Protokoll der Sitzung vom 27.04.2015

Wir beantragen weiterhin, dass die Staatsregierung aufgefordert wird, mit der Bundesregierung schnellstmöglich Verhandlungen zu führen, damit das Forschungsprojekt wieder aufgenommen werden kann. Die Sächsische Staatsregierung befände sich dabei übrigens in guter Gesellschaft, denn auch der deutsche Außenminister Frank-Walther Steinmeier, der russische Außenminister Sergej Lawrow, der CDU-Bundestagsabgeordnete Arnold Vaatz und die Deutsche Kriegsgräberfürsorge wandten sich seinerzeit gegen die Beendigung des Projektes 2014.

Wir befinden uns im 70. Jahr der Befreiung des Nationalsozialismus und der Beendigung des Zweiten Weltkrieges in Europa. Das Schicksal der Millionen Gefangenen spielte sowohl in der DDR als auch in der BRD eine untergeordnete Rolle. In der Sowjetunion wurden die vormals unter Stalin als Landesverräter stigmatisierten Opfer erst 1995 offiziell rehabilitiert.

Die Mitarbeiter des Projektes haben sich in jahrelanger Arbeit auf international höchstem Qualitätsniveau Zugang zu den Archiven des FSB erarbeitet. Für diese Arbeit möchte ich im Namen meiner Fraktion dem ehemaligen Leiter dieses Projektes, Herrn Dr. Müller, sowie dem Historiker Herrn Dr. Haritonow und den an diesem Projekt Beteiligten sehr herzlich danken.

(Beifall bei den LINKEN)

Diesen Zugang dürfen wir jedoch nicht verlieren und müssen daran anknüpfen; denn wenn das Projekt nicht weitergeführt wird, ist zu befürchten, dass die Russen den Zugang zu den Archiven schließen, und so wäre auch die Schicksalsklärung deutscher Kriegsgefangener gefährdet.

Das in Sachsen ansässige Forschungsprojekt hatte internationale Strahlkraft der Aussöhnung mit den Nachfolgestaaten der Sowjetunion und Russland. Deswegen sollten auch mit der Bundesregierung darüber Verhandlungen geführt werden, dieses Projekt in Sachsen zu belassen und es nicht in eine Bundesdienststelle nach Berlin zu überführen.

Die besondere Verantwortung Deutschlands ist nicht allein historisch bedingt. Aus eigener Kraft, aber vor allem aus alliierter Unterstützung heraus hat Deutschland eine Position als wirtschaftlich starker Partner und durch seine geografische Lage als Diplomat. Gerade wir Deutschen verdienen unsere Glaubwürdigkeit, Krieg zu verhindern zu suchen, auch dadurch, dass wir Frieden ermöglichen.

Die Anerkennung und Aufarbeitung des von unserem Land ausgegangenen millionenfachen Leides gehört zu dieser Glaubwürdigkeit, zu unserer Verantwortung. Die Fortführung des Projektes gebietet weiterhin schlicht die Menschlichkeit.

Ich bitte Sie, stimmen Sie unserem Antrag zu. Haben Sie vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei den LINKEN und der Abg. Dr. Claudia Maicher, GRÜNE)

Für die CDU-Fraktion Frau Abg. Fiedler.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! „Nur eine Minderheit der rund fünf Millionen Gefangenen konnte am Ende des Krieges in die Heimat zurückkehren. Die Zahl der mehr als drei Millionen Toten ist so hoch wie bei keiner anderen Gefangenengruppe“, sagte Landtagspräsident Dr. Matthias Rößler anlässlich der Gedenkveranstaltung für die Opfer des Nationalsozialismus am 27. Januar 2013. Anschließend sprach Herr Dr. Alexander Haritonow von der Dokumentationsstelle der Stiftung Sächsische Gedenkstätten über die Aufklärung von Kriegsgefangenenschicksalen.

Vielen von uns sind diese Reden und die anschließende Lesung von Schülern des Lößnitzgymnasiums Radebeul noch in eindrücklicher Erinnerung. Drei Millionen tote Kriegsgefangene durch Hunger, Kälte, Krankheit und furchtbare Haftbedingungen – was für eine unfassbare Zahl, was für ein grausamer, schrecklicher Krieg!

Neben dem Gedenken an die Opfer erwächst daraus auch die Verantwortung für uns, die Erinnerung an ihre Schicksale weiterhin wachzuhalten. Das Forschungsprojekt zur Schicksalklärung von sowjetischen Kriegsgefangenen des Zweiten Weltkrieges leistet einen wichtigen Beitrag für die notwendige Aufarbeitung. Es begann im Jahr 2000 zunächst für sowjetische und ab 2003 auch für deutsche Kriegsgefangene. Es geht insbesondere um Quellensicherung, um die Erarbeitung wissenschaftlicher Beiträge zur Kriegsgefangenenforschung. Mithilfe dieses Projektes werden unter anderem die Grundlagen für Auskünfte an Angehörige über ihre seit Jahrzehnten vermissten Familienmitglieder geschaffen.

