Protokoll der Sitzung vom 20.05.2010

Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Sehr verehrte Damen und Herren! Ich eröffne die 16. Sitzung des 5. Sächsischen Landtags.

Folgende Abgeordnete haben sich für die heutige Sitzung entschuldigt: Herr Nolle, Herr Dr. Schuster, Frau Windisch, Frau Klinger und Herr Clemen.

Die Tagesordnung liegt Ihnen vor. Folgende Redezeiten hat das Präsidium festgelegt: CDU bis zu 95 Minuten, DIE LINKE bis zu 66 Minuten, SPD bis zu 40 Minuten, FDP bis zu 40 Minuten, GRÜNE bis zu 35 Minuten, NPD bis zu 35 Minuten, Staatsregierung 64 Minuten. Sie wissen, dass die Redezeiten der Fraktionen und der Staatsregierung auf die Tagesordnungspunkte je nach Bedarf verteilt werden können.

Folgende Änderungsanträge zu dieser Tagesordnung liegen mir vor:

Mir liegt entsprechend Artikel 54 der Verfassung des Freistaates Sachsen in Verbindung mit § 2 Abs. 1 des Gesetzes über die Einsetzung und das Verfahren von Untersuchungsausschüssen des Sächsischen Landtags – Untersuchungsausschussgesetz – ein Antrag der Abgeordneten der Fraktion DIE LINKE, der SPD-Fraktion und der Fraktion GRÜNE, Drucksache 5/2482, vor. Gemäß § 53 Abs. 2 Buchstabe c der Geschäftsordnung ist der Antrag dringlich – ein geborener Dringlicher Antrag – und wird nach § 53 Abs. 1 der Geschäftsordnung auf die Tagesordnung der nächsten Sitzung gesetzt.

Gemäß § 2 Abs. 3 Satz 1 des Untersuchungsausschussgesetzes wird der Antrag vor anderen Beratungsgegenständen auf die Tagesordnung der nächsten Sitzung gesetzt. Ich schlage Ihnen vor, diesen Antrag als Tagesordnungspunkt 1 zu behandeln. – Ich stelle das damit fest.

Meine Damen und Herren, Ihnen liegen in den Drucksachen 5/2523, 5/2524, 5/2525, 5/2526, 5/2527, 5/2528, 5/2529 und 5/2530 Einsprüche des Abg. Apfel, NPDFraktion, des Abg. Storr, NPD-Fraktion, des Abg. Gansel, NPD-Fraktion, und des Abg. Schimmer, NPD-Fraktion, gegen erteilte Ordnungsmaßnahmen in der 15. Sitzung vor. Nach § 98 Satz 2 der Geschäftsordnung entscheidet der Landtag in dieser Sitzung ohne Beratung. Ich schlage Ihnen vor, diese Einsprüche vor der Fragestunde in die Tagesordnung einzuordnen.

Meine Damen und Herren! Der Tagesordnungspunkt 10, Kleine Anfragen, ist zu streichen.

Dann habe ich vernommen, dass auch der Tagesordnungspunkt 7, Antrag der Fraktionen der CDU und der FDP, Drucksache 5/5238, wohl in den Ausschuss verwiesen werden soll.

(Lachen bei der Linksfraktion, der SPD und den GRÜNEN – Klaus Bartl, Linksfraktion: Da haben wir es! – Stefan Brangs, SPD: Es ist wirklich langsam wie ein Kasperletheater!)

Kollege Piwarz?

Es ist bemerkenswert, wie munter die SPD schon zu Beginn dieser Plenardebatte ist. – Herr Präsident, es ist in der Tat so: Wir bitten um Absetzung dieses Tagesordnungspunktes und wollen den Antrag im Verfassungs-, Rechts- und Europaausschuss weiterbehandelt wissen.

(Holger Apfel, NPD: Na großartig!)

Vielen Dank! Wir haben heute ohnehin eine sehr ausführliche Tagesordnung vor uns.

Meine Damen und Herren! Ein als dringlich bezeichneter Antrag der Fraktion DIE LINKE liegt Ihnen in der Drucksache 5/2447 unter dem Titel „Sofortige Rücknahme der Mitwirkungsentzüge durch das Kultusministerium!“ vor. Der Landtag hat die Möglichkeit, gemäß § 53 Abs. 3 der Geschäftsordnung die Dringlichkeit festzustellen. Dann müsste der Antrag noch in dieser Sitzung abschließend behandelt werden. Voraussetzung für eine Dringlichkeitserklärung ist, dass im üblichen Verfahren eine rechtzeitige Entscheidung im Landtag über den Antrag nicht mehr erreichbar ist.

