Protokoll der Sitzung vom 10.04.2014

Die LINKE hatte eben durch Herrn Kollegen Gebhardt das Wort. Jetzt spricht für die SPD Frau Kollegin Köpping. Bitte, Sie haben das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich habe natürlich auch in den ersten Seiten meiner Recherche nachgeguckt, wie sich das Automobilland Sachsen entwi

ckelt hat. Dabei bin ich – und das ist selten – auf die gleichen Zahlen wie Sie, Herr Heidan, gekommen. Aber der Ursprung ist nun einmal der Gleiche, und zu 110 Jahren Autoland Sachsen können wir beide die gleiche Historie erzählen.

Trotzdem habe ich mich natürlich gefragt, wieso wir heute in einer Aktuellen Debatte über das Autoland Sachsen sprechen.

(Zuruf der Abg. Antje Hermenau, GRÜNE)

Ja, ich habe ja gerade gelernt, dass wir in den letzten 14 Tagen Feiertage begangen haben. Ich kann noch eines draufsetzen: Auch die SPD-Fraktion hat im Dezember 2013 ihre jährliche Arbeitnehmerkonferenz im Werk Porsche in Leipzig durchgeführt. Allerdings haben wir uns dort mit dem Thema „Zukunft der Arbeit – Leiharbeit und Werksverträge beschränken, Tarifbindung ausweiten und faire Arbeit für Sachsen“ beschäftigt. Wir haben also nicht nur dem Auto gehuldigt, obwohl jeder, der mich kennt, weiß, dass ich sehr gern Auto fahre und auch sehr gern ein schönes Auto fahre.

Natürlich haben wir davon gesprochen, dass wir in Sachsen durch die Autoindustrie und die Zulieferindustrie jede Menge Arbeitsplätze haben. Ich habe dabei die Region Chemnitz besonders hervorgehoben. In der Region Chemnitz arbeiten immerhin 21 000 Menschen in der Automobilbranche. Im Gegensatz zu Dresden, wo in dieser Branche 3 200 Menschen arbeiten, ist Chemnitz tatsächlich ein Zentrum, was die Automobilindustrie und die Beschäftigung in dieser Branche betrifft.

Wir wissen auch – auch das ist schon erwähnt worden –, dass gerade in der Automobilindustrie hoch qualifizierte Beschäftigte zu einem guten Lohn arbeiten und dass auch die Vollzeitbeschäftigung in der Automobilindustrie einen sehr guten Durchschnitt aufweist.

Das war die positive Seite. Trotzdem habe ich mir überlegt, was man in so einer Aktuellen Debatte tun kann, um sie überhaupt aktuell zu gestalten. Da ist mir ein Artikel in der „Freien Presse“ mit dem Titel „Ausbau der Elektromobilität in Sachsen stockt“ aufgefallen. Ich dachte, das passt eigentlich ganz gut zur Automobilindustrie, weil wir erst vor Kurzem von Herrn Ministerpräsidenten Tillich gehört haben, dass wir die E-Mobilität in Sachsen als Pilotprojekt für ganz Deutschland ausweiten wollen. Herr Dudenhöffer schreibt in der „Freien Presse“: „Das Schaufenster Elektromobilität zwischen Bayern und Sachsen ist gescheitert. Es ist nicht mehr als Absichtserklärung und ein netter Internetauftritt.“ So viel zur tatsächlichen Realität von fünf Jahren FDP und CDU in Sachsen, was die Automobilindustrie betrifft.

Ich möchte aber in diesem Zusammenhang auch noch auf zwei andere Aspekte hinweisen. Auch das ist andeutungsweise heute schon gekommen. Ich meine die fehlende eigene Industriepolitik des Freistaates bzw. der aktuellen Regierung. Wenn ich mir anschaue, wie sich die Verbindung zwischen Innovationsstrategie, Fortentwicklung des Forschungs- und Technologiestandorts, aktiver

Mittelstandspolitik sowie auf Nachhaltigkeit ausgerichteter Rohstoff- und Energiepolitik zur Weiterentwicklung des Industriestandorts ausrichtet, muss ich sagen, dass man danach in Sachsen vergeblich sucht. Wir wissen, dass sich das auch in aktuellen Zahlen niederschlägt: 75 % des BIP, das heißt 70 % Bruttoentgelt bei den Arbeitnehmern, 35 % bei den F-und-E-Aufwendungen. Da müssen wir uns nicht wundern, wenn Sachsen hier eigentlich noch eine Zuschauerrolle in der deutschen Industriepolitik spielt.

