Protokoll der Sitzung vom 16.03.2007

Auch wenn Sie es nicht hören mögen: Die Schulschließungen haben eine tatsächliche Auswirkung auf die Länge der Schulwege, auf die Kosten der Schülerbeförderung und es zeigt sich, dass sich der Freistaat auf Kosten von Kommunen und Kreisen weiterhin sanieren möchte.

(Beifall bei der Linksfraktion.PDS)

Es geht aber nicht nur um das liebe Geld. Das haben wir auch in der Debatte heute schon gehört. Es gehört dazu zu sagen, dass jede geschlossene Schule auch ein kultureller Verlust an Lebensqualität, ein Verlust an Zuhause, ein Verlust an Geschichte, an Familienfreundlichkeit darstellt, alles Werte, die Ihnen angeblich so sehr am Herzen liegen.

Das bedeutet bei den betroffenen Schülern einen Verlust an Lern- und Freizeit. Das liegt ebenso auf der Hand wie bei den Lehrern, die eine langjährige Wirkungsstätte verlieren.

Sie haben mit den Schulschließungen tiefe Wunden in den ländlichen Raum, in die Schulstruktur und die Herzen und die Identifikationsmerkmale dieser Menschen in diesem Land gerissen.

(Beifall bei der Linksfraktion.PDS)

Es ist also kein Ruhmesblatt für Sie, derartig viele Schulen geschlossen zu haben. Es bleibt eine Geschichte von Verlusten, auch wenn der Herr Ministerpräsident der Welt anderes verkündet und der Kultusminister lächelnd die schlechten Botschaften in die Kreise trägt.

Was nun die Einzügigkeit anbelangt, so ist auf dem sächsischen Bildungsserver zu lesen: Die Mittelschule ist hinsichtlich ihrer Leistungsentwicklung, bezogen auf die unterschiedlichen Abschlüsse, eine differenzierte Schulart. Eine langfristige Aufrechterhaltung einzügiger Mittelschulstandorte führe zu einer Beeinträchtigung des Bildungsangebotes. Aber ist das so? Kann man nicht mit flexiblen Lösungen tatsächlich zur Verminderung von Härten und zu neuen pädagogischen Ansätzen kommen?

Wir fordern Sie mit unserem Antrag auf, den Spielraum, den es im Gesetz gibt, den politischen Willen und die entsprechende Praxis an den Tag zu legen und anzuwenden.

Wir haben heute wieder den Tag, an dem die Kreise ihre Bescheide bekommen sollen. Es heißt, es ist noch nicht zu spät. Es gibt noch Schulen, die auf Ihre Reaktion warten. Es gibt noch Menschen, die Unterschriften für ein wohnortnahes Schulnetz sammeln. Darum stimmen Sie unserem Antrag zu, um in der Regierungspraxis bei der Auslegung des Gesetzentwurfes eine flexible Handhabung gewährleisten zu können.

Danke.

(Beifall bei der Linksfraktion.PDS)

Jetzt frage ich noch einmal die anderen Fraktionen. CDU-Fraktion? – Kein Bedarf mehr. Sonst sehe ich auch keine Wortmeldungen mehr. – Nun Herr Staatsminister Flath.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir mussten uns zwei Tage gedulden, aber jetzt haben wir zum Freitagnachmittag die Schuldebatte und alle Jahre wieder auch einen Antrag von der PDS zur Einzügigkeit von Mittelschulen. Ich habe dem zugehört, was vorgetragen wurde. Es ist eigentlich nichts Neues hinzugekommen. Dennoch will ich eines aufgreifen:

Frau Falken, Sie sagten, Schulschließungen seien immer ein schmerzhafter Prozess für Eltern, für Schüler und für Lehrer. Ich will Ihnen sagen: Auch für den Kultusminister ist es ein schmerzlicher Prozess.

(Zuruf der Abg. Julia Bonk, Linksfraktion.PDS)

Zu Ihnen komme ich schon noch, Frau Bonk. Auf Ihren Sarkasmus komme ich gleich noch zu sprechen. Sie bekommen ihn heute einmal zurück. Bereiten Sie sich schon einmal darauf vor.

