Protokoll der Sitzung vom 25.01.2012

Fakt ist: Es gibt bei einigen ökologischen Problemen wenig Fortschritte in den letzten Jahren. Wenn man zum Beispiel die Nachhaltigkeitsindikatoren der Bundesrepublik mit Bezug zur Landwirtschaft studiert, ist festzustellen, dass sich einige dieser Indikatoren kaum verbessert haben, zum Beispiel der Stickstoffüberschuss je Hektar oder der Biodiversitätsindex. Von den Greeningauflagen sollten außerdem nicht nur ökologisch wirtschaftende Betriebe befreit werden. Der Freistellungsansatz sollte vielmehr auch auf weitere Agrar-Umweltmaßnahmen ausgedehnt werden, vorausgesetzt, sie entsprechen den Zielen der Biodiversitätsstrategie oder auch den von Natura-2000-Gebieten. Damit würde auch ein Bürokratieabbau möglich.

Meine Damen und Herren! Das Grundanliegen des Antrages der GRÜNEN findet unsere volle Unterstützung. Das ist auch die Richtung, in die wir als SPD gehen wollen. Ebenso können wir auch einige der aufgezeigten Handlungsfelder voll unterstützen, wie zum Beispiel die Ablehnung von gentechnisch veränderten Pflanzen in der Landwirtschaft, ihre Forderung zu benachteiligten Gebieten oder die Abschaffung der Exporterstattung.

Allerdings gibt es einige Punkte, die wir im Detail anders beurteilen. So stimmen wir zum Beispiel Ihren Ausführungen zu ökologischen Vorrangflächen im Grundsatz zu. Ihren Vorschlag, dass nunmehr 10 % als ökologische Vorrangflächen vorgehalten werden sollen, sehen wir allerdings kritisch. Ihr Vorschlag für eine noch härtere Regelung für Degression und Kappung trifft die ostdeutschen Agrargenossenschaften ungerechtfertigt hart, zumal nach Ihrer Vorstellung auch noch die Möglichkeit des Gegenrechnens der Lohnkosten eingeschränkt werden soll. Wir sehen sehr wohl, dass Sie damit die Zielstellung verfolgen, prekäre Beschäftigungsverhältnisse in der Landwirtschaft einzudämmen. Wir finden allerdings, dass das nicht das richtige Instrument an dieser Stelle ist. Wir plädieren eher für das Instrument eines flächendeckenden Mindestlohns.

(Beifall bei der SPD und den LINKEN)

Wir lehnen auch die Deckelung der Direktzahlungen ab. Denn wie ich bereits gesagt habe: Nachhaltige Landwirtschaft lässt sich nicht ausschließlich an der Betriebsgröße festmachen. Es ist auch nicht erkennbar, wie das Instrument der Kappung die Legitimation der Direktzahlung verbessern soll.

Ein letzter Punkt, der mir in Ihrem Antrag etwas zu kurz gekommen ist. Das ist die Frage einer nachhaltigen

integrierten Politik für den ländlichen Raum. Zusammengefasst: Die SPD-Fraktion unterstützt den Tenor Ihres Antrages. Wir haben aber in einigen Detailaspekten eine andere Auffassung. Daher werden wir uns enthalten.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD, den LINKEN und den GRÜNEN)

Herr Günther für die FDP-Fraktion.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Lassen Sie mich kurz ein paar einführende Worte dazu sagen. Die FDP-Fraktion lehnt diesen Quatsch ab. Dieser Antrag ist vollkommen kontraproduktiv und wird uns im Kampf von Sachsen und Deutschland in Brüssel nicht weiterhelfen. Er wird uns voll in die Beine fahren und deswegen muss er ganz einfach abgelehnt werden.

Positive Nachricht aus Berlin: Die Koalitionspolitiker, Agrarpolitiker, Holzenkamp und Happach-Kasan haben sich heute auf ein Positionspapier geeinigt, das unserem sächsischen Positionspapier entspricht. Dafür bin ich dankbar und zu den näheren Kritiken zu diesem vorgelegten Antrag würde ich empfehlen, im Protokoll nachzulesen, weil ich das zu Protokoll gebe.

Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Wir fahren in der allgemeinen Aussprache fort. Als abschließender Redner Herr Delle für die NPD-Fraktion.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zum wiederholten Male findet heute ein Meinungsaustausch zum Thema gemeinsame Agrarpolitik nach 2013, wenn auch unter wechselnden Gesichtspunkten, statt. Gemeinsam ist an diesen Debatten, dass sie vor dem Hintergrund einer Agrarpolitik geführt werden, die immer mehr zum europäischen Zankapfel mutiert. Eine intensive Landwirtschaft fördert die erhoffte biologische Vielfalt keineswegs. Landwirte befürchten massive Einkommensverluste. Die Indikatoren für Erfolg und Nachhaltigkeit sind rückläufig bzw. stagnieren.

Als aktuelles Beispiel für die unbefriedigende Situation möchte ich die Klagen anführen, die letzte Woche – veröffentlicht am 19.01. in den „Lübecker Nachrichten“ – beim Kreisbauerntag in Nordwest-Mecklenburg zu vernehmen waren. Thema war wie so oft der sogenannte Landfraß. Laut Bundesverband der Landwirte gehen in jeder Sekunde 11 Quadratmeter landwirtschaftliche

Fläche in Deutschland verloren. Deswegen wurde ein Gesetz gefordert, dessen Ziel es sein soll, die landwirtschaftlichen Flächen zu schützen.

Im Antrag der GRÜNEN lese ich nichts davon, obwohl Erhalt oder gar Rückgewinnung landwirtschaftlicher

Flächen erst die Voraussetzungen dafür schaffen, einige der Wünsche zu erfüllen, die in der Begründung des Antrages zu hören bzw. zu lesen sind. Geklagt wird seitens der Bauern immer wieder über die finanziellen Hebel der EU-Bürokratie. Zahlungen sind an Forderungen und Auflagen geknüpft, die regionale und innerbetriebliche Strukturen nur bedingt bzw. so gut wie gar nicht berücksichtigen.

Um den Befolgungsgrad zu erhöhen, ist seitens Brüssels angedacht, umfangreiche Kontroll- und Sanktionsmechanismen zu implementieren. Darüber möchte der vorliegende grüne Antrag aber noch hinausgehen.

Wenn ich mir den Punkt 3 mit seinen Unterpunkten a bis g ansehe, stelle ich mir schon ernsthaft die Frage: Wer, meine Damen und Herren, soll dies alles eigentlich kontrollieren? So wünschenswert die einzelnen Ziele auch sein mögen, unter den Bedingungen eines gemeinsamen europäischen Binnenmarktes und der weltweiten Globalisierung würden sie den Ruin vieler deutscher Bauern nach sich ziehen. Übrig blieben die viel gescholtenen Agrarfabriken. Aber selbst die könnten im Zuge der Umsetzung der Forderung nach nicht mehr als zwei Großvieheinheiten pro Hektar in eine wirtschaftliche Schieflage geraten. Zum Vergleich: Diskutiert wurde auf der eben genannten Tagung eine Steigerung von derzeit vier Großvieheinheiten auf mittelfristig sieben GVE, und dies mit Sicherheit nicht nur zum Spaß, sondern als Folge wirtschaftlicher Zwänge.

Der Punkt 6 des vorliegenden Antrages, nach dem eine weitere Deregulierung der Märkte für Agrarprodukte verhindert und die Position regionaler Erzeuger am Markt gestärkt werden soll, könnte dem Parteiprogramm der NPD entsprungen sein und ist inhaltlich vollkommen richtig. Ihm fehlt jedoch die Konsequenz, das gesamte System der europäischen Agrarpolitik infrage zu stellen. Nur mit der Überwindung dieses Systems – das Stichwort Globalisierung habe ich bereits genannt – können aber die gewünschten Veränderungen erreicht werden.

Noch eine letzte Bemerkung: Die GAP-Ziele der Ökologisierung, insbesondere die pauschale Abstellung von 7 % ökologischer Vorrangflächen, stehen unter Kritik, seitdem sie bekannt wurden. Jetzt fordert der Antrag noch eine Steigerung auf 10 %. Ernst kann das nicht wirklich gemeint sein, und nicht zuletzt aus diesem Grund werden wir uns zum vorliegenden Antrag enthalten.