Zum Letzten möchte ich auch noch das Netzwerk Automobilzulieferer Sachsen ansprechen. Seit 13 Jahren war das ein zuverlässiger und engagierter Partner. 2012, 2013 hat sich die schwarz-gelbe Regierung aus den Cluster- und Verbundinitiativen zurückgezogen. Außerdem wurde die Förderung eingestellt. Das nenne ich nachhaltige Wirtschaftspolitik von Schwarz-Gelb.

Und da komme ich zuletzt noch einmal auf die Frühjahrsklausur der CDU-Fraktion zu sprechen, auf der Herr Flath erklärt hat, die CDU habe sich in den letzten Jahren sehr wenig um die Wirtschaftspolitik gekümmert. Ich glaube, das sagt mehr als die heutige Diskussion in der Aktuellen Debatte.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Das war Kollegin Köpping, SPD-Fraktion. Es folgt jetzt Kollege Weichert. Er spricht für die Fraktion GRÜNE.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nach ein wenig Geschichtsunterricht von Herrn Zastrow nun ein kleiner Blick in die Zukunft. Klar, die Automobilbranche, die Automobilindustrie ist eine der wichtigsten Branchen in Sachsen. Die Zahlen sind schon genannt worden. Sie deckt die gesamte Pyramide ab, nämlich vom Hersteller über die Systemlieferanten bis hin zu den Modulherstellern. Deswegen war die Ansiedlung großer Automobilproduzenten ein wichtiger Beitrag für die wirtschaftliche Entwicklung Sachsens und ein positiver Impuls für die gesamte Branche. Das heißt, das Werben und auch das Fördern haben sich für uns gelohnt.

Dass diese Branche in Sachsen ist, ist sicher ein Erfolg der Wirtschaftsförderung der Kommunen und auch des Freistaates. Aber dass die Branche erfolgreich arbeitet, hängt nicht von der Politik ab

(Beifall der Abg. Thomas Kind, DIE LINKE, und Enrico Stange, DIE LINKE)

und natürlich auch nicht von den beantragenden Fraktionen und der Staatsregierung, sondern davon, dass sie ihre Stellung im Markt erreicht hat, behält, verteidigt und auch verbessert.

Die Produzenten greifen Trends auf oder noch besser: Sie setzen Trends; denn die Anforderungen an das Produkt, an das Automobil, sind im Wandel begriffen und die Märkte

natürlich auch. Wir sehen das. Es gibt einen Zuwachs im Exportsektor, vor allen Dingen in Asien, und es gibt eine Stagnation in Europa und Deutschland.

Meine Damen und Herren! Mobil zu sein ist ein Muss in einer modernen Gesellschaft. Allerdings muss man auch sagen, dass Mobilität von heute teuer erkauft ist. Wir erkaufen sie mit Umweltbelastung, mit Klimaerwärmung, mit Verkehrsinfarkt, mit Lärm, mit Feinstaub, mit Unfällen, und es gibt einen neuen Trend: Die junge Generation empfindet ein Automobil nicht mehr als Statussymbol. Da ist es wichtiger, ein modernes Smartphon-Kommunikationsgerät zu haben. Man könnte sagen, es gibt einen Trend, den man Demotorisierung nennen kann. Natürlich gibt es große Unterschiede zwischen Stadt und Land.

Hinzu kommt, dass das Automobil wie viele Industrieprodukte hauptsächlich erdölbasiert ist. Erdöl ist ein fossiler Brennstoff, der nicht mehr unbegrenzt vorhanden ist. Trotzdem steigt der weltweite Verbrauch. Wenn die Vorräte zur Neige gehen – und es ist völlig egal wann, ob das in zehn oder 20 oder 50 Jahren ist –, werden die Preise explodieren. Deshalb muss man sich heute schon die Frage stellen: Was passiert mit meiner Innovation, mit meiner Produktion, mit meinem Produkt, wenn sich beispielsweise der Ölpreis verdoppelt hat? Ist dann die jetzige Investition noch sinnvoll?

