Verehrte Frau Herrmann, ich kann es mir nicht ersparen, auf Folgendes aufmerksam zu machen. Sie haben zu Recht gesagt, Armut lässt sich nicht nur nach dem Einkommen definieren. Aber in einer Gesellschaft, die allerorten nach dem Prinzip „Geld regiert die Welt“ verfährt, ist nun mal das Einkommen das Nonplusultra.
Alles andere, ob Kultur oder Bildung, wird danach bemessen – so ist zumindest die Situation in diesem Lande –, wie das Einkommen der Eltern ist.
Nächste Bemerkung. Dies hat bisher keine Rolle gespielt und wird auch von der Staatsregierung bestritten: Durch Hartz IV ist leider ein entscheidender Schub bei der Kinderarmut eingetreten.
Ich will auch deutlich machen, dass das sogenannte soziokulturelle Existenzminimum für Kinder nicht ausreichend ist. Es ist eine politisch gegriffene Zahl, die nicht ernsthaft untersetzt werden kann. Deshalb fordert meine Fraktion seit Langem zunächst für Kinder eine soziale Grundsicherung, die nach dem Bedarf – damit wir hier nicht aneinander vorbeireden – orientiert ist.
Als Nächstes brauchen wir unbedingt eine Verlängerung der Zahlungsdauer des Unterhaltsvorschusses. Anders geht es nicht. Es kann doch nicht sein, dass ab Vollendung des 12. Lebensjahres, wenn die Kinder teurer werden, nicht mehr gezahlt wird. Auch hier muss unbedingt eingegriffen werden.
Insgesamt kann in Sachsen, insbesondere was Kinder betrifft, von Chancengleichheit keine Rede sein. Insofern, verehrter Herr Dulig, gebe ich Ihnen völlig recht, aber Ihr ehemaliger Parteivorsitzender Franz Müntefering redet mit zwei Zungen. Einerseits will er die 150 Euro geben – das finde ich in Ordnung –, andererseits sagt er aber, es bestünde keinerlei Anlass, die Regelsätze von Hartz IV zu erhöhen, und das trotz Preissteigerung und anderem. Also, werden Sie sich bitte einig und sagen Sie Ihrem Franz einen schönen Gruß, er möge sich endlich entscheiden und wirklich nicht nur auf die eine Seite schauen, sondern generell seiner Verantwortung nachkommen und auch auf diesem Gebiet mehr tun.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Nach der freundlichen Ansprache von Herrn Dr. Pellmann – –
Mir war es wichtig, hier noch einmal bestimmte Dinge darzustellen. Es ist immer von allen Oppositionskollegen gesagt worden, was alles nicht passiert. Das ist auf der einen Seite opportun, aber andererseits müsste man den Besuchern und Zuhörern sagen, was alles im Freistaat Sachsen passiert; Ansätze hatte ich bereits vorgebracht.
Aber noch einmal an Sie, Frau Schütz: Die Schülerbeförderungskosten im ländlichen Raum sind höher. Im städtischen Gebiet gibt es sie nicht. Aber auch Sie wissen, dass die Schülerbeförderungskosten gar nicht zum Ansatz gebracht werden, wenn die Familien nicht in der Lage sind, diese zu bezahlen. Da gibt es bestimmte Grenzen. Dann wird nämlich die Schülerbeförderung von den Landkreisen erstattet oder gar nicht erst erhoben. Das gehört auch zur Wahrheit.
Gleiches, meine Damen und Herren, gilt für die Musikschulen in diesem Freistaat. Wenn ein Kind eine Musikschule besuchen möchte oder das tut und die finanziellen Grenzen der Eltern vorhanden sind, der Finanzrahmen also angespannt ist, werden auch dort die Elternbeiträge entweder gar nicht erst erhoben oder sie werden erstattet. Somit kann jedes Kind eine Musikschule besuchen.
Wir wollen es gar nicht verhehlen und ich habe das eingangs auch gesagt: Es gibt hier und da Probleme, die organisatorisch auf die Reihe zu bringen sind. Das betrifft beispielsweise die Bildung oder die Chancengleichheit. Deswegen gibt es ja das entsprechende Konzept der Staatsregierung. Wir haben da auch noch einiges zu tun. Aber es gehört auch zur Ehrlichkeit, dass man Dinge, die dankenswerterweise schon vorhanden sind, aussprechen kann und darf.
