Protokoll der Sitzung vom 24.01.2007

(Zuruf des Abg. Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion.PDS)

Meine Damen und Herren! Die Neuregelung ermöglicht vielfältige Vernetzungsmöglichkeiten der Vermittlung astronomischer Bildungsinhalte mit anderen schulischen Angeboten, so zum Beispiel im natur- und gesellschaftswissenschaftlichen Unterricht am Gymnasium oder auch komplex- und praxisorientiert an den Neigungskursen unserer Mittelschulen. Mit der zeitlichen Ausblendung der Vermittlung entsprechender Wissensinhalte wird zudem auch einer kumulativen Wissensvermittlung Rechnung getragen. Selbstverständlich bleibt in diesem Zusammenhang die Nutzungsmöglichkeit von Schul- und Kleinplanetarien uneingeschränkt möglich.

Schließlich möchte ich noch auf das Argument der Stundenplanung eingehen, meine Damen und Herren. Das SMK hat hierzu bereits 2004 ausgeführt – ich zitiere –: „Kritiker behaupten, mit der Reform würde der Umfang astronomischer Bildung von 30 Unterrichtsstunden auf 16 Stunden an Mittelschulen bzw. 18 Stunden am Gymnasium reduziert werden.“ Das können wir heute in der Presse von den Befürwortern der Aktion „Pro Astro“ nachlesen.

Diese Zahlen sind falsch, denn sie berücksichtigen nur die Anteile, die künftig in der Klassenstufe 9 bzw. 10 vorgesehen sind. Betrachtet man die verpflichtenden astronomischen Inhalte der weiteren Klassenstufen allein in den Fächern Physik und Geografie, so ergibt sich für die Mittelschule ein obligatorischer Unterrichtungsumfang mit astronomischen Bildungsinhalten von circa 24 Stunden und am Gymnasium von circa 27 Stunden. Berücksichtigt man dies punktuell auch für Fächer wie Mathematik, Biologie, Chemie, Geschichte, Ethik und Religion, wird dieses geltende Stundenvolumen noch auf 30 ausgeweitet. Die unterrichtliche Organisationsform wird sich zwar ändern, der hohe Stellenwert aber, den die astronomische Bildung und Wissensvermittlung an Mittelschulen und Gymnasien im Freistaat hat, bleibt erhalten. Diese Tatsache ist nicht zu leugnen, deshalb lehnen wir auch den Antrag erneut ab.

Meine Damen und Herren, ein Wort zum Schluss: Es wird immer wieder das Argument vermittelt, der Schulausschuss – Frau Falken hat wiederum versucht, es in der Argumentation herüberzubringen – habe sich gegen das

Votum von Sachverständigen gestellt. Ich habe, wie gesagt, an dieser Anhörung im letzten Jahr nicht teilnehmen können, aber ich habe mir das Protokoll der Anhörung und die eingegangenen Stellungnahmen sehr genau angeschaut. Wenn in der Öffentlichkeit der Eindruck vermittelt wird, dass in Sachsen astronomische Bildung aus den Schulen verbannt wird, ist die getroffene Stellungnahme von Fachexperten zweifellos richtig. Nur ist das, worüber man meint hier urteilen zu müssen, eben nicht zutreffend. Es geht nicht um die Abschaffung astronomischer Wissensvermittlung, sondern um eine Änderung der Unterrichtsorganisation bei der Vermittlung dieses Wissens. Nichts anderes ist vorgesehen, und dies sollte jeder, der sich damit auseinandersetzt, endlich einmal zur Kenntnis nehmen, insbesondere die Oppositionsfraktionen in diesem Hause.

(Beifall bei der CDU und der SPD)

Die SPD-Fraktion; Herr Dulig, bitte.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Da wir uns zum wiederholten Male mit dem Thema Astronomie als Unterrichtsfach beschäftigen, ist vieles schon gesagt worden, und es muss nur das wiederholt werden, was für die Entscheidung über den Antrag wichtig ist. Ich meine damit, dass es für uns alle sicher unumstritten ist, dass Astronomie als Fach viele Potenzen in sich birgt.

