Ich habe Sie darauf hingewiesen. Ich weise noch einmal darauf hin, dass ich das auch in Zukunft machen werde, Ihnen einen Ordnungsruf zu erteilen, wenn Sie die Weisungen des amtierenden Präsidenten missachten sollten.
Meine Damen und Herren! Ich frage die Staatsregierung. Möchte die Staatsregierung nach der ersten Runde das Wort ergreifen? – Das ist nicht der Fall. Damit kommen wir zur zweiten Runde. Frau Herrmann, Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich werde nicht auf meinen Vorredner eingehen, dafür ist mir meine Redezeit zu kostbar. Aber auf die anderen Redner werde ich kurz eingehen.
Herr Krasselt, Sie hatten gesagt, dass wir keinen Landesaktionsplan brauchen, um die UN-Konvention in Sachsen umzusetzen. Ich möchte an dieser Stelle noch einmal festhalten, dass die UN-Konvention in Deutschland geltendes Recht ist. Es geht also nicht darum, dass wir in den Kommunen an der einen oder anderen Stelle ein Auto oder einen Aufsteller vom Fußweg nehmen, damit behinderte Menschen mit dem Rollstuhl entlangfahren können. Es geht um wesentlich mehr.
Es geht auch nicht nur darum, dass wir uns Gedanken machen, wie wir neue Gesetze so formulieren, dass Menschen mit Behinderungen durch diese Gesetze nicht diskriminiert werden, dass wir ihre Lebenswirklichkeit anerkennen und dass wir ihnen zur vollen Teilhabe an der Gesellschaft verhelfen – auch durch unsere Gesetzgebung.
Weil das offenbar eine Irritation ist, möchte ich den Artikel 4 noch einmal vorlesen: „Die Vertragsstaaten verpflichten sich, die volle Verwirklichung aller Menschenrechte und Grundfreiheiten für alle Menschen mit Behinderungen ohne jede Diskriminierung aufgrund von Behinderung zu gewährleisten und zu fördern.“ Zu diesem Zweck verpflichten sich die Vertragsstaaten. Dann kommt eine ganze Latte von Verpflichtungen, wobei natürlich auch Gesetze genannt sind, aber vielmehr darüber hinaus zum Beispiel alle geeigneten Maßnahmen einschließlich gesetzgeberischer Maßnahmen zur Änderung oder Aufhebung bestehender Gesetze, Verordnungen, Gepflogenheiten und Praktiken zu treffen, die eine Diskriminierung von Menschen mit Behinderungen darstellen. Ich erspare es mir, Sie können alles nachlesen. Es ist eine ganze Latte von Aufzählungen, die in den Blick genommen werden muss, wenn wir die UNKonvention umsetzen wollen und müssen.
Es ist geltendes Recht. Wir haben keine andere Wahl. Deutschland wird im Bericht an die UN-Konvention darauf eingehen müssen, an welcher Stelle in der Umsetzung wir sind. Mir tut es ehrlich gesagt etwas leid, dass diese Debatte heute hier von der Opposition beantragt wurde, dass Sie nicht in der Lage sind – oder ich weiß nicht, warum Sie sich nicht auf diesen Landesaktionsplan einlassen können. Was dann darin steht, darüber wird man sicher zum Teil unterschiedliche Auffassungen vertreten. Aber es ist wichtig, dass Menschen mit Behinderungen an der Umsetzung der Konvention beteiligt werden.
Meine Vorrednerin Frau Kliese hat gesagt: Es zeichnet die Konvention aus, dass sie so entstanden ist: Nichts über uns ohne uns. Das sollten wir in Sachsen auch so machen. Wir können nicht einfach sagen, wir haben einen Landesbehindertenbeauftragten, wir haben vielleicht sogar noch einen Beirat, die sind ausreichend. Die sind eben nicht ausreichend.
