Protokoll der Sitzung vom 06.06.2007

Wenn ich mich als Mitglied der Staatsregierung recht erinnere, ist es ja so, dass die Fraktionen der CDU und der SPD den Doppelhaushalt 2007/2008 beschlossen haben. So will ich noch etwas Ungewöhnliches tun und mich bei beiden Fraktionen herzlich für die im Vergleich zu anderen Bundesländern großartigen Möglichkeiten bedanken, die wir in Sachsen für den Ausbau von Ganztagsangeboten haben; denn damit wurde damals die finanzielle Grundlage gelegt.

(Beifall bei der CDU und der SPD)

Von Anfang an war es uns im Freistaat wichtig, mit Ganztagsangeboten eben nicht einfach nur Betreuungsmöglichkeiten am Nachmittag zu schaffen, sondern hochwertige pädagogische Konzepte zu entwickeln. Wenn

ich Sie recht verstanden habe, Frau Bonk, wollen Sie das ja auch. Es ist schon ziemlich spitzfindig, dass Sie es dann so formulieren: Wir sollen es eigentlich pauschal ausreichen und hinterher sollte doch vielleicht die Bildungsagentur genau kontrollieren, ob es richtig ausgegeben wurde. Wir haben doch eigentlich nur den umgekehrten Weg beschritten: Wir kontrollieren zunächst das Konzept, und wenn das Konzept gut ist, gibt es Geld, und wir sparen die Zeit hinterher bei der Kontrolle. Es war schon eine ziemliche Spitzfindigkeit, was Sie hier gemacht haben.

(Beifall bei der CDU)

Es geht vor allem – darin sind wir uns im Hohen Haus einig – um die Verbesserung der individuellen Lernvoraussetzungen und das leistungsdifferenzierte Fördern und Fordern unserer Schüler. Wir wollen die weitere Verbesserung der Schul- und Unterrichtsqualität befördern und zugleich die Kooperation der Schulen mit unterschiedlichen Partnern unterstützen. Gerade in dieser Frage gilt es ein großes Potenzial zu nutzen, wenn ich allein an die Vielfalt sächsischer Kultureinrichtungen denke. Auch darin kann ich überhaupt keinen Widerspruch erkennen.

Um diese anspruchsvollen Ziele zu erreichen, ist zunächst das Engagement aller Beteiligten die zentrale Voraussetzung. Von der ersten Diskussion der Idee bis zur Abgabe des Förderantrages für Ganztagsangebote durchlaufen Schulen einen sehr wichtigen Prozess, der im Durchschnitt eben mehr als sechs Monate beansprucht. Um ein Ganztagskonzept zu entwickeln, das schulspezifisch und bedarfsorientiert ist, brauchen Schulen ganz einfach Zeit. Aber gerade diese Entwicklungsprozesse erhöhen die Eigenständigkeit der Schulen – auch darin gibt es keinen Widerspruch im Ziel –, und es gewährleistet die spätere Akzeptanz und die Dauerhaftigkeit der Angebote.

Umso erfreulicher ist es, dass sich Schulen in ganz Sachsen zunehmend mit diesem Thema auseinandersetzen. Wurden noch im Jahr 2005 ganze 171 Förderanträge gestellt, so sind es in diesem Jahr bisher 641 – das ist eine sehr beeindruckende Zahl. Fast jede zweite allgemeinbildende sächsische Schule verfügt mittlerweile über Ganztagsangebote. Zweifellos ist dieser erfreuliche Trend auch auf die verstärkte Beratung durch die Servicestelle Ganztagsangebote zurückzuführen. Schulen, Eltern, Schulträger und Kooperationspartner finden hier konkrete Unterstützung.

Die Erfahrungen der ersten Jahre sind in die modifizierte Förderrichtlinie zum Ausbau von Ganztagsangeboten eingeflossen. Durch die Zusammenführung mit der Förderrichtlinie Schuljugendarbeit sowie aufgrund der Aussagen der wissenschaftlichen Begleitung durch die Forschungsgruppe Ganztagsangebote der TU Dresden gibt es, kurz zusammengefasst, folgende Änderungen.

Voranstellen will ich aber noch – gerade nach Ihrer Entgleisung, Frau Bonk –: Man kann doch nicht eine wissenschaftliche Begleitung fordern, und wenn das

Ergebnis einem nicht gefällt, sie als geradezu peinlich bezeichnen; das ist für mich ein Unding.

