Protokoll der Sitzung vom 08.07.2015

Auch die Sachverständigen haben in der Anhörung zum Gesetzentwurf über Schulen in freier Trägerschaft am 17.04.2015 ausgeführt, dass die Träger freier Schulen bereits finanzielle Opfer erbringen, und nicht nur diese, sondern letztlich auch die engagierten Eltern von Kindern in freien Schulen. Es ist also keinesfalls so, dass die freien Schulen überalimentiert werden, ganz im Gegenteil. Gemessen an den Ausgaben für Schüler an einer staatlichen Schule werden in der Realität für einen Schüler an einer freien Schule etwa 50 bis 80 % ausgegeben. Der Staat spart also, und das bei gleicher Bildung, wie er sie auch dem staatlichen Schulträger abverlangt.

Die freien Schulen nehmen bereits eigenes Geld in die Hand und lassen viel Engagement über Eltern und freiwillige Helfer einfließen, um optimale Bedingungen für ihre Schüler zu erreichen. Trotzdem können sich viele freie Schulen es nicht leisten, ihre Lehrer adäquat zu bezahlen. Und sie werden das auch in Zukunft jedenfalls nicht können und wiederum diese Mehrsumme, über die wir hier reden, durch Schulgeld ausgleichen. Das geht zum Nachteil sozial Schwacher, soweit nicht manche Eltern, die vielleicht etwas vermögender sind, freiwillig einen Ausgleich leisten.

Auch die Schulfinanzierung während der künftig dreijährigen Wartefrist nach der Gründung bis zur Anerkennung der freien Schule sollte auf 100 % angehoben werden. Genügend Eigenengagement bleibt trotzdem, denn diese – der Träger – haften persönlich für das Finanzierungskonzept und tragen das volle unternehmerische Risiko, in aller Regel mehrere Hunderttausend Euro.

Wenn dann eine Schule nach drei Jahren die Bestätigung für ihre Relevanz erhalten hat – sie erhält sie nur, wenn sie ihre Schüler zu 100 % ordnungsgemäß ausbildet –, dann ist es nur recht und billig, dass sie rückwirkend auch 100 % der Fördermittel erhält. Für einen Strafabschlag gibt es keine Rechtfertigung.

Darüber hinaus sind weitere Mittel nötig, um an die Schulen rückwirkende Ersatzzahlungen zu leisten. Es ist zumindest ein Ersatz zu leisten für die Schulen, die sich in der vierjährigen Wartefrist befanden und befinden und gar keine Förderung – bis auf die anteilige Übergangssumme – erhielten. Das wäre nur recht und billig.

Und bitte bedenken Sie: Sachsens, unsere Kinder – sie sind kein Kostenfaktor. Sie sind unser kostbares Gut, unsere Zukunft – in allen staatlichen wie freien Schulen. Sie sollten auch gleichbehandelt werden. Freie Schulen sind gegenwärtig unterfinanziert und leben auf Kosten der Substanz.

Staatliche und freie Schulen im Verbund stellen einen Gleichklang, im Zusammenspiel eine wundervolle Grundlage für die sächsische Bildungslandschaft dar. Sie dürfen nicht gegeneinander ausgespielt werden. Aus diesem Grunde sind auch die Mitwirkungsrechte in Gremien wie Landeselternrat und Landesschülerrat gesetzlich zu gewährleisten. Ich habe es gerade gehört: Wir sehen der Ankündigung dessen, was kommen wird, erwartungsvoll entgegen.

Unser Appell heißt: An unseren Kindern und unserer Bildung sparen heißt, an Sachsens Zukunft sparen. Das halten wir für unverantwortlich. Im vorliegenden Gesetzentwurf für die freien Schulen muss eine auskömmlichere Finanzierung sichergestellt werden.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der AfD)

Für die GRÜNEFraktion Frau Abg. Zais, bitte.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN möchte sich von dieser Stelle aus, ähnlich wie es Herr Bienst bereits getan hat, vor allem bei den Schülerinnen und Schülern und den Lehrerinnen und Lehrern, den Elternvertretungen der freien Schulen, aber auch bei den im Landtag vertretenen Parteien und bei der Kultusministerin für die sehr engagierte Diskussion zur Novellierung des Sächsischen Gesetzes über Schulen in freier Trägerschaft bedanken. Das ist das eine.

