Herr Präsident! Meine sehr geehrten Abgeordneten! Ich möchte es kurz machen: Wir werden den Antrag Drucksache 4/10462 von der Tagesordnung nehmen. Die Fraktion der GRÜNEN ist dankenswerterweise auch einverstanden.
Hintergrund ist, dass der Umweltminister in dieser Woche bekannt gegeben hat, dass er unseren Forderungen beim Thema Wolfsmanagement und bei der Entschädigungsre
gelung für Wolfsschäden nachkommt. Deshalb brauchen wir das heute an dieser Stelle nicht zu diskutieren.
Danke. – Die Fraktion der GRÜNEN schließt sich dem an. Damit ist der Tagesordnungspunkt 8 für heute abgearbeitet.
Vermeidung des Erwerbes von Produkten aus ausbeuterischer Kinderarbeit im öffentlichen Beschaffungswesen
Die einreichende Fraktion beginnt; danach kommt die gewohnte Reihenfolge. Herr Weichert, bitte, für die Fraktion der GRÜNEN.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Lassen Sie mich mit einem Zitat beginnen: „Dazu gehört die Etablierung und Einhaltung internationaler sozialer Standards, damit Ausbeutung oder Kinderarbeit nicht als Standortvorteil belohnt werden. Das darf es bei der internationalen sozialen Marktwirtschaft nicht geben, liebe Freunde, ansonsten ist der Wettbewerb seines eigentlichen Zweckes entblößt.“ – Nun wundere ich mich natürlich, dass es keinen Beifall von der CDU gibt, denn genau das, nämlich Beifall, verzeichnet das Protokoll des CDU-Parteitages an dieser Stelle der Rede Ihrer Parteivorsitzenden Angela Merkel.
(Demonstrativer Beifall der Abg. Dr. Fritz Hähle und Prof. Dr. Günther Schneider, CDU – Karl Nolle, SPD: Das kann nicht sein!)
Die Ausführungen von Frau Merkel galten dem neuen Grundsatzprogramm der CDU. Daher bin ich hier und heute optimistisch, dass unser Antrag eine Mehrheit findet; denn im neuen Grundsatzprogramm der CDU, verabschiedet Anfang dieses Monats in Hannover, heißt es im weiteren Verlauf: „Kinderarbeit und die Ausbeutung von Arbeitnehmern dürfen nicht toleriert werden.“
Neben der Rede von Frau Merkel und der Intention des Grundsatzprogramms der CDU, das hundertprozentig mit unserem Anliegen übereinstimmt, haben inzwischen auch die Länder Bayern, das Saarland und Niedersachsen entsprechende Initiativen mit großer Mehrheit und interfraktionell durch die Landtage gebracht und sich dieser Initiative angeschlossen.
Meine Damen und Herren! Der Kampf gegen Kinderarbeit kennt in Deutschland keine parteipolitischen Grenzen. Meine Fraktion und ich begrüßen das sehr. Von diesem überparteilichen Konsens zeugt auch, dass sich mittlerweile 102 deutsche Städte der Initiative „Aktiv gegen Kinderarbeit“ angeschlossen haben. Bedauerlicherweise hat Dresden als einzige Stadt zweimal abgelehnt.
Damit wir wissen, worüber wir heute abstimmen, lassen Sie mich ein Beispiel für ausbeuterische Kinderarbeit ausführen. Ein Großteil der Natursteine, die wir in Deutschland verarbeiten, stammt aus indischen und chinesischen Steinbrüchen. Für Indien ist sowohl in Filmen als auch in Studien belegt, dass Kinderarbeit in den Steinbrüchen die Regel und nicht die Ausnahme ist. In der Region Budpura zum Beispiel sind 20 % der Beschäftigten Kinder. Es sind Kinder, die keine Schule besuchen können, Kinder, die an Silikose erkranken – einer Krankheit, die auch unter dem Namen Quarzstaublunge bekannt ist – und deren durchschnittliche Lebens
Meine Damen und Herren! Die Beseitigung der Kinderarbeit durch internationale Ächtung löst nicht das Problem der Unterentwicklung; aber wenn wir die Kinderarbeit nicht aktiv im Rahmen unserer Möglichkeiten bekämpfen, brauchen wir uns den anderen Problemen gar nicht erst stellen, denn Kinderarbeit ist Ursache und Folge von Unterentwicklung. Wer Kinderarbeit bekämpft, leistet einen Beitrag, um den Teufelskreislauf von Armut, Mangel an Bildung und unterbezahlter Erwerbsarbeit zu durchbrechen.
Im Rahmen der Diskussion, ob ein Antrag wie der vorliegende mit dem Vergaberecht kompatibel sei, wird oft das Argument vorgetragen: Ausschreibungen, die Kinderarbeit ausschließen, könnten beklagt werden, weil vergabefremde Kriterien in der Vergabeverordnung nicht zulässig sind. Dazu möchte ich Ihnen aus der EU-Richtlinie 2004/18/EG über die Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Aufträge zitieren. Darin heißt es im Artikel 26: „Die Auftraggeber können zusätzliche Bedingungen für die Ausführung des Auftrages ausschreiben. Die Bedingungen für die Ausführung eines Auftrages können insbesondere soziale und umweltbezogene Aspekte betreffen.“ Obwohl diese Richtlinie der EU noch nicht ins deutsche Recht übertragen wurde, sieht der auf Bundesebene zuständige Wirtschaftsminister Michael Glos keine rechtlichen Probleme. In der Drucksache 16/3073 führt er aus – ich zitiere nochmals –: „Die öffentlichen Auftraggeber können bei einer Ausschreibung insbesondere in die Leistungsbeschreibung soziale, umweltpolitische oder sonstige Überlegungen einfließen lassen.“
Herr Kollege, Sie haben vor einigen Sätzen etwas über die Steinbrüche in China und Indien sowie über die Pflastersteine, die überwiegend von dort kommen, gesagt. Ist Ihnen bekannt, dass es sich bei der Kinderarbeit nicht nur um solche einfachen bzw. niedrig qualifizierten Tätigkeiten handelt, sondern auch um hoch qualifizierte, zum Beispiel dergestalt – dazu nenne ich kurz in zwei Sätzen ein Beispiel aus meinem Unternehmen –: Ich hatte eine Druckmaschine verkauft. Da kam ein südindischer Unternehmer mit seinem Kompagnon, schaute sich in unserer Druckerei um und fragte: No children working? – Ich sagte: No children working! Er war völlig entgeistert und erstaunt, dass in meiner Druckerei keine Kinder arbeiten und die Jüngsten 18 Jahre alt waren.
