Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich finde, dass die Präsenz hier im Plenum – und das hat auch mein Vorredner von den GRÜNEN schon angesprochen – dieser Thematik leider überhaupt nicht angemessen ist. Es wurde bereits erwähnt, dass es hier um nicht mehr und nicht weniger geht als die Grundlage der menschlichen Existenz.
Denen, die jetzt aus bestimmt nachvollziehbaren Gründen diesen Moment für ihre Mittagspause nutzen, sei gesagt, dass es in den nächsten Jahrzehnten vor allem um die Grundlagen unserer Nahrung geht, denn es ist vielleicht nicht richtig, was Einstein sagte, dass der Mensch aussterben wird, wenn es die Biene einmal nicht mehr geben wird, aber richtig ist, dass die Biene 80 % unserer Nutzpflanzen bestäubt und dass sich, wenn es die Biene einmal nicht mehr geben wird, unsere Speisekarte dementsprechend reduziert.
Ich beginne, um die Aufmerksamkeit derjenigen, die noch hier sind, ein bisschen mehr auf dieses Thema zu ziehen, mit einem Rätsel. Ich beschreibe jetzt ein Tier. Es wiegt bis zu 650 Gramm. Männchen sind meist schwerer als Weibchen. Das grenzt es noch nicht so ein. Es ist das bunteste europäische Pelztier. Es frisst gern Kartoffeln, Klee, Rüben und Mais. Im Winter braucht es zwei Kilo davon, um seinen Winterschlaf zu meistern, und es verfügt über gut ausgeprägte Backentaschen.
Sie kennen ihn noch, den Feldhamster. Vielleicht haben Sie auch so wie ich als Kind gern das Buch „Hamstersommer – ein Jahr im Leben eines Feldhamsters“ gelesen. Noch bis 1980 war der Feldhamster in der DDR so häufig, dass es für ein erlegtes Tier eine Prämie gab. Heute müsste es wohl eine Prämie für denjenigen geben, der noch einen Feldhamster aufspüren kann. Er gehört leider zu den 32 000 Arten, die in der bereits angesprochenen Roten Liste geführt werden. 30 % sind direkt bestandsgefährdet. Bezogen auf Sachsen können wir von 25 % der Arten, die im Bestand gefährdet sind, sprechen. Sachsen liegt hier also unter dem Bundesdurchschnitt. Das ist allerdings trotzdem kein Anlass zur Freude. Die Voraussetzungen für die Existenz von Arten sind geeignete Lebensräume und intakte Ökosysteme. Beides sorgt für sauberes Wasser und saubere Luft. Ohne dieses werden wir nicht überleben können. Pflanzen sind unsere Rohstofflieferanten und die erwähnten Bienen bestäuben unsere Pflanzen.
Es gehört zur Geschichte unseres Planeten – das hat vielleicht auch mein Kollege Hippold gemeint –, dass Tierarten hin und wieder aussterben. Das war der Dinosaurier. Das ist richtig. Allerdings muss es nicht zur Geschichte unseres Planeten gehören, dass Pflanzen- und Tierarten aussterben, weil der Mensch dafür verantwortlich ist und ihre Lebensräume zerstört.
Das ist ein ganz deutlicher Unterschied, den man an dieser Stelle machen muss, denn das ist eben nicht der Lauf der Natur, sondern das sind die Ergebnisse eines erschreckenden Eingriffs in den Lauf der Natur. So ist es durch den Menschen gekommen, dass das Artensterben in den letzten hundert Jahren eine beängstigende Dynamik angenommen hat. Allein in Deutschland sind im 20. Jahrhundert 22 Wirbeltierarten ausgestorben. Die Ursachen dafür wurden bereits genannt: Vernichtung von Lebensraum durch Flächenverbrauch, Gefährdung aus dem Bereich der Landwirtschaft, zu viel Dünger oder Monokultur. Deshalb sollte das Bewusstsein in der Bevölkerung für ökologische Zusammenhänge gestärkt werden. Das gilt vor allem für jene Gefahren, die vom menschlichen Handeln ausgehen.
