Protokoll der Sitzung vom 10.12.2009

Das dortige Ergebnis der Initiierung des Volksbegehrens ist eindeutig und zeigt, dass die Bürger dort eher Schwierigkeiten damit haben, wenn ein längeres gemeinsames Lernen eingeführt wird. Das sollten Sie auch einmal zur Kenntnis nehmen.

(Beifall bei der CDU)

Ich möchte noch etwas klarstellen. Ich habe jetzt einen kleinen Fehler begangen und hoffe, das Hohe Haus sieht mir das nach: Nur der Redner darf nach einer Kurzintervention auf die Kurzintervention entgegnen. Ich werde das in Zukunft berücksichtigen. Sie haben ja heute noch die Gelegenheit, das Instrument der Kurzintervention zu nutzen. Da kann ich das gleich üben.

Als Nächster erteile ich Frau Dr. Stange, SPD-Fraktion, das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich will nur ganz kurz auf die Kurzintervention reagieren, auch wenn meine Redezeit sehr kurz ist.

Die Eltern in Hamburg haben sich vor allen Dingen deshalb zur Wehr gesetzt, weil der freie Elternwille nicht mehr garantiert werden soll. Ich sage das, damit hier keine Mär entsteht.

(Zuruf des Abg. Christian Piwarz, CDU)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich wähle eine Sprache, die vielleicht vonseiten der CDU und der FDP besser verstanden wird, um etwas zur Gemeinschaftsschule zu sagen. Ich zitiere ganz bewusst aus der jüngsten Studie der Bertelsmann-Stiftung, die sich ausschließlich mit dem ökonomischen Nutzen von Bildung beschäftigt.

Ich zitiere: „Pro Kopf der heutigen Bevölkerung entgeht einem heute geborenen Kind über die nächsten 80 Jahre mehr als ein Wert von 34 000 Euro an zusätzlichem Bruttoinlandsprodukt, Kosten für unzureichende Bildung.“ Sogenannte Risikoschüler – in Sachsen sind es etwa 10 % der Schüler laut PISA-Studie – bringen in Deutschland 2,8 Billionen Euro bis 2090 an Verlusten.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, das ist ein Zitat. Ich wähle ein zweites, weil ich mitbekommen habe, dass Sie Freunde des Philologenverbandes und des Deutschen Lehrerverbandes sind.

(Zuruf des Abg. Christian Piwarz, CDU)

Deshalb wähle ich auch noch einmal die Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft. Der Name Sinn ist ja heute schon einmal gefallen. Aus der „Wirtschaftswoche“ 2006 kann ich Herrn Sinn so zitieren: „Wenn die höhere Ungleichheit als Preis für eine höhere durchschnittliche Schülerqualität angesehen werden könnte, ließe sich das deutsche System vielleicht noch rechtfertigen. Da dieses System jedoch die Ungleichheit vergrößert, ohne den Durchschnitt zu verbessern, gehört es in den Abfalleimer der Geschichte.“

(Beifall bei der SPD und der Linksfraktion)

„Deutschland muss die Diskussion um die Gesamtschule noch einmal führen. Im Grundsatz war die Gesamtschule keine falsche Idee.“ – Wohlgemerkt, das war Herr Sinn vom Ifo-Institut, ein Teilnehmer der Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich werde genauso wie Frau Giegengack nicht der Versuchung unterliegen, hier noch die großen ideologischen Schlachten um das gemeinsame Lernen zu führen. Ich will nur einen Punkt aufgreifen. Vielleicht hilft das zukünftig beim weiteren Nachdenken.

Vor wenigen Monaten hat die Bundesregierung, hat Deutschland die UN-Konvention über die Rechte behinderter Menschen unterzeichnet und damit die darin verbindlich geforderte gemeinsame, sprich inklusive nach deutscher Übersetzung, integrative Bildung von Menschen mit und ohne besonderen Förderbedarf festgeschrieben und unterzeichnet. Das, was wir mit der frühen Aufteilung in Gymnasien und Mittelschulen praktizieren, findet seine Perfektion in der frühen Sortierung in verschiedene Formen der sogenannten Förderschulen.

Deutschland hat erst in diesem Jahr diese Konvention unterzeichnet, viel später als andere Länder, und Sachsen sollte sich überlegen, ob nicht gerade die Gemeinschaftsschule ein erster Schritt war, um die Anforderungen dieser Konvention zu übersetzen.

(Beifall bei der SPD, der Linksfraktion und den GRÜNEN)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich denke, Herr Zastrow – ich werde nicht mit dem Finger auf Sie zeigen, denn wenn man mit dem Finger auf einen Menschen zeigt, zeigen immer drei Finger zurück, deswegen tue ich das hier nicht –, mit Ihrem Wahlversprechen „Längeres gemeinsames Lernen“ haben Sie Ihren Wählern viel zugemutet. Ihre Luftblase einer sechsjährigen Grundschule ist ja wohl gründlich geplatzt. Wenn Sie schon die Oberschule einführen wollen, sollten Sie konsequent sein – für Wirtschaft haben Sie doch auch etwas übrig – und sie „polytechnische Oberschule“ nennen. Dann sind wir da, wo wir schon einmal waren.