Die zweite Frage, die wir uns als GRÜNE stellen, ist: Was ist von dem doch sehr engagierten und intensiven Prozess der Diskussion, der Anhörung und von verschiedenen Terminen und dem Urteil des Sächsischen Verfassungsgerichtshofes letztlich geblieben? Nach Auffassung der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Herr Bienst, diesbezüglich muss ich Ihnen leider widersprechen –: nicht allzu viel.

Doch lassen Sie mich zunächst sagen, welche Änderungen wir als GRÜNE-Fraktion mittragen, die wir positiv finden. Darauf sind wir schon im Ausschuss eingegangen. Das ist natürlich zum einen die Verkürzung der Wartefrist bis zum Einsetzen der staatlichen Finanzhilfe für freie Schulen von vier auf drei Jahre. Doch hierbei muss man bedenken, dass es die Herstellung bzw. die Beseitigung eines verfassungswidrigen Zustands gewesen ist, nämlich dieses vierte Wartefristjahr. Es ist kein Verdienst oder ein besonderes Geschenk an die freien Schulen, sondern es ist eine Pflicht gewesen, dieses vierte Wartefristjahr abzuschaffen.

Insofern – das ist unsere Kritik – ist das Hantieren mit den Zahlen, die im Doppelhaushalt enthalten sind und die Sie genannt hatten, Herr Bienst, auch etwas doppelbödig; denn wenn Sie das mit den Zahlen vor dem Urteil des Verfassungsgerichtshofes vergleichen, dann wissen Sie, dass eine Zunahme in den Jahren 2015 und 2016 auch etwas damit zu tun hat, dass der Verfassungsgerichtshof bestimmte Prämissen zur Finanzierung der freien Schulen gesetzt hat. Also auch hier ist es keine besondere Leistung der Regierungskoalition, sondern die Herstellung eines rechtmäßigen Zustandes.

Was wir gleichfalls mittragen, ist unter anderem dieser neu formulierte Teilhabeanspruch. Hier sehen wir einen wichtigen Schritt zu mehr Gleichberechtigung zwischen Schulen in öffentlicher und in freier Trägerschaft. Das eröffnet den freien Schulen die gleichberechtigte Nutzung von Unterstützungsangeboten, wie – Sie sind schon darauf eingegangen – Lehrerweiterbildungen oder der Einsatz von Schulpsychologen, was in diesem Umfang bisher nicht möglich war.

Begrüßenswert aus unserer Sicht ist zudem, dass die Staatsregierung verpflichtet wird, den Umfang der staatlichen Finanzhilfe regelmäßig zu überprüfen und dem Landtag darüber zu berichten. Aus unserer Sicht ist das ein sehr großer Fortschritt, weil das die Finanzierung nicht auf eine willkürliche einmalig zu einem bestimmten Stichtag festgelegte Größe reduziert, sondern die Anpassung impliziert ist.

Was geht aus der Sicht der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN mit Blick auf den vorliegenden Gesetzentwurf überhaupt nicht? Das ist ganz klar zunächst die Auskömmlichkeit der staatlichen Zuschüsse. Im Gesetzentwurf wird wie selbstverständlich davon ausgegangen, dass der Betrieb einer Schule in freier Trägerschaft auf Dauer ohne zusätzliche Finanzierungsquellen möglich ist. Ein darüber hinausgehender Ausgleich bei Verzicht auf Schul- und Lernmittelfreiheit ist oder sei folgerichtig

entbehrlich. Eine Begründung für diese Annahme sucht man indes vergeblich, und ich habe das auch bis heute nicht nachvollziehen können.

Dabei ist der Ausgleich für den Verzicht auf Schul- und Lernmittelgeld ein verfassungsunmittelbarer Anspruch, der eine sächsische Besonderheit darstellt. Um diese Regelung beneiden uns andere Bundesländer. Wenn diesem Ausgleichsanspruch schon nicht in Form eines gesonderten Zuschusses entsprochen wird, muss seine Berücksichtigung zumindest in der Berechnung der staatlichen Finanzhilfe insgesamt nachzuvollziehen sein, und das wird sie aus unserer Sicht nicht.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Was sind die Kritikpunkte? Wir werden dazu noch Änderungsanträge einbringen. Es gibt die finanziellen Aspekte und die Aspekte, die aus unserer Sicht eher nicht vordergründig finanziell determiniert sind. Es ist ganz klar, es ist der Absenkungsfaktor. Wir GRÜNE haben in den Debatten immer die Auffassung vertreten, dass die Lehrerinnen und Lehrer 100 % Leistung erbringen und deswegen auch einen Anspruch auf eine angemessene und gleichgestellte Entlohnung haben.

