Protokoll der Sitzung vom 28.11.2013

haben, auch hier anwenden, wenn es darum geht, dass die sozialen Regelungsmechanismen entsprechend herangezogen werden, dass also beispielsweise das, was in Fragen der sogenannten makroökonomischen Konditionalitäten eine Rolle spielt, auch bei der Durchsetzung der vorgeschlagenen Sozialindikatoren zur Anwendung kommt.

Ich will auch aufgrund der durchaus wichtigen Argumente, die von Frau Kallenbach zur Bekräftigung unseres Antrages vorgetragen wurden, am Ende noch eines speziell der CDU-Fraktion zu bedenken geben: Den gleichen Antrag, Herr Kollege Schiemann, hat vor etwa zehn Tagen DIE LINKE in Sachsen-Anhalt eingebracht.

(Zurufe der Abg. Christian Piwarz und Marko Schiemann, CDU)

Es ist doch legitim, dass man sich zwischen Länderparlamenten zu einer solchen Vorgehensweise verständigt.

(Christian Piwarz, CDU: So ein Quatsch!)

Das Entscheidende ist, dass dort der Chef der Staatskanzlei, Staatsminister Rainer Robra, CDU, zuständig auch für Europa, nach dem, was dort nachzulesen ist, erklärt: „Es ist kein strittiges Thema unter Europäern, dass die soziale Dimension zu einem Grundpfeiler der EU werden muss. Deswegen unterstützen auch wir die Überweisung in die Ausschüsse.“

Warum ist das, was in Sachsen-Anhalt als notwendig, als richtig eingeschätzt wird, in Sachsen nicht möglich?

(Christian Piwarz, CDU: Weil die eher aufstehen müssen!)

Oder weil wir zu lange schlafen!

(Heiterkeit)

Es geht darum, dass sich exakt zu diesen Problemen die Bundesländer und auch der Freistaat Sachsen starkmachen, auch im Bundesrat dafür starkmachen, dass die Mitteilung der Europäischen Union zur Stärkung der sozialen Dimension innerhalb der EU durchgesetzt wird.

Herr Staatsminister, weil Sie schon wieder von der Seite durch Ihre Mimik oder durch welche Laute auch immer abwerten wollen: Es ist eigentlich Ihr Part, dafür einzutreten, dass diese Einheit von Wirtschaft- und Sozialunion tatsächlich auch von Sachsen aus gestärkt wird. Sie sind der Europaminister und in Ihrer Verantwortung liegt das, was wir letztlich mit diesem Antrag anzuschieben versuchen.

(Beifall bei den LINKEN)

Für die SPDFraktion spricht der Abg. Mann.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich will die Gelegenheit nutzen, noch einmal zu reagieren. Ich glaube, die Debatte leidet tatsächlich ein bisschen darunter, dass die operationellen Programme noch nicht vorgestellt sind.

(Gisela Kallenbach, GRÜNE: Die liegen vor, Herr Mann!)

Gut, ich habe diese Seiten seit gestern noch nicht durchlesen können. Sehen Sie mir das nach. Aber ich denke, hierüber werden wir diskutieren müssen, weil man hier eben wenig soziales Europa nachlesen kann.

Da wir aber die globale Debatte führen, möchte ich noch etwas insbesondere in Richtung von Herrn Herbst und der FDP sagen. Ich will ausdrücklich sagen, dass Mindeststandards bei Beschäftigung eben nicht Gleichmacherei sind, sondern sie verhindern schlicht und ergreifend Lohndumping und soziale Zustände, die Staaten erst in Probleme stürzen.

Zum Zweiten denke ich, dass wir gerade hier in Deutschland gezeigt haben, dass man, wenn man den ESF intelligent für Bildung, aber auch für soziale Innovation einsetzt, einen erfolgreichen Weg beschreiten kann. Ich würde sogar fragen: Könnte es nicht sein, dass Deutschland gerade deswegen wirtschaftlich so erfolgreich dasteht, weil wir hier eine weit ausgebaute Arbeitnehmermitbestimmung und im europäischen Durchschnitt ein hohes Einkommensniveau haben?