Ich habe bei der familienpolitischen Debatte einige Familien in Sachsen kennengelernt: Fünf Kinder, Herr Dulig, sechs Kinder, in meinem Wahlkreis eine Familie mit zehn Kindern, ich hätte auch meinen Fraktionskollegen Marko Schiemann mit vier Kindern nennen können. Nun stelle man sich einmal ein Kind vor – das gibt es ja tatsächlich in Sachsen –, das zwei oder drei Mal von einer Schulschließung betroffen war und jedes Mal die Schule wechseln musste. Das treibt Eltern schier in den Wahnsinn. Ich will Ihnen auch sagen, was die Eltern in den Wahnsinn treibt: Sie zahlen die Zeche, die sie selbst nicht verursacht haben. Verursacht haben die Schulschließungen nicht etwa ein Kultusminister, der sich an das Gesetz hält, verursacht haben es diejenigen in unserem Lande – ich will das nicht kritisieren, das ist ihre freie Entscheidung –, die auf Kinder verzichten. Dazu gehören Sie, Frau Bonk, bis zum heutigen Tage auch. Sie könnten es sich doch gut und gern leisten. Dann stellen Sie sich doch hier mit Ihrem Sarkasmus nicht so hin und sagen, der Kultusminister gehe lächelnd durchs Land und schließe Schulen. Dasselbe haben Sie mit Herrn Colditz gemacht. Das ist keine Art, so miteinander umzugehen. Das will ich Ihnen einmal klipp und klar sagen.

(Beifall bei der CDU – Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion.PDS: Die Ihre, Herr Flath, die Sie gerade an den Tag, legen, aber auch nicht!)

Ich bin Manns genug, Herr Prof. Porsch, zu sagen, ich entschuldige mich bei den Eltern, die viele Kinder haben; weil das notwendig war. Ich habe ihr Leben damit erschwert. Ich habe es aber nicht verursacht.

Wir haben ein Schulgesetz im Freistaat Sachsen, mit dem wir es uns in diesem Hohen Hause bei der Entscheidung schwer gemacht haben: Lassen wir die Mittelschulen zweizügig oder machen wir sie einzügig? Mit Mehrheit hat der Landtag beschlossen, es bleibt bei der Zweizügigkeit.

(Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion.PDS: Sie gehören zur Mehrheit dazu!)

Dazu gehöre ich.

Die deutschlandweite Diskussion zeigt, dass wir mit unserer qualitätsbetonten Entscheidung – wir haben Qualität vor die Länge des Schulweges gestellt – richtig lagen.

Wir lagen damit richtig. Es ist uns bis zur Stunde im Freistaat Sachsen gelungen, dass keine Hauptschule entstanden ist. Das hat etwas mit der Zweizügigkeit zu tun. Nun weiß ich ja auch, welche Probleme uns gerade freie Schulen bereiten. Wir haben das ganz genau geprüft, es ist verfassungsrechtlich nicht möglich, freien Schulen in die Organisation derart hineinzureden, dass wir ihnen vorschreiben, wie sie die Schule zu organisieren haben. Das ist nicht möglich. Ob es, wenn es möglich gewesen wäre, eine Mehrheit hier im Hohen Hause gegeben hätte, bezweifle ich.

Aber ich kenne die Probleme vor Ort. Dennoch haben wir mit unserer Entscheidung gut gelegen. Andere Länder – Thomas Colditz hat es angesprochen – kopieren unser Modell, weil es in Sachsen keine so genannten Restschulen gibt.

(Beifall bei der CDU)

Nun gibt es das Zauberwort Gemeinschaftsschulen, Herr Dulig. Davon sind im Land alle fasziniert. Wir haben uns darauf verständigt, dass wir sie als Schulversuch zulassen. Wir haben uns auch für dieses Jahr verständigt, wo es solche Modelle gibt. Nur, die Gemeinschaftsschule als die Lösung hinzustellen – dann muss ich auch die ganze Wahrheit sagen. Wenn ich flächendeckend die Gemeinschaftsschulen in Sachsen einführen würde, müssten wir darüber reden, dass mindestens die Hälfte der Gymnasien überflüssig würde. Das gehört auch zur Wahrheit. Dann wollen wir einmal sehen, wer die Gymnasien benennt, die zu schließen sind.

(Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion.PDS: Herr Dulig!)

Irgendwie müssen Sie sich verrechnet haben. Herr Dr. Hahn, das ist eigentlich Ihr Job. Sie haben heute Morgen veranlasst, die Botschaft ins Land zu senden, dass

heute Nachmittag der Kultusminister bekannt gibt, welche Schulen Mitwirkungsentzüge bekommen.

(Dr. André Hahn, Linksfraktion.PDS: Ich habe nichts dazu gesagt!)

Die Linksfraktion.PDS hat es ja heute per Pressemitteilung veranlasst. Seitdem sind die Telefone in meiner Pressestelle heiß gelaufen.

