So weit nur einige Beispiele zu dieser Abgrenzungsproblematik, die sich in Sachen Kinderarbeit bereits ergibt, wenn wir das mal ganz bescheiden auf unserem mitteleuropäischen Kontext durchbuchstabieren.
So manche Erscheinung in der Dritten Welt, in Gesellschaften des Umbruchs, des Wandels wird man nicht ohne Weiteres aus traditionellen, kulturellen und sozialen Bezügen herauslösen können. Insofern werden wir mit einfachen Bewertungen nach festem Raster nicht weit kommen. Aus der Sicht der Dritten Welt könnte man übrigens einen stringenten Boykott für Produkte, die im Verdacht stehen, dass an ihrer Herstellung Kinder mitgewirkt haben, auch sehr schnell als neuen protektionistischen Trick des Westens zur Abschottung seiner Märkte begreifen. Auch damit könnten wir konfrontiert sein, wenn wir in voller Breite so agieren würden.
Bleibt die Frage: Woran erkennen wir, nun doch endlich mal positiv gesprochen, denn das cleane Produkt? An Zertifikaten, an Warenzeichen? Selbst engagierte Leute – hier zum Beispiel der Südwind e. V. – sagen: Vorsicht vor Zertifikaten! Selbst trefflichste Gesetze und Zertifikate böten oftmals keine verlässliche Sicherheit. Auf Gleichgültigkeit und Korruption wird verwiesen. – Darüber hinaus: Meine Damen und Herren, wer macht uns sicher, dass nicht dann und wann eine gut platzierte Negativstory ganz einfach eine geschickte Maßnahme der Konkurrenz im Kampf um das Exportgeschäft sein könnte?
Warum führe ich hier all diese bedenklichen Zusammenhänge an? Will der Rasch bei dem Thema ganz und gar nichts zur moralisch einwandfreien Haltung beitragen oder da ein Stück zu bekehren sein? Moralisch, meine Damen und Herren, sind wir sehr wohl gefordert. Um eine Angelegenheit jedoch rechtsverbindlich zu regeln – und um nichts anderes geht es schließlich bei den angestrebten Regelungen im Zusammenhang mit dem öffentlichen Beschaffungswesen –, muss sie jedoch eindeutig beschreibbar, abgrenzbar, juristisch klar formulierbar und letzten Endes sogar kontrollierbar sein. Sonst produziert man als Recht setzende Institution nicht Gerechtigkeit, sondern Unsicherheit.
Welcher Weg bleibt aus meiner Sicht? – Ich persönlich hielte es für prüfenswert, unsere Vergabemechanismen so zu öffnen, dass den für die jeweilige Vergabe Verantwortlichen die Möglichkeit eröffnet wird, für einzelne Produkte – aber wirklich spezifische Einzelprodukte, zum Beispiel dort, Michael Weichert, wo es bei den Steinen bekannt ist, in welchem Konflikt man stecken kann – zusätzliche Ausschlusskriterien im Sinne des Antrags auszuschreiben und Angebote dann auch entsprechend zu bewerten. Da wird man als Bauingenieur oder Architekt nicht für alle Positionen eines umfangreichen Bauprojekts Unbedenklichkeitserklärungen bezüglich der Kinderarbeit fordern können. Vielmehr wird es eben zum Beispiel so sein, wie ich es bei der Pflasterung von Fußwegen nannte: jetzt sehr wohl ein entsprechendes Ausschlusskriterium zu setzen, weil man weiß, dass hier problematische Lieferungen aus Indien auszuschließen sein könnten. Um dies gezielt zu tun, braucht es Schulungen, braucht es Informationen und eine engagierte Grundhaltung des oder der Ausschreibenden.
Im Fazit, meine Damen und Herren, gehe ich also davon aus, dass uns die Öffnung des Vergabewesens für engagiertes Ausschreiben und kritisches Werten in Einzelpositionen dem Ziel des Zurückdrängens von ausbeuterischer Kinderarbeit näherbringt als jeder Schematismus des Überfrachtens des gesamten Vergabewesens durch weitere Bedingungsnetze an ökologischen und anderen Kriterien. Also konkret werden, das ist das, worin ich einzig eine Chance sehe.
