Protokoll der Sitzung vom 16.05.2013

Wenn es der Sache dienlich ist, bitte schön.

Bitte, Kollege Herbst.

Den Grundsatz der Tarifautonomie halten Sie dann für falsch, wenn es Ihrer persönlichen Meinung nicht entspricht, und dann soll der Staat eingreifen. Das ist Ihre Meinung?

Falsch. Ich halte die Tarifpolitik für ein hohes Gut, das es gilt zu erhalten. Der Auffassung bin ich nach wie vor. Wenn aber Tarifpolitik aufgrund von Sachzusammenhängen dazu führt, dass Menschen von ihrem Lohn nicht leben können, dann haben wir eine soziale Verantwortung. Wir haben eine soziale Marktwirtschaft und keine freie, so wie Sie das gern hätten. Da muss der Staat handeln. Das ist meine Position.

(Beifall bei der SPD)

Die Gewerkschaft ist unser Staat?

Jetzt komme ich dazu und erkläre Ihnen das gern auch einmal. Ich mache gern mit Ihnen eine Aufklärungsrunde, wie sich die Geschichte des Mindestlohnes entwickelt hat.

Genau aus diesem Grund, Kollege Herbst, hat die Sozialdemokratie lange mit der Frage gerungen, ob sie gesetzliche Mindestlöhne will, weil wir auf die Kraft der Tarifparteien gesetzt haben und weil Gewerkschaften bis 2004, Teile sogar bis 2007 gesagt haben, wir wollen keinen gesetzlichen Mindestlohn, sondern wir wollen Tariflöhne. Das ist die Wahrheit. Wir haben aber nach und nach aufgrund der Situation, die ich geschildert habe, einsehen müssen, dass wir Zustände in Betrieben haben, die menschenunwürdig sind. Dort arbeiten Menschen für Löhne, von denen sie nicht leben können. Das ist das Problem.

(Beifall bei der SPD und vereinzelt bei den LINKEN)

Deshalb haben wir 2004 bereits im Landtagswahlkampf als einer der ersten Landesverbände in Deutschland plakatiert: Mindestlohn statt Billiglohn. Da gab es im Bund schon einige, die mit dem Kopf geschüttelt und gesagt haben, was läuft denn da in Sachsen ab, weil wir gesehen haben, dass eine Entwicklung auf uns zukommt, die jetzt da angekommen ist, wo wir leider Gottes sind.

Wir haben jetzt ein Lohnniveau, das unter 25 % unter dem Durchschnitt liegt. Das ist Sachsen. Wir haben einen Ministerpräsidenten, der damit auch noch wirbt, und wir haben eine Koalition, die sagt: Kommt nach Sachsen, weil hier die geringsten Löhne sind! – Das ist unanständig.

(Beifall bei der SPD – Torsten Herbst, FDP: Quatsch!)

Gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Ja, bitte.

Bitte, Frau Dr. Runge.

Verehrter Herr Brangs! Sind Sie nicht auch der Meinung, dass, wenn man gesetzliche Mindestlöhne einführt, natürlich damit das gesamte Lohngefüge in Deutschland angehoben wird? Wäre das nicht ein guter Beitrag, um die ökonomischen Handelsungleichgewichte der Europäischen Union stärker auszubalancieren,

(Torsten Herbst, FDP: Lächerlich!)

weil wir bisher doch unter unseren Verhältnissen in Deutschland gelebt haben, während andere Länder, auch was Löhne und Renten angeht, über ihre Verhältnisse gelebt haben?

Liebe Kollegin! Die Handelsbilanz der Europäischen Union werden wir sicherlich nicht ausgleichen können, wenn wir die Löhne in Sachsen von 4 Euro auf 6 Euro, 8 Euro oder 10 Euro anheben. Aber was wir tun, ist, dass wir damit natürlich einen Beitrag zu

regionalen Wirtschaftskreisläufen leisten können, und wir werden damit die Binnenkraft stärken. Das ist richtig.

(Beifall bei der SPD)

Mit Blick auf die Zeit noch ein paar Hinweise und Erklärungen für meinen geschätzten Kollegen Krauß, der wahrscheinlich wichtige Termine außerhalb des Hauses hat.

Kollege Krauß hat wirklich immer noch nicht verstanden, worin der Unterschied zwischen branchenbezogenem Mindestlohn und Tariflohn besteht. Das Beispiel der Drogeriekette, welches im Protokoll nachlesbar ist, zeigt, dass er es nicht verstanden hat.