Deshalb ist die heutige Aktuelle Debatte richtig und wichtig, denn die Erfolge, die wir bisher im Artenschutz erzielt haben, fußen nicht auf einem tief greifenden gesellschaftlichen Bewusstsein und Verständnis, sondern auf der Einhaltung strenger gesetzlicher Regelungen, wie zum Beispiel dem Jagdverbot oder auf Artenschutzmaßnahmen, zu denen wir aufgrund gesetzlicher Regelungen verpflichtet sind.
Mit einem Umdenken hat das leider noch nicht viel zu tun. Ich möchte dennoch an dieser Stelle ein paar positive Beispiele zur Ermutigung nennen, bei denen es in Sachsen dazu geführt hat, dass aufgrund der Einhaltung von Regelungen Arten geschützt werden konnten. Das geschah zum Beispiel durch die verbesserte Wasserqualität.
Wir können feststellen, dass aufgrund der Einhaltung von EU-Richtlinien verschiedene Tierarten davon profitieren. Dazu zählen zum Beispiel die Wasseramsel, die Bachforelle, das von Ihnen erwähnte Bachneunauge und die grüne Keiljungfer, eine Libelle.
An diesen Beispielen wird deutlich, dass ein intaktes Ökosystem dazu beitragen kann, Arten zu schützen, und dass die Verbesserung der Wasserqualität einen deutlichen Einfluss auf den Erhalt dieser Arten hat. Dies verdanken wir der strengen Einhaltung von Regeln, die die Europäische Union uns mit der Wasserrahmenrichtlinie auferlegt hat.
Damit möchte ich zu meinem letzten Satz kommen: Ich mahne zu Achtsamkeit und zu Wachsamkeit hinsichtlich der Regeln der Europäischen Union. Es ist zu befürchten, dass mit dem „Fitness Check“ die Schutzstandards zurückgedrängt werden sollen.
Dem sollten wir dringend entgegenwirken, damit unsere Kinder und Enkel den Feldhamster nicht nur – wie es bei den Erdmännchen der Fall ist – aus dem Zoo kennen.
Frau Kollegin Kliese sprach für die SPD-Fraktion. Jetzt kommt Herr Urban für die AfD-Fraktion zu Wort.
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich möchte in meinem Debattenbeitrag vor allen Dingen auf die Schwerpunktsetzung der sächsischen Naturschutzpolitik eingehen und dort insbesondere besprechen, inwieweit bei unserem Arten- und Biotopschutz in Sachsen Effizienz wirklich eine große Rolle spielt.
Nach wie vor ist ein Großteil der Tier- und Pflanzenarten vom Aussterben bedroht bzw. stark gefährdet. Das geht eindeutig aus einem Vergleich der Roten Listen für die verschiedenen Arten aus den Neunzigerjahren und aus den Zweitausenderjahren hervor. Bei den meisten Arten gibt es leider keine Verbesserung des Gefährdungsgrades. Einige wenige Arten haben allerdings dramatische Bestandsveränderungen. Beispielhaft sei hier der Kiebitzbestand genannt. Die Brutpaare sind um 50 % seit Beginn der Neunzigerjahre zurückgegangen. Bei den Rebhuhnbeständen ist es sogar ein Rückgang um 90 %.
Parallel dazu entwickeln sich die Ausgaben des Freistaates Sachsen für den Arten- und Biotopschutz positiv. Die beiden Hauptinstrumente sind die Richtlinie Natürliches Erbe und ELER, aus denen der Großteil der Naturschutzmaßnahmen finanziert wird. Sie bewegen sich im zweistelligen Millionenbereich. Man könnte konstatieren, dass
trotz des jährlichen Einsatzes von Millionen Euro keine bzw. kaum eine Verbesserung des Artenbestandes stattfindet. Das scheint auf den ersten Blick nicht effizient zu sein.
Ein wichtiger Grund für das fortgesetzte Artensterben ist aus meiner Sicht die moderne Landwirtschaft. Durch den regelmäßigen Einsatz von Insektiziden und Herbiziden, die zur modernen Landwirtschaft gehören, reduziert sich die Artenvielfalt auf den bewirtschafteten Flächen extrem. Hinzu kommen große Schläge, ein Rückgang von Feldgehölzen und von Grünlandbeständen, gerade im Zusammenhang mit dem Energiepflanzenanbau.