Nun haben Sie, meine Damen und Herren von den GRÜNEN, einen CSU-Antrag erfolgreich transkribiert. Man erkennt aber noch ein bisschen die Regierungspräsidien. Sie hätten auch noch aus den Regierungen entstehen müssen, dann wäre die Transkription perfekt geworden.
Auf dem Hintergrund dessen, was ich dargelegt habe, wollen wir Ihnen in dieser Form nicht folgen, sondern bitten darum, den Antrag in Form des Änderungsantrages der Koalition anzunehmen.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Kollege Rasch, Sie haben jetzt doch einen sehr differenzierten Redebeitrag gehalten, der an der einen oder anderen Stelle, wie ich fand, auch einen gewagten Vergleich angestrengt hat. Ich dachte eigentlich, dass wir hier zu später Stunde nach einer kurzen, klaren Debatte zu einem einstimmigen Beschluss kommen können und dass auch noch eine adventliche Weihnachtsbotschaft vom Sächsischen Landtag ausgehen wird: dass wir in Sachsen zukünftig ausbeuterische Kinderarbeit nicht mehr mit öffentlichen Geldern unterstützen wollen.
Leider ist diese Weihnachtsbotschaft in Ihrem Redebeitrag etwas untergegangen. Ich hoffe trotzdem, dass wir hier noch zu einem einstimmigen Beschluss kommen können – wie Sie schon erwähnt haben, dem Bayerischen Landtag folgend.
Meine Damen und Herren! Öffentliche Auftragsvergabe und das öffentliche Beschaffungswesen müssen sozialen Kriterien gehorchen. Das ist für DIE LINKE selbstverständlich. Deshalb hat unsere Fraktion ein Tariftreuegesetz eingebracht und wir fordern auch die Berücksichtigung weiterer sozialer Kriterien im Vergaberecht.
Deswegen werden wir auch diesen Antrag unterstützen, der uns beauftragt, zukünftig auf Produkte aus ausbeuterischer Kinderarbeit zu verzichten. Kinderarbeit ist noch immer traurige Realität. Kinder arbeiten in vielen Ländern dieser Welt unter ausbeuterischen Bedingungen, die wir uns nicht mehr vorstellen können – Kollege Weichert ist ausführlich auf einzelne Beispiele eingegangen –, wie beispielsweise in den Steinbrüchen in Indien, sodass ich mir hier weitere Ausführungen zu diesem Thema sparen kann. Das, meine Damen und Herren, darf die öffentliche Hand nicht unterstützen, denn erstens darf so etwas nicht mit Steuergeldern bezahlt werden und zweitens haben wir als öffentliche Hand auch eine Vorbildfunktion für andere, für private Unternehmen und auch für private Verbraucherinnen und Verbraucher.
Deswegen, meine ich, brauchen wir hier nicht lange zu diskutieren. Wir sollten heute tatsächlich diese anstehende Botschaft aussenden, dass wir in Sachsen mit öffentlichen Geldern keine Produkte aus ausbeuterischer Kinderarbeit unterstützen und bezahlen wollen.
Nun liegt ein Änderungsantrag der Koalition vor. Er ist durch den Prüfauftrag unter Punkt 1 aus meiner Sicht gegenüber dem Antrag der GRÜNEN ein wenig abgeschwächt, was ich eigentlich bedauerlich finde. Wir werden diesem Antrag trotzdem zustimmen, denn zum Ersten verpflichtet er die Staatsregierung tatsächlich zur Überarbeitung des sächsischen Vergaberechts – was aus unserer Sicht schon längst überfällig ist – und zweitens sollten wir hier mit einem einstimmigen Votum auch ein deutliches Zeichen senden.
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist nicht leicht, alle Fraktionen für einen gemeinsamen Antrag ins Boot zu bekommen. Ein solcher gemeinsamer Antrag von CSU, SPD und GRÜNEN wurde im Bayerischen Landtag gemeinsam verabschiedet; und genau dieser Antrag liegt uns heute vor.