Wir lehnen es entschieden ab – – Es gibt die ersten Anzeichen dafür, dass freie Schulen beim Wettbewerb um Lehrkräfte systematisch schlechtergestellt werden als Schulen in öffentlicher Trägerschaft. Wir alle wissen, dass Sachsen das Problem hat, entsprechenden Lehrernachwuchs zu finden. Frau Ministerin, Sie haben heute ein schönes Interview gegeben, das ich sehr intensiv gelesen habe. Sie haben davon gesprochen, dass der Mittelbau in den öffentlichen Schulen fehle. Aber es kann nicht sein, dass wir versuchen, durch eine Schlechterstellung der Finanzierung diesen Mittelbau im öffentlichen System dadurch abzusichern, dass wir die Lehrer aufgrund schlechterer Bezahlung den freien Schulen entziehen.

Der zweite Punkt ist, dass wir nach wie vor der Auffassung sind, dass grundstücksbezogene Kosten der freien Schulen nicht ausreichend berücksichtigt werden. Das Problem der Wartefrist bzw. der Finanzierung ist mehrfach genannt worden. Wir sind der Auffassung, in der Wartefrist wird 100 % Schule gemacht. Insofern muss es auch einen hundertprozentigen Anspruch auf Erstattung geben. Der Umstand, dass die Antragsteller auf 20 % der Kosten sitzen bleiben und durch Streckung der Rückzahlung dem Freistaat de facto noch einen zinslosen Kredit gewähren, ist für uns inakzeptabel und benachteiligt insbesondere kleinere Träger.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Was wir überhaupt nicht verstanden haben – darauf werden wir noch eingehen –, ist, dass die Dinge, die wenig kosten, wie die Regelung der Mitwirkungspflichten bzw. die Mitwirkungsrechte der Eltern und Schüler, keine Berücksichtigung gefunden haben. Das ist etwas, das unverständlich ist, ebenso wie die Frage der Übergangsregelung für die Schulen, die sich im vierten Wartefrist

jahr befinden. Aber darauf werden wir bei der Einbringung unserer Änderungsanträge noch eingehen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Wir gehen in die zweite Runde. Herr Abg. Bienst, CDU-Fraktion, bitte.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich versuche einmal, das soeben Gesagte zu kommentieren. Ich habe mir fünf Punkte notiert und versuche, mich kurzzufassen.

Liebe Frau Kollegin Falken, ich weiß nicht, ob wir beide im gleichen Ausschuss gesessen haben. Ich habe keinen Antrag der LINKEN gesehen bzw. gelesen, in dem es um Betriebsräte ging.

(Zuruf des Abg. Patrick Schreiber, CDU)

Aber es kann durchaus sein, dass wir dazu heute noch Aufklärung erfahren. Vielleicht können wir hierbei noch auf einen gemeinsamen Nenner kommen.

Grundsätzlich möchte ich eines betonen: Schulen in freier Trägerschaft sind vom Freistaat gewollt und willkommen. Das wurde nochmals kommentiert und steht auch so in der Verfassung. Genau aus diesem Grund haben wir mit diesem Gesetzentwurf verschiedene Verbesserungen bei der Behandlung von Schulen in freier Trägerschaft festgeschrieben. Die Kritik, die Wartefrist entweder in Gänze abzuschaffen oder die Übergangsfinanzierung zu 100 % zu gestalten, ist unberechtigt. Wenn wir das tun würden, dann müssten wir über das Schulsystem in Sachsen insgesamt neu nachdenken. Eine diesbezügliche Gleichstellung mit staatlichen Schulen, also sprich: ich kann an jeder Stelle eine Schule gründen, würde unsere Schulnetzplanung über den Haufen werfen. Aber dazu wird mein Kollege Patrick Schreiber noch etwas ausführen.