Ich bitte deshalb um die Begründung der Dringlichkeit. Frau Falken wird die Dringlichkeit für die einbringende Fraktion DIE LINKE begründen.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Antragstellerin hat erstmals am Nachmittag des 12. Mai 2010 Kenntnis davon erhalten, dass das Kultusministerium nicht nur Mitwirkungsentzüge für Eingangsklassen aussprechen will, sondern auch Aufhebungen von ganzen Grundschulen und Mittelschulen vor hat. Der Staatsminister für Kultus, Herr Prof. Wöller, informierte am 12. April 2010 mit einer Presseerklärung das Parlament und die Öffentlichkeit über Verfahren der Mitwirkung für Eingangsklassen, Grundschulklasse 1 und Mittelschulklasse 5. Parallel leitete das Sächsische Staatsministerium für Kultus Mitwirkungsverfahren zur Schließung von 1. und 3. Klassen, von 5. und 7. Klassen und zur Schließung von ganzen Grundschulen und Mittelschulen ein. Herr Wöller hat das Parlament und die Öffentlichkeit falsch informiert. Daher ist ihm eine Missbilligung auszusprechen.

(Beifall bei der Linksfraktion – Christian Piwarz, CDU: Zur Dringlichkeit!)

Der Staatsminister für Kultus, Herr Wöller, hat in der Plenarsitzung am 29.04.2004 dieses Hohe Haus, das Parlament, belogen.

(Unruhe bei der CDU)

Sehen Sie sich auch den Artikel im aktuellen „Landtagskurier“ an.

Frau Falken, bitte sprechen Sie zur Dringlichkeit.

Mache ich doch.

(Zurufe von der CDU: Nein!)

Sehen Sie sich auch den aktuellen „Landtagskurier“ vom April 2010, Seiten 5 und 6, an.

Ein Beispiel möchte ich benennen, um die Dringlichkeit deutlich zu machen. Die Grundschule Arzberg hat 15 Anmeldungen in ihrer 1. Klasse. 25 Tage vor Schuljahresende soll nun diese Schule geschlossen werden. Am 11.05. erhielten die Eltern einer Schülerin ein Schreiben – sie hatten einen Antrag gestellt, ihr Kind in der Grundschule Arzberg anzumelden –, in denen ihnen mitgeteilt wird – am 11.05.! –, dass diese Grundschule geschlossen wird und im nächsten Schuljahr kein Unterricht stattfindet. Am 14.05. – Sie wissen es alle – wurden die Schulträger erst durch das Sächsische Staatsministerium für Kultus über die Mitwirkung informiert. Arzberg hat 15 Schüler für eine 1. Klasse und demzufolge nach dem Sächsischen Schulgesetz die Berechtigung, diese Schule zu erhalten. Den Eltern muss die Möglichkeit gegeben werden, wunschgemäß dieses Kind einzuschulen. Den Abgeordneten muss die Möglichkeit gegeben werden, die Meinungsbildung und die Beschlussfassung –

Frau Kollegin, Ihre Redezeit.

– ich bin gleich fertig, Herr Präsident – zum Erhalt der Schulstandorte zu diskutieren. Da das Plenum erst wieder im Juni – am 16. und 17.06, eine Woche vor Schuljahresbeginn! – tagt, ist eine unverzügliche Beratung und Entscheidung in diesem Hohen Haus erforderlich.

(Beifall bei der Linksfraktion)

Meine Damen und Herren! Nach der Begründung der Dringlichkeit durch die Abg. Falken für die Fraktion DIE LINKE jetzt die Gegenrede durch Kollegen Piwarz von der CDU-Fraktion.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich weise nochmals auf die Regelungen hinsichtlich der Dringlichkeit eines Antrages nach § 53 Abs. 3 unserer Geschäftsordnung hin. Die Dringlichkeit eines Antrages beurteilt sich ausschließlich nach dem formalen Kriterium aufgrund der zeitlichen Abfolge eines Geschehens, ob eine Befassung des Sächsischen Landtages zu einem späteren Zeitpunkt noch auf den Ablauf Einfluss zu nehmen vermag oder nicht. Wenn eine Befassung des Landtages in einer der nächsten Sitzungen in der Sache zu spät käme, wäre der Antrag dringlich. Das ist aber hier aus formalen Gründen zu verneinen. Zwar sind

die vom Kultusministerium erlassenen Bescheide über den Widerruf der Mitwirkung mit einem Sofortvollzug versehen, allerdings ist die Rücknahme der Bescheide – darauf kommt es an – durch sich noch zu verändernde Anmeldezahlen bis zum Beginn des Schuljahres 2010/2011 möglich oder sogar geboten.

