Das wird das Video dann zeigen. Sie haben wortwörtlich gesagt – dabei ging es mir tatsächlich um die Begrifflichkeit, Begriffe, die zeigen, wie sich Denken strukturiert –: „Heute haben wir einen Überbedarf von zur Verfügung stehenden Kindern und Jugendlichen.“
(Alexander Krauß, CDU: Er hat doch erklärt, wie es gemeint ist! – Zuruf des Abg. Stefan Brangs, SPD)
Denken Sie in aller Ruhe darüber nach. Ich nehme an, dass Sie sagen, dass es in einem anderen Kontext stand. Weil wir gestern über Sprache und darüber geredet haben, wie sich Werte- und Denkmuster in Sprache gießen, war es mir wert, einmal darauf hinzuweisen, was für ein Satz hier wiedergegeben wurde.
Sie wollten wissen, ob ich Sie falsch verstanden habe. Ich sage noch einmal: Ich habe genau das aufgenommen. Es
war Ihr Zitat. Wenn es nicht so ist, entschuldige ich mich hier in aller Form. Sie können sich gern das Video anschauen. Das waren zitiert Ihre Worte.
Der zweite Punkt ist: Wenn allein in einem kleinen Landkreis wie Meißen 15 Stellen in der Kinder- und Jugendarbeit gestrichen werden, können Sie mir hier nicht verkaufen, dass das nicht der Ausverkauf dieses Bereiches ist. Es hilft auch nicht der Hinweis, dass ich nicht der Fachpolitiker bin. In den Großstädten mit einer wachsenden Bevölkerungszahl, in Ballungsräumen können wir die Mittel natürlich einigermaßen halten oder durch reiche Kommunen – in Anführungsstrichen – wie Dresden auch einen Mehrbedarf finanzieren. Ich finde selbst dort Situationen vor, in denen die Angestellten auf Zweidrittelstellen sitzen, das ganze Jahr arbeiten und sich teilweise im November selbst entlassen, damit diese Arbeit abgesichert ist und in den Jugendhäusern stattfinden kann, weil es dafür kein Budget mehr gibt. Sie können mir schlichtweg nicht weismachen, dass wir hier in den letzten Jahren eine gute Arbeit geleistet haben. Das lasse ich Ihnen nicht durchgehen.
Sehr geehrter Präsident! Meine Damen und Herren! Bevor ich in der zweiten Runde auf Ihren Entschließungsantrag eingehen werde, werde ich zunächst ein paar grundsätzliche Dinge zum Landesjugendplan und zur Kinder- und Jugendhilfe sagen.
„Dieser Landesjugendplan ist ein jugendpolitisches Grundsatzprogramm.“ So beginnt 1996 der damalige Sozialminister Dr. Geisler das Vorwort des Jugendpolitischen Programms. Durch Kinder- und Jugendarbeit junge Menschen zu unterstützen, sich an ihren Bedürfnissen zu orientieren, aber auch die aktive Mitgestaltung der Kinder und Jugendlichen einzufordern, ist heute noch so aktuell wie 1996. Die Jugendhilfe und die Jugendpolitik zielen auch heute prinzipiell auf die Gestaltung der Lebensverhältnisse von Kindern. Wir dürfen dabei aber nicht aus den Augen verlieren, dass junge Menschen ihr Leben auch selbst in die Hand nehmen wollen.
Die jugendpolitischen Arbeitsfelder sind breit gefächert: von der Unterstützung der Erziehung in der Familie über die Förderung von Kindern in Kindertageseinrichtungen bis hin zur Jugendarbeit. In erster Linie sind die Träger der freien und öffentlichen Jugendhilfe gefordert, vielfältige Angebote bereitzuhalten. Auch das Land leistet seinen Anteil. Wir übernehmen Verantwortung und unterstützen das Engagement vor Ort.
Die Jugendpauschale und das förderungsflexible Jugendmanagement sind nur zwei Beispiele. Aus unserer Sicht hat sich in den letzten 20 Jahren eine tragfähige Struktur an Hilfeleistungen für Kinder und Jugendliche entwickelt und etabliert, meine sehr geehrten Damen und Herren. Dennoch gilt für die Jugendhilfe: Mit Geld allein macht man keine Politik.
Ich gestatte eine Zwischenfrage in der zweiten Runde, wenn wir über den Entschließungsantrag sprechen.
Solange man Geldgeber hat, mag das bequem sein. Es nützt den Kindern und Jugendlichen aber wenig. Aus unserer Sicht braucht es Schwerpunkte und im Interesse unserer Kinder einen viel weiteren Blick auf die Kinder- und Jugendhilfe, als ihn DIE LINKE mit dieser Großen Anfrage hat.
Genauso wichtig ist für alle jungen Menschen Bildung und Beschäftigung. Wir stehen im Jahr 2011 ganz anders da als noch vor 15 Jahren. Junge Menschen in Deutschland sind heute so selten arbeitslos wie sonst nirgends in Europa. Hier befindet sich Sachsen mit an der Spitze der ostdeutschen Länder und steht sogar besser als manches West-Bundesland da.