Deshalb ist es wichtig und angesagt – und jetzt komme ich zum modernen Zukunftsteil –, sich nach günstigeren Alternativen umzusehen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Das Auto der Zukunft muss weitestgehend ohne Öl auskommen. Den Herstellern ist das übrigens bewusst. Es gibt einen Bericht des Beratungsunternehmens KPMG, das in der Automobilbranche eine Umfrage gemacht hat, bei der festgestellt wurde, dass die Branche zunehmend verunsichert ist. Weil die Hersteller nicht wissen, wohin die Fahrt geht – das liegt an der Politik, weil wir nicht in der Lage sind, Zukunft vorzustellen –, forschen sie in verschiedene Richtungen. Bei der Forschung in der Automobilindustrie gibt es eine Art Fächerstrategie. Das ist die Diversifizierung des verwendeten Materials, also leichte Materialien, dadurch Gewichts- und Energieeinsparung, Kombination von Magnesium, Aluminium, kohlefaserverstärkten Kunststoffen. Es gibt die Diversifizierung der Modellpallette mit ganz neuen Varianten von Karosserien bis zu Klein- und Kleinstfahrzeugen. Es gibt eine Diversifizierung der Wertschöpfung, weg vom Produzenten hin zum Dienstleister für Mobilität.

Die Redezeit läuft ab.

Man bietet den Kunden keine Produkte mehr an, sondern man bietet Lösungen von Mobilität an.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Für die GRÜNEN war das Herr Weichert. Jetzt spricht Herr Delle für die NPD.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Auch mir erschließt sich die Aktualität der Aktuellen Debatte nicht wirklich. Aber ich sage einmal so: Sei es drum! Die sächsische Automobilindustrie und damit auch die deutsche Automobilindustrie – man kann das nicht wirklich getrennt voneinander betrachten – sind wichtig genug, dass wir uns heute hier einmal darüber unterhalten, auch wenn es vielleicht keinen ganz aktuellen Anlass dafür gibt.

Meine Damen und Herren! Auch wir als NPD-Fraktion sind froh darüber, dass wir hier in Sachsen eine so gut aufgestellte Automobilindustrie haben. Mit rund 26 000 Beschäftigten und vielen weiteren Tausenden Beschäftigten bei den Zulieferern ist diese Branche eine wichtige Stütze der sächsischen Wirtschaft. 750 Firmen inklusive Dienstleister und Ausrüster sind in dieser Branche tätig. Wir sehen also, das ist eine wichtige Branche, die in Sachsen für Arbeit, Wohlstand, Sicherheit und Ausbildung sorgt. Deshalb, meine Damen und Herren, müssen gerade wir Sachsen, müssen gerade wir Deutschen ein Interesse daran haben, dass diese wichtige Industrie in Deutschland, in Sachsen weiter blüht und gedeiht und nicht immer wieder Angriffen ausgesetzt wird.

Doch genau dies geschieht immer wieder. Von verschiedenster Seite möchte man – meistens ideologisch motiviert – die Automobilindustrie schlechtreden, am liebsten teilweise kaputt machen. Ich nenne nur einen kleinen Mosaikstein, wie das vor sich gehen kann: Da wurde unter dem Mantel der Sicherheit usw. zum Beispiel von den GRÜNEN als eines der Lieblingsthemen, aber mittlerweile auch von der SPD als ehemaliger Arbeiter- und Industriepartei ein Tempolimit auf deutschen Autobahnen gefordert.

Meine Damen und Herren! Es gibt natürlich viele gute Gründe, ein deutsches Auto zu kaufen. Einer der Gründe ist der, dass man mit einem – ich sage einmal – BMW oder Audi als Beispiel recht zügig und gleichzeitig komfortabel und sicher von Punkt A nach B fahren könnte. Sollte aber in Deutschland, wie von dieser Seite gefordert, ein Tempolimit auf den deutschen Autobahnen durchgesetzt werden, bin ich sicher – und da brauche ich keine wissenschaftlichen Untersuchungen anzustellen, sondern das sagt mir der gesunde Menschenverstand –, dass dies direkt Auswirkungen auf viele Zehntausende von Kunden hätte, die sich sagen würden, wenn ich nur noch mit 100 Stundenkilometern über die Autobahn tuckeln kann, brauche ich kein hochwertiges, hochpreisiges deutsches Auto. Da tut es dann – und das meine ich jetzt nicht unbedingt wertend – vielleicht auch ein Koreaner oder ein Japaner. Es hätte somit direkte Auswirkungen auf viele Tausend Arbeitsplätze hier bei uns in Sachsen und natürlich auch in Deutschland.

Aber, meine Damen und Herren, noch viel schlimmer als das, was hier von SPD und GRÜNEN immer wieder gefordert wird, ist das, was uns seitens Brüssel aufs Auge gedrückt wird. Hier könnte man – wenn man es bösartig ausdrücken möchte – sagen: Was in den letzten Jahren

immer wieder durchgedrückt und gefordert wurde, ist ein direkter Angriff auf die deutsche Automobilindustrie. Das Schlimme ist, man weiß noch gar nicht, was diese verrückten Brüsseler Bürokraten noch alles weiter planen. Aber das, was schon geplant ist, ist schlimm genug.

