Protokoll der Sitzung vom 27.04.2015

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU, der AfD und des Staatsministers Martin Dulig)

Das war Kollege Krauß für die CDU-Fraktion. Für die SPD-Fraktion spricht jetzt Kollege Baum.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Jedem ist doch klar: Die Nutzung der Braunkohle als Rohstoff für die chemische Industrie und zur Stromerzeugung ist endlich. Das heißt, das Ende dessen ist absehbar.

Es geht also gar nicht darum, ob, sondern unter welchen Bedingungen ein Ausstieg aus der Braunkohle erfolgen kann. Das Zeitfenster dafür können nicht nur einige wenige Jahre sein, sondern hier müssen wir auch über

Jahrzehnte reden, um den davon betroffenen Regionen Überlebenschancen zu lassen.

(Valentin Lippmann, GRÜNE: Da muss man aber mal anfangen!)

Nach dem übereilten Ausstieg aus der Atomenergie – das ist heute schon mehrfach gesagt worden – ist ein weiterer, übereilter Ausstieg aus der Braunkohle aus energiepolitischen, wirtschaftlichen und vor allem strukturellen Gründen wenig sinnvoll. Er wäre absolut falsch.

Die energiepolitischen und wirtschaftlichen Gründe sind allseits diskutiert und bekannt. Aus Sicht der Lausitz in Sachsen und in Brandenburg – und aus deren Sicht spreche ich hier – sind gerade jetzt die strukturellen Gründe von besonderer Wichtigkeit.

Der grüne Staatssekretär Baake aus dem Bundeswirtschaftsministerium – ein selbst erklärter Gegner der Braunkohle – hat ein in meinen Augen grottenschlechtes Eckpunktepapier auf die Öffentlichkeit losgelassen,

(Beifall bei der SPD und der CDU)

das insbesondere die Lausitz vor nicht so schnell lösbare Probleme stellt. Dieses Eckpunktepapier muss verschwinden. Es ist nicht nur eine Gefahr für Zehntausende Arbeitsplätze in der Lausitz, sondern es gefährdet auch die wirtschaftliche Existenz von Familien, von Strukturen, von Wirtschaftskreisläufen, von Kommunen und diversen Vereinen, zum Beispiel Kinder-, Sport- und Freizeitvereinen. Es ist tödlich für diese Region. Es ist tödlich für meine Heimat.

(Dr. Gerd Lippold, GRÜNE, steht am Mikrofon.)

Gestatten Sie eine Zwischenfrage, Kollege Baum?

Ja, bitte.

Bitte.

Kollege Baum, liegen Ihnen irgendwelche Daten darüber vor, welche realen Auswirkungen das derzeit vorliegende Gabriel-Papier auf die sächsische Lausitz hat? Was würde es konkret bedeuten, wenn Sie sagen, das sei der Tod für die Lausitz?

Das bedeutet, dass es ab 2017 weniger Arbeit gibt und Vattenfall zum Beispiel nichts mehr tun wird, wenn es Vattenfall dann noch gibt.

(Beifall bei der SPD und des Abg. Wolf-Dietrich Rost, CDU – Christian Piwarz, CDU: Richtig!)

Lassen Sie mich weiter ausführen. Dieses Eckpunktepapier gibt aktuell dem Konzern Vattenfall ein Alibi, nichts mehr für die Region zu tun, bestehende Verträge – und das ist aktuell der Fall – infrage zu stellen, zum Beispiel den Schulneubau in Schleife, und neue, erst Anfang 2015 ausgehandelte Verträge nicht einmal mehr zu parafieren, obwohl dies noch am 10. März dieses Jahres beim Parla

mentarischen Abend von Vattenfall in Dresden angekündigt wurde.

Die von der Umsiedlung betroffenen Menschen in Schleife, Trebendorf und andernorts sitzen de facto schon auf gepackten Koffern. Sie hatten sich damit arrangiert und haben den Worten sowohl des Konzerns als auch der Politik vertraut. Dass auf den Rücken dieser Menschen mit dem Baake-Papier Politik gemacht wird, das werden wir so nicht akzeptieren.

Seit der politischen Wende in der DDR, seit Anfang der Neunzigerjahre hatte diese Region, die Lausitz, bereits einen riesigen Strukturwandel hingenommen, infolgedessen Städte wie Weißwasser quasi die Hälfte ihrer Einwohnerschaft verloren haben. Die Region kann nicht nur vom Tourismus oder von den Wölfen leben.

(Gelächter bei den GRÜNEN – Valentin Lippmann, GRÜNE: Jetzt wird es aber dünne!)

Auch in der Lausitz haben die Menschen ein Recht auf Lebensqualität, auf wirtschaftliche Perspektive – eine nachhaltige Perspektive, die Bund und Länder erst noch entwickeln müssen. Dazu braucht man Zeit. Wer jetzt dieses Baake-Papier bejubelt bzw. dem schnellen Braunkohlenausstieg das Wort redet, den fordere ich auf, nach Schleife oder nach Trebendorf zu fahren und den Menschen vor Ort zu sagen, dass ihre Lebensperspektive in der Region zugunsten der CO2-Statistik der Bundesrepublik Deutschland geopfert werden muss.

(Zuruf des Abg. Mirko Schultze, DIE LINKE)

Was wir brauchen, ist ein tragfähiges und nachhaltiges Strukturkonzept, das in der Region neue Wirtschaftszweige und berufliche Alternativen entstehen lässt. Ich lade Sie gern ein, gemeinsam mit uns daran zu arbeiten. Die GRÜNEN und auch Die LINKEN haben noch nichts Konkretes vorgelegt.

(Valentin Lippmann, GRÜNE: Aber Sie?)

Wenn wir etwas Konkretes haben, dann können wir schrittweise und langfristig den Menschen neue Perspektiven und Arbeitsbereiche aufzeigen, und erst dann ist ein Ausstieg aus der Braunkohle umsetzbar. Das wird noch nicht in zehn Jahren der Fall sein.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der SPD, der CDU und des Staatsministers Martin Dulig)

Kollege Baum sprach für die miteinbringende SPD-Fraktion. Wir fahren fort in der Rednerreihe. Für die Fraktion DIE LINKE spricht jetzt Kollege Brünler.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Kohlebergbau – wir haben es heute schon mehrfach gehört – hat in diesem Land eine lange Tradition. Er hat Regionen geprägt – im Positiven wie im Negativen. Er hat Landschaften und Biografien geprägt. Viele, die in den

Braunkohlenrevieren tätig waren, sind sicherlich zu Recht stolz auf das Erreichte.

In der Tat müssen wir die Sorgen und Nöte der Kohlekumpel und Kraftwerksmitarbeiter ernst nehmen, die zu Tausenden am Wochenende auf die Straße gegangen sind.

(Alexander Krauß, CDU: Wir machen das!)

Na ja, mit Ihrem heutigen Antrag haben Sie das nicht gezeigt, denn schon der Titel ist der erste Denkfehler, der sich offenlegt. Denn Politik des Verdrängens und eine Politik des Vor-sich-her-Schiebens ist genau das nicht. Und ein Aussitzen des Kohleausstiegs ist weder eine Zukunftsperspektive für die Lausitz, noch sichert es unsere langfristige Energieversorgung.

(Beifall bei den LINKEN)

Herr Kollege Krauß, das ist genau das, was Sie wollen und was Sie vorhin gesagt haben: Sie wollen weiter Kohle fördern, und das dauerhaft.

(Alexander Krauß, CDU: Richtig!)

Meine Damen und Herren, das Problem ist, das Prestigeprojekt Energiewende ist ins Stocken geraten. Die deutschen Klimaziele sind gefährdet – nicht zuletzt deswegen, weil das Thema viel zu sehr auf Strom fixiert war und es letztlich auch keine einheitliche europäische Perspektive darauf gab.

Nun liegt ein Vorstoß des Bundeswirtschaftsministers vor für eine Klimaabgabe auf ältere Kohlekraftwerke mit zu hohem CO2-Ausstoß. Die Idee ist im Grunde nicht schlecht. Der Haken allerdings ist: Ein nationaler Alleingang hat oftmals die Folge, dass Probleme nicht gelöst, sondern lediglich geografisch verlagert werden. Aber trotzdem, Denken in diese Richtung ist notwendig.

Der Braunkohlenstrom boomt zurzeit trotz steigenden Anteils regenerativer Energien. Woran liegt das? Kraftwerke laufen auf Hochtouren, Strom wird exportiert. Ja, ganz einfach, der Handel mit Emissionszertifikaten, so wie er auf europäischer Ebene vereinbart war, funktioniert nicht wie geplant. Die CO2-Preise sind weit unter den Erwartungen. Es gibt keinen Steuereffekt. Nicht zuletzt aufgrund der Wirtschaftslage in Südeuropa ist CO2 im Moment eindeutig zu teuer.

(Alexander Krauß, CDU: Zu teuer?)

Zu billig – Entschuldigung; danke für die Korrektur.

Das heißt, das ursprüngliche Instrument funktioniert schlichtweg nicht. Es bleibt uns nichts anderes übrig, als eine Neuausgestaltung des europäischen Emissionshandels zu fordern oder sich für einen CO2-Mindestpreis einzusetzen.

Wir haben es heute in diesem Haus schon mehrfach gehört: Für manche ist das, was die Bundesregierung vorgelegt hat, so etwas wie ein Kohleausstiegsgesetz. Aber, man muss natürlich sagen, es geht hier nicht um einen sofortigen Kohleausstieg, denn auch das gehört dazu: Wenn man irgendwann 50 % regenerative Energie

quellen erreicht hat, dann muss man sich natürlich fragen, woher der Rest kommen soll. Das heißt, für Kohle wird auf absehbare Zeit – auch mit diesen Plänen – auch in Sachsen weiter Platz bleiben. Aber man muss natürlich auch damit anfangen; man muss damit anfangen wollen. Wenn wir sagen, Braunkohle ist eine Brückentechnologie, dann müssen wir auch tatsächlich über die Brücke gehen und das andere Ufer wirklich erreichen wollen, meine Damen und Herren.

Energiewende und Klimaschutz ohne Rückzug aus der Kohleverstromung – so ehrlich müssen wir sein – wird es nicht geben. Das hat in letzter Konsequenz auch Folgen für Arbeitsplätze im Braunkohlenbereich. Aber unser Ziel muss eine sichere, saubere und bezahlbare Energieversorgung sein und gleichzeitig ökonomische Perspektiven für die Menschen in den betroffenen Regionen.

Das Signal, welches aus der heutigen Debatte hervorgeht, sollte sein: Es ist Aufgabe der Staatsregierung, auf Bundesebene Gespräche über die Ausgestaltung der Klimaschutzabgabe nach den Vorschlägen des Bundeswirtschaftsministeriums zu führen.