Auch in der Politik ist es zuweilen wie im Fußball. Die Akteure spielen sich innerhalb ihrer Mannschaft mit wechselndem Geschick die Bälle zu, um sie am Ende ins Tor zu bekommen. Ausreichende Präzision ist da schon erforderlich, sonst kann so ein Ball überall landen: auf dem Fuß der Gegenseite, im Aus oder schlimmstenfalls im eigenen Tor.
Kommen wir also zur Präzision. Wenn sich Ihr Antrag tatsächlich an den Sächsischen Landtag richtet und nicht ausschließlich Stichwortgeber für das SMWA ist, dann müssen Sie hier, und zwar in Ihrem Antrag, schon aufschreiben, worum es eigentlich geht. Was Sie unter Energieforschung verstehen wollen – und das ist ein ungeheuer weites Feld –, bleibt im Antragstext Ihr Geheimnis. Auch zur Speichertechnologie werden Sie nicht konkret. Immerhin tauchen in der Begründung die Begriffe Energiewende, dezentrales Speichern und Stromerzeugungstechnologie auf. So vermute ich, dass es in Ihrem Antrag auch darum gehen soll. In Ihren Redebeiträgen haben sie das auch angedeutet. Ich beschränke mich deshalb auf dieses Feld.
Da geht es nun um die Frage, in welches Tor der Ball dabei geht, um bei dem Fußballbild zu bleiben. Sie wollen Energie- und Speichertechnologien in der Energiewende
voranbringen. Das sollte man tun, mit und ohne Einsatz öffentlicher Mittel. Was aber nutzt das, wenn Sie das mit Ihrer eigenen Energiepolitik tagtäglich konterkarieren, wenn Sie den wirtschaftlichen Perspektiven etwa am Markt für Flexibilitätsoptionen – und das sind ja Speicher – mit Ihrer Energiestrategie einfach den Boden entziehen? Die nötigen Preissignale für investorentaugliche Flexibilitätsgeschäftsmodelle, die die Energiewende wirklich braucht, werden aktiv verhindert, wenn Sie riesige unflexible fossile Überkapazitäten wider alle klimapolitische Vernunft dauerhaft am Netz halten wollen.
Mit Ihrem energiepolitischen Konzept, meine Damen und Herren, hätte man nach erfolgreicher Entwicklung und Einführung der Eisenbahn zunächst die Rettung der Postkutsche für vorrangig erklärt, um sich dann – jeweils mit viel Geld unterstützt – jahrelang gegenseitig im Weg zu stehen.
Meine Damen und Herren! Eine starke Position sächsischer Forschungseinrichtungen und Unternehmen beim Thema elektrische Speicher, und zwar herunterdekliniert bis zu den Basiskomponenten Materialien, Elektrode und Zelle, wäre wichtig für die Wettbewerbsposition entlang der gesamten Wertschöpfungskette für viele zukünftige Anwendungen.
Das ist allerdings keineswegs nur eine Frage von Forschungserfolgen. Das lässt sich mit den schon genannten sächsischen Beispielen belegen. Am Standort Kamenz sind unter anderem für die innovativen Speicherentwicklungen bei Ionity und Li-Tec viele Millionen an Fördergeldern und Beteiligungen geflossen. Unternehmen und Technologien wurden mit Preisen ausgezeichnet und bekamen namhafte Partner, die am Ende entschieden, die Batteriezellenproduktion in Sachsen einzustellen und Batteriezellen lieber aus Asien zu beziehen. Das Produkt selbst sei zwar hochgradig wettbewerbsfähig, werde aber nicht in ausreichender Stückzahl nachgefragt, damit sich die Produktion auch rechne.
Eine der wichtigsten Pilotanwendungen liegt im Bereich der Elektromobilität. Auch hier sieht man statt entschlossener Marktanreizprogramme vor allem Symbolpolitik in Deutschland – auch in Sachsen. Obwohl Sachsen Produktionsstandort hochinnovativer elektrischer Automobile ist, hat es sich mit Initiativen keineswegs hervorgetan.
Immer wieder lassen wir uns, besonders im Energie- und Speicherbereich, nach Forschungserfolgen die Butter vom Brot nehmen und rufen nach neuen Forschungsrunden. Warum macht sich Sachsen im Umgang mit der Energiewende immer dann vom Acker, wenn es an das Ernten von Erfolgen, ans Geldverdienen geht?
