Protokoll der Sitzung vom 06.06.2007

Meine Damen und Herren, im Jahr 2003 existierten im Land bereits 600 Hortangebote, die von 60 % der Grundschüler genutzt werden konnten. Etwa 7 % aller öffentlichen Schulen haben zum damaligen Zeitpunkt Ganztagsangebote realisiert, und an den Förderschulen wurde in den Klassen 1 bis 4 ebenfalls Ganztagsbetreuung umgesetzt, in die auch Schüler der anderen Klassenstufen einbezogen werden konnten – insgesamt also eine gute Grundlage, auf der aufgebaut und weiterentwickelt werden kann.

Im Jahre 2004 wurde das Projekt zum Modellversuch „Sächsische Schulen mit Ganztagsangeboten/Ganztagsschulen“ konkretisiert und seit 2006 erfolgt die wissenschaftliche Begleitung der Förderrichtlinie des Kultusministeriums zum Ausbau dieser Angebote. Die Zufriedenheit der Eltern mit den Angeboten – das möchte ich besonders in Richtung von Frau Kollegin Bonk sagen – ist seit 2004 ungebrochen und liegt bei 79 %.

(Zuruf des Abg. Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion.PDS)

So wählten 86 % der beteiligten Eltern Förderangebote, 83 % Freizeitangebote und 71 % Hausaufgabenhilfen.

So weit mein erster Teil. Ich werde im zweiten Teil insbesondere auf die neue Förderrichtlinie eingehen.

(Beifall bei der CDU)

Ich erteile der Fraktion der SPD das Wort. Herr Dulig, bitte.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Welch steiniger Weg musste beschritten werden, um den Blick von der Betreuungs

ebene zum echten ganztagsschulischen Angebot auf der Grundlage eines pädagogischen Konzeptes zu richten, ganz zu schweigen von der Vorstellung, ganztagsschulische Angebote flächendeckend einzuführen und dafür vielleicht auch finanzielle Mittel bereitzustellen!

In mehreren Debatten auch in den vergangenen Legislaturperioden haben wir in diesem Hohen Hause unermüdlich dargelegt, dass Ganztagsschulen eine gute Möglichkeit bieten, zwei scheinbare Gegensätze, nämlich Schule und Freizeit, so miteinander zu verbinden, dass die Schüler von Ganztagsschulen profitieren, weil sie die Möglichkeit haben, Freundschaften auch in der Freizeit unkompliziert fortzusetzen und Interessen bzw. Neigungen zu entwickeln und ihnen nachzugehen,

(Zurufe von der Linksfraktion.PDS – Staatsminister Thomas Jurk: Man kann doch Zwischenfragen stellen!)

Ganztagsschulen stellen einen wichtigen Beitrag zur Bildungs- und Entwicklungsgerechtigkeit dar und fördern die Vereinbarkeit von Familie und Beruf.

Diese Argumente stießen bei der damaligen Mehrheitsfraktion bestenfalls auf Skepsis. Diesbezüglich sind wir heute schon erheblich weiter.

Gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Herr Kollege Dulig, im Titel dieser Aktuellen Debatte steht etwas von „Ganztagsangeboten“. Sie sprechen jetzt dauernd von der Ganztagsschule. Ist das ein Unterschied oder ist das für Sie das Gleiche?

Sie sind sehr neugierig. Es freut mich, dass das so ist.

(Heiterkeit)

Warten Sie doch erst einmal auf das Ende meiner Rede.

(Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion.PDS: Ganztagsangebote! Das ist ein Unterschied!)

Wir können uns endlich über eine wissenschaftliche Begleitstudie zur Ganztagsschulbetreuung freuen, die unsere Thesen über die Vorteile der Ganztagsschulen belegt; denn mittlerweile liegt ein erster Zwischenstand der Studie zur Entwicklung von Ganztagsschulen vor. Befragt wurden deutschlandweit Schülerinnen und Schüler, Eltern und Lehrer an insgesamt 373 Ganztagsschulen aus 14 Bundesländern. Die Auswertung der ersten Erhebungswelle zeigt deutlich, dass die anfängliche Skepsis, die Ganztagsangeboten entgegengebracht wurde, unbegründet ist.