(Lachen bei der Linksfraktion)

Dieses Schuljahr beginnt aber nach dem Wortlaut des Schulgesetzes am 01.08. eines jeden Jahres, hier also am 01.08.2010. Bis dahin wäre formal die Rücknahme der Bescheide möglich. Insofern könnte auch die Einreicherin die Ziele ihres Antrages in der nächsten Sitzung des Sächsischen Landtages im Juni noch erreichen. Das betrifft sowohl die Ziffer 1 wie auch die Ziffer 2 des Antrages. Daraus wird dann deutlich, dass der Antrag nicht dringlich ist. Wir werden diese Dringlichkeit deshalb ablehnen.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Vielen Dank, Kollege Piwarz. Wir haben die Dringlichkeit von der einbringenden Fraktion begründet bekommen. Wir hatten eine Gegenrede. Ich würde jetzt gern über die Dringlichkeit abstimmen lassen.

(Klaus Bartl, Linksfraktion: Die Einbringung ist keine Rede zur Sache!)

Jede Fraktion hat einmal die Gelegenheit. Die einbringende Fraktion hat schon gesprochen.

(Klaus Bartl, Linksfraktion: Wir hatten eine Einbringung!)

Jede Fraktion hat die Möglichkeit, zur Dringlichkeit zu sprechen. Ich bitte zuerst die Fraktion GRÜNE. Bitte, Kollege Gerstenberg.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Unsere Fraktion ist ja vielleicht dafür bekannt, dass wir sehr selten die Dringlichkeit von Anträgen unterstützen. In diesem Fall möchten wir das aber ausdrücklich tun.

(Beifall bei den GRÜNEN und der Linksfraktion)

Die Dringlichkeit ist aus unserer Sicht formal gegeben. Das Ereignis ist zu einem Zeitpunkt bekannt geworden, als kein normales Antragsverfahren mehr möglich war. Andererseits halte ich es im Gegensatz zur CDU-Fraktion für völlig unzumutbar, den Landtag auf einen Termin zu vertrösten, der wenige Wochen vor Beginn des neuen Schuljahres liegt, damit also die Eltern, die Schülerinnen und Schüler bis zum Beginn dieses Schuljahres völlig im Unklaren zu lassen.

Es ist aus unserer Sicht ein heißes Eisen, wenn Mitwirkungsentzüge ausgesprochen und de facto Schulschließungen angekündigt werden. Dieses heiße Eisen mag so heiß sein, dass einige Abgeordnete in den Koalitionsfraktionen Angst haben, es anzufassen. Das darf uns aber nicht davon zurückhalten, dieses Thema heute zu disku

tieren und den Landtag damit zu befassen. Das sind wir den Lehrerinnen und Lehrern und Schülerinnen und Schülern und vor allem auch den betroffenen Kommunen schuldig.

(Beifall bei den GRÜNEN und der Linksfraktion)

Wir sind immer noch bei der Dringlichkeit. Es hat noch einmal Kollege Bartl für die einbringende Fraktion, DIE LINKE, das Wort. Danach folgt Herr Müller für die NPD-Fraktion.

Herr Präsident! Kollege Piwarz, zu Ihnen Folgendes: Hier geht es nicht um Autoräder, sondern um Kinder. In den nächsten Tagen bekommen die Eltern den Bescheid, dass wegen des Mitwirkungsentzugs die Kinder dort nicht eingeschult werden können. Sie dürfen sie gar nicht mehr anmelden. Da können Sie doch nicht sagen, dagegen könnte man Widerspruch einlegen. Das Problem ist, dass dieses Hohe Haus genau darin mitwirken soll, dass diese Mitwirkungsentzüge zurückgenommen werden. Das ist doch die originäre Sache des Parlaments bei der Zuständigkeit eines Landes, zur Meinungsbildung der Regierung beizutragen. Es ist doch handgreiflich, weder Eltern noch Schülerinnen und Schüler, noch Lehrerinnen und Lehrer haben in der nächsten Zeit irgendeinen Rechtsstreit. Das ist doch für jeden erkennbar. Wenn das keine Dringlichkeit hat, wann ist dann eine Dringlichkeit zu gewähren?

(Beifall bei der Linksfraktion, der SPD und den GRÜNEN)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Seitens der NPD-Fraktion erkläre ich, dass wir die Dringlichkeit sowohl formell als auch vor allem praktisch sehen. Ich erinnere an das Beispiel der Schule in Kreischa, für die 38 Anmeldungen vorliegen, aber 40 nötig gewesen wären. Bei den 38 sind zwei Integrationskinder dabei. Des Weiteren ist auch die Planungssicherheit für die Bavaria-Klinik notwendig, die auch Schüler, die sich zum Reha-Aufenthalt dort befinden, mit in dieser Schule beschulen lässt. Es geht um die Planungssicherheit der Kinder und um die Planungssicherheit einer großen Reha-Einrichtung. Solche Fälle gibt es noch weitere in Sachsen. Dieser Antrag ist nun wirklich ausdrücklich sowohl formell als auch praktisch dringlich.