(Beifall bei der CDU)

Wir haben als Ministerium von dieser wissenschaftlichen Begleitung außerordentlich profitiert und nunmehr folgende Änderungen vorgenommen:

1. Die Inhalte der Förderung wurden erweitert.

2. Die maximale Fördersumme je Schule wurde erhöht.

3. Der Bonus für Schulen, die mindestens 50 % ihrer Schüler in Ganztagsangebote einbeziehen, wurde aufgestockt.

4. Ganztagsangebote wurden für den Sekundarbereich II, also für die gymnasiale Oberstufe, geöffnet.

5. Der Förderzeitraum wurde vom Kalenderjahr auf das Schuljahr geändert.

6. Es besteht nun die Möglichkeit, zielgruppenorientierte Ganztagsangebote einzurichten.

7. Der Kreis der möglichen Antragsteller wurde erweitert.

8. Für die Antragsteller wurde ein einfacher Verwendungsnachweis zugelassen.

Dabei sehen wir Ganztagsangebote eben nicht in Konkurrenz zur Verantwortung der Elternhäuser; auch darin sollten wir uns einig sein.

Die bewusste Nutzung des Begriffes Ganztagsangebote, den wir übrigens im Schulgesetz verankert haben, macht die Grundidee deutlich: Ganztagsangebote sind freiwillige Angebote an Schüler, Eltern und Lehrer. Wo immer möglich und gewünscht, wollen wir diese zusätzlichen Bildungsangebote anbieten. Ich bin überzeugt: Der Ausbau von Ganztagsangeboten wird in Sachsen zügig weiter vorankommen. Mit unserem Landesprogramm sichern wir dafür sehr gute Rahmenbedingungen. – Das wurde in der Anhörung deutlich; das wurde im Übrigen, Frau Bonk, selbst von Ihrem Gutachter aus Berlin so gesehen. Ich hatte den Eindruck, bei allem, was er kritisch anmerkte, hatte er mehr die Berliner denn die sächsischen Verhältnisse im Blick.

Ich will auch daran erinnern, dass wir in Sachsen bessere Bedingungen haben als in den Ländern, in denen Sie als PDS in der Regierungsverantwortung sind – die gibt es ja schließlich auch.

(Beifall des Abg. Thomas Colditz, CDU – Zuruf des Abg. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion.PDS)

Mit unserem Landesprogramm sichern wir dafür sehr gute Rahmenbedingungen, die auch im Vergleich mit anderen Bundesländern vorbildlich sind. Kein anderes Bundesland setzt vergleichbare Mittel für die gezielte Projektförderung von Ganztagsangeboten ein – auch hier ist Sachsen eben spitze.

Die breite Akzeptanz unseres Vorgehens wird nicht zuletzt durch die Ergebnisse der wissenschaftlichen Begleitung unterstrichen. Demnach halten 80 % aller Eltern – und das zu erwähnen ist mir wichtig – ihre Entscheidung für Ganztagsangebote auch rückblickend uneingeschränkt für richtig. Was zweifellos zu den wichtigsten Ergebnissen zählt und was zugegebenermaßen auch mich überrascht hat: In Sachsen gehen Schüler in Schulen mit Ganztagsangeboten in der Regel erkennbar lieber zur Schule als jene Schüler, die noch keine solchen Angebote in Anspruch nehmen. Das zeigt, dass dieser Weg, den wir in Sachsen beschritten haben, erfolgreich ist. Ich wünsche mir – auch bei der Beratung des nächsten Doppelhaushaltes – vielleicht tatsächlich die Unterstützung aller Fraktionen hier im Hohen Hause und bedanke mich für die Debatte.

Danke schön.

(Beifall bei der CDU, der SPD und der Staatsregierung)

Meine Damen und Herren! Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Damit ist die 1. Aktuelle Debatte, beantragt von den Fraktionen der CDU und der SPD zum Thema „Förderung von Ganztagsangeboten“, abgeschlossen und beendet.

Wir kommen damit zu

2. Aktuelle Debatte

Lehrstellenmangel in Sachsen

Antrag der Linksfraktion.PDS

Zunächst hat die Antragstellerin, die Linksfraktion.PDS, das Wort. Danach: CDU, SPD, NPD, FDP, GRÜNE und die Staatsregierung. Die Debatte ist eröffnet; ich bitte, dass die Linksfraktion.PDS das Wort nimmt. Herr Zais, bitte.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Sachsens Industrie boomt. Inlandgeschäfte und Export erreichen neue Bestmarken, das verarbeitende Gewerbe bringt einen

Gesamtumsatz von 3,6 Milliarden Euro monatlich; der Industrieumsatz erreicht damit einen neuen Spitzenwert.

(Einzelbeifall bei der CDU – Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion.PDS: Bravo!)

Die Rekordergebnisse werden insbesondere aus dem Exportgeschäft, zunehmend aber auch aus den Nachfragen im Inland erreicht. Die Exportquote erreicht den Rekordwert von 38,9 %. Da lässt es sich gut leben, Herr Minister.