Dies betrifft insbesondere den Familienaspekt. Von Kritikern gerade in diesem Hause war oft die Argumentation zu hören, man gebe den Erziehungsauftrag der Eltern aus der Hand bzw. Ganztagsangebote schadeten dem

Familienleben. Dort wurden Horrorszenarien entwickelt, dass die armen Kinder, wenn es noch dunkel ist, das Haus in Richtung Schule verlassen und erst dann, wenn es wieder dunkel wird, nach Hause in ihre Familien zurückkehren. Die Ganztagsschule als Zerstörer der Familie!

Liebe Kolleginnen und Kollegen, die erste Schlussfolgerung aus der Studie heißt für uns aber: Mit der Einrichtung von Ganztagsschulen ist das Abendland nicht untergegangen, sondern die Sonne scheint dort jetzt länger!

(Beifall bei der SPD – Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion.PDS: Das ist so!)

Gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Ja, bitte.

Sicherlich habe ich bis zum Ende der Rede Zeit, um die Antwort zu hören. Ich möchte aber noch einmal auf die Zielrichtung eingehen. Herr Colditz hat eben gesagt, dass die offene Form die günstigste Form zur Realisierung eines anderen Unterrichts sei. Demgegenüber hat Herr Dobe in der Anhörung gesagt, Rhythmisierung sei in der offenen Form nicht möglich. Teilen Sie die Auffassung, dass die offene Form die günstigste Form ist, um Ganztagsschulen und Ganztagsangebote zu realisieren?

Ich bin Anhänger der gebundenen Ganztagsschulformen, weil ich glaube, dass dies das bessere pädagogische Konzept ist.

(Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion.PDS: Das ist auch so!)

Ich freue mich aber, dass auch in Sachsen diese Entwicklung eingesetzt hat. Wenn es im ersten Schritt über die Ganztagsangebote geschieht, ist das sicherlich richtig. Aber das Ziel ist natürlich, mehr Schulen zu motivieren, auch gebundene Ganztagsangebote zu machen.

(Beifall bei der SPD und der Abg. Holger Zastrow, FDP, und Dr. Karl-Heinz Gerstenberg, GRÜNE)

Die Ergebnisse der Studie machen deutlich, dass Ganztagsschulen und Ganztagsangebote das Familienklima positiv beeinflussen. So verbringen ganztägig lernende Kinder nicht weniger Zeit mit ihren Eltern als ihre Altersgenossen, dafür wird die gemeinsame Zeit mit den Eltern wesentlich intensiver genutzt – dies vor allem, da Ganztagsschulen die sogenannte Work-Life-Balance der Eltern fördern und damit die Familie tatsächlich entlasten. Sie sind wesentliche Erleichterung dafür, Familie und Beruf zu vereinbaren.

Wenn wir heute über Ganztagsangebote in Sachsen sprechen, dann können wir zum einen feststellen, dass ganztagsschulische Angebotsformen mit der SPD in der Regierungsverantwortung seit 2004 einen großen Schritt vorangekommen sind.

(Zuruf des Abg. Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion.PDS)

Sie sind von einem politischen Außenseiterstatus mittlerweile in Sachsens Schullandschaft angekommen, denn uns als SPD ist es mit dem Koalitionsvertrag gelungen, Ganztagsangeboten in der sächsischen Schullandschaft eine stärkere Position einzuräumen.

(Zuruf des Abg. Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion.PDS)

Uns war klar: Wenn der Freistaat kein Geld in die Hand nimmt, damit Ganztagsangebote und Ganztagsschulen auch inhaltlich ausgestaltet werden können, dann läuft jede politische Willenbekundung ins Leere, sie bleibt dann eben nur eine politische Willensbekundung.