(Beifall bei der NPD)

Meine Damen und Herren, das war die erste Runde der allgemeinen Aussprache. Mir liegen keine Wortmeldungen für eine zweite Runde vor. Ich frage trotzdem die Abgeordneten: Wünscht ein Abgeordneter das Wort? – Das kann ich nicht erkennen. Ich frage die Staatsregierung. – Herr Staatsminister Kupfer, Sie möchten sprechen? Dazu haben Sie nun die Gelegenheit.

Vielen Dank. – Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Meine Damen und Herren der GRÜNEN: Guten Morgen!

(Zurufe von den GRÜNEN: Guten Morgen!)

Ich weiß nicht, was der Antrag soll. Die Mitteilung der Kommission stammt vom 18. November 2010. Am 23. März 2011 habe ich die sächsische Position hier im Landtag vorgetragen. Der Bundesrat hat seine Stellungnahme am 16. Dezember 2011 beschlossen. Zwei Tage vorher hatten wir hier eine Regierungserklärung mit einer ausführlichen Debatte, und nun kommen Sie am 4. Januar 2012 mit diesem Antrag. Das Einzige, was für mich darin neu ist, ist, dass Sie nicht mehr 7 %, sondern 10 % ökologische Vorrangflächen haben wollen. Dazu kann ich auch nur sagen: Guten Morgen! Ihre GRÜNENKollegen in Deutschland diskutieren das bereits seit mindestens einem halben Jahr.

Ich habe die wesentlichsten Argumente in meiner Regierungserklärung vorgetragen und möchte nur noch einmal kurz auf die gröbsten Schnitzer eingehen. Sie deklarieren, dass öffentliche Gelder für Leistungen gezahlt werden, die im öffentlichen Interesse liegen. Ja, meine Damen und Herren, was glauben Sie denn, wofür die Gelder bisher ausgegeben wurden? Die Hälfte der sächsischen Ackerflächen wird pfluglos bestellt. Das ist mehr als im Bundesdurchschnitt.

(Johannes Lichdi, GRÜNE: Mit Roundup!)

Das ist interessant für mich, weil ich weiß, dass auch ökologisch wirtschaftende Betriebe pfluglos arbeiten. Wenn diese auch mit Roundup arbeiten, dann ist das für mich eine neue Erkenntnis, Herr Lichdi.

Durch freiwillige Agrar-Umweltmaßnahmen ist die Stickstoffbelastung in den Böden in den letzten 20 Jahren um die Hälfte reduziert worden. Durch den Einsatz moderner Technik in der Tierproduktion sind die Treibhausgase in den letzten 20 Jahren um 30 % reduziert worden. Dauergrünland wird so gut wie nicht mehr umgebrochen. 34 000 Hektar werden in Sachsen ökologisch bewirtschaftet. Die Tierställe, die neu gebaut werden, werden nach modernsten Tierschutzaspekten gebaut, und dann sagen Sie, dass öffentliche Gelder zukünftig im öffentlichen Interesse eingesetzt werden müssen. Da frage ich mich wirklich, ob Sie die Landwirtschaft verstanden haben.

Wir haben seit 2007 den höchsten Anstieg an Ökoflächen. Ich habe das in meiner Regierungserklärung bereits mit Stolz gesagt, und dieser Stolz ist jetzt auch bestätigt worden. Wir haben in der letzten Woche beim ÖkoRanking des Bundes Ökologische Lebensmittelwirtschaft den dritten Platz in Deutschland erreicht – nach Bayern und Baden-Württemberg. Auch darauf bin ich stolz. Zu der Forderung, nicht 7 %, sondern 10 % der Fläche aus der Bewirtschaftung zu nehmen, müssen Sie mir wirklich einmal erklären, wie Sie zukünftig den Spagat zwischen

ökologischen Vorrangflächen, Welthunger und insbesondere der Energiewende hinbekommen wollen.

(Johannes Lichdi, GRÜNE: Also wirklich, nein!)