Zur Kritik am Faktor 0,9 Sollkostenformel möchte ich Folgendes ausführen: Der Sächsische Verfassungsgerichtshof hat gesagt, dass die Finanzierung von Schulen in freier Trägerschaft in einem Dreisäulenmodell erfolgen sollte. Dabei geht es zum einen um die staatliche Unterstützungsleistung, die wir ja im Haushalt definiert haben. Zum anderen geht es um Beiträge der Eltern. Zum Dritten geht es um die Eigenleistung des Trägers.

Der Verfassungsgerichtshof sagt, dass man von denjenigen, die eine Ersatzschule gründen und betreiben und damit eigene bildungspolitische Zwecke verfolgen, eine Bereitschaft zu einer finanziellen Beteiligung verlangen kann. Wenn es der Prioritätensetzung des freien Trägers entspricht, seine Lehrer zu 100 % vergleichbar zu entlohnen, dann muss er an diesem Punkt einen Eigenbeitrag leisten. Das kann zum Beispiel durch die Nutzung von Eigentum, beispielsweise Grundstücke oder Gebäude, Spenden oder höhere Klassenfrequenz, Schulgelder etc. erfolgen.

Ein Eigenanteil des Trägers ist bildungspolitisch auch deshalb zu rechtfertigen, weil es Ausgaben im öffentlichen Schulwesen gibt, von denen Schulen in freier Trä

gerschaft ebenfalls profitieren, ohne extra an den Kosten beteiligt zu werden. Das sind beispielsweise – das haben wir auch schon diskutiert – Ausgaben der politischen Steuerung des gesamten Schulwesens im Kultusministerium, Entgelte für Lehramtsanwärter, Ausgaben für Qualitätsentwicklung in Unterricht und Schule, Lehrerfort- und -weiterbildung, Erstellung der Lehrpläne und pädagogische Materialien.

Die Kritik, dass freie Träger Schulgeld erheben müssen, ist auch ungerechtfertigt; denn ich behaupte – und das möchte ich hier noch einmal anführen –: Der schulische Kernbereich ist ohne Schulgelderhebung möglich. Durch den Landeszuschuss wird es Schulen in freier Trägerschaft ermöglicht, den schulischen Kernbereich ohne die Erhebung von Schulgeld und Lernmittel anzubieten. Der schulische Kernbereich – ich möchte das noch mal definieren – erstreckt sich dabei auf die Umsetzung der an öffentlichen Schulen gültigen Stundentafel bei einer Klassenbildung nach dem jeweiligen Richtwert der Schulart. Zum Beispiel sind es 25 Schüler für Grund- und Oberschulen bzw. 22 Schüler für Gymnasien.

Für alle darüber hinausgehenden Angebote werden Schulen in freier Trägerschaft auch weiterhin Schulgeld erheben können. Dies betrifft zum Beispiel die Einrichtung kleinerer Klassen, den Einsatz von Zweitlehrern oder sozialpädagogischem Personal oder zusätzliche Kosten, die zur Umsetzung eines besonderen Profils notwendig sind.

Zum vierten Punkt. Ja, wir möchten und verlangen, dass die Finanzierung und die Begleitung über dieses Gesetz evaluiert wird. Diese Evaluation umfasst – das steht im Gesetz auch drin: nach vier Jahren; es wurde bereits ausgeführt – Sachausgaben und Gebäudebewertung. Nach vier Jahren werden auch die Erfahrungen der Doppik im öffentlichen Bereich einfließen. Sicherlich werden wir auch mit den Erfahrungen, die wir jetzt sammeln, die Spitzenabrechnung versus Sollkostenformel unter die Lupe nehmen müssen.

Zum letzten Punkt, Rückwirkungspflicht. Nein, auch im vorliegenden Urteil gibt es keine Aussage, dass wir Rückwirkungspflichten haben. Und aus diesem Grund haben wir natürlich auch die Forderung nach dieser Rückwirkungspflicht abgelehnt. In diesem Sinne bitte ich also nochmals – –

(Petra Zais, GRÜNE, steht am Mikrofon.)

Gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Bitte schön.

Bitte, Frau Zais.

Sehr geehrter Herr Kollege Bienst, Sie haben es mehrfach betont: Gibt es denn im Urteil eine Ausführung, die es untersagt, rückwirkende Leistungen zu genehmigen?

(Jens Michel, CDU: Es gibt doch keine Verpflichtung dafür!)

– Danke. – Es gibt aber keine Verpflichtung, Zahlungen zu leisten.

(Jens Michel, CDU: Genau!)

Danke schön für die Aufmerksamkeit.