Gleiches gilt für die Elternbeiträge in Kindertagesstätten. Wenn die Eltern nicht in der Lage sind, die Elternbeiträge zu zahlen, werden diese erstattet. Das ist eine Leistung der Kommunen. Dafür dürfen wir dankbar sein, dass das so gewährleistet wird.
Auch mir gefallen die Bedarfsbeschlüsse in den jeweiligen Kommunen vor Ort nicht. Das ist keine Frage. Deswegen haben wir, wie es Martin Dulig ausgeführt hat, das Programm eingeführt, dass die Landkreise praktisch Anreize haben, diese Bedarfsbeschlüsse wieder abzu
schaffen. Nur dann erhalten sie vom Freistaat die Elternbeiträge erstattet. Das ist ein Anreiz, das ist ein Einstieg – das habe ich gestern schon gesagt – in das kostenlose Vorschuljahr, wobei alle anderen Leistungen des Vorschuljahres sowieso schon elternbeitragsfrei sind, was die Vernetzung zwischen Kita und Grundschule betrifft. Das ist eine herausragende Leistung – das ist hier auch schon mehrfach gewürdigt worden –, um den Kindern eine Chancengleichheit zu bieten.
Zu meiner Frage: Sie sprachen bereits das zweite Mal am heutigen Tag über ein Konzept der Staatsregierung. Könnten Sie vielleicht dem Hohen Haus einmal mitteilen, welches Konzept Sie meinen? Wenn Sie allerdings möglicherweise die 40-seitige Beigabe zum Sozialreport 2006 meinen, dann kann ich dort kein Konzept erkennen.
Das ist Ihre Lesart, wenn Sie nichts erkennen können. Die Ministerin wird mit Sicherheit dazu noch Ausführungen machen. Wir sehen darin die Ansätze dafür, Armutsrisiken zu beseitigen. Ich denke, es ist lobenswert, dass dieses Konzept auf die Beine gestellt wurde. Wir wollen ja fleißig mitarbeiten, dieses Konzept umzusetzen und die dementsprechenden finanziellen Hintergründe zu schaffen.
Ja, meine sehr verehrten Damen und Herren, ich habe schon den Standpunkt, dass wir vieles getan haben, aber noch nicht alles so vorfinden, damit wir voll zufrieden sein können. Aber eines muss man festhalten: Selbst wenn wir in der Zukunft alle Elternbeiträge für Kindertagesstätten übernehmen und wenn wir kostenloses Essen zur Verfügung stellen, wird es trotzdem immer wieder Kinder geben, die leider in Armut leben, einmal in einer sozialen Armut, aber auch in einer seelischen Armut. Es wird eine Aufgabe für die Zukunft sein, diese in der Zukunft zu beseitigen. Es muss in die Köpfe hineinkommen, dass wir hier und da einfach im Miteinander eine entsprechende Armut zu verzeichnen haben. Auch wenn beide Eltern arbeiten und ein geringes Einkommen haben, gibt es durchaus Mehrkinderfamilien, in denen den Kindern trotzdem ermöglicht wird, aufs Gymnasium zu gehen. Dafür gibt es auch gute Beispiele. Wir müssen uns darüber im Klaren sein: Das eine bedingt das andere nicht. Wir können nicht Geld nach unten geben und glauben,
damit wären alle Dinge beseitigt. Es gibt da viel mehr Ansätze, die wir umsetzen müssen. Daran müssen wir auch in der Zukunft arbeiten.
Wird von den Fraktionen noch das Wort gewünscht? – Das ist nicht der Fall. Dann die Staatsministerin Frau Orosz, bitte; Sie haben das Wort.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten! Bezogen auf die Ausführungen von Herrn Dr. Pellmann und Frau Herrmann möchte ich eingangs darauf verweisen, dass es natürlich, wenn wir eine solch detaillierte Debatte führen, wichtig ist, um zielgerichtet zu agieren, dass wir uns über die Definition des Begriffes verständigen.