Es gibt in dem Drogeriebereich einen Tariflohn – hallo, alle einmal herhören! Dieser Tariflohn sieht diese 6 Euro und etwas vor. Der Hinweis auf den branchenbezogenen Mindestlohn, wo der Kollege meinte, Kollege Dulig hätte nicht aufgepasst, er müsse den Zoll informieren, ist totaler Mumpitz. Es gibt dort nicht den branchenbezogenen Mindestlohn, sondern einen Tariflohn, der bei 6 Euro liegt. Das ist das Problem, Kollege Krauß. Vielleicht ist das jetzt endlich einmal angekommen.

(Beifall bei der SPD)

Jetzt zu Ihnen, Kollege Herbst. Sie erzählen, was Sie alles in den letzten Monaten und Jahren getan haben, um Arbeitsmarktpolitik in Sachsen voranzubringen. Ich will nicht wieder auf die Wunde mit der Eierschecke kommen. Das will ich Ihnen ersparen. Aber erzählen Sie mir doch bitte einmal, wie das zusammenpasst, dass Sie als Erstes, als Sie regiert haben, ein sinnvolles Projekt der Sozialdemokratie abgeschafft haben, nämlich den Kommunalkombi, den wir hier in Sachsen mit hohem finanziellem Aufwand kofinanziert haben. Das war das Erste, was wir gemacht haben, um den Menschen eine Perspektive zu geben, die von Arbeitslosigkeit betroffen sind, um diesen wieder sinnvoll eine Integration in den Arbeitsmarkt zu ermöglichen. Da haben Sie gesagt, das beenden wir.

Das Zweite, was Sie gemacht haben: Sie haben die Arbeitsmarktkoordinatoren abgeschafft.

Das Dritte, was Sie gemacht haben: Sie haben die kleine GA für das Handwerk abgeschafft.

Das ist Ihre Politik, die Sie machen, und das hat mit erfolgreicher Arbeitsmarktpolitik nichts zu tun.

(Beifall bei der SPD, den LINKEN und den GRÜNEN)

Kollege Schreiber, Sie möchten eine Kurzintervention vorbringen?

(Patrick Schreiber, CDU: Nein!)

Das war Kollege Brangs für die einbringende SPDFraktion. Jetzt folgt die CDU. Kollege Heidan, Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Brangs, ich komme einmal zu Ihnen zurück.

(Stefan Brangs, SPD: Ich bitte darum!)

Wenn Sie als ehemaliger Gewerkschaftler hier vorne tönen und jetzt – –

(Stefan Brangs, SDP: Ich bin immer noch Gewerkschaftler!)

Da ist es ja noch umso schlimmer, wenn Sie das hier so sagen.

Auf der einen Seite machen Sie hier Werbung für Tariflöhne, die im 4-Euro-Bereich liegen – bleiben Sie mal schön ruhig! –, die Sie tarifvertraglich mit 4 Euro festgelegt haben, und auf der anderen Seite fordern Sie einen Mindestlohn von 8,50 Euro. Das ist Ihre Verlogenheit, Herr Brangs. Sie stellen sich hier hin, aber es waren Ihre Gewerkschaften, die das gemacht haben und kein anderer.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Gestatten Sie eine Zwischenfrage, Kollege Heidan?

Bitte.

Ich vermute einmal, dass das an der Zugehörigkeit zu Ihrer Fraktion liegt, dass Sie manche Dinge nicht verstehen wollen wie der Kollege Krauß auch schon.

Können Sie sich vorstellen, dass ich vor gut drei Minuten gesagt habe, dass ich diese Form von Tarifverträgen auch in meiner Funktion bei ver.di damals kritisiert habe und sie heute noch für falsch halte, unabhängig davon, ob sie vom DGB oder von christlichen Gewerkschaften abgeschlossen werden?

Das kann ich mir sehr gut vorstellen. Die Frage ist hier nur zu stellen, was Sie ganz konkret dafür oder dagegen gemacht haben.

(Zuruf von der CDU: Er war demonstrieren!)

Das ist das Problem, Herr Brangs.

Gestatten Sie eine weitere Frage?

Ja, bitte.

Lieber geschätzter Kollege! Können Sie sich vorstellen, dass Tarifverhandlungen so funktionieren, dass da zwei Partner sitzen, die sich am Ende einigen, und dass es nicht so ist, dass die Gewerkschaft sagt, das machen wir so, und die Arbeitgeber unterschreiben?