In Deutschland gilt das Verbot ausbeuterischer Kinderarbeit bereits seit 1839. Damals ist auch die Gewerbeaufsicht eingeführt worden, um dieses Verbot zu kontrollieren. Das Verbot ausbeuterischer Kinderarbeit war auch die Geburtsstunde der staatlichen Sozialpolitik in Deutschland. Viel Zeit ist seitdem vergangen; dennoch gibt es weiterhin weltweit Kinderarbeit.
Eine Erfassung der tatsächlichen Zahlen ist natürlich schwer. Nach einer Studie der Internationalen Arbeitsorganisation der Vereinten Nationen betrifft das weltweit immer noch ungefähr 200 Millionen Jungen und Mädchen. Die Konvention 182 der Internationalen Arbeitsorganisation der Vereinten Nationen, auf die auch im vorliegenden Antrag Bezug genommen wird, fordert, die Kinderarbeit abzuschaffen. Die Bundesrepublik Deutschland hat wie 158 weitere Länder diese Konvention ratifiziert. Nun wird es höchste Zeit, dass wir alles in unserer Macht Stehende tun, um Maßnahmen gegen die Kinderarbeit zu ergreifen. Das ist unsere humane und – ich betone – auch christliche Pflicht.
Etwa 10 % der Kinderarbeiter sind in Betrieben beschäftigt, die für den Export produzieren. Vor allem Waren wie Fußbälle, Kleidung, Nahrungsmittel, Teppiche oder Natursteine werden unter zum Teil massivem Einsatz ausbeuterischer Kinderarbeit produziert. Handel und Hilfsorganisationen haben Warenzeichen für Produkte ohne Kinderarbeit etabliert wie zum Beispiel Rugmark für Teppiche, das TransFair-Siegel für die landwirtschaftlichen Produkte wie Kaffee oder Tee, das FLP-Siegel für Blumen oder das Xertifix für Natursteine – davon war schon die Rede.
Vor einem reichlichen Monat saßen Kollege Schiemann und ich genau in diesem Raum, als der Bildungskongress der ökumenischen Bewegungen abgehalten wurde. Dort hat ein junger Mann darüber berichtet, wie er recherchiert hatte, unter welchen Bedingungen die Tantalproduktion im Kongo erfolgt und wie viele auch Kinder dabei ihr Leben lassen müssen, damit am Ende auch wir – über unsere Handys; da wird das in besonderer Weise bei den Kondensatoren gebraucht – davon profitieren, dass dort junge Menschen unter Bedingungen – ich weiß nicht, ob man das Arbeit nennen kann – wirken müssen, die nicht akzeptabel sind.
Ich will ausnahmsweise kein Beispiel aus Südamerika bringen – Herr Lehmann, keine Angst! –, obwohl ich da
Ein Kollege verwies mich auf ein kleines Heftchen, das wahrscheinlich auch Kollege Weichert und meine VorrednerInnen kennen, in dem über die Verwendung indischer Natursteine in Deutschland berichtet wird. Ich will das nicht noch einmal auswalzen. Interessant ist nur, dass man jetzt versucht, diese indischen Steine über China zu exportieren, womit es schwieriger wird, nachzuweisen, dass diese mit Kinderarbeit hergestellt wurden.
Wenn man weiß, dass die Stundenlöhne zwischen 0,92 und 1,30 US-Dollar liegen, ist klar, dass solche Hungerlöhne Ursachen haben. Menschenrechtsorganisationen schätzen, dass von den Millionen Menschen in indischen Steinbrüchen etwa 150 000 minderjährig sind. Die Arbeitsbedingungen werden als schlimm und brutal bezeichnet: geringe Entlohnung, mangelhafte Ernährung, viele Unfälle, gesundheitliche Belastungen durch den Staub und natürlich kaum medizinische Betreuung. Die Lebenserwartung wurde von Herrn Weichert bereits genannt.