Über das Programm zum Ausbau und zur Absicherung von Ganztagsangeboten stehen jährlich 30 Millionen Euro zur Verfügung. Schaut man sich jedoch den Mittelabfluss im Jahr 2006 an, so muss man leider feststellen, dass nur ein Viertel tatsächlich abgerufen wurde. Das kann man, wie ich es von verschiedenen Seiten gehört habe, mit der Auffassung begründen, dass die Mittel nicht abflössen, weil die Schulen und die Eltern Ganztagsangebote gar nicht wünschten. Die Studie der TU Dresden, die auch Thema in der Anhörung im Schulausschluss war, besagt genau das Gegenteil.

Man kann sich aber auch die Frage stellen, ob die Förderrichtlinie geeignet ist, Organisationsformen ganztagsschulischer Angebote zu befördern. Ich bin froh, dass im sächsischen Kultusministerium die Erkenntnis gereift ist, jetzt die Förderrichtlinie zu Ganztagsangeboten zu überarbeiten. Im Vergleich zur alten Förderrichtlinie wird der Gestaltungsspielraum erweitert und praktikabler gemacht, etwa durch die Anpassung des Förderzeitraums an das Schuljahr oder durch einen vereinfachten Verwendungsnachweis.

Zwar ist es zu begrüßen, dass sowohl die Höhe der Zuwendungen pro Schule als auch die Höhe der zuwendungsfähigen Ausgaben auf 90 % angehoben wurden. Allerdings verfährt auch die neue Richtlinie weiterhin projektbezogen und nach dem Prinzip der Deckelung der Mittel pro Schule. Wir halten aber eine Finanzierung für zielführender, bei der die Schulen auf der Grundlage bestätigter Konzepte in Abhängigkeit von der Schulart und vom zeitlichen Umfang des Ganztagsangebotes einen Zuschuss pro Schüler bzw. Schülerin erhalten.

Trotzdem denke ich, dass mit der nun veränderten Förderrichtlinie

Bitte zum Schluss kommen.

– in einem ersten Schritt die Voraussetzungen verbessert wurden, damit noch mehr Schulen sich für ganztagsschulische Angebotsformen entscheiden.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und der Staatsregierung)

Ich erteile der Linksfraktion.PDS das Wort. Frau Bonk, bitte.

„Ganztagsschulische Angebotsformen“, das ist eine gute Verknüpfung der unterschiedlichen Vokabularien.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir erleben eine große Aktuelle Debatte, zu der Sie gekommen sind, die Einführung von Ganztagsangeboten zu feiern. Traurig nur, dass es dafür eigentlich gar keinen Anlass gibt. Vollmundig haben Sie 30 Millionen Euro in den Haushalt eingestellt mit dem alleinigen Resultat, dass davon auch im letzten Jahr nur 6 Millionen abgerufen worden sind, gerade einmal 20 %. Der Rest verfällt. Es bleibt der Versuch einer guten Botschaft und ich finde, dass diese aufgrund der realen Zahlen ganz schön geschmälert wird.

Meine Fraktion hat in den vergangenen Wochen und Monaten mit Kleinen Anfragen, einem eigenen Antrag und einer Anhörung im Schulausschuss intensiv zum Thema „Ganztagsschule in Sachsen“ gearbeitet, weil wir Ganztagsschule für den Schlüssel zu einer anderen Lern- und Schulkultur halten, aber kaum mit ansehen konnten, was die Staatsregierung mit diesem positiven Ansatz macht. So nutze ich Ihre Offerte sehr gern, die Politik der Staatsregierung zu Ganztagsschulen einmal genauer unter die Lupe zu nehmen. Ich möchte dabei sowohl auf die zugrunde liegenden bildungspolitischen Vorstellungen, die sich in der Koalition, allein was die Wortwahl angeht, offensichtlich sehr stark unterscheiden, als auch auf die handwerklichen Fehler bei der Umsetzung eingehen.

Ganztagsschulen sind nach der Konzeption in drei Stufen möglich: