Protokoll der Sitzung vom 26.01.2012

Dann halte ich es für legitim, dass wir als Sächsischer Landtag ein klares Zeichen geben, dass wir für ein gemeinsames Handeln sind, für ein geschlossenes gemeinsames Zeichen gegen Rechtsextremismus – gerade auch in der derzeit aktuellen Diskussion – mit einer gemeinsamen Demonstration, mit einer gemeinsamen Großveranstaltung, zu der alle Dresdner hingehen können. Das haben Sie vorhin selber gesagt. Es waren viele verunsichert. Sie wussten nicht, wo sie hingehen sollen. Meine Damen und Herren! Die Plattform schaffen wir, indem wir ein machtvolles, ein klares Zeichen neben dem stillen Gedenken setzen.

Das ist aus unserer Sicht ein großer Schritt, den die CDU gegangen ist – in einer Verantwortung auch für die Bürger in dieser Stadt. Auch das habe ich schon gesagt. 500 000 Dresdner, die in dieser Stadt leben, haben auch ein Bedürfnis nach Sicherheit und nach klaren Ansagen. Das schließt für uns rechtswidriges oder nicht gesetzeskonformes Handeln aus. Ich möchte auch deutlich sagen, dass ich nicht einen Blockadeteilnehmer kriminalisieren möchte, sondern ich sage deutlich: Wir halten Blockaden an dieser Stelle für kein legitimes Mittel. – Deswegen sind wir der Auffassung, dass das dementsprechend als eine Forderung aufgenommen werden soll.

(Zuruf des Abg. Martin Dulig, SPD)

Letztlich, weil ich dabei bin, zum Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Frau Jähnigen hat uns gerade noch einmal aufgefordert, diesem Antrag als einem Beitrag zur vertrauensbildenden Maßnahme und zu einem gemeinsamen Konsens zuzustimmen. Ich möchte da an Herrn Biesok anschließen. Dieser Antrag vermischt die Zuständigkeiten der Gewaltenteilung. Zum einen sind einige Punkte Selbstverständnisse, andere sind im Antrag der SPD enthalten und andere sind Unterstellungen und Forderungen, die man nicht mittragen kann.

Die Gewaltenteilung formuliert die Zuständigkeit von Gesetzgebung, Verwaltung und Rechtsprechung. Es ist gerade Sache des Gesetzgebers, den gesetzlichen Rahmen auf der Grundlage des Grundgesetzes, der Sächsischen Verfassung und entsprechender bundes- und landesrechtlicher Bedingungen zu schaffen. Diese haben wir nun einmal. Dann hat auf der Grundlage dieser Regelungen zum Ersten die Versammlungsbehörde, das heißt die Kommune, zu agieren. Die Versammlungsbehörde!

(Zuruf des Abg. Dr. André Hahn, DIE LINKE)

Dann hat die Staatsverwaltung über die Polizei die entsprechende Umsetzung durchzuführen. Es ist also ein Handeln der Exekutive, und diese Entscheidungen obliegen der Kontrolle der Rechtsprechung, nämlich sowohl zur Frage der Genehmigung von Demonstrationen als auch in der Folge zur Frage polizeilichen staatlichen Handelns. Das ist ein klares, geregeltes Verfahren. Der vorliegende Antrag beabsichtigt eine Durchmischung und damit schon eine politische Einflussnahme auf das Handeln von Verwaltung und Rechtsprechung. Das schließt

sich für uns aus. Insoweit werden wir diesen Antrag auch ablehnen.

Kurzum, wir sind an einem gemeinsamen Handeln interessiert. Wir halten es aber für geboten, auch aus diesem Hohen Hause ein Zeichen zu setzen, dass neben allem gemeinsamen Handeln, neben jeder Form des Respekts, auch in Sicht- und Hörweite den Protest zu suchen, der Grenzfall, die Grenze im gesetzeskonformen Handeln steht und dass das, wie gesagt, rechtswidriges Handeln und Blockaden ausschließt.

Wir laden Sie noch einmal ein, unserem Änderungsantrag zuzustimmen und dann ein klares Signal aus diesem Hohen Hause zu senden.