Inzwischen gibt es 60 deutsche Kommunen, darunter München, Frankfurt und Bielefeld, die sich verpflichtet haben, keine Baumaterialien mehr zu kaufen, bei denen nicht zweifelsfrei nachgewiesen ist, dass sie nicht von Kinderhand hergestellt wurden. Das ist teurer, aber wir müssen unsere Fußgängerzonen nicht auf dem Rücken von Kindern pflastern, die dafür ihre Gesundheit und ihr Leben ruinieren. Ich denke, auch das gehört zur Weihnachtsbotschaft.
Oder würde jemand von uns zusehen, wenn unsere Kindergartenkinder unsere Straßen pflasterten? Natürlich nicht. Deshalb dürfen uns Dinge, die wir nicht jeden Tag direkt sehen, nicht egal sein. Weitere Orte sollten diesen 60 Kommunen folgen und Kinderarbeit strikt ablehnen.
Auch das Land Sachsen wird sich diesen Bemühungen anschließen. Dafür spricht sich der Antrag der GRÜNEN, den wir inhaltlich unterstützen, aus. Sie haben gesehen, dass wir ihn inhaltlich an einigen Stellen geändert haben. Natürlich haben wir die Territorialregierungen herausgenommen. Das wurde schon erwähnt. Außerdem haben wir die ursprüngliche Forderung, einen entsprechenden Passus bei der Überarbeitung des deutschen Vergaberechtes einzufügen, auch auf Sachsen ausgeweitet. Weiterhin fordern wir die Staatsregierung auf, alle Möglichkeiten zu nutzen, sowohl die Wirtschaft als auch die Verbraucher für ein entsprechendes Kaufverhalten zu sensibilisieren.
Es wird höchste Zeit, die „Geiz-ist-geil!“-Mentalität als das zu bezeichnen, was sie ist: Sie ist unmoralisch und – das füge ich hinzu – gottlos!
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Egal, wie Sie dazu stehen, aber diese Mentalität zeigt Folgen, die nicht nur
Christen und Gewerkschafter erbosen. Sie führt durch die Verharmlosung der Gier langfristig auch zur Verrohung unseres Volkes.
Die sächsische Verwaltung mit all ihren nachgeordneten Einrichtungen verfügt als Großverbraucher über sehr viele Möglichkeiten, den Handel mit Produkten ohne ausbeuterische Kinderarbeit zu unterstützen. Wichtig dabei ist vor allem, dass bei der Beschaffung entsprechender Produkte Waren zum Einsatz kommen, die nachweislich nicht mit dieser Kinderarbeit verknüpft sind.
Unser heutiges Vergaberecht enthält weder einen Ansatz noch ein Kriterium, welches gezielt nach Produkten aus Kinderarbeit sucht oder Anbietern die Frage nach der Herkunft von Produkten stellt. Die heute übliche Vergabe von öffentlichen Aufträgen dient der ökonomischen, manchmal auch der ökologischen Deckung des Bedarfs, den die öffentliche Hand für die Erfüllung ihrer Aufgaben hat. Die Vorgaben des Vergaberechtes zielen dabei in erster Linie auf die wirtschaftliche und sparsame Verwendung von öffentlichen Geldern, was ja so schlecht nicht ist. Für die Auswahl werden daher nur Kriterien herangezogen, die unmittelbar mit der benötigten Leistung zusammenhängen und ihren Wert beeinflussen. Deshalb kann die Vergabe öffentlicher Aufträge bisher nur sehr begrenzt moralisch oder ethisch sein. Dies muss und wird sich in Sachsen ändern. Der Antrag der GRÜNEN wird gemeinsam mit dem Änderungsantrag der Koalition dafür Sorge tragen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich mache es ganz kurz. Wir können beiden Anträgen zustimmen. Den Rest meiner Rede gebe ich zu Protokoll.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Leider kann ich meine Rede nicht zu Protokoll geben, weil ich hier frei spreche und deswegen kein Redeskript vorliegen habe.
Ich denke aber, das Thema ist wichtig genug, dass man – auch wenn es zu später Stunde ist – darüber sprechen sollte.
Von vielen Rednern wurde bereits die Studie der Internationalen Arbeitsorganisation angesprochen, wonach 246 Millionen Kinder Vollzeitarbeit leisten.