Protokoll der Sitzung vom 26.01.2012

Der nächste Punkt ist von Frau Dr. Runge sehr richtig angesprochen worden. Wir wissen, dass wir ein Problem haben mit energieintensiver Industrieproduktion in Deutschland. Wir sind in der Kostenstruktur schlechter aufgestellt als andere. Das ist zunächst auch nicht unbedingt immer als ganz negativ zu empfinden, denn es erhöht ja auch den Druck auf Effizienzen.

Auf der anderen Seite glaube ich, dass es wesentlich sein wird, jetzt darauf zu achten, dass die Entlastung der energieintensiven Großindustrie nicht dadurch erfolgt, dass wir nicht nur unsere Privathaushalte, sondern auch unsere Mittelständler mit höheren Umlagen für Netznutzungsentgelte belasten. Das kann es doch nicht sein, meine sehr verehrten Damen und Herren! Also brauchen wir hier intelligente Lösungen. Ich bin sehr vorsichtig, weil das Argument von Frau Dr. Runge mit den steuerlichen Entlastungen kam. Ich höre da schon manche Rufe – Herr Morlok weiß es auch –; im Ministerium gibt es ein Beihilfereferat, und wir wissen alle, wie schwierig es ist, wenn es bestimmte Einflussnahmen staatlicherseits auf bestimmte Preisgestaltungen gibt, dass sich natürlich auch Brüssel bemerkbar macht. Wir müssen dafür eine Lösung finden, die eben nicht dazu führt, dass ungerechterweise Mittelständler, Privathaushalte bezahlen, was wir an Entlastungen für die Großindustrie möglich machen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! In Anbetracht meiner nur kurzen Redezeit wollte ich deutlich machen, dass ich es einerseits gut finde, dass wir diesen Beitrag heute diskutiert haben. Auf der anderen Seite habe ich die große Hoffnung – und Herr Brangs zeigt mir, dass ich eigentlich noch mehr Redezeit hätte –,

(Heiterkeit bei den LINKEN)

dass wir die Chance nutzen, in diesem Prozess der Erarbeitung eines Energie- und Klimaprogramms für Sachsen möglichst viele Beteiligte zu hören und ihre Ideen aufzugreifen, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD und den LINKEN – Gitta Schüßler, NPD, steht am Mikrofon.)

Vielen Dank, Herr Jurk. Sie hätten im Übrigen noch 20 Minuten Redezeit gehabt.

Es gibt eine Kurzintervention, wenn ich das richtig sehe. Bitte, Frau Schüßler.

Eine Kurzintervention. Ich möchte nur klarstellen: Herr Jurk, wir haben Sie keineswegs auslachen wollen. Wir haben uns nur gefreut, dass Sie Original-NPD-Positionen vertreten haben.

Danke schön.

(Thomas Jurk, SPD: Habe ich nicht vertreten, bin ich mir ganz sicher!)

Herr Jurk, möchten Sie auf die Kurzintervention antworten? – Sie verzichten. Damit fahren wir fort. Der nächste Redner ist Herr Hauschild für die FDP-Fraktion.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich erinnere mich noch ganz gut. Ich schlug Mitte November 2010 die Zeitung auf und las, DIE LINKE will eine Energiestrategie für Sachsen erdenken. Da staunte ich nicht schlecht, als ich weiterlas, dass Herr Lichdi von den GRÜNEN als Gastreferent gesprochen hatte.

(Dr. André Hahn, DIE LINKE: Sie hätten wir nicht eingeladen!)

Über den Grund der Einladung kann ich nur spekulieren. Vermutlich wollten die LINKEN sich ein paar Anregungen vom Ökodiktator Lichdi holen.

(Johannes Lichdi, GRÜNE: Ja! Ja!)

Der Dichter Novalis schrieb einst zum anregenden Austausch von Ideen: „Alle geistige Berührung gleicht der Berührung eines Zauberstabes.“ Recht hat er, aber das Ergebnis der geistigen Berührung von Staatsgläubigen und Ökoromantikern diskutieren wir heute. Ihr Antrag zum Energie- und Klimaprogramm Sachsen ist ein ziemlicher Budenzauber, ist Hokuspokus. Ich denke, Sie wurden falsch beraten.