(Beifall bei der CDU, der FDP und der Staatsregierung)

Ich frage die Fraktion DIE LINKE. – Herr Abg. Bartl, Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Im Sächsischen Landtag, diesem Hohen Haus, beinhaltet – anders als in den meisten Parlamenten in der Bundesrepublik Deutschland –, diese Thematik ein besonderes Problem. Zum Ersten das Problem, dass wir nach der friedlichen Wende, nach der friedlichen Revolution, das erste Parlament waren, in das im Jahr 2004 mit der NPD eine Fraktion eingezogen ist, die mit neonazistischem Gedankengut und mit der Reaktivierung desselben unmittelbar verbunden ist. Wenn Herr Apfel vom „Bomben-Holocaust“ spricht

(Klaus Tischendorf, DIE LINKE: Heute wieder!)

und heute wieder davon spricht –, ist es klar, worum es den Leuten, die mit NPD und ohne NPD und mit deren geistiger Unterstützung, Finanzierung oder wie auch immer,

(Dr. André Hahn, DIE LINKE: Geschichtsfälschung!)

an diesem 5. März – Entschuldigung, 5. März ist Chemnitz –, an diesem 13. oder 18. Februar hier auftreten, geht: Es geht um Geschichtsfälschung.

Deshalb hat dieses Hohe Haus – das ist unser zweites Problem – nicht einmal die Deutungshoheit darüber, wie der 13. Februar oder der 18. Februar oder der 19. Februar in Dresden abläuft. Darüber mitzureden, darauf mit Einfluss zu nehmen, sich dazu mit zu artikulieren, haben sich Menschen aus allen Bevölkerungsteilen, konfessionell gebundene Menschen, Christen, Christinnen, Atheisten, junge Leute, ältere Leute, ganz gleich, wie sie sich selbst definieren, einfach angemaßt, in Anspruch genommen, sich zu Recht gemeldet zu sagen: Wir wollen, nachdem seit spätestens 1998 hier regelmäßig Nazis aufmarschieren und das inzwischen der europaweit größte Aufmarsch ist, selbst vor Ort mit Verantwortung übernehmen und uns mit artikulieren.

Nun ist in keinem der beiden Anträge – weder in dem von der SPD noch in dem von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – von Blockade die Rede. Auch die Fraktion der GRÜNEN spricht nur von Platzbesetzer(inne)n und davon, sie nicht von vornherein zu kriminalisieren. Der Begriff Blockade, die Zuspitzung auf diese Frage, kommt jetzt mit dem Änderungsantrag, Kollege Biesok.

(Beifall bei den GRÜNEN – Carsten Biesok, FDP: Genau das diskutieren wir!)

Er kommt mit dem Änderungsantrag. Nun unterstelle ich nicht, dass das eine bewusste Provokation ist. Es ist aber das Problem, dass damit exakt die Verantwortung, die Spezifik und die Not dieses Hohen Hauses in wesentlichem Maße gesteigert werden.

Kollege Biesok, Sie wissen, dass ich Sie persönlich wie menschlich und fachlich hoch schätze. Umso mehr muss man – der Auffassung bin ich immer – lauter bleiben, wenn man juristisch argumentiert. Sie wissen sehr wohl, dass das Verfassungsgericht mitnichten gesagt hat, dass Blockaden rechtswidrig sind. Wir haben – das habe ich gestern bereits gesagt, ich sage es noch einmal – ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 7. März 2011. Da ging es um die Frage – es hat sich so lange hingezogen, weil es eine Verfassungsbeschwerde war –, dass sich im Jahr 2004 Menschen auf die Straße gesetzt haben. Da ging es um eine entsprechende Sitzblockade, um sich gegen kriegerische Auseinandersetzungen im Ausland zu wenden, und dafür sind Menschen verurteilt worden.

Dann hat das Verfassungsgericht in diesem Urteil mit dem Aktenzeichen I BVA 388 05 Folgendes gesagt: „Eine Versammlung ist eine örtliche Zusammenkunft mehrerer Personen zur gemeinschaftlichen, auf die Teilhabe an der öffentlichen Meinungsbildung gerichteten Erörterung oder Kundgebung.“

Nun kommen fünf Fundstellen aus der Bundesverfassungsgerichtsrechtsprechung. „Dazu gehören auch solche Zusammenkünfte, bei denen die Versammlungsfreiheit zum Zwecke plakativer oder Aufsehen erregender Meinungskundgabe in Anspruch genommen wird.“ Es folgen wieder vier bis fünf Fundstellen aus der Verfassungsgerichtsrechtsprechung. Dann kommt der Satz: „Der Schutz ist nicht auf Veranstaltungen beschränkt, auf denen argumentiert und gestritten wird, sondern umfasst vielfältige Formen gemeinsamen Verhaltens bis hin zu nicht verbalen Ausdrucksformen, darunter Sitzblockaden“