Schaut man sich die Salden der EEG-Zahlungsflüsse an, so kommt aus diesem Topf unserem Nachbarland Sachsen-Anhalt jährlich etwa eine halbe Milliarde Euro zugute, in Brandenburg sind es 0,8 Milliarden Euro, Thüringen hat eine etwa ausgeglichene Bilanz, während Sachsen Nettozahler mit fast einer viertel Milliarde
Geldabfluss pro Jahr ist. Das ist ein teures Ergebnis der Energiewendeblockadepolitik der letzten Staatsregierung.
Stattdessen stellen Sie sich immer wieder dort an, wo es teure Schilder fürs Schaufenster gibt, für die Präsentation einer Politik, in der es darum geht darzustellen, wie viel man in etwas gesteckt hat, ohne zu hinterfragen, was dabei nachhaltig herauskommt; zumindest bei ungeliebten sächsischen Energiewendefortschritten.
Ihr Ersuchen an die Staatsregierung in Ihrem Antrag ist für sich allein betrachtet aus unserer Sicht nicht falsch. Es kommt aber auf den Kontext an. Im Kontext Ihrer energiepolitischen Strategie, meine Damen und Herren von der Koalition, erscheint uns das Ganze dann doch nur als eine Demonstration von Schaufensterpolitik. Meine Fraktion wird sich deshalb bei der Abstimmung der Stimme enthalten.
Meine Damen und Herren! Das war die erste Runde. Die zweite Runde eröffnet für die CDU-Fraktion Herr Abg. Rohwer, bitte sehr.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist in der Debatte bereits deutlich geworden, dass es um eine komplexe Materie geht. Wir können die Ideen der Energietransformation nicht nur am Stammtisch verfolgen, aber sie wird natürlich auch am Stammtisch diskutiert, und sie muss auch da verstanden werden. Aber hier geht es jetzt um das Entwickeln von guten und ausgeklügelten Spitzentechnologien Made in Saxony. Das muss mit der Forschungslandschaft zusammen passieren.
Warum bin ich noch einmal ans Rednerpult gegangen? Das geschah nicht deshalb, um noch einmal Redezeit in Anspruch zu nehmen, sondern um einen weiteren wichtigen Bereich der Energietransformation anzusprechen. Alle vorherigen Redebeiträge betrafen nur den Strommarkt. Den viel entscheidenderen Bereich der Energietransformation werden wir auf dem Wärmemarkt erleben. Der Freistaat Sachsen ist reich an Energiequellen, an konventionellen und an regenerativen. Wir müssen mit diesem Pfund viel mehr haushalten und stärker wuchern als bisher, wie es so schön heißt.
Es ergeben sich beträchtliche Potenziale für KraftWärme-Kopplungen, wobei gewonnene Nutzenergie in Form von thermischer Wärme, thermischer Energie, also Wärme als Nebenprodukt der Verstromung, abgezweigt und gespeichert wird.
Vielen Dank, Herr Präsident. – Ich stelle immer hilfreiche Zwischenfragen, Herr Rohwer. Sie sprachen gerade die Kraft-Wärme-Kopplung an. Ich wollte noch einmal zurückgehen: Eine thermale Nutzung ist natürlich wichtig. Sie wissen, dass wir seit vielen Jahren ein Projekt in Schneeberg zur Petrothermalentwicklung haben, das heißt ein Kraftwerk entwickeln wollen.
Sind Sie sich sicher, dass wir es als Freistaat noch leisten können, dort eine Bohrung niederzubringen und dieses Kraftwerk tatsächlich bis zum Ende zu entwickeln?
Frau Kollegin, Sie sprechen diese Bohrung an. Darauf wollte ich jetzt weiß Gott nicht hinaus, das gebe ich ehrlich zu. Sie werden gleich merken, wohin ich eigentlich wollte.