Wir haben jetzt schon – ich habe das in meiner Regierungserklärung gesagt und wiederhole es gern – täglich einen Flächenverbrauch von 5 Hektar. 5 Hektar werden aus der landwirtschaftlichen Produktion genommen; und wir haben in Deutschland eine Energiewende. Sie wollten – breiter gesellschaftlicher Konsens, wie es überall in den Zeitungen stand – weg von der Atomenergie, schneller als ursprünglich geplant. Aber wie und wo die Energie zukünftig produziert werden soll, darauf sind Sie die Antworten schuldig geblieben.

(Beifall bei der CDU)

Windkraftanlagen, Solaranlagen, Biogasanlagen – all das braucht Fläche, und zusätzlich wollen Sie nicht, wie von Herrn Cioloş vorgeschlagen, 7 %, sondern 10 % aus der Bewirtschaftung nehmen. Sie müssen mir einmal erklären, wie das zukünftig gehen soll.

Genauso weltfremd ist Ihre Forderung des Verzichtes auf gentechnisch veränderte Futtermittel. Wenn wir danach verfahren, wie Sie es in Ihrem Antrag geschrieben haben, dann müssen wir alle Vegetarier werden, und ich habe nicht die Absicht, das zu werden.

(Vereinzelt Beifall bei den GRÜNEN – Heiterkeit der Abg. Antje Hermenau, GRÜNE)

Die Landwirte verfüttern Soja, und die EU deckt nahezu ihren gesamten Bedarf an Soja durch Importe aus dem Ausland, in jedem Jahr 35 Millionen Tonnen Sojabohnen und Sojaschrot. Davon ist ein Großteil, nämlich 93 % des Rinder- und Schweinemischfutters sowie 89 % des Geflügelmischfutters, gentechnisch verändert oder enthält gentechnisch veränderte Bestandteile. Ohne diese Einfuhren wäre die Eiweißlücke in Deutschland so groß, dass wir uns Tierproduktion, wie wir sie jetzt kennen, nicht mehr leisten können. Die Konsequenz wäre: Wir müssten Vegetarier werden.

Wir sprechen dabei nicht nur über Futtermittel, sondern über Futtermittel, die vor der europäischen Zulassung umfangreichen Prüfungen und Bewertungen unterzogen und deren Unbedenklichkeit für Mensch, Tier und Umwelt erwiesen ist. Die zuständigen Genehmigungsbehörden stellen regelmäßig fest, dass zugelassene gentechnisch veränderte Futtermittel genauso sicher sind wie konventionelle Futtermittel.

Sie behaupten immer wieder, die Risiken wären unzureichend erforscht. Allein in der Europäischen Union sind in den letzten 25 Jahren 300 Millionen Euro für Sicherheitsforschungen ausgegeben worden. Die Europäische Union hat damit 130 Forschungsprojekte finanziert, an denen 500 unabhängige Forschungsgruppen beteiligt waren.

Aber selbst das ist bald nicht mehr möglich. Für mich, Herr Weichert, ist es traurig und höchst bedenklich, wenn

deutsche Firmen wie die BASF den Forschungsstandort Deutschland verlassen und ins Ausland gehen, weil sie hier nicht einmal mehr Forschung sicher betreiben können, geschweige denn eine Perspektive sehen.

(Zuruf des Abg. Johannes Lichdi, GRÜNE)

Andere Länder dagegen nehmen diese Firmen mit offenen Armen auf. Brasilien beispielsweise investiert in jedem Jahr eine Milliarde Dollar an öffentlichen Geldern in die moderne Pflanzenzucht. Während wir hier in Deutschland – auch dank der GRÜNEN – immer mehr aufs Abstellgleis geraten, rollt anderswo der Transrapid.

Meine Damen und Herren, so kann es nicht gehen – mit mir nicht –, und ich sage es noch einmal: Ich stehe für eine wettbewerbsfähige, nachhaltige, tiergerechte und umweltschonende Landwirtschaft, die im Gegensatz zu den GRÜNEN keine Unternehmensform benachteiligt. Denn wie sollte man es anders nennen, wenn Sie unsere größeren Betriebe mit Ihrer Kappung ab 100 000 Euro bestrafen wollen?