Die Frage, die sich aber sofort stellt, ist, ob Astronomie das einzige Fach ist. Wenn ich allein auf Geografie schaue, sehe ich dort mindestens die gleichen Potenzen; denn Geografie ist bei Weitem mehr als Erdkunde. Sie vereint die zwei großen Bereiche der physischen Geografie und der Anthropogeografie. Der erste Bereich umfasst die Disziplinen Geoklima-, Boden-, Hydro- und Vegetationsgeografie; der zweite Bereich umfasst Bevölkerungs-, Siedlungs-, Wirtschafts-, politische und historische Geografie. Wenn man so will, umfasst Geografie als Disziplin alle Natur- und Gesellschaftswissenschaften. Damit will ich nur sagen, dass es auch andere Fächer neben der Astronomie gibt, die zumindest das gleiche Potenzial haben.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es muss nicht wiederholt werden, dass die Lehrpläne verbindliche Bezüge aus astronomischen Inhalten aufweisen und darüber hinaus die neue Lehrplangeneration offen für weitere Themen und Problemstellungen – auch astronomischer Art – ist. Wenn es einen guten Astronomielehrer und ein entsprechendes Interesse der Schüler gibt, kann die Schule in einer intensiven Projektwoche Astronomie bei entsprechenden Vorbereitungen in den beteiligten Fächern wahrscheinlich einen ähnlichen, vielleicht sogar nachhaltigeren Bildungseffekt erzielen, als wenn die Stunden über das Schuljahr „verkleckert“ werden.

Wenn ein Fach als Ein-Stunden-Fach neben vielen anderen Fächern erteilt wird, ist es ein Fach mehr, auf welches ein Schüler seine Aufmerksamkeit und sein Interesse im

Verlauf der Woche verteilen muss. Wir wissen mittlerweile durch die modernen Erkenntnisse der Bildungswissenschaften recht genau, warum das so ist und dass wir die Lernprozesse in der Schule doch etwas besser organisieren sollten. Statt die Vielzahl der Fächer zu erhalten oder zu vermehren – man könnte mit guten Gründen weitere Fächer fordern, wie Gesundheitsbildung, Medienkunde, Persönlichkeitspsychologie usw. –, legen uns diese Erkenntnisse über das Lernen eher nahe, die Fächer zusammenzufassen und ganzheitlicher, problem- und weltbezogener zu vermitteln.

Natürlich führt dies immer wieder zu einer systematischen Behandlung eines einzelnen Faches; aber es ist nicht die Aufgabe der Schule, die Wissenschaften den Schülern systematisch zu vermitteln, sondern es ist die Aufgabe, auf der Grundlage systematischen Wissens in den Fächern bei den Schülern eine grundlegende, umfassende und exemplarisch vertiefte Lebenskompetenz auszubilden.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Damit bin ich – Sie haben es vielleicht erwartet – wieder bei einem Thema der veränderten Lernkultur, der wichtigsten Aufgabe und Herausforderung, vor der wir nicht nur im sächsischen Schulwesen stehen. Die Veränderung der Lehrpläne geht eindeutig in die richtige Richtung, und wenn wir hinsichtlich des Aspektes des weltbezogenen und damit notwendigerweise fächerübergreifenden Lernens Ernst machen wollen, ist es kaum dienlich, dies wieder mit einzelnen Fächern zu tun. Die Reduzierung der Fächer ist ein richtiger Schritt. Natürlich ist es auch eine Verpflichtung und ein Auftrag, nämlich den Wandel der Lernkultur offensiv zu betreiben, die Schulen hierbei stark zu unterstützen und auch den administrativen Rahmen entsprechend anzupassen. Aber nur, weil wir hier Defizite sehen, werden wir doch nicht in die andere Richtung gehen. Nur weil die Astronomielehrer eine gute Lobbyarbeit geleistet haben – volle Anerkennung! –, werden wir doch nicht unsere Überzeugung über Bord werfen.

(Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion.PDS: Oh!)

Ich erwähnte die mögliche Einführung eines Faches Gesundheitskunde. Was meinen Sie, wie leicht es für uns wäre, für dieses Fach, das es immerhin noch gar nicht gibt, eine breite Unterstützung von allen Seiten zu organisieren? Hundert Professoren wären sicher schnell geworben.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Verantwortliche Politik muss sich sehr wohl auch auf öffentliche Meinungen konzentrieren und auf diese hören. Aber wenn wir sie einfach nur nachvollziehen würden, bräuchten wir kein Parlament, und wir würden die politische Macht ganz schnell und gänzlich an Massenmedien abgeben. Ich glaube nicht, dass dies am Ende eine oder einer der anwesenden Demokratinnen und Demokraten wirklich will.