Auch im Bildungsbereich orientieren wir uns an hohen Standards und hohen Zielen. So schaffen wir es, unseren deutschlandweiten Spitzenplatz im Bereich der Bildung zu halten. Die Bildung ist es, die Kindern und Jugendlichen ihre Zukunftschancen sichert und ihnen ein selbstverantwortlich geführtes Leben und Teilhabe an der Gesellschaft ermöglicht.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Sicherlich sind die Grundpositionen, die das 1996er Programm enthält, auch heute noch gültig. Doch die Herausforderungen, denen wir gegenüberstehen, haben sich massiv gewandelt. Seien es die zurückgehenden Haushaltsmittel, die wir vor allem im Interesse der nachfolgenden Generationen sparsam verwenden müssen, seien es ein immer deutlicher total drehender demografischer Wandel oder die damit einhergehenden Veränderungen des Arbeitsmarktes. Diesen Herausforderungen müssen wir uns stellen. Wir – CDU und FDP – wollen die Zukunft gestalten und uns nicht an Programmen der Vergangenheit orientieren.
gesagt: Wir wollen uns nicht an Programmen der Vergangenheit orientieren. Wenn ich die Antworten der Staatsregierung richtig gelesen habe, hat sie eine andere Überzeugung. Sie ist schon der Meinung, dass dieses Programm von 1996 durchaus noch aktuell ist. Herr Schreiber hatte es auch deutlich gesagt: Es ist aktuell, aber natürlich muss ein Programm, das 1996 geschrieben wurde, immer wieder an die aktuelle Situation und die neuen Herausforderungen angepasst werden. Sie scheinen sich mit der Staatsregierung nicht völlig einig zu sein. Ich habe von Ihnen allerdings auch nicht gehört, dass Sie ein neues Programm vorlegen wollen.
Vielen Dank, Frau Herrmann. Stimmen Sie mit mir überein, dass ich sagte, dass wir uns nicht an den Programmen, sondern an den heute vor uns stehenden Herausforderungen orientieren wollen und diese bewältigen müssen?
Nein, ich stimme mit Ihnen nicht überein. Sie haben von veralteten Programmen gesprochen. Das ist mir eben sofort aufgefallen. Deshalb habe ich es hier zitiert. Wir können das gern im Protokoll nachlesen.
Das Programm ist 1996 veröffentlicht worden. Das ist für heute ein Beispiel. Es war ein Programm, das in sehr breiter gesellschaftlicher Zusammenarbeit entstanden ist. Die Träger und die Akteure im Jugendhilfebereich und die Hochschulen waren einbezogen. Es gab eine Anhörung zu diesem Programm, an der sowohl das Kultus- als auch das Sozialministerium teilgenommen haben. Das könnte ein Beispiel für heute sein. Es gab eine große Transparenz und Beteiligung bei der Erarbeitung dieses Programms. Es ist ein Plan entstanden, den man immer wieder fortschreiben muss. Das hat Kollege Schreiber schon ausgeführt.
Die Frage lautet allerdings: Wie macht man das? Wie schreibt man ein Programm fort? Es gibt die Möglichkeit der Evaluierung. Aus diesen Erkenntnissen heraus kann man neue Schwerpunkte setzen usw.
Wenn man sich anschaut, wie die Staatsregierung mit diesem Instrument umgeht, dann kann man sehen, dass es seitdem drei Sächsische Kinder- und Jugendberichte gab, die durch eine Kommission erstellt worden sind. Diese können dem Anspruch wohl gerecht werden, die Jugendhilfelandschaft zu evaluieren. In diesen Berichten wurden Empfehlungen ausgesprochen. Dies geschah sowohl von der Kommission, die diese Berichte erarbeitet hat, als
auch von der Staatsregierung, die zu diesen Berichten Stellung genommen und in dieser Stellungnahme auch immer eigene Schwerpunkte gesetzt hat. Wenn man sich einmal anschaut, wie sich das in der Politik widerspiegelt, sieht man, dass nichts passiert ist oder jedenfalls nicht viel.
Es ist weder eine Transparenz hergestellt worden, wie die Jugendpolitik über die Jahre hinweg weitergeschrieben werden soll, noch wurden die geäußerten Anregungen so aufgegriffen, dass man ein neues Konzept erkennen könnte. Wir haben kein Konzept, das ist das Manko. Dann können wir uns natürlich darüber streiten, in welchen Bereichen die Gelder eingesetzt werden. Ein Konzept muss dafür aber die Grundlage bilden. Das scheint in Sachsen nicht der Fall zu sein. Die Kollegin von der LINKEN hat darauf hingewiesen, dass hier nicht die Aufgaben definiert und die Gelder, gemessen an den Aufgaben, eingesetzt werden. Es wird zuerst geschaut, welches Geld vorhanden ist, und danach wird definiert, wofür es ausreichen könnte.