Es zeigt geradezu, was eigentlich Ihr Anliegen ist: nicht zu etwas Vernünftigem im Lande beizutragen, sondern Leute zu verunsichern. Viele Presseredaktionen saßen heute Vormittag zusammen und haben schon einmal für die Seite 1 morgen einen Platz reserviert. Pustekuchen! In keinem Jahr hat es an dem Tag, an dem die Anmeldefrist für die Eltern in einer freien Entscheidung, ob sie das Kind zur Mittelschule oder zum Gymnasium anmelden wollen, abläuft, irgendwo einen Bescheid oder eine Liste gegeben, welche Schulen einen Mitwirkungsentzug bekommen. Was Sie dazu veranlasst hat, für nächste Woche eine Aktionswoche gegen Schulschließung auszurufen, das ist regelrecht verräterisch. Jetzt haben Sie ein Problem, denn Sie haben keine Liste.

Gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Das kann ich hier nicht lösen.

Herr Minister, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Ja, natürlich.

Frau Abg. Roth, bitte.

Herr Minister Flath, wenn Sie die Pressemitteilung persönlich gelesen hätten, dann hätten Sie erkennen können, dass es eine Aktionswoche für den Volksantrag ist. Ist Ihnen nicht bekannt, dass in Ihrem Haus noch am gleichen Tag, an dem die Anmeldungsfrist ausläuft, die Schulträger ein Fax bekommen – zumindest wurde es in der Vergangenheit so gehandhabt –, in dem ihnen angekündigt wird, dass der Mitwirkungsentzug ausgesprochen wird, und dass es eine Anhörung für die Kommunen zu diesem Thema gibt, weil nicht die nötige Schülerzahl zusammengekommen ist? Ich habe mich immer gewundert, wie das Kultusministerium am Freitag bis abends um acht arbeitet.

Hört, hört! Steffen Flath, Staatsminister für Kultus: Verehrte Frau Abg. Roth, da müssen Sie einmal nachsehen. Ich bin das dritte Jahr Kultusminister. Das heißt, ich habe das zwei Jahre durchlitten. Ich kann mich recht gut erinnern, dass es schier unmöglich ist, an dem Tag, an dem die Eltern noch die Möglichkeit haben, ihr Kind anzumelden, eine Liste im Lande herumzuschicken. (Dr. André Hahn, Linksfraktion.PDS: Eigentlich ja!)

Es ist schier unmöglich. Wenn überhaupt ein Mitwirkungsentzug notwendig ist – was ich heute nicht weiß; ich muss diese doch zusammenfassen –, dann ist das frühestens Mitte des nächsten Monats zu sagen. Ich werde mir doch wie in den letzten Jahren genau anschauen, wo wir eine Ausnahmegenehmigung zulassen können und wie überhaupt die Zusammenhänge sind. Hier haben Sie sich in Ihrer Planung um etwa einen Monat vertan.

(Andrea Roth, Linksfraktion.PDS: Ich bringe Ihnen die Pressemitteilung mit, Herr Flath!)

Es tut mir leid. Ihre Pressemitteilung habe ich gelesen. Es stimmt. Sie haben sie mit der Unterschriftensammlung verbunden. So eine politische Aktion ist natürlich erlaubt. Aber es zeigt, wie verräterisch Sie sich regelrecht darauf gefreut hatten, dass es endlich wieder einmal so weit ist, dass Sie durchs Land ziehen können und – –

(Andrea Roth, Linksfraktion.PDS: Ach, Herr Flath, Sie sind ja durch und durch Demagoge! – Volker Bandmann, CDU: Er hat recht, er hat echt!)

Gestatten Sie noch eine Zwischenfrage?

Auch wenn das schmerzlich ist – – Ja, bitte schön, Ihre Frage.

Herr Flath, teilen Sie meine Einschätzung, dass die Linksfraktion.PDS quasi unter dem Pseudonym des Vereins „Zukunft braucht Schule“ durch das Land reisen will und diesen vergeblichen Volksantrag befördert, dass niemand dahintersteht außer der Linksfraktion.PDS?

Da haben Sie recht, Frau Abgeordnete.

Ich möchte zum Schluss kommen. Wir werden uns genau ansehen, wie die Anmeldungen aussehen, und dann verantwortlich entscheiden. Ich denke, es bleibt dabei, wie ich es schon im letzten Jahr verkündet habe: Wir haben im Großen und Ganzen bei den weiterführenden allgemeinbildenden Schulen, Mittelschulen und Gymnasien den Anpassungsprozess bis auf wenige Ausnahmen geschafft. Insofern bricht auch jetzt ein Zeitalter für die Schulen an, in dem sie sich mit mehr Ruhe der eigentlichen Bildungsaufgabe widmen können.

Ich will mich hier noch einmal für diese Entscheidung bedanken. Wir haben damit ein Beispiel geschaffen, das viele Länder kopieren. Das gute Ergebnis bei dem PISAVergleich in Sachsen geht – auch das will ich heute noch einmal betonen – auf die gute Arbeit der Mittelschulen zurück. Dies soll auch eine Werbung für die Mittelschulen sein.