Im Übrigen plant die Bundesregierung selbst auch einen Aktionsplan, der vor allen Dingen auf die Bundesebene abzielt und auch auf die Gesetzgebungskompetenz, die bei der Bundesebene liegt. Ich meine, es ist ein Zeichen dafür, dass dort offenbar Handlungsbedarf im Sinne eines Aktionsplanes gesehen wird. Herr Wehner ist schon auf unsere gestrige Debatte eingegangen. Wenn wir den umfassenden Ansatz der UN-Konvention genommen hätten – ich hatte es gestern schon angemerkt –, dann hätten wir, wenn wir über Arbeit sprechen, über mehr gesprochen als über Außenarbeitsplätze.
Ich habe hier keinen Spickzettel, sondern den Aktionsplan von Rheinland-Pfalz in der Hand, weil ich an dem Beispiel Arbeit deutlich machen möchte, worum es dabei geht. Es ist durchaus kein Teufelszeug oder irgendetwas Wildes, was sich die Opposition ausgedacht hat. Als Erstes wird der Artikel der UN-Konvention genannt, in diesem Fall Arbeit. Es ist der Artikel 27. Es wird eine Vision beschrieben. An der Formulierung dieser Vision können sich verschiedene Gruppen unserer Gesellschaft beteiligen, natürlich auch wir als Gesetzgeber. Danach werden Ziele genannt, die durchaus sehr offen formuliert sind. Darin steht zum Beispiel: „Dazu müssen die Regelungen zur Barrierefreiheit an Arbeitsstätten und Dienstgebäuden verbessert werden.“ Außerdem gibt es noch eine Tabelle, in der Maßnahmen, Zuständigkeiten, ein zeitlicher Rahmen und gute Beispiele aufgeführt sind. Das ist ein guter Leitfaden, wie wir diese Konvention in Sachsen umsetzen können.
Ja, das ist mein letzter Satz. – Sie haben gesagt, die UN-Konvention ist Wirklichkeit. Dem ist nicht so. Sie ist geltendes Recht, aber sie ist in Sachsen keine Wirklichkeit. Dazu brauchen wir nach meiner Auffassung einen Landesaktionsplan, den wir gemeinsam erarbeiten sollten.
Sie waren auf die Sekunde genau mit Ihrem Redebeitrag fertig. Jetzt folgt die CDU-Fraktion. Herr Krasselt, bitte.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich will voranstellen, dass diese Debatte zu Recht noch einmal die Situation der behinderten Menschen in Sachsen in den Fokus rückt.
Aber, Frau Herrmann, Sie haben mich jetzt eher darin bestärkt, auf diesen Aktionsplan zu verzichten, statt ihn zu initiieren. Dabei will ich nicht darauf abheben, dass ihn Rheinland-Pfalz hat. Was ist mit den anderen Bundesländern? Es sind noch mehr, die ihn offensichtlich nicht haben.
(Elke Herrmann, GRÜNE: Noch nicht! – Johannes Lichdi, GRÜNE: Rheinland-Pfalz muss das noch benchmarken!)
Wenn Sie auf Rheinland-Pfalz abstellen, so sind das derzeit die Einzigen. Ich denke, mit einem Aktionsplan erreichen wir die Ziele, die Sie beschreiben, nicht.
Aus meiner Sicht ist es viel wichtiger, eine kritische Analyse durchzuführen und zu sehen, wo es noch Besserungsbedarf gibt. Natürlich ist die Barrierefreiheit ein langfristiger Prozess. Das weiß ich aus meiner früheren Tätigkeit. In Neubauten ist das ganz anders zu realisieren als in Altbauten. Ich will das jetzt nicht an einem Beispiel deutlich machen, aber eines muss ich aus der UNKonvention – wir können sie heute leider nicht insgesamt vortragen, aber ich will auf diese Stelle hinweisen – zitieren: „Hinsichtlich der wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Rechte verpflichtet sich jeder Vertragsstaat, unter Ausschöpfung seiner verfügbaren Mittel und erforderlichenfalls im Rahmen der internationalen Zusammenarbeit Maßnahmen zu treffen, um nach und nach die volle Verwirklichung dieser Rechte zu erreichen.“
Das steht tatsächlich in der Konvention, Herr Krasselt. Ich frage Sie an dieser Stelle: Wenn sich Deutschland mit einem Land wie zum Beispiel Uganda vergleichen würde, haben Sie dann nicht den Eindruck, dass diese Stelle, die Sie zitiert haben, genau darauf abzielt, dass Uganda ein anderes Vermögen hat, die UN-Konvention umzusetzen, als Deutschland?
