei mal vier Meter Garagenfläche.

(Beifall bei der FDP und der SPD)

Nein, für diejenigen, die uns hier nicht im Saal zuschauen – es gibt ja auch Bürger an den Radiogeräten draußen im Land –, sei gesagt: Das, was Herr Bartl vorhin vorgetragen hat, war die letzte Folge des „Schwarzen Kanals“, die über den Äther gegangen ist.

(Heiterkeit und Beifall bei der FDP, der CDU, der SPD und den GRÜNEN)

Zur Rechtslage so viel: Herr Bartl, ich habe in der Märzdebatte bereits ausführlich Stellung genommen, wie sich die Rechtslage verhält. Ich verweise dazu auf die Sitzungsprotokolle des Sächsischen Landtages in der 4. Sitzungsperiode auf den Seiten 3500 bis 3502.

Gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Bitte, Herr Kollege.