(Beifall bei der FDP und des Staatsministers Sven Morlok)

Sie fordern ehrgeizigere Ziele, und dann kommen Sie und sagen, statt 33 % erneuerbarer Energien satte 40 %, das sind sieben Prozentpunkte mehr, und verschweigen die Konsequenzen für die sächsischen Verbraucher und die Unternehmer. Keine realistischen Antworten auf steigende Strompreise. Sie fordern den Ausstieg aus der Braunkohlenverstromung bis 2040 und wollen einen noch stärkeren Ausbau der Stromversorgung aus nicht fossilen Energiequellen. Ginge es nach Ihnen, sollte bis 2050 nur noch Strom aus sogenannten erneuerbaren Energiequellen verbraucht werden. Kein Wort über Versorgungssicher

heit. Da können wir noch von Glück reden, dass Sie nicht den Albtraum von Rheinland-Pfalz kopieren. Sie wollen bis 2030 bilanziell – welch statistischer Trick! – 100 % erneuerbare Energien haben und Nettoexporteur werden. Das heißt Verfünffachung der Windenergie, Vervielfachung der Fotovoltaik. Wenn dann überall in Deutschland die Sonne noch scheint und der Wind weht und alle Bundesländer Nettoexporteur sind, dann frage ich mich, wo der Strom abgenommen werden soll. Wer soll die Ausgleichsbeträge für die abgeschalteten Anlagen bezahlen? Wir halten das für verantwortungslos.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Zur Erinnerung: Seit 2006 sind die Strompreise um etwa ein Drittel gestiegen. Ihre Forderung würde die Stromversorgung noch weiter verteuern. Aber natürlich haben Sie gleich ein paar Vorschläge parat, wie die exorbitant steigenden Kosten Ihrer Ökofantasien wieder eingefangen werden sollen: durch noch mehr staatliche Regulierungsmaßnahmen, zum Beispiel eine Preisgenehmigungspflicht. Die DDR lässt grüßen.

(Dr. Monika Runge, DIE LINKE: Die wir lange hatten!)

Eben, hatten wir sehr lange. Es ist schön, dass es nicht mehr so ist.

Nach mehr staatlicher Regulierung zu rufen – das tun Frau Runge und auch Herr Jurk – finde ich grotesk. Wenn wir uns die Kostentreiber der letzten zehn Jahre ansehen, fällt auf, dass die Strompreise vor allem durch höhere Staatslasten, also durch Steuern und staatlich verordnete Umlagen und Abgaben, geklettert sind. Seit 2000 haben sich die Staatslasten mehr als verdreifacht. Allein 2011 haben sie die deutschen Verbraucher und Unternehmen rund 22 Milliarden Euro gekostet. Das Problem sind die hohen Staatslasten und nicht zu wenig Regulierung. Als Gegenmaßnahme noch mehr staatliche Regulierung zu fordern ist genau der Hokuspokus, der herauskommt, wenn Staats- und Ökoromantiker bei einer Tasse BioBrennnesseltee vom Großstadtbalkon zusammensitzen. Über Versorgungssicherheit fällt natürlich kein Wort. Darüber sollen sich doch bitte schön die anderen Gedanken machen.

Zum Glück haben wir eine Staatsregierung, die das macht. Der vorliegende Entwurf zum Energie- und Klimaprogramm ist eine gute Basis für eine sichere, saubere und bezahlbare Energieversorgung der kommenden Jahre. Es ist ein klares Bekenntnis zu einem ausgewogenen Mix verschiedener Energieträger. Dazu gehört auch die Braunkohle, die Strom bezahlbar hält und Versorgungssicherheit garantiert. Was wir jetzt brauchen, sind Speicher, Speicher und natürlich die passenden Netze. Die Staatsregierung hat erkannt, dass weitere staatliche Belastungen vermieden werden müssen, und einen entsprechenden Entwurf vorgelegt. Den Antrag hätten Sie sich auch sparen können. Mit Ihren Vorschlägen steht die Wettbewerbsfähigkeit des Standortes Sachsen auf dem

Spiel, ganz zu schweigen von immer weiter steigenden Kosten für die Verbraucher.

Wir sprechen uns klar gegen mehr Planwirtschaft und mehr Staat aus. Lassen Sie diejenigen zaubern, die etwas davon verstehen, und kommen Sie nicht mit billigen Jahrmarkttricks, die dem Bürger und der sächsischen Wirtschaft das Geld aus der Tasche ziehen.