Insofern werden wir aus den oben ausgeführten und in der letzten Diskussion zum Thema genannten Gründen dem

Antrag nicht zustimmen. Wir sehen aber die Diskussion um den Astronomieunterricht als einen Auftrag an, den Prozess des Wandels der Lernkultur insgesamt zu beschleunigen und hinsichtlich der Astronomie die Schulen verstärkt auf die Möglichkeit entsprechender Projekte zu verweisen, in deren Rahmen dann auch gut und effizient der Besuch einer Sternwarte eingebunden werden kann.

Des Weiteren wollen wir von dieser Stelle aus alle Schulen ermuntern, im Rahmen ihres Ganztagsangebotes für interessierte Schüler astronomische Kurse anzubieten. Damit wird am Ende auch der Astronomie nachhaltigere Verbreitung gesichert als durch ein reguläres EinStunden-Fach. Ja, und auch die sich in ihrer Existenz bedroht fühlenden Astronomielehrer fänden in diesem Rahmen sicher genug Arbeit und Aufmerksamkeit durch die Schüler.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD, der CDU, der Linksfraktion.PDS, der FDP und den GRÜNEN)

Die NPDFraktion; Frau Abg. Schüßler, bitte.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Eigentlich ist zum Astronomieunterricht alles gesagt. Die Argumente sind ausgetauscht, und spätestens seit der Anhörung im April 2006 müsste jedem unvoreingenommenen Beobachter klar sein, dass der Erhalt des Astronomieunterrichtes in der bisherigen Form die bessere Lösung ist – jedem, außer unserer Staatsregierung, konkret: dem Kultus.

Es gibt unzählige Petitionen zum Erhalt des Astronomieunterrichtes, Gutachten von Experten, Offene Briefe und nicht zuletzt die bereits erwähnte Anhörung, in der sich immerhin sieben von neun Sachverständigen für ein eigenständiges Schulfach Astronomie ausgesprochen haben. In dieser Anhörung sagte zum Beispiel Herr Dr. Peter Freudenberger – ich zitiere –: „Es ist leider so, dass es einige Berater gibt, die oft aus Bundesländern und Institutionen kommen, die gute Erfahrungen zu eigenständigem Astronomieunterricht in der Sekundarstufe I in Deutschland ignorieren.“

Meine Damen und Herren! Diese Ignoranz wird offensichtlich von Herrn Staatsminister Flath geteilt. In dem von 114 Professoren aus dem gesamten Bundesgebiet unterzeichneten Protest – Sie erinnern sich sicherlich – steht nicht nur der in den letzten Tagen wieder oft zitierte Satz: „Die Astronomie ist diejenige Wissenschaft, die die Menschheit am stärksten mit ihrer Vergangenheit und zugleich mit ihrer Zukunft verbindet“, sondern es ist auch von einer Zwangsabschaffung die Rede.

Genau dieser Zwang ist es doch, der die Bürger in diesem Land der Politik entfremdet; ein Zwang, der wider besseres Wissen und gegen den Willen von Eltern, Schülern und Fachleuten ausgeübt wird. Die NPD-Fraktion hat oft genug die mangelnden politischen Gestaltungsmöglichkeiten auf Landesebene angesprochen. Wenn die Landes

regierung jetzt selbst die wenigen Möglichkeiten, die sie überhaupt noch hat, nämlich im Bildungsbereich, so – ich möchte fast sagen, gegen jede menschliche Vernunft – einsetzt, braucht sich wirklich niemand mehr über Politikverdrossenheit und mangelndes Vertrauen in die Politik zu wundern.

In einem Offenen Brief aus Sohland, geschrieben von einem Mathematik-, Geografie- und Astronomielehrer, wird erwähnt, dass sich auch Herr Dr. Rößler, CDU, bei einem Besuch in der dortigen Sternwarte für den Erhalt des Faches Astronomie ausgesprochen hat. Wir möchten deshalb – wie vorher die GRÜNEN – für diesen Antrag namentliche Abstimmung beantragen, um zu sehen, wie CDU-Abgeordnete mit ihrem Versprechen gegenüber Wählern umgehen.

