Protokoll der Sitzung vom 07.11.2007

(Ach! bei der CDU)

Einer Leistungsspitze von 14,7 % in Finnland stehen nur 8,9 % in Sachsen gegenüber. Auf der anderen Seite produziert die finnische Schule nur noch 5,7 % Schüler mit nicht ausreichender Lesekompetenz – in Sachsen sind es trotz Förderschulen und Gliederung 16 % – und finnische Schulen sind in der Regel noch keine Gemeinschaftsschulen, wie wir sie uns vorstellen und wünschen. Wir wollen aber durchaus von finnischen Fehlern lernen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es sollte in dieser Diskussion und auch im Land klar sein, dass Gemeinschaftsschulen in erster Linie eine neue Lernkultur entwickeln und deshalb auf keine Sonderung der Schülerinnen und Schüler nach gezeigter Leistung angewiesen sind. Sie sind also nicht einfach die Zusammenfassung von verschiedenen Bildungsgängen. Das ergibt sich vielmehr nebenher. Weil dies so ist, begeben sich diese Schulen, jedenfalls wenn sie ernst machen, auf einen zunächst schwierigen Weg, der den Lehrern viel abverlangt, nämlich einen neuen Blick auf das Lernen, ein neues Verständnis ihrer Rolle in der Schule.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Die NPD-Fraktion; Herr Gansel, bitte.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Seit der letzten Landtagswahl ist viel bildungspolitisches Wasser die Elbe heruntergeflossen und dabei schwamm alle vier bis zehn Wochen auch immer wieder eine Drucksache von PDS und GRÜNEN zum Thema Gemeinschaftsschule vorbei. Die NPDFraktion fragt sich aber mittlerweile, ob das hier noch etwas mit Politik oder schon mit Fetischismus zu tun hat.

Die bildungspolitischen Irrläufer der Linken muten diesem Hause schon einiges an Leidensfähigkeit zu, wenn nun mit gut zweieinhalbjähriger Verspätung ein PDSAntrag vom 1. Juni 2005 auf den Tisch kommt und zudem die Aktuelle Debatte der GRÜNEN vom 17. März 2006

zu „Stand und Perspektiven der Gemeinschaftsschule in Sachsen“ neu aufgewärmt wird.

Was den vereinten linken Schulreformatoren bislang nicht gelang, nämlich rechtsverbindliche Bestimmungen der Zulassungsvoraussetzungen für die Einrichtung von Gemeinschaftsschulen durchzusetzen, versuchen sie nun mit einer anderen, sozialpolitisch ummäntelten Zielsetzung. Sie fordern eine vorrangige Einrichtung von Gemeinschaftsschulen in sozialen Brennpunkten. Begründet wird dies ausgerechnet damit, dass solche Gemeinschaftsschulen eine Vielzahl von Schülern mit „erheblichen sozialen und kulturellen Problem- und Konfliktlagen“ zusammenfassen. Dies böte der „Integrationspädagogie“ die Chance, durch das „Erlernen sozialer und kultureller Kompetenzen“ die „Kumulation negativer Effekte bei Schülern“ aufzuheben und „auch die Qualität schulischer Leistungen zu steigern“. Das klingt zunächst einmal gut, weil es sozial ambitioniert klingt, aber es ist nichts anderes als die Anhäufung von bildungspolitischen Leerfloskeln.

Auch die GRÜNEN schwärmen stets von einer „neuen Lernkultur“, die in den sächsischen Schulen Einzug halten soll. Ausgerechnet die PISA-Studie muss als Argument für die Gemeinschaftsschule herhalten. Dabei ist Frau Günther-Schmidt wenigstens so ehrlich, das Ziel ihrer bildungspolitischen Dauermanöver einzugestehen: „Das mehrgliedrige Schulsystem sollte endlich der Vergangenheit angehören.“ Angeblich macht die frühe Trennung in verschiedene Bildungsgänge Schülern aus sozial schwachen Familien sowie – und das treibt die Linken ja besonders um – Ausländerkindern besonders zu schaffen.

Mit dieser Behauptung wird immer wieder Kritik am bundesdeutschen Bildungssystem seitens der Europäischen Union und des EU-Menschenrechtsinspektors Vernor Muñoz angeführt. Leider wird dabei ein wesentlicher Grund verschwiegen, warum etwa Finnland im Bildungsvergleich so viel besser abschneidet als westdeutsche Bundesländer. In Finnland lernen die Kinder nämlich auch in ethnisch homogenen Klassen, weil es dort einfach keine Verhältnisse wie an der Berliner RütliSchule gibt. Auch das ist ein Zusammenhang, der von der Linken nur zu gern aus ideologischen Gründen verschwiegen wird.