(Beifall bei der FDP und vereinzelt bei der CDU)

Wir fahren fort mit der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Herr Lichdi, bitte.

Also, wenn Sie über Ihre gelben Sparwitzchen noch lachen können, dann beglückwünsche ich Sie, ich kann mich schon lange nicht mehr darüber ärgern.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Aufgerufen ist von der Fraktion DIE LINKE der Entwurf der Staatsregierung für ein Klima- und Energieprogramm. Deswegen ist es angemessen, zum Schwerpunkt dessen zu sprechen, worum es geht, nämlich den Klimaschutz. Sie wissen, dass ich mich hier seit Jahr und Tag hinstelle und sage, Energiepolitik ist angewandte Klimaschutzpolitik. Der Satz ist einfach, aber einfach richtig und in dieser Debatte leider wieder nicht gebührend beachtet worden.

Deswegen schauen wir doch einmal, was im Klimateil des sogenannten Energie- und Klimaprogramms steht: „Größter Verursacher der CO2-Emission waren stets die Großfeuerungsanlagen, das heißt, vor allem die großen Braunkohlekraftwerke“, lese ich hier auf Seite 59. Dann folgt die richtige Erkenntnis: „Spätestens 2015“ – das ist in drei Jahren – „muss mit der Verringerung der Emission begonnen werden. Die Energieversorgung ist ein Kernbereich für die Reduzierung.“ Aber auf Seite 21 steht dann genau, dass dieser Anteil noch steigen wird und „die Stromerzeugung aus dem zukünftigen Block R am Kraftwerksstandort Boxberg vollständig zu dieser Exportsteigerung“ – nämlich des Stromexports – „beitragen wird.“

Also, Herr Kollege Hauschild, wenn Sie fragen, wo der Strom abgenommen wird, ist das genau Strategie Ihres Programms, welches Sie hier verteidigen wollen. So ist es nun leider gekommen. Wir haben seit ungefähr einer Woche Boxberg am Netz, leider, leider mit ungefähr 4,5 Millionen Tonnen mehr CO2-Emission. Es ist wichtig, Folgendes zur Kenntnis zu nehmen: Sie legen hier ein Energie- und Klimaprogramm vor mit der angeblichen Tendenz, die CO2-Emission reduzieren zu wollen – stattdessen steigt die CO2-Emission. Und Sie tun so, als ob Sie hier etwas beitragen würden.

(Vereinzelt Beifall bei den LINKEN)

Wie geht es weiter? Dann heißt es schlicht und ergreifend: „Das Ziel der Sächsischen Staatsregierung, die Treibhausgase zu mindern, betrifft nicht den Emissionshandelssektor, der die energieintensiven Industrien und die Energiewirtschaft umfasst.“ Das heißt, Sie legen hier

tatsächlich kein Klima- und Energieprogramm vor, sondern ein CO2-Erhöhungsprogramm, und schaffen ein weiteres „Naturschutzgebiet“ für die CO2-intensive Braunkohlenindustrie. Von daher muss ich Ihnen schlicht und ergreifend die Ernsthaftigkeit absprechen, hier Klimaschutzpolitik betreiben zu wollen. Ich wundere mich nicht wirklich darüber.

Jetzt zu den Vorschlägen der Linksfraktion. Zunächst habe ich gedacht: Mist, wir hätten ja auch so etwas vorlegen können. Es war ja aufgerufen durch die Staatsregierung. Ich habe es nicht gemacht, und ich sage Ihnen auch, warum wir es nicht gemacht haben. Ich weiß nicht, wie oft wir solche Programme zur Diskussion vorgelegt haben. Es hat sehr wenig genutzt, um es positiv, euphemistisch auszudrücken. Ich verweise insbesondere auf unseren Entschließungsantrag, den wir zur Regierungserklärung des Ministerpräsidenten im Mai 2011 eingebracht haben. Dort finden Sie zu allen Punkten Aussagen zu unserer Position.

Aber gut, ich möchte die Gelegenheit nutzen und unsere Stellungnahme zu Ihren Punkten abgeben.

Ich glaube, wir haben uns darüber auch schon öfter unterhalten, Frau Dr. Runge: Ihr Ziel von 40 % Strom im Jahr 2020 ist völlig unzureichend. Ich bedaure, dass Sie dieses Ziel jetzt wiederum vortragen. Sie wissen es doch auch, Frau Dr. Runge, dass dies ein Abbremsen des gegenwärtigen EE-Ausbautrends bedeutet. Das kann nicht wirklich unser Ziel sein. Das Mindeste muss doch sein, dass wir den Trend wenigstens weiterlaufen lassen und ihn zu einem Ergebnis führen.