Die Dokumentationsstelle ist die größte deutsche Auskunftsstelle zu sowjetischen Kriegsgefangenen. Im November 2009 wurde die Datenbank „Sowjetische Kriegsgefangene“ sowie auch eine Datenbank zu deutschen Gefangenen in Auszügen online gestellt. Die Resonanz und auch die Dankbarkeit von Familienangehörigen waren überwältigend. Durch seinen wissenschaftlichen und dokumentarischen Ansatz leistet das Projekt einen unschätzbaren Beitrag zur Aufarbeitung des Krieges und gleichzeitig zur Versöhnung ehemaliger Kriegsgegner.

Für diese engagierte Arbeit, die die wissenschaftlichen Mitarbeiter der Dokumentationsstelle der Stiftung Sächsische Gedenkstätten in den letzten 15 Jahren geleistet haben, möchte ich mich im Namen der CDU-Fraktion ganz herzlich bedanken.

Angesichts der wichtigen Aufgabe und der großen humanitären und symbolischen Bedeutung des Projektes ist es richtig und wichtig, dass die Arbeit weitergeführt und auch weiter vom Bund mitfinanziert wird. Wir sind sehr froh über die Signale, dass sich der Bund an der Förde

rung weiterhin beteiligen will – was angesichts der nationalen und internationalen Bedeutung und Größe des Projektes auch angemessen ist. Allein aus Landesmitteln die Forschung in diesem Umfang weiter zu finanzieren wäre nicht möglich gewesen. Aber wir wollen und werden gern unseren Beitrag zum Fortbestand leisten.

(Beifall bei der CDU und vereinzelt bei der SPD)

Deshalb werden wir morgen dem Haushalt für die Stiftung Sächsische Gedenkstätten zustimmen und damit auch dem Antrag von CDU und SPD auf eine Erhöhung des Zuschusses. So kann die Arbeit der Auskunftsstelle während einer Übergangszeit weitergeführt werden.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das eindeutige Signal dieses Hauses lautet: Die Beratungs- und Forschungsarbeit der Dokumentationsstelle wird fortgesetzt. Dafür brauchen wir aber keinen Antrag der LINKEN, da die Arbeit der Staatsregierung bereits deutlich weiter vorangeschritten ist. Dafür wollen wir uns bedanken und empfehlen der Fraktion DIE LINKE, morgen dem Haushalt zuzustimmen. Damit leisten Sie einen wirklichen Beitrag zur Fortsetzung dieses so wichtigen Projektes.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU und der SPD)

Nun die SPD-Fraktion; Frau Abg. Kliese, Sie haben das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es gibt Anträge in diesem Haus, da spare ich Ihnen gern die Lebens- und meiner Fraktion die Redezeit; der vorliegende gehört zu dieser Kategorie.

(Heiterkeit des Abg. Christian Piwarz, CDU)

Er ist inhaltlich bereits im Ausschuss erörtert und praktisch im Regierungshandeln in der Lösung. Aus dem praktischen Teil wird die Ministerin – die sich für das Thema übrigens weitaus mehr engagiert hat, als es Ihr Antrag vermuten lässt – sicherlich nachher berichten.

5,7 Millionen sowjetische Soldaten gerieten in die deutsche Kriegsgefangenschaft, mehr als drei Millionen von ihnen verstarben, und sie gehören sicherlich zu einer Opfergruppe, die weitaus mehr Aufmerksamkeit auch in einem anderen Rahmen als in diesem erfahren müsste. Das Mindeste ist also das Dokumentieren, das Recherchieren ihrer Schicksale oder – wie Hannah Arendt es so schön gesagt hat – „zu wissen und es auszuhalten, dass es so und nicht anders gewesen ist“.

Das ist viel Arbeit und auch wir – meine Fraktion – wollen denjenigen, die diese Arbeit bisher geleistet haben, herzlich danken, besonders Herrn Dr. Müller.

(Beifall bei der SPD, der CDU und der Staatsregierung)

Dass dies weiter geschehen soll, ist nicht zuletzt mit einem Antrag von CDU und SPD im Rahmen des Haus

haltsverfahrens gesichert worden. Der Antrag war bereits Bestandteil der Einigung beider Fraktionen, bevor der Ihre in den Umlauf kam – um auch hier einer Legendenbildung entgegenzuwirken.