Ein zweiter wichtiger Punkt ist aus meiner Sicht, dass der Freistaat seit 25 Jahren im Hinblick auf den Naturschutz den Schwerpunkt auf Pflegemaßnahmen anstatt auf Wildnisflächen setzt. Der überwiegende Teil der geförderten Naturschutzmaßnahmen schafft leider keine bleibenden Werte, sondern erhält mit großem Aufwand auf vielen Flächen Kulturbiotope, die ohne diese Maßnahmen eine andere natürliche Vegetation hätten.
Eines der Hauptfinanzierungsinstrumente für den Naturschutz in Sachsen sind die Agrarumweltmaßnahmen innerhalb des ELER-Fonds, des Europäischen Fonds für die Entwicklung des ländlichen Raumes. Diese Maßnahmen richten sich richtigerweise an Landwirte und Grundstückseigentümer. Diese besitzen die Flächen, auf denen Naturschutz stattfinden kann und soll. Agrarumweltmaßnahmen werden inzwischen auf 40 % der landesweiten landwirtschaftlichen Nutzflächen umgesetzt.
Der Schwerpunkt der Agrarumweltmaßnahmen liegt allerdings in der jährlichen Subventionierung von bestimmten Bewirtschaftungsformen. Beispiele dafür sind eine späte Schnittnutzung von Grünland, Blühsaatmischungen, überwinternde Stoppeln, ein- und mehrjährige Brachen oder als besondere Maßnahme die Biotoppflegemahd mit besonderer Erschwernis. Ich nenne dieses Beispiel deshalb, weil für die Biotoppflegemahd mit besonderer Erschwernis jährlich 5 000 Euro pro Hektar bezahlt werden, und das jedes Jahr. Die meisten dieser erschwerten Flächen sind wirtschaftlich uninteressant und kosten nicht einmal so viel wie der jährliche Zuschuss kostet.
Alle diese Maßnahmen sind nicht nachhaltig. Die positiven Effekte, die sie bringen, verschwinden, sobald die Subvention eingestellt wird. Ich nenne das Konsum. Das Geld ist weg und man hat nichts Bleibendes geschaffen. Investitionen in Naturschutzflächen passieren kaum. Der Freistaat stellt keine substanziellen Mittel für den Flächenerwerb zur Verfügung. Wir hatten dies kürzlich im Rahmen der Haushaltsdebatte angesprochen, als es um die Anträge der GRÜNEN und LINKEN ging.
Die wenigen kleinen Ansätze für echte bleibende Naturschutzinvestitionen werden leider auch stiefmütterlich behandelt. Zu nennen ist das Aufforstungsprogramm, welches in den Neunzigerjahren noch finanziell attraktiv ausgestattet war, sodass Grundstückseigentümer sich für die Aufforstung entschieden. Die Fördersätze dafür sind
Ein zweites Beispiel betrifft die Anlage von Feldgehölzen, ebenfalls bleibende Biotopstrukturen. In der letzten EUFörderperiode waren die Fördersätze für die Anlage von Feldgehölzen auskömmlich. Die Maßnahmen, obwohl sie neu waren, wurden gern und intensiv angenommen. In der neuen und jetzt laufenden Förderperiode wurden die Fördersätze reduziert. Man muss davon ausgehen, dass diese Maßnahmen nicht mehr den Zuspruch wie bisher finden. Unangenehm ist es vor allem deshalb, weil solche Maßnahmen zu dauerhaften und natürlichen Biotopstrukturen führen, die auch ohne Dauersubventionierung erhalten bleiben und im Sinne des Naturschutzes wirksam sind.
Ein dritter Punkt, den ich ansprechen möchte, ist die schlechte Zuverlässigkeit der sächsischen Naturschutzpolitik. Das möchte ich mit zwei Beispielen belegen. Die Agrarumweltmaßnahme Ackerbrache wurde in der letzten Förderperiode angeboten und von Landwirten in Anspruch genommen. Zum Ende der Förderperiode kam es zu einem Gerichtsurteil auf europäischer Ebene. Das besagte, dass Brachflächen nach fünf Jahren Brache automatisch in Grünland umgewandelt werden.
Das hat zu großen Verunsicherungen geführt. Ich gehe nicht auf weitere Maßnahmen ein. Das ist ein wichtiger Punkt: Die Akteure, die am Naturschutz mitwirken möchten, müssen sich darauf verlassen können, dass das, was über die Förderprogramme durch die Politik angeboten wird, heute noch gilt, so wie es gestern versprochen wurde.