Was mich auch wirklich irritiert, ist, dass Sie über das Jahr 2020 hinaus zwar sagen, dass die Stromproduktion 2050 zu 100 % aus erneuerbaren Energien erfolgen soll, dass Sie aber bis 2040 die Braunkohle festschreiben wollen. Das bedeutet im Grunde, dass Sie in einer sehr kurzen Frist von zehn Jahren einen ganz massiven Umbruch wollen. Wie das gehen kann, ist mir unerfindlich.

Das hat natürlich auch Folgen bezüglich der CO2-Bilanz. Sie sagen, dass Sie die CO2-Bilanz wieder auf den Stand von 1999 bringen wollen, bevor die neue Welle der Braunkohlekraftwerke ans Netz gegangen ist. Dazu sage ich Ihnen: Das ist nicht ambitioniert genug, das reicht nicht. Ich bedaure es auch sehr, dass Sie jetzt diese ideologische Ansprache der Staatsregierung und der Braunkohlebefürworter übernommen haben, indem Sie die Redeweise aufnehmen, dass wir seit 1990 schon unglaublich viel CO2 reduziert hätten. Das sagen CDU und FDP die ganze Zeit. Das ist natürlich sachlich richtig, aber was ist passiert? Man hat im Grunde die sächsische Braunkohlewirtschaft an den Westeffizienzstandard

angepasst. Ich frage Sie: Sollen wir das als besonders große Leistung feiern, oder ist das nicht eine pure Selbstverständlichkeit?

(Zuruf des Abg. Thomas Jurk, SPD)

Ich glaube, es war dringend notwendig, das zu tun. Aber zugleich hat das dazu geführt, dass man wieder in die

Braunkohle eingestiegen ist und damit im Grunde auf 30 bis 40 Jahre Investitionsmittel und CO2-Emissionen auf hohem Niveau festgelegt hat.

Ich glaube, Sie bleiben hier bezüglich der CO2Emissionen und des Braunkohleausstiegs auf halbem Wege stehen. Deswegen ist Ihre Position inkonsistent und weder aus ökologischer noch aus wirtschaftlicher Sicht überzeugend.

In dem Antrag gibt es auch einige Fehler. 0,5 % der Landesfläche für Windenergie sind einfach zu wenig. Wir liegen im Moment bei 0,3 %. Wir selbst haben uns in unserer Repowering-Studie auf 0,75 % verständigt und fordern 1,5 %. Sie wissen, der VEE fordert sogar 2 % der Landesfläche.

Ich glaube, neben diesen gröbsten Dingen, weswegen wir auch Ihrem Antrag nicht zustimmen können, sind natürlich viele Dinge richtig angesprochen, beispielsweise die bundesweite Umlage des Netzentgeltes. Ich glaube, hierüber herrscht im gesamten Hause Einigkeit. Es ist auch tatsächlich nicht zu begründen, warum die ostdeutschen Energieverbraucher die Kosten überproportional tragen müssen. Natürlich ist das wirklich eine Subvention der CDU und der FDP für ihre Unternehmerklientel, jetzt die Energiepreise von den Verbrauchern bezahlen zu lassen, indem die Unternehmen noch weiter von der EEGUmlage befreit worden sind.

Es ist sehr schade, Herr Jurk, dass ich auf Ihre Vorschläge zum Zoll und auf Ihre Vorschläge zu Netzausbau und Bürgerbeteiligung nicht mehr eingehen kann. Vielleicht nur so viel: Ich glaube, dass das mit den Zöllen WTOrechtlich nicht geht, genauso wenig wie es geht, einen local content festzuschreiben. Das geht rechtlich auch nicht. Bei der Frage Netzausbau und Bürgerbeteiligung bedaure ich, dass Sie wieder in diese falsche Konstellation gegangen sind: entweder schneller Ausbau oder Bürgerbeteiligung. Das stimmt nicht. Wir müssen beides zusammenbekommen. Ein guter Netzausbau und eine gute Bürgerbeteiligung ermöglichen gerade einen schnellen Netzausbau.

(Zuruf des Abg. Thomas Jurk, SPD)