Insbesondere an Sie, Herr Herbst, muss ich die Frage stellen, wenn Sie kritisieren, dass wir eine Vereinheitlichung im Steuersystem für durchaus sinnvoll halten: Wie soll denn, bitte schön, ein Land wie Griechenland seinen Staatshaushalt in Ordnung bringen, wenn es nicht einmal einem starken Land wie Deutschland gelingt zu verhindern, dass über Jahre international agierende Unternehmen ihre Gewinne in Irland so versteuert haben, dass sie sich dem Zugriff der Nationen entzogen haben, indem sie Wertschöpfung und Gewinn abgeschöpft haben? Oder wie soll ein kleines Land wie Portugal denn dem Druck der Finanzmärkte standhalten, wenn inzwischen sogar ein europäisches Schwergewicht wie Frankreich zittert, weil Hedgefonds gegen diese Staaten für den kurzfristigen eigenen Profit spekulieren?

An dieser Stelle eine kleine Empfehlung: Es läuft gerade ein Dokumentarfilm, der sich „Master of the Universe“ nennt und aus der Sicht eines ehemaligen Hedgefondsmanagers schildert, wie es an der Börse zugeht. Er ist ab 1. Dezember auch in Dresden zu sehen und zeigt ziemlich deutlich, dass sich diese Prozesse längst der Kopplung an die Realwirtschaft entzogen haben und einzelne Nationen damit überfordert sind.

Ich glaube, genau deswegen ist der Antrag richtig. Wir werden ihm zustimmen und sagen noch einmal: Wir brauchen auch eine gemeinsame Wirtschaftsregierung wie die Finanztransaktionsteuer in Europa.

Danke schön.

(Beifall bei der SPD, den LINKEN und den GRÜNEN)

Gibt es seitens der Fraktionen weiteren Redebedarf? – Das sieht nicht so aus.

Herr Minister, möchten Sie sprechen? – Dann dürfen Sie das tun.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Der vorliegende Antrag der LINKEN ist eine Form der Umsetzung von Feststellungen der Kommission zum Thema Europäische Sozialunion. In der Tat erweist er sich bei näherem Hinsehen lediglich als die mit Anmerkungen versehene Vorlage einer Mitteilung der Kommission an den Europäischen Rat.

(Rico Gebhardt, DIE LINKE: Das ist doch gut!)

Dort soll ein Monitoring eingeführt werden zur Beschäftigung mit unserer sozialpolitischen Entwicklung. Es sollen konkrete Maßnahmen zur nachhaltigen Bekämpfung von Arbeitslosigkeit und sozialen Problemen entwickelt werden. Es soll die Verantwortung und Mitwirkung der Wirtschaft und deren finanzielle Unterstützung eingefordert werden. Es sollen bestehende Hindernisse einer grenzüberschreitenden Beschäftigung beseitigt werden, und schließlich soll eine Stärkung der Rolle des sozialen Dialogs durch eine unmittelbare Beteiligung der Sozialpartner eingeführt werden. Auch dies ist keine Erfindung der LINKEN, sondern schlicht Zitat aus Brüssel. Es ist die Wiedergabe von Ideen der Kommission in ihrem Papier unter Punkt 2.2 der Mitteilung. So weit richtig.

Aber anders als Kollege Bartl fällt die Staatsregierung im Angesicht einer solchen Mitteilung der Kommission nicht auf die Knie und hält sie für ähnlich unfehlbar wie weiland selig Beschlüsse des Zentralkomitees, sondern wir erlauben uns, dieses Papier genauso wie den Antrag auch einer kritischen Überprüfung zu unterziehen.

Einig sind wir uns recht schnell bei der Feststellung, dass diese Mitteilung keine Definition von einzelnen Eckelementen der sozialen Dimension der Europäischen Union vornimmt. Dazu müssten wir die Verträge verändern. Dazu wird in diesem Antrag auch nichts ausgeführt. Er ist insofern unzureichend. Es fehlt darin jede konkrete Auseinandersetzung mit der Vertragslage der Europäischen Union, insbesondere im Hinblick auf die gewünschte Weiterentwicklung der Wirtschafts- und Währungsunion zu einer sogenannten Sozialunion, deren einzelne Kriterien dort nicht aufgeführt werden.