Mit ihren Einheitsschulen in sozialen Brennpunkten will die PDS auch Schüler mit guten Lernvoraussetzungen in Problemklassen hineinzwingen. Dies wird unweigerlich zu einer Angleichung des Lernniveaus nach unten und nicht nach oben führen und es wird die einen Schüler überfordern und die anderen Schüler unterfordern. So ist es schon interessant zu lesen, was am 5. November der Bildungsforscher Ulrich Sprenger, von dem schon die Rede gewesen ist, der Presse in den Notizblock diktierte. Der Mann muss es wissen, er nannte die Gemeinschaftsschule eine „pädagogische Fehlkonstruktion“. Und wissen muss er es, weil er 22 Jahre lang als Lehrer an einer der ersten Gesamtschulen Nordrhein-Westfalens tätig war. Heute sagt Sprenger über ein gemeinsames Lernen:

„Gründliche, aber nicht hinreichend bekannte Untersuchungen der Bildungsforschung haben gezeigt: Ein über das vierte Schuljahr hinausgehender Unterricht führt zumindest in Deutschland zu einer Benachteiligung sowohl der leistungsstärkeren wie auch der leistungsschwächeren Schüler.“

Er plädiert gemäß den Befunden der Bildungsforschung für leistungshomogene Klassen. Er spricht nicht direkt von ethnisch homogenen Klassen, aber vielleicht traut er sich in ein paar Jahren, auch das zu sagen. Erst einmal plädiert er für leistungshomogene Klassen, bei denen leistungsstärkere Schüler nicht durch Unterforderung demotiviert und leistungsschwächere Schüler nicht durch Überforderung frustriert werden.

Die NPD-Fraktion wird sich auch weiterhin dagegen verwahren, dass DIE LINKE durch die Hintertür die sozialistische Einheitsschule einführt. Nach unserer Auffassung kann man durchaus darüber diskutieren, ob Kinder bis zur 6. Klasse statt wie bislang bis zur 4. Klasse gemeinsam unterrichtet werden. Aber spätestens nach der 6. Klasse werden die Lehrer sehr wohl in der Lage sein, das intellektuelle Potenzial und die Leistungsmotivation ihrer Zöglinge zu beurteilen und durch eine Aufteilung auf die verschiedenen Schultypen dafür zu sorgen, dass jedem Schüler eine leistungsgerechte Förderung zuteil wird.

Als NPD-Fraktion lehnen wir den Antrag der Linken aus bildungspolitischer Verantwortung für die Schülerinnen und Schüler in Sachsen ab.

(Beifall bei der NPD – Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion: Wer Zöglinge sagt …)

Die FDP-Fraktion erhält das Wort. Herr Herbst, bitte.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Koalition hat ja wieder eine Meisterleistung abgeliefert. Sie hat Einigkeit demonstriert, nämlich Einigkeit, dass sie sich uneins ist in der sächsischen Bildungspolitik. In der Debatte zu den Diäten haben Sie heute Ihre Handlungsfähigkeit demonstriert. Vielleicht schaffen Sie das auch einmal in der Bildungspolitik zum Wohle der sächsischen Schüler, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der FDP – Frank Kupfer, CDU: Das wird langsam langweilig, Herr Herbst. Bringen Sie mal was anderes!)

Zum Antrag: Es ist bekannt, dass die FDP längeres gemeinsames Lernen befürwortet. Deshalb hat es mich verwundert, dass die Linksfraktion genau diesen Antrag stellt. Die Linksfraktion will Gemeinschaftsschulen vor allem und vorrangig an sozialen Brennpunkten. Wir müssen überhaupt nicht in die Kristallkugel schauen, um zu entdecken, was passieren würde, wenn man der Forderung der Linksfraktion nachkommt. Es würde sie in den

sozialen Brennpunkten geben und damit würde es am Ende nicht mehr Gemeinschaftsschulen, sondern mehr Problemschulen geben.

(Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion: Die gibt es ja jetzt auch!)

Wenn man dem CDU-Kultusminister den Ball so vor den Fuß legt, dann wäre er sehr ungeschickt, wenn er das Tor nicht verwandelte. Das wollen wir nicht machen. Deshalb lehnen wir Ihren Antrag ab.

Danke schön.

(Beifall bei der FDP)

Für die Fraktion der GRÜNEN Frau Günther-Schmidt, bitte.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich weiß auch nicht, ob der hier vorliegende Antrag der PDS dazu geeignet ist, die Sache der Gemeinschaftsschulen in Sachsen wirklich voranzubringen. Vielmehr denke ich, liebe Kolleginnen und Kollegen von der PDS, es hätte sich doch auch etwas anderes finden lassen, wenn Sie Ihre schöne Ausstellung zum Thema bewerben wollen. Es wäre gewiss auch nicht schlecht gewesen, sich vor dem Hintergrund der nach wie vor viel zu geringen Zahl der Gemeinschaftsschulen Gedanken zu machen, wie der Landtag hier Abhilfe schaffen kann. Ihr Antrag trägt allerdings leider gar nichts zur Problemlösung bei.