Es geht also nicht nur um Steinbrüche, sondern auch darum, dass im Grunde genommen Kinderarbeit in diesen Kulturen überhaupt nicht wegzudenken ist.
Ich denke, das war ein weiterer Hinweis darauf, dass wir uns auf diesen Antrag heute verständigen sollten.
Lassen Sie mich abschließend noch etwas zu den Kosten sagen. Aktiv gegen die Kinderarbeit vorzugehen bedeutet nicht, den Import von Steinen aus Indien oder China zu stoppen, denn in beiden Ländern gibt es mittlerweile auch zertifizierte Unternehmen. Dies gilt nicht nur für den Bereich Natursteine – Herr Nolle, nun komme ich auch zu den anderen Bereichen –, sondern auch für andere Produktgruppen, wie zum Beispiel Textilien, Teppiche, Druckereigewerbe und Kaffee. Unternehmen, die sich entsprechend zertifizieren lassen und ein Siegel bekommen, müssen für die Kontrollen bei der Einhaltung des Standards nach ILO bezahlen. In der Regel erhöhen diese Kosten den Endverbrauchspreis um circa 3 %. Meine Damen und Herren, 3 % Mehrkosten – so viel sollte uns der Kampf gegen die Kinderarbeit wert sein!
Ich bedanke mich für die Stellungnahme des Wirtschaftsministeriums, die heute ausgeteilt wurde und die im Prinzip die Intention dieses Antrages unterstützt.
Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Hin und wieder lassen uns Berichte aufschrecken, die dokumentieren, wie Kinder andernorts in der Welt als billige Arbeitskräfte missbraucht und ohne Rücksicht auf physisch Zuträgliches und psychisch Verkraftbares verschlissen werden, statt ihnen die Möglichkeit zu einem in jeder Beziehung gesunden Heranwachsen oder gar zur Bildung zu bieten.
Die Frage ist unausweichlich: Inwieweit profitieren wir wirtschaftlich vom Elend dieser Kinder? Inwieweit zementieren wir als unkritische Kunden derartige Verhältnisse? – Einfache Fragen, auf die es jedoch keine einfachen Antworten gibt. Wie ist es denn nun eigentlich mit der Kinderarbeit, und wann ist man Kind? Die ILO, die Internationale Arbeitsorganisation, macht es sich leicht: Jeder unter 18 Jahren ist Kind. Also, wenn wir uns darauf berufen: jeder unter 18.
Eigentlich sollte das ja einmal, meine Damen und Herren, unser letzter Tagesordnungspunkt vor Weihnachten sein. Ursprünglich sollte es einmal so sein. Adventszeit als die Hochzeit der Knabenchöre. Was ist denn zum Beispiel
das, was der Dresdner Kreuzchor macht, der in seinen Konzerten ja nicht nur mit 18- und 19-jährigen, sondern mit 8- bis 19-jährigen Jungen auftritt? Kulturelle Jugendarbeit? Denkste! Kinderarbeit! So sieht man es zumindest in Frankreich. Der französische Staat in strenger Gefolgschaft der ILO sagt: Das ist Kinderarbeit. Insofern wird man den Kreuzchor höchst selten auf Konzerttournee in Frankreich finden. Eine Ausnahmegenehmigung ist theoretisch denkbar, aber praktisch ohne einen sehr hohen bürokratischen Aufwand nicht zu erreichen.
Unerlaubte Kinderarbeit, meine Damen und Herren, wäre es auch, wenn der Gastwirt seinen minderjährigen Lehrling, wenn er das für zweckmäßig erachten würde, nicht nur bis 22:00 Uhr, sondern bis 23:00 Uhr arbeiten ließe. Mal ganz im Vertrauen: Nun wirklich unzumutbar! – Da müsste ja die Mitternachtsdisco noch später beginnen, wenn der Bursche sich wenigstens noch mal frisch machen wollte.
Als kleiner Junge ab dem 10. Lebensjahr – oder auch schon früher – war ich in jedem Herbst für eine Ferienwoche auf dem Kartoffelacker. Schließlich hießen diese Ferien ja nicht ohne Grund „Kartoffelferien“. Dort habe ich Respekt vor schwerer körperlicher Arbeit gelernt, dort habe ich viel Spaß gehabt, aber auch meinen ersten kleinen Stolz auf eigene Leistung und erste selbst verdiente Groschen entwickelt.
So weit nur einige Beispiele zu dieser Abgrenzungsproblematik, die sich in Sachen Kinderarbeit bereits ergibt, wenn wir das mal ganz bescheiden auf unserem mitteleuropäischen Kontext durchbuchstabieren.