Meine Damen und Herren, schnell rühmt sich die Staatsregierung und schreibt sich solche Rekordergebnisse gern zu – obwohl ihr Anteil, das sage ich hier offen, sehr gering ist.

(Staatsminister Thomas Jurk: Das stimmt nicht!)

Was können Sie für die Konjunktur in China?

Fakt bleibt, dass sich die damit verbundenen hohen Gewinne nicht bei den Beschäftigten und Auszubildenden niederschlagen, geschweige denn in der Lohntüte bemerkbar machen. Während die Monatsergebnisse der gewerblichen Industrie, bezogen auf den Umsatz, um 12 % und mehr steigen, bleibt der Zuwachs an Beschäftigung mit 0,4 % weit zurück. So suchen auch weiterhin Jugendliche in Sachsen oftmals vergeblich einen Ausbildungsplatz und eine Zukunft in diesem Freistaat.

38 300 Jungen und Mädchen bewerben sich 2007 um eine Lehrstelle. 13 300 Ausbildungsstellen sind derzeit in Sachsen gemeldet. Das sind 500 Ausbildungsplätze mehr als 2006, aber rein rechnerisch bewerben sich demnach drei Jugendliche auf einen gemeldeten betrieblichen Ausbildungsplatz im dualen System. Das ist für die gegenwärtig boomende Wirtschaft eine Schande und veranlasst die Linksfraktion.PDS, heute eine Aktuelle Debatte über die Lehrstellensituation aufzurufen. Es gibt auch Erfolge, die wir nicht negieren wollen, aber das von mir soeben genannte Ergebnis verlangt Kritik, und die Staatsregierung wird ihrer Rolle für die Sicherung der Zukunft junger Menschen in Sachsen derzeit nicht gerecht. Natürlich werde ich von der Koalition zur Antwort bekommen, dass im Mai noch nicht das Ergebnis abgerechnet werden kann, weil die Lehrstellenbewerbungen erst richtig beginnen und es regionale Unterschiede gibt. Ich negiere das nicht, und trotzdem ist die Situation sehr ernst.

Die Lehrstellensituation hat sich in den letzten Jahren in Sachsen gewandelt. In Regionen um Chemnitz und Dresden herrscht ein akuter Facharbeitermangel, der weiter zunehmen wird. So haben im vergangenen Jahr nur sechs bzw. sieben Jugendliche in diesen Städten keine Lehrstelle erhalten. Das heißt nicht, dass 13 Jugendliche ohne Lehrstelle geblieben sind – ich sage, glaube nur deiner eigenen Statistik –, denn allein 4 582 Schülerinnen und Schüler sind im Berufsgrundbildungsjahr 2006 und wollen nun 2007 einen Ausbildungsplatz. Dazu kommen – dies sei nicht vergessen – immer noch 21 000 Altbewerber, die bisher ohne Ausbildung sind.

Wenn es Fortschritte gibt, so sind diese auf die demografische Situation in Sachsen zurückzuführen und nicht auf die Arbeit der Staatsregierung, wenn 7 160 Jungen und Mädchen weniger 2007 nach einer Lehrstelle fragen. Trotz dieses Rückgangs bräuchten wir in Sachsen rund 65 000 Lehrstellen – ich wiederhole: rund 65 000 –, um jedem Ausbildungswilligen eine Zukunft in Sachsen zu sichern.

So hoch, Herr Jurk, liegt die Messlatte. Verbesserte quantitative Ergebnisse sind vordergründig durch Auswei

tung von außerbetrieblichen Angeboten zustande gekommen. So gingen im Jahr 2006 die betrieblichen Ausbildungsplätze im Osten um 800 zurück und die Zahl der außerbetrieblichen Ausbildungen stieg um 4 600 an. Dieses Plus bei außerbetrieblichen Ausbildungsplätzen beruht auf der Zusage der Bundesagentur, im Rahmen des Nationalen Paktes für Ausbildung zusätzliche außerbetriebliche Ausbildungsplätze zur Verfügung zu stellen. Aufgrund dieser Zahl ist es verständlich, dass Karl Peter Fuß, Leiter der Regionaldirektion, vor Kurzem an die Unternehmen appellierte, stärker in den künftigen Nachwuchs zu investieren. Das heißt nichts anderes, als dass der fehlende Fachkräftebedarf von der Industrie seit Jahren selbst verursacht werden würde. Wer heute die Situation in der Wirtschaft immer noch nicht versteht, dem ist nicht zu helfen und den bestraft das Leben.

Ich komme noch einmal wieder. – Vielen Dank.

(Beifall bei der Linksfraktion.PDS)

Ich erteile der Fraktion der CDU das Wort. Herr Rasch, bitte.