(Bundesverfassungsgericht Band 73/2006, Band 87/399, Band 104 und dergleichen mehr). „Bei einer Versammlung“ – so weiter wörtlich – „geht es darum, dass die Teilnehmer nach außen schon durch die bloße Anwesenheit, die Art des Auftretens, des Umgangs miteinander oder die Wahl des Ortes im Eigensinne des Wortes Stellung nehmen und ihren Standpunkt bezeugen wollen.“ Das ist Verfassungsgerichtsrechtsprechung. (Vereinzelt Beifall bei den LINKEN)

Wir stehen absolut auf der Seite eines jeden in diesem Hause, der sagt: Das kann nur friedlich bedeuten!

(Klaus Tischendorf, DIE LINKE: So ist das!)

Das kann nur bedeuten, dass es darum geht, in dieser Art und Weise gemeinsam, kollektiv, auch indem ich mich an einen bestimmten Platz stelle, als Platzbesetzer(in) oder als Platzbesteller(in) oder wie auch immer, um mit dieser körperlichen, persönlichen Präsenz zu sagen: Wo wir hier stehen, kann kein Nazi stehen!

(Beifall bei den LINKEN, der SPD und den GRÜNEN – Zuruf des Abg. Johannes Lichdi, GRÜNE – Zurufe von der NPD)

Nur um den Gedanken geht es, wenn der Begriff Blockade in den Debatten der Arbeitsgruppe, der Arbeitsgemeinschaft und dergleichen mehr verwendet wird.

Herr Bartl, Sie gestatten eine Zwischenfrage?

Sofort, ich will den Halbsatz nur zu Ende bringen.

Ich habe den Halbsatz nicht erkannt, Entschuldigung.

Deshalb ist es für die drei demokratischen Oppositionsfraktionen so schwer, den hinzugefügten Änderungsantrag mit der Absolutheit des Begriffes Blockade anzunehmen.

Bitte schön, Herr Präsident!

Bitte, Herr Piwarz.

Vielen Dank, Herr Bartl. – Ich bin gern bereit, Ihnen die Friedlichkeit und die Friedfertigkeit abzunehmen. Aber ich möchte gern noch einmal die Frage, die mein Kollege Heidan vorhin zu stellen versucht hat, konkretisieren.

Können Sie mir noch einmal deutlich machen, was aus Sicht Ihrer Fraktion, möglicherweise auch aus Sicht der Kollegin Köditz, das Wort „Polizeisperren durchfließen“ bedeutet? Wie habe ich es zu verstehen, dass eine Abgeordnetenkollegin von Ihnen, die im Thüringer Landtag sitzt, sagt, man bräuchte den schwarzen Block, um Polizeisperren zu durchfließen, denn das würden die Bürgerlichen allein nicht hinbekommen?

(Zuruf des Abg. Jürgen Gansel, NPD)

Kopfnicken von Frau Köditz und Kopfnicken von Herrn Hahn bei dieser Angelegenheit. Da würde ich gern noch einmal Ihre Definition des Wortes „durchfließen“ hören.

(Beifall bei der CDU, der FDP und der NPD)

Keine Kommentierung, kein Stichwortverzeichnis zum Versammlungsgesetz kennt den Begriff „Trennungsgebot“. Es gibt nach meinem Wissen

ebenso wenig irgendwo eine Definition des Begriffes „durchfließen“.

(Zuruf von der CDU: Eben!)

Ich persönlich verstehe unter der Begrifflichkeit, so wie ich herangehe und wie ich es von meinen Parteifreundinnen und Parteifreunden und den Mitgliedern meiner Partei voraussetze und erwarte, dass man für eine strikte Friedlichkeit bei Gegenaktionen ist.

(Frank Heidan, CDU: Wie geht denn das Durchfließen?)

Herr Heidan, jetzt geht es vogtländisch zu. Aber wir versuchen es einmal auf einem etwas höheren Niveau.

(Heiterkeit bei den LINKEN, der SPD und den GRÜNEN – Zurufe von der CDU)

Herr Bartl, bitte!

Der Begriff „durchfließen“ soll sich ganz offensichtlich vom Begriff „durchbrechen“ absetzen.