Im Begründungstext werden dann unsystematisch Haushaltskrisen in südeuropäischen Mitgliedsstaaten, Maßnahmen zur Stabilisierung des Euro als sogenannte Bankenrettung mit Forderungen nach der Einrichtung eines sozialen Monitorings und anderem vermengt, meine Damen und Herren.

Das ist unzureichend. Das verkürzt die Diskussion. Die Kommissionsmitteilung wirft in Wirklichkeit Fragen auf, die eine bloße Forderung nach ihrer unkritischen Umsetzung unmöglich machen. Es wäre zu klären, welche neuen Instrumente überhaupt notwendig sind, um wirtschaftliche Rahmendaten zu erkennen. Was gibt es denn, was wir noch nicht wissen? – Die einzelnen Mitgliedsstaaten, ihre statistischen Behörden, Eurostat, die Kom

mission, die OECD, die Welthandelsorganisation, die Weltbank, alle haben Daten zu der wirtschaftlichen Situation in den Mitgliedsstaaten in Hülle und Fülle. Wozu brauchen wir da um Himmels willen noch einmal ein gesondertes europäisches Monitoring oder ein Scoreboard zur Überprüfung der sozialen Indikatoren in den Mitgliedsstaaten, meine Damen und Herren?

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Das ist Aktionismus. Das ist der gute alte Aktionismus, mit dem man den Bürgern vorgaukelt, man würde sich um Probleme kümmern, aber in Wirklichkeit einfach nur darüber redet, ohne in der Sache irgendetwas zu verändern.

(Beifall bei der FDP und der CDU – Rico Gebhardt, DIE LINKE, steht am Mikrofon.)

Auch die Frage nach der Kohärenz nationaler und europäischer Wirtschaftspolitik wird im Antrag nicht weiter problematisiert.

Gestatten Sie eine Zwischenfrage, Herr Minister?

Ja, bitte.

Bitte sehr.

Herr Minister, vielen Dank. Ich habe eine ganz einfache Frage: Wie wird sich die Staatsregierung morgen im Bundesrat verhalten, wenn dieser Punkt auf der Tagesordnung steht?

Es gibt eine Stellungnahme der Ausschüsse des Bundesrates zur Mitteilung. Die Staatsregierung wird den Empfehlungen der Ausschüsse in der Stellungnahme des Bundesrates insoweit zustimmen.

(Zuruf des Abg. Klaus Bartl, DIE LINKE)

Jetzt stellt sich die Frage, ob es sich für Sachsen allein beantworten lässt, was die Kommission in ihrer Mitteilung an den Rat vorhat. Das ist die Frage der Dimension der gesamten Europäischen Union. Das lässt sich doch nicht isoliert für Sachsen allein beantworten!

(Klaus Bartl, DIE LINKE: Das sagt doch niemand!)

Es ist die Frage, wie wir es in einem noch nicht einmal kohärenten Wirtschaftsraum – möglicherweise betreffend nur die Euro-Länder; die Europäische Union ist wesentlich größer – schaffen, eine Wirtschafts- und Finanzpolitik, bezogen auf den Euroraum, zunächst einmal so weit abzustimmen, dass die schlimmsten wirtschaftlichen Fehlentwicklungen bei einer nicht koordinierten Haushalts- und Finanzpolitik vermieden werden. Bis dahin ist es noch ein Riesenstück Weg, meine Damen und Herren.

Sie argumentieren nicht ganz redlich, wenn Sie jetzt bereits den übernächsten Schritt anmahnen, bevor wir uns

überhaupt den Mühen der Ebene unterzogen haben, um zu definieren, welche Vertragsänderungen wir brauchen, um zu einer wirklich funktionierenden Wirtschafts- und Währungsunion zu kommen.

Gestatten Sie noch eine Zwischenfrage oder waren Sie noch gar nicht fertig?

Wenn es sein muss, auch dies.