Wir haben versucht, die Landesjugendhilfeplanung, die auch ein Instrument ist, als jugendpolitisches Grundsatzprogramm über die Jahre hinaus fortzuschreiben. Wir haben also versucht, die Landesjugendhilfeplanung wirklich ernst zu nehmen, und einen Antrag im Zusammenhang mit der Verabschiedung des Doppelhaushaltes eingebracht, mit dem die dort formulierten Ziele und Aufgaben wirklich untersetzt werden sollten. Dieser Antrag ist abgelehnt worden. Also frage ich mich: Wo findet hier eine wirkliche Fortschreibung statt, aus der ein neues Konzept hervorgehen könnte?
Die Staatsregierung selbst sagte in ihrer Stellungnahme zum 3. Sächsischen Kinder- und Jugendbericht, dass zum Arbeitsfeld Kinder- und Jugendarbeit nur eine eingeschränkte Datenlage vorhanden sei. Sie sagt auch, die alle zwei Jahre vom Sozialministerium in Auftrag gegebene Studie „Jugend in Sachsen“ liefere wichtige Informationen, reiche jedoch nicht aus, um differenzierte Aussagen zu einzelnen Bereichen und regionalen Ausbildungen treffen zu können.
Wenn wir das nicht wissen, dann ist es natürlich auch relativ schwierig mit einem Konzept. Wir haben vorgeschlagen, eine Landjugendstudie zu entwickeln. Im Ausschuss haben wir öfter darüber diskutiert und die Staatsregierung hat angeboten, dass diese Landjugendstudie in den nächsten Kinder- und Jugendbericht aufgenommen werde.
In der Zwischenzeit war die Lage aber schon relativ prekär; „relativ“ ist dabei noch geschönt. Wir haben es gehört, die Sächsische Landjugend hat aufgegeben, aber auch andere überörtliche Träger sind in einer schwierigen Situation. Sie können ihre Aufgaben nur noch mithilfe der Rücklagen finanzieren bzw. – auch darauf wurde bereits hingewiesen – indem die Mitarbeiter auf einen Teil ihres Lohnanspruches verzichten und zum Beispiel verkürzt arbeiten.
Was mir in der Beantwortung der Großen Anfrage durch die Staatsregierung auffällt, ist, dass wir bei einem Prozess der Fortschreibung – Herr Schreiber, Sie haben es gesagt – auf Schwierigkeiten stoßen. Diese Schwierigkeiten scheint die Staatsregierung an keiner Stelle zu sehen. Meiner Meinung nach wäre die Antwort auf die Große Anfrage die Möglichkeit gewesen, auch auf Schwierigkeiten hinzuweisen und uns die Aufgaben bewusst zu machen, denen wir uns stellen sollen. Dies hat die Staatsregierung nicht getan, deshalb finde auch ich, dass dieser Bericht sehr geschönt ist.
Auf einen Aspekt möchte ich noch eingehen, da Sie auch darauf eingegangen sind: auf die Jugendgerichtshilfe. Dass diese in Dresden so außerordentlich gut funktioniert, hat vor allem etwas mit der handelnden Person, Herrn Mollik, zu tun.
Herr Mollik ist in Sachsen in diesem Bereich einmalig. Wenn wir aber in die Landkreise schauen, dann sehen wir, dass die Jugendgerichtshilfe, die seit einigen Jahren aus der Jugendpauschale finanziert wird, nicht so gut ausgestattet ist und zum Beispiel ambulante Maßnahmen – darüber haben wir schon öfter diskutiert – ganz unterschiedlich vorgehalten werden, und die notwendigen Wege, um Jugendliche durch die Jugendgerichtshilfe aus dem Erzgebirge nach Regis zu begleiten, sind lang. Dies spiegelt sich aber in keiner Weise in den finanziellen Möglichkeiten der Jugendgerichtshilfe wider. Insofern ist Dresden an dieser Stelle kein besonders gutes Beispiel.
Was mir insgesamt bei der Beantwortung der Großen Anfrage auch auffällt, ist, dass die UN-Kinderrechtskonvention, die einen eigenen Anspruch der Kinder und Jugendlichen auf umfassende Bildungsangebote und nicht nur schulische Bildung festschreibt, hierbei offensichtlich zu kurz gekommen ist.
Wir beschließen die erste Runde der allgemeinen Aussprache mit der NPD-Fraktion. Frau Schüßler, Sie haben das Wort.
Danke, Herr Präsident! – Meine Damen und Herren! In der Begründung zur Großen Anfrage wird zu Recht darauf verwiesen, dass das Jugendpolitische Programm damals, in den Neunzigerjahren, ein Meilenstein war. Dieser Meilenstein wurde in der 63. Sitzung der 2. Wahlperiode beschlossen – oder auch nicht. In dem Plenarprotokoll von damals kann man nämlich nachlesen, dass keine der Abstimmungsfragen – Ja/Nein/Enthaltung – bei den Abgeordneten eine Reaktion hervorrief. Aber das nur am Rande.