(Beifall bei der SPD und der Linksfraktion)

Was ist jetzt notwendig? Dringend notwendig ist, dass die Eltern der Schüler an den Gemeinschaftsschulen Rechtssicherheit bekommen. Sie haben rechtsgültige Bescheide. Diese rechtsgültigen Bescheide besagen, dass die Gemeinschaftsschule bis mindestens zum Jahre 2014 durchgeführt werden kann, und zwar die Schule als Schulversuch und nicht einzelne Klassen, und dass sie bei Erfolg weiterlaufen kann. Eine Evaluierung macht nur Sinn, wenn das tatsächlich so umgesetzt wird.

Der zweite Punkt: Die Gemeinschaftsschulen brauchen eine unbedingte Einhaltung der verabredeten Leitlinien, und zwar ohne Abstriche an den festgesetzten pädagogi

schen Konzepten, die Abweichungen von den bisherigen Regelungen vorsehen.

Und als Drittes: Ich wünsche mir und hoffe, dass der Kultusminister – dem ich zutraue, dass er pädagogisch bessere Fähigkeiten mitbringt, als es sich in der Koalitionsvereinbarung ausdrückt –

Frau Dr. Stange, Ihre Redezeit ist beendet. Bitte kommen Sie zum Schluss.

das inklusive gemeinsame Lernen auch in Sachsen umsetzen kann.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD, der Linksfraktion und den GRÜNEN)

Als Nächstes die FDP-Fraktion; Herr Bläsner.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Lassen Sie mich am Anfang meiner Rede – irgendwie hat das heute noch gar niemand so richtig gemacht – ausdrücklich den Lehrern, Eltern, Schülern und Schulträgern danken, die sich auf den Weg gemacht haben, den Schulversuch Gemeinschaftsschule durchzuführen. Sie haben ein gewiss nicht einfaches Projekt in Angriff genommen, ein Projekt, das letztlich allen Schülern auch außerhalb ihrer eigenen Schule zugute kommen soll und – dessen bin ich mir sicher – auch zugute kommen wird.

Diesen Dank möchte ich auch deshalb aussprechen, weil die Opposition im Freistaat vor allem über die Zeitungen uns, der Koalition, Maßnahmen unterstellt, die einfach nicht zutreffen, und damit ein völlig falsches Bild der Lage zeichnet.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Herr Bläsner, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Frau Falken, bitte.

Herr Bläsner, kann ich Ihren Ausführungen entnehmen, dass Sie auch dafür sind, dass die Lehrer in Gemeinschaftsschulen in diesem Jahr die Prämie erhalten?

Sehr geehrte Frau Falken, die Frage der Prämie ist eine der Fragen, die im Kultusministerium aufgrund der Vorlagen des Haushalts geklärt wurden und nichts mit dem Gemeinschaftsschulversuch zu tun haben.

(Beifall bei der FDP und der CDU – Zuruf des Abg. Dr. André Hahn, Linksfraktion)

Wir machen keine Gemeinschaftsschulen platt – anders als Sie uns unterstellen. Wir brechen den Schulversuch auch nicht ab, sondern wir führen ihn planmäßig zu Ende und evaluieren ihn.

(Lachen bei der Linksfraktion, der SPD und den GRÜNEN)

Das ist nicht nur irgendeine sprachliche Kleinigkeit, sondern das ist ein riesengroßer Unterschied. Jeder Schüler – und ich wiederhole es gern: jeder Schüler –, der unter den Bedingungen der Gemeinschaftsschule gestartet ist, wird diese auch unter denselben Bedingungen beenden können. Das gilt auch für die Schüler, die im kommenden Schuljahr eingeschult werden.

(Cornelia Falken, Linksfraktion: Und was ist mit denen, die danach kommen?)

Dazu sage ich später noch etwas, Frau Falken.

Ich erwarte – und nichts anderes hat auch der Kultusminister gesagt –, dass das vonseiten des Ministeriums garantiert wird und dass die Schulen keine Nachteile haben.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir nehmen den Schulversuch ernst. Dessen Ergebnisse werden sicherlich nicht in irgendeiner Schublade von Herrn Prof. Wöller verschwinden, sondern sie werden in das gesamte sächsische Bildungssystem und in die zwischen CDU und FDP verhandelte Schulreform einfließen.

Deshalb ist es mir und auch der FDP-Fraktion wichtig, dass der Schulversuch gute Ergebnisse bringt. Die Arbeit der Lehrer, Eltern, Schüler und Schulträger der jetzigen Gemeinschaftsschulen ist keineswegs umsonst.

(Beifall bei der FDP)

Ihre Unterstellungen sind deshalb nicht zutreffend und helfen darüber hinaus auch nicht, den Schulversuch erfolgreich zu Ende zu führen. Gerade die SPD sollte überlegen, ob sie das will. Überhaupt sollten die Sozialdemokraten bei dem Thema „Schulversuch Gemeinschaftsschule“ ganz leise sein.

Herr Bläsner, gestatten Sie eine weitere Zwischenfrage?