In einer Presseerklärung ließen Sie verlauten, dass rund 10 % der Schulen in Sachsen Ihrer Meinung nach zum Modellversuch Gemeinschaftsschulen gehören sollten, um zu vergleichbaren Ergebnissen zu kommen. Wenn Sie aber in Ihrem Antrag fordern, dass Gemeinschaftsschulen vorrangig an sozialen Brennpunkten eingerichtet werden sollen, dann legt das den Schluss nahe, dass Sie davon ausgehen, dass 10 % der sächsischen Schulen soziale Brennpunktschulen sind. Womit belegen Sie diese Einschätzung? Das kann ich nicht nachvollziehen.

Damit bleiben Sie aber auch – und das halte ich für viel schwerwiegender – hinter unseren gemeinsamen Ansprüchen zurück. Wir wollen so schnell wie möglich eine flächendeckende Versorgung mit Gemeinschaftsschulen. Wir wollen vor allem, dass das längere gemeinsame Lernen eben nicht in den Verdacht gerät, eine Schule zu sein, in der man ohne viel Anstrengung bei niedrigen Leistungsanforderungen leicht zu dann wertlosen Schulabschlüssen gelangt. Sie haben hiermit eine Steilvorlage für die Konservativen gegeben, die ideologische Keule herauszuholen.

(Dr. Fritz Hähle, CDU: Nein, das machen wir doch nicht!)

Eigentlich sollten wir uns darüber einig sein, dass die hohe Kunst einer erfolgreichen Gemeinschaftsschule eben darin besteht, traditionelle Gymnasialeltern dafür zu gewinnen, ihre Kinder auf dieser neuen Schulart anzumelden.

Der PDS-Antrag weckt dagegen eher den Verdacht, die Fehler bei der Errichtung westlicher Gesamtschulen in Sachsen nachmachen zu wollen.

Kurz: Dieser Antrag ist unausgereift und er kann – selbst wenn er wider Erwarten angenommen würde – leider überhaupt nicht dazu beitragen, dass wir bei der Umsetzung des Schulversuches Gemeinschaftsschulen in Sachsen auch nur ein kleines Stück vorankommen.

Meine Fraktion hat lange überlegt, wie man zur Qualifizierung dieses Antrages beitragen kann. Wir haben uns für einen ergänzenden Änderungsantrag entschieden. Analog zu den Servicestellen für Ganztagsangebote wollen wir deren Aufgabenspektrum um die Begleitung von Gemeinschaftsschulen ergänzen. Was sich für die Ganztagsangebote als positiv bewährt hat, kann für die Gemeinschaftsschulen nur förderlich sein.

Sollte unser Antrag nicht angenommen werden, werden wir uns beim Antrag der PDS enthalten.

Nun zu Herrn Colditz: Ich hoffe, Sie haben sich inzwischen den Schaum vom Mund abgewischt. Eigentlich haben Sie es doch gar nicht nötig, hier so einen Auftritt hinzulegen.

(Dr. André Hahn, Linksfraktion: Vielleicht doch!)

Sie könnten doch in der Art, die wir vorher immer gewohnt waren, sehr herablassend, sehr souverän darstellen, was der Vorteil des gegliederten Schulsystems ist. Also haben Sie meiner Meinung nach doch das schmerzliche Empfinden, dass irgendetwas in Sachsen nicht richtig läuft. Das scheint mir schon einmal ein wichtiger Schritt zur Besserung zu sein.

(Beifall bei den GRÜNEN und der Linksfraktion)

Sie haben das sächsische Schulsystem so hoch gelobt. Aber ich muss es Ihnen immer wieder sagen: Wir haben zu viele Schulabbrecher, die ohne Abschluss abgehen. Das ist peinlich. Wir haben überproportional viele Förderschüler. Was machen Sie eigentlich mit den Mittelschulen? Ich dachte immer, diese hätten Sie als integratives System konzipiert. Sie widersprechen sich also selbst.

(Dr. Fritz Hähle, CDU: Wieso denn?)

Homogene Leistungsgruppen, Herr Colditz, das wissen Sie genauso gut wie ich, sind eine pure Illusion. Dann wollte ich noch an Ihrer Bemerkung ansetzen: Bildungspolitik ist natürlich Sozialpolitik.

Danke schön.

(Beifall bei den GRÜNEN und der Linksfraktion)

Gibt es weiteren Aussprachebedarf? – Für die Linksfraktion Frau Falken.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Zu einigen Äußerungen will und muss ich natürlich hier noch einmal etwas sagen.

Herr Colditz, die mittelalterliche Einstellung Ihrer Fraktion und vielleicht auch von Ihnen selbst – da bin ich jetzt ganz vorsichtig – sollten Sie irgendwann einmal lassen.

(Rita Henke, CDU: Ach!)