Prof. Paul Nolte, den ich hier schon einmal zitiert habe, schreibt: „Mehr Geld jedenfalls führt nicht automatisch zu mehr Bildungskonsum,“ – wo wir hinwollen, und zu besserer Ernährung – „sondern wird tendenziell innerhalb der Grenzen der eigenen Klassenkultur investiert.“ Der „Stern“ hat voriges Jahr geschrieben: „Mit mehr Sozialknete kann man die Benachteiligung nicht wirksam bekämpfen … Die Erfahrung zeigt:“ – ich habe das Zitat verkürzt – „Das würde“ – wenn man mehr Geld geben würde – „nur den Umsatz bei McDonalds erhöhen.“
Herr Krauß, wären Sie denn bereit, einmal über drei Monate am eigenen Leib das Experiment zu starten und zu beweisen, dass man sich mit 345 Euro gesund ernähren kann?
Zu unseren Lösungen; worum geht es? Wir sagen, Geldgeschenke bringen uns nicht weiter. Um das Problem zu lösen, muss man auf Bildung setzen – Investitionen in Bildung und Schaffung von Arbeitsplätzen –; denn sozial ist, was Arbeit schafft. Davon sind wir fest überzeugt.
Zum Thema Bildung. Frühkindliche Bildung war bei uns in den letzten Jahren ein Schwerpunkt, um die Armut zu bekämpfen. Wir haben im ersten Doppelhaushalt dieser Koalition 94 Millionen Euro zusätzlich für die frühkindliche Erziehung eingestellt und noch einmal 11 Millionen Euro für das Schulvorbereitungsjahr, weil wir wissen, dass sich gerade diese Investitionen in frühkindliche Bildung am meisten auszahlen. Die Universität Bielefeld sagt, dass jeder Euro, den wir dort investieren, eine Rendite von 4 Euro bringt. Das war unser Konzept.
Oder wir sagen, wir wollen auf Familienbildung setzen. Wir haben das innerhalb des Koalitionsvertrages als wesentlichen Baustein festgeschrieben. Wenn in Deutschland 75 Millionen Euro für Familienbildung und Familienerholung eingesetzt werden, und auf der anderen Seite geben wir dann, wenn das Kind in den Brunnen gefallen ist, 4,4 Milliarden Euro für sozialpädagogische Familienhilfe und für Heimunterbringung aus, dann zeigt das, dass es dort noch einen Widerspruch gibt.
Wir müssen also in diese präventiven Angebote gehen, wir müssen die Eltern fit machen, dass sie ihrer Erziehungsverantwortung nachkommen. Deswegen bin ich der Staatsregierung auch für das Konzept zur Familienbildung dankbar.
Zum Thema Arbeit. Wer Arbeit hat, der ist sozial integriert und steht auf eigenen Beinen. Der diskutiert auch nicht darüber, ob er genügend Geld hat, sondern er kann dann im Regelfall seine Familie auch ernähren.
Deshalb war auch immer ein Schwerpunkt der Staatsregierung, auf eine ordentliche wirtschaftliche Entwicklung zu setzen.
Sachsen hat das höchste Wirtschaftswachstum aller Bundesländer. Wir hatten im letzten Jahr 32 000 neue sozialversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse. Wir hatten in Deutschland seit der Wiedervereinigung noch nie so viele Arbeitsplätze, so viele sozialversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse wie heute.
Wir haben in Sachsen einen deutlichen Rückgang der Arbeitslosenquote – mit jetzt 3,4 % den niedrigsten Stand seit Oktober 1995.
Man sieht also, dass wir wirtschaftlich vorankommen und dass es der beste Weg ist – zusammen mit Bildung –, um gegen Armut vorzugehen.
Wie gesagt, unterstützen Sie uns auf diesem Weg, mehr in Bildung und den Faktor Arbeit zu investieren, denn dann können wir die Kinderarmut bekämpfen.
Ich muss fragen: Sie haben den Begriff Nationalsozialisten verwendet. Sind Sie bereit, das zurückzunehmen?
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wenn wir wollen, dass alle Kinder eine gerechte Chance auf die Entfaltung ihrer Talente bekommen sollen, zum Nutzen der gesamten Gesellschaft und vor allem, um diesen Teufelskreis der sogenannten Sozialhilfekarrieren zu durchbrechen, dann ist die Bildung ein, wenn nicht gar der entscheidende Hebel. Das sage ich ganz bewusst im Nachgang zu der Debatte von gestern Abend. Ein Bildungssystem, das auf eine frühe Trennung, auf Aussortieren setzt, vertieft Ungleichheit und befördert die Entstehung einer neuen Klassengesellschaft. Deshalb setzen wir uns für längeres gemeinsames Lernen ein. Andere Länder in Europa machen uns vor, wie man mit einer anderen Bildung mehr Chancen für sozial benachteiligte Kinder erreicht.
Bildung fängt aber nicht erst in der Schule an. Der von uns eingeführte Bildungsauftrag in der Kindertagesbetreuung macht diesen Anspruch deutlich. Deshalb gibt es auch hier Ansatzpunkte zur Verbesserung der Situation von Kindern. Wir wissen, dass Alleinerziehende ein besonders hohes Armutsrisiko aufweisen. Zwar kann die Politik nicht verhindern, dass Eltern sich trennen, sie kann aber gerade im Interesse der Kinder alleinerziehende Eltern unterstützen. Ein zentrales Element hierfür bildet ein möglichst gut ausgebautes Kinderbetreuungssystem.
Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf verringert die Gefahr von Arbeitslosigkeit und damit von Armut. Auf diesem Gebiet haben wir bereits Beachtliches geleistet. Ich nenne hier die Erhöhung der Kita-Pauschale und das Kita-Investprogramm. Das sächsische Kita-System sucht bundesweit seinesgleichen. Das darf aber kein Grund zur Selbstzufriedenheit sein. In einzelnen Kommunen wie etwa in Dresden fehlen Kapazitäten für die Kinderbetreuung. Gerade Nichterwerbstätige haben vielerorts mit Hürden beim Zugang zur Kinderbetreuung zu kämpfen. Diese sogenannten Bedarfseinschränkungen müssen im Sinne der Chancengleichheit für alle Kinder abgebaut werden.
Deshalb haben wir im aktuellen Haushalt ein Förderprogramm aufgelegt, das es den Landkreisen bzw. kreisfreien Städten erleichtern soll, diese Bedarfsbeschlüsse aufzuheben. Der Freistaat übernimmt die Elternbeiträge der Kinder, die ansonsten einen Übernahmeanspruch gegen den örtlichen Träger der Jugendhilfe hätten. Ich erwarte aber von der Kommunalpolitik, dass sie im Interesse der Kinder mitzieht. Ich habe wenig Verständnis dafür, wenn einerseits abstrakte Diskussionen zum Thema demografischer Wandel, zur Abwanderung und zur geringen Geburtenrate geführt werden und andererseits einfache Maßnahmen nicht ergriffen werden, die vor Ort möglich sind und deren finanzielle Belastung begrenzt ist.
Für besonders gefährdete Kinder hat der Freistaat ein Frühwarnsystem auf den Weg gebracht, das über eine verbesserte Koordinierung von zuständigen Behörden mit anderen Einrichtungen eine Mangelsituation oder Hilfebedarf aufdecken und im Sinne einer besseren Förderung für Kinder agieren soll. Mit dem Gesundheitsziel „Gesund aufwachsen“ möchte der Freistaat weiterhin die gesundheitlichen Folgen von materieller Benachteiligung mildern. Der oftmals mangelhaften Ernährung von Kindern in Qualität und Quantität als Folge von Armut gilt es unmittelbar entgegenzuwirken.
Wir halten auch an der Forderung eines kostenfreien Vorschuljahres fest. Dazu gehört aber auch die Lernmittelfreiheit. Für die Empfänger von Arbeitslosengeld II sind die Kosten für Lehrmaterialien eine schwere Zusatzbelastung. Auch hier gilt das langfristige Ziel, die Lernmittelfreiheit für alle Schülerinnen und Schüler zu gewährleisten. Das heißt, die Politik muss einerseits zielgerichtet die unmittelbaren Auswirkungen von Armut bekämpfen. Vorschläge dazu haben wir unterbreitet. Gleichzeitig müssen wesentliche Ursachen wie Arbeitslosigkeit und nicht existenzsichernde Löhne im Blick behalten und langfristig angepackt werden. Nur durch eine gerechte Lastenverteilung und ein modernes Erziehungs- und Bildungssystem helfen wir langfristig mehr Kindern aus der Armut.
die FDP-Fraktion. – Nicht. Die GRÜNEN hatten keine Redezeit mehr. Ich frage ganz allgemein, ob noch das Wort gewünscht wird? – Herr Dr. Pellmann, bitte.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wie die Debatte bisher gezeigt hat, war sie notwendig und sind solche Debatten auch künftig notwendig.
Debatten allein – da gebe ich einigen Rednern recht – reichen nicht aus. Ich kann selbstverständlich nicht auf alle bisherigen Redner eingehen. Auf Herrn Krauß möchte ich nicht eingehen. Das war, verehrter Herr Krauß, eine Rede, die vor Zynismus gestrotzt hat.
Ich weiß nicht, wie viele Erlebnisse Sie bisher diesbezüglich hatten. Über die Studentenzeit können wir nachher ein Privatissimum machen und uns austauschen, wie das geht. Halten Sie sich bitte, ohne einen Streit in der CDUFraktion vom Zaun brechen zu wollen, der ist eh vorhanden, an Frau Nicolaus.
Selbstverständlich. Frau Nicolaus hat zwar nichts Konkretes gesagt, aber das, was sie sagte, stimmte.
(Schallendes Gelächter bei der Linksfraktion, der NPD, der FDP und den GRÜNEN – Beifall bei der Linksfraktion und der NPD)
Lassen Sie mich noch ein paar Bemerkungen zur Definition von Armut machen, in denen ich mich eindeutig von der Staatsregierung unterscheide. Natürlich wissen wir alle, dass sich Armut nach objektiven Kriterien bemisst. Da kann man sich nicht hinstellen und sagen, alle, die in Sachsen soziale Leistungen erhalten, also damit das sogenannte soziokulturelle Existenzminimum sichern, gelten nicht als arm. Das kann die Staatsregierung behaupten, und sie schreibt es immer wieder nieder, aber alle relevanten, ernst zu nehmenden wissenschaftlichen Studien sprechen dagegen. Das muss man endlich zur Kenntnis nehmen.