Komischerweise ist es so, meine Damen und Herren, es trifft fast ausschließlich die deutsche Automobilindustrie. Es wird selten und manchmal gar nicht die französische, die italienische, die spanische Autoindustrie betroffen, sondern es sind, wie gesagt, meist die Deutschen, die unter den Wahnsinnsplänen leiden müssen, die immer wieder in Brüssel verabschiedet werden. Für mich hat das den Anschein – und das sage ich jetzt durchaus etwas polemisch und zugespitzt, aber ich denke, so weit bin ich von der Wahrheit nicht weg, wenn man sagen kann, das deutsche Geld wird in Europa gern gesehen, sei es für die Hilfe für irgendwelche Pleitestaaten, sei es für den EUHaushalt, wo wir jedes Jahr 25 Milliarden Euro bezahlen, 12 Milliarden Euro davon sind Nettozahlungen. Das heißt also, wir zahlen 12 Milliarden Euro mehr nach Brüssel, als wir von dort zurückbekommen. Aber deutscher Einfluss – und sei es nur auf dem Automarkt – wird in Brüssel und in Europa nicht gern gesehen.

Aber da denken die Brüsseler Demokraten doch etwas zu kurz; denn, meine Damen und Herren, Tatsache ist, dass gerade die deutsche Automobilindustrie wesentlich dazu beiträgt, dass wir in Deutschland, in Sachsen verhältnismäßig gesehen einen durchaus besser gefüllten Steuersäckel haben, als das in vielen anderen Ländern der Fall ist.

Deshalb, meine Damen und Herren, sagen wir als NPD ganz klar: Wir müssen uns vor die Automobilindustrie stellen. Sie ist der Garant für viele Hunderttausende Arbeitsplätze, für viele Familien, die davon leben können, für hochwertige, hoch bezahlte, hochtechnologische Arbeitsplätze. Das ist unsere Aufgabe als Politiker. Ich fordere die Staatsregierung auf, sich endlich vor die Automobilindustrie zu stellen, weitere Belastungen zu verhindern, im Gegenteil, endlich für eine Entlastung in diesem Bereich zu sorgen. Das ist Ihre verdammte Pflicht, und dazu fordere ich Sie, wie gesagt, auf.

Danke schön.

(Beifall bei der NPD)

Mit Herrn Delle, der für die NPD-Fraktion gesprochen hat, haben wir die erste Runde beendet und eröffnen eine zweite Runde. Zunächst erteile ich wieder den einbringenden Fraktionen das Wort. Für die CDU-Fraktion ergreift das Wort erneut Herr Heidan.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es war sehr aufschlussreich zu verfolgen, wie hier die Redebeiträge der linken Opposition vorgetragen wurden. Ich muss einmal die Frage in den Raum stellen, Herr Gebhardt, an Sie und ebenfalls an Sie, Frau Köpping: Wer hat denn die Voraussetzungen geschaffen, dass sich drei Automobilstandorte hier in

Sachsen, hier in unserer Heimat etablieren konnten? Das war den klugen Politikern in den Neunzigerjahren unter Führung der CDU geschuldet und niemandem anders.

(Stefan Brangs, SPD: Deshalb sind Sie auch in Leipzig, das passt wunderbar! – Zuruf von der CDU: Da warst du noch gar nicht da! – Zurufe von den LINKEN und der SPD – Starke Unruhe im Saal)

Es ging darum, hier innovative Produkte herzustellen, die Rahmenbedingungen in Sachsen zu schaffen. Das hat die CDU-Mehrheit Anfang der Neunzigerjahre geschafft, meine Damen und Herren. Das muss ich Ihnen deutlich ins Stammbuch schreiben.

(Beifall bei der CDU und der Staatsregierung – Proteste bei den LINKEN und der SPD)

Wenn Sie heute schon meinen Fraktionsvorsitzenden so oft zitieren, dann weise ich darauf hin, dass auch er daran als Umweltminister Anteil hat, zum Beispiel bei der Umweltallianz mit VW. Das war vorausschauende Politik, die wir als CDU hier betrieben haben.

(Stefan Brangs, SPD: Ach? – Zuruf von den LINKEN)

Herr Gebhardt, ich würde Ihnen schon empfehlen, sich die Berichte des Statistischen Landesamtes anzuschauen. Sie haben hier von Niedriglohn, von Mindestlohn und was weiß ich alles gesprochen.