Gerade angesichts des sehr bewegenden historischen Hintergrundes hätte ich mich gefreut, wenn wir auch bei diesem Thema auf eine parteipolitische Aufladung hätten verzichten können. Der Antrag ist aufgrund des Änderungsantrages der Regierungsfraktionen zum Haushalt sowie der aktuellen Handlungen und Verhandlungen der Ministerin obsolet.

(Beifall bei der SPD, der CDU, des Abg. Dr. Stefan Dreher, AfD, und der Staatsregierung)

Nun die Fraktion AfD; Frau Abg. Dr. Muster, bitte, Sie haben das Wort.

Vielen Dank. – Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es geht in diesem Antrag der LINKEN um das Projekt „Sowjetische und deutsche Kriegsgefangene und Internierte, Forschungen zum Zweiten Weltkrieg und zur Nachkriegszeit“. Dieses Projekt wurde bis zum Jahre 2014 insgesamt 14 Jahre lang gefördert, dann wurde die Förderung eingestellt.

Inhaltlich ging es darum, dass russische und deutsche Bürger Auskunft erhalten, wo ihre Angehörigen in Sachsen im Zweiten Weltkrieg zu Tode gekommen sind, und um die Erforschung und Sichtung weiterer Personalunterlagen zur Klärung weiterer Einzelschicksale.

Es ist ein elementares Bedürfnis eines jeden Menschen zu wissen, was aus seinen Angehörigen geworden ist, wie sie ums Leben gekommen sind und wo sie bestattet wurden. Dieses elementare Bedürfnis eines jeden Menschen umfasst die Menschenwürde, die gemäß Artikel 1 Grundgesetz geschützt wird und die alle staatliche Gewalt bindet.

Es ist aber auch ein Ausdruck der Versöhnung und des Respekts gegenüber unseren östlichen Nachbarn und unseren Mitbürgern 70 Jahre nach Beendigung des Krieges.

Die AfD-Fraktion befürwortet ausdrücklich die Weiterführung dieses Projektes. Wir haben Medienberichten und den Ausführungen der Frau Ministerin Stange entnommen, dass bereits jetzt die Auskunftserteilung für das laufende Haushaltsjahr 2015 gesichert ist und auch die Verhandlungen für die Auskunftserteilung mit dem Bund für das Jahr 2016 auf einen guten Weg gebracht wurde.

Schade, dass es bei der weiteren Kostenübernahme für die Forschungstätigkeit noch Schwierigkeiten gibt. Gerade die Erforschung weiterer Personalunterlagen wäre wichtig.

Wir wollen deshalb dem Antrag der LINKEN zustimmen und fordern ausdrücklich die Weiterführung des Gesamtprojektes. Denn in der Tat hat die Stiftung Sächsische

Gedenkstätten mit diesem Projekt einen wichtigen Beitrag zur Aussöhnung der kriegsbeteiligten Völker geleistet.

Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der AfD)

Meine Damen und Herren, die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN ist an der Reihe; Frau Abg. Dr. Maicher, bitte.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die GRÜNE-Fraktion begrüßt es, dass die Nachkommen sowjetischer Kriegsgefangener wieder Auskunft über das Schicksal ihrer Verwandten erhalten sollen, wenn die Dokumentationsstelle Dresden der Stiftung Sächsische Gedenkstätten ab Mai wieder finanziert wird. Die erneute Beteiligung des Bundes an der Finanzierung ab dem kommenden Jahr ist eine gute Nachricht. Die Einsicht kam sehr spät. Aber besser spät als nie. Ich frage mich ernsthaft, wer hier eigentlich wie das Verfahren gesteuert hat. Diesen Fall sollten wir besser aufklären, damit die Beteiligten daraus lernen können.

Die Förderung durch den Bund ist nach mehrmaliger Verlängerung am 31.12.2014 abgelaufen. Die Befristung war allen klar. Dann mussten die Angestellten entlassen werden. Das Projekt wurde endgültig auf Eis gelegt. Ich finde, das war das denkbar schlechteste Zeichen zum 70. Jahrestag des Endes des Zweiten Weltkrieges.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Dass es einen Beschluss zur Fortführung brauchen würde, war doch lange vorher absehbar. Warum wurde das erst so spät bemerkt? Oder gab es vielleicht einen Sinneswandel? Es war jedenfalls nie davon zu hören, dass die Bundesregierung ihrer Verpflichtung nicht mehr nachkommen wolle.

An die Adresse der Stiftungsleitung geht die Frage: Warum ist der Stiftungsleiter – nach eigener Aussage – lange ohne Finanzierungszusage nach Hause geschickt worden und hat nicht rechtzeitig Alarm geschlagen?

Wie geht es jetzt weiter? Gibt es personelle Kontinuität?