Meine Damen und Herren! Gibt es vonseiten der Fraktionen noch Redebedarf? – Bis auf DIE LINKE, die keine Redezeit mehr zur Verfügung hat, können alle Fraktionen das Wort ergreifen. Es spricht die Fraktion GRÜNE. Herr Günther, bitte; Sie haben noch 4:34 Minuten zur Verfügung.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Nun bringe ich doch meinen Zettel mit nach vorne. Ich dachte immer, dass bei einer Aktuellen Debatte die Rede relativ frei geführt wird, wie dem auch sei.
Zu dem Kollegen Herrn Hippold muss man Folgendes sagen: Die Debatte mit dem Hinweis auf den Dinosaurier zu führen ist wirklich peinlich.
Es geht um unsere Lebensgrundlagen in Sachsen. Das ins Lächerliche zu ziehen kann ich nicht nachvollziehen. Ich kann es nur als traurigen Beleg dafür werten, dass Ihnen das Thema nicht wirklich ernst ist.
Das bedaure ich sehr. Wir haben es genau aus dem Grund auf die Tagesordnung im Rahmen der Aktuellen Debatte und nicht als Antrag gesetzt, damit man nicht sofort von Ihnen hört, warum alles, was wir beantragen, abgelehnt werden muss. So hört man, was Ihnen an dem Thema wichtig ist, sodass man im Laufe der Legislatur auf bestimmte Punkte zu sprechen kommen kann und man tatsächlich vorankommt. Das kann auch gern gemeinsam der Fall sein. Ich lade Sie dazu ein. Dann ist der Punkt mit dem Dinosaurier geschenkt.
Eines möchte ich dazu noch sagen: Es geht um Arten in Sachsen. Sachsen gab es noch nicht, als die Dinosaurier hier lebten. Es haben sich auch Platten auf dem Erdball hin- und hergeschoben. Das passt einfach nicht zusammen.
Es geht auch um Folgendes: Wir haben einen Artenrückgang zu verzeichnen. Es liegt keine Dynamik vor, bei der sich andere Dinge entwickeln und aufblühen. Unsere Lebensgrundlagen werden angeknabbert. Das muss man erst einmal begreifen.
Was können wir tun? Sie hatten vorhin bereits die Schutzgebiete angesprochen. Sie hatten auch angesprochen, was in den europäischen Schutzgebieten bereits fehlt. Die Meldungen usw. wurden vom Freistaat lange verzögert, sodass es in vielen Bereichen nur Grundschutzverordnungen gibt. Es sind keine konkreten Entwicklungsziele enthalten. Man hat beispielsweise im Leipziger Auwald zwar den Eisvogel, aber nicht seinen Lebensraum geschützt, nämlich die Fließgewässer, die nicht getrübt sind, eine hohe Wasserqualität aufweisen und Steilufer haben. Sonst kann er nicht überleben. Das muss aber einmal irgendwo drinstehen.
Wir haben Probleme in den Naturschutzgebieten, überall. Zwar haben wir noch welche, aber ich habe vorhin schon gesagt: Einige mussten wir wieder einstellen. Warum? Weil wir kein ordentliches Kontroll- und Betreuungsregime haben. Wenn sich keiner kümmert, wenn ich für ein solches Gebiet kein Entwicklungsziel habe, wenn ich nichts abfordere und kontrolliere, wo man steht, wie soll sich das Gebiet dann entwickeln? Die Gebiete sind einfach da, und wenn es sich dann nicht mehr lohnt, weil nichts Schützenswertes mehr darin ist, werden sie eben aus der Liste gestrichen. Aber das kann doch nicht die Antwort darauf sein.
Damit sind wir bei dem Thema: Wer kümmert sich darum? Freiwillige Helfer im Naturschutz – das haben wir in den Neunzigerjahren einmal mit großer Euphorie
gestartet; da gibt es ein akutes Überalterungsproblem. Viele haben auch keine Lust mehr, sie sagen nämlich: Ich habe einfach keine Lust, immer nur den Rückgang von Biotopen zu kartieren. Da muss man einmal heran, diese Leute zu finden und wieder zu motivieren. Es geht also auch darum, die Gesellschaft mitzunehmen.