Ich denke, dass ein Unterschied besteht. Das muss ich hier nicht erläutern. Dennoch hat auch Deutschland nicht sofort alle Möglichkeiten.
Nun möchte ich mein Beispiel trotzdem bringen. Wir haben einen Schulhausbau, dort ist in Stufen gebaut worden. Dort würden Sie nicht einmal mit drei Fahrstühlen sicherstellen können, dass ein behindertengerechter Zugang für jede Etage gewährleistet wird. Ich will das jetzt nicht weiter ausführen. Auch dort würde man es
Es tut mir leid, aber das provoziert mich geradezu zu einer weiteren Zwischenfrage: Geben Sie mir recht, dass eine intelligente Umsetzung der Konvention in dem von Ihnen genannten Fall nicht darin besteht, dass alle drei Etagen zugänglich sein müssen, sondern dass zum Beispiel das Erdgeschoss und die Toilette im Erdgeschoss zugänglich sind? Es geht dabei um Intelligenz, denn diese sollen wir ja nicht abschalten und zu Hause lassen.
Zunächst stimme ich Ihnen zu, dass es selbstverständlich um intelligente Lösungen geht. Aber wenn ich von Barrierefreiheit spreche, dann habe ich bewusst diesen besonderen Fall dargestellt. Es wird immer Vorwürfe geben, dass eine hundertprozentige Regelung nicht erfolgt ist. Insofern trifft dieser Passus auch für Sachsen und für Deutschland zu.
Wir wollen uns nicht auf dem ausruhen, was in Sachsen erreicht worden ist. Das ist eine ganze Menge. Ich habe dieses Beispiel vorhin nur gebracht, nicht um darzustellen, was schon erreicht worden ist und dass die Bewusstseinsbildung der Menschen noch längst nicht abgeschlossen ist. Aber dass uns ein Aktionsplan zum Ziel führen könnte, dieser Auffassung bin ich nicht. Ich denke eher, dass ein Aktionsplan eine Beruhigungspille ist, die am Ende weniger erreicht als eine kritische Analyse.
Ich will heute nicht ausschließen, dass diese Thematik nach einer kritischen Analyse noch einmal diskutiert werden muss. Im Moment ist ein Aktionsplan für mich nicht das geeignete Mittel, um die UN-Konvention sinngestaltend umzusetzen.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Krasselt, die Analyse allein wird Ihnen auch nicht helfen. Ich glaube, wir sollten uns einmal damit befassen und sehen, dass wir sehr viele Instrumentarien haben, die alle auf die Sicherung der Teilhabe gerichtet sind.
Wir hatten es gestern mit dem IX. Sozialgesetzbuch kurz angedeutet. Die Staatsministerin hat es gestern in ihrem
Redebeitrag auch gesagt. Dennoch haben wir ein Phänomen auf dem Arbeitsmarkt. Wir hatten in den letzten vier Jahren einen Konjunkturaufschwung. Den Unternehmen geht es ganz gut, die Arbeitslosenzahlen sind gesunken, aber daran beteiligt waren die Behinderten nicht. Die Beschäftigungszahlen der Behinderten sind in diesem Bereich um die Hälfte zurückgegangen. Darüber muss man doch einmal reden und es analysieren, um dann zu Aktionen zu kommen, wie wir es konzertiert hinbekommen, dass es besser wird.
Zum Wohnungsbau. Wir haben eine gar nicht so schlechte Sächsische Bauordnung. Dort gibt es den § 50, der sich mit den Fragen der Barrierefreiheit befasst und vorschreibt, dass öffentliche Gebäude barrierefrei zu bauen sind. Dieser § 50 hat nur ein Problem, und zwar, dass es in Abs. 4 sinngemäß heißt: Wenn es zu teuer wird, brauchen die Bestimmungen der Barrierefreiheit nicht beachtet werden.
Darüber muss man sprechen, und diese Dinge müssen korrigiert werden. Wir haben nicht alle neuen Gebäude barrierefrei. Gehen Sie einmal wachsam durch die Ortschaften, dann werden Sie es sehen.