(Dr. Fritz Hähle, CDU: Wir haben niemals astronomische Versprechen abgegeben!)

Noch ganz kurz zum Antrag selbst. Mit Punkt 3 dürfte auch die Forderung des Kultusministeriums – es wurde bereits gesagt – nach Vermittlung von astronomischem Wissen im Hauptschulgang befriedigt worden sein.

Meine Damen und Herren! Wir wünschen uns also eine Sternstunde in diesem Hohen Haus und hoffen, dass sich diesmal auch die Koalition einen Ruck gibt, damit der Astronomieunterricht nicht in einem schwarzen Loch verschwindet.

Danke für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der NPD)

Gibt es vonseiten der Fraktionen noch Redebedarf? – Das ist nicht der Fall. Die Staatsregierung scheint auch nicht sprechen zu wollen.

(Dr. André Hahn, Linksfraktion.PDS: Auch das ist bezeichnend!)

Gut. – Dann haben wir jetzt dreimal ein Schlusswort. Wir beginnen mit der Fraktion der GRÜNEN. Frau GüntherSchmidt, bitte.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU-Fraktion, ich möchte es Ihnen jetzt nicht ersparen, Sie an Ihren eigenen Maßstäben zu messen. Heute Morgen, Herr Schiemann, haben Sie und Ihre Kollegen sich buchstabengetreu an die Aussagen von Sachverständigen in einer Anhörung gehalten und damit begründet, warum Sie eine Absenkung des Wahlalters auf 16 Jahre ablehnen.

Wir hatten eine Anhörung, Ihre eigenen Sachverständigen haben sehr differenziert, sehr seriös und sehr nachvollziehbar dargelegt, warum die Abschaffung des eigenständigen Unterrichtsfaches Astronomie nicht zielführend ist, und trotzdem beharren Sie darauf, dass dieses Fach abgeschafft wird. Ich kann dem nicht folgen.

(Zurufe der Abg. Dr. Fritz Hähle und Thomas Colditz, CDU)

Es ist nicht nachvollziehbar und es hat nicht immer der recht, der am lautesten rufen kann. Sie müssen es sich gefallen lassen, dass Sie jetzt mit Ihren eigenen Maßstäben gemessen werden. Es ist nicht richtig, was Sie tun. Sie können noch einmal darüber nachdenken.

Herr Colditz, Sie haben aus meiner Sicht keinerlei überzeugende Argumente gebracht, Sie haben das Thema rein technisch anhand der Stundenplanung, anhand der Wochenstunden aufgezogen. Das ist doch nicht seriös. Welche Bildungsphilosophie soll denn dahinterstehen? Ich kann es nicht nachvollziehen. So kann man in Sachsen keine Bildungspolitik machen.

Martin Dulig, Geografie als Kronzeugen heranzuziehen, wenn es um die Abschaffung des Faches Astronomie geht, halte ich für mehr als unglücklich; denn wir alle wissen, dass Geografie und Geschichte zukünftig zur Wahl stehen.

(Thomas Colditz, CDU, steht am Mikrofon.)

Das heißt, die Schüler können sich aussuchen, wo sie ihre Wissenslücken ausbauen möchten. Das halte ich für außerordentlich gewagt. – Aber ich würde zur Not auch eine Zwischenfrage zulassen.

Ich wollte Sie gerade fragen. Das ist sehr freundlich. – Bitte.

Vielen Dank. – Frau GüntherSchmidt, ist Ihnen entgangen, dass ich darauf hingewiesen habe, dass es nicht darum geht, astronomische Bildung aus den Schulen zu verbannen, sondern letztlich darum, die Organisationsform, die Vermittlung von astronomischen Bildungsinhalten zu ändern? Ist Ihnen das ganz einfach entgangen?

Ich habe auch von fächerverbindendem Unterricht gesprochen.

Bitte nur die Frage stellen!

Ist Ihnen entgangen, dass das letztlich auch ein Beitrag dazu war, wie auch die neuen inhaltlichen Aspekte des Lehrens und Lernens dort eine Rolle spielen?