Zurück zur Kraft-Wärme-Kopplung. Hierbei werden bereits Wirkungsgrade bis über 90 % erreicht. Der Anteil des im KWK erzeugten Stroms an der Nettostromerzeugung betrug in Deutschland im Jahre 2014 – ich habe noch einmal nachgeschlagen – 16,2 %. Die Bundesregierung bekennt sich in ihrem aktuellen Gesetzentwurf zur Neuregelung des Kraft-Wärme-Kopplungsgesetzes und zum weiteren Ausbau von KWK. Sie merken hierbei: Der Strom- und der Wärmesektor sind nicht mehr voneinander zu trennen, sondern zwei Seiten der gleichen Medaille. Dazu schreibt das Bundesministerium für Wirtschaft im Weißbuch: Die Sektorkopplung wird das künftige Stromversorgungssystem prägen.
Wir müssen uns dessen bewusst werden, dass die Energietransformation auch für den Wärmemarkt eine sehr große Herausforderung ist. Momentan werden circa 90 % der Fernwärme aus fossilen Energieträgern erzeugt. Wollen wir die Klimaziele erreichen, so laufen wir bald Gefahr – Achtung, ich überspitze jetzt auch mal –, in einer kalten Hütte zu sitzen. Die Braunkohle wird uns hierbei unterstützen, dies zu verhindern, doch parallel dazu werden wir zusehen müssen, einen Brennstoffwechsel mit Power-toHead-Anwendungen voranzutreiben. Dabei gilt es, elektrische Wärmepumpen oder Heizstäbe für private Haushalte und Elektrodenkessel und Großwärmepumpen für industrielle Anwendungen stärker in den Fokus zu nehmen.
Lassen Sie uns noch kurz auf die aktuelle Entwicklung in Berlin schauen. Wollen wir die Energietransformation in und für Sachsen erfolgreich meistern, so müssen wir vor allem die rahmengebenden bundespolitischen Entwicklungen sehr wachsam und sehr aufmerksam verfolgen und, wenn nötig, auch intervenieren. Auch hierzu weiß
ich mich in Übereinstimmung mit Kollegen Vieweg von der SPD-Fraktion. Wenn wir von Flexibilisierung des Systems sprechen, dann kommen wir an dessen Digitalisierung nicht vorbei. Seit heute kennen wir den Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Digitalisierung der Energiewende. Er ist dem Bundestag zur Beschlussfassung übermittelt worden. Wesentlicher Schwerpunkt des Gesetzentwurfes sind Regelungen zum sogenannten Smart-Metering-Rollout und zum Einsatz von intelligenten Zählern und Messsystemen in Deutschland, die das volatile Ökostromangebot mit der Stromnachfrage der Verbraucher in Einklang bringen sollen.
Ich könnte es noch weiter ausführen, will es aber kurz machen: Ich halte diesen Gesetzentwurf für einen im Deutschen Bundestag zu diskutierenden. Er geht in die richtige Richtung und ist ein erster Schritt. Ob man von Anfang an mit jeder Position einverstanden ist, ist auch immer der Diskussion anheimgestellt.
Danke schön, Herr Kollege Rohwer. – Ich bemerke gerade, dass Sie Ihren Antrag doch viel weiter gefasst verstehen, als ich es dachte.
Vielleicht haben Sie es deshalb in Ihrem Antrag so wenig konkretisiert. Deshalb frage ich jetzt vorsichtshalber nach. Wie breit ziehen Sie die Kreise bezüglich des Themas Energieforschung? Gehören zu Ihrem Antrag dann auch die Kernreaktoren der nächsten Generation oder die Kombinationskohlekraftwerke der nächsten Generation dazu?
Wir haben den Antrag, denke ich, so offen gestaltet, weil wir heute noch nicht festlegen bzw. sagen können, wie das in 15 oder 20 Jahren aussieht. Wir müssen diesbezügliche Antworten finden. Sie haben selbst ausgeführt, dass wir in der Speichertechnologie leider nicht so weit vorangekommen sind, wie wir es wollten.
Vielleicht bemerken Sie an meinen Ausführungen, dass eine Enthaltung Ihrer Fraktion bei der Abstimmung über unseren Antrag das falsche Signal wäre. Vielleicht überlegen Sie es sich noch einmal, wenn Sie darüber nachdenken, wie wir, der Kollege Vieweg und ich, es jetzt besprochen haben.
Lassen Sie uns in die Zielgerade einbiegen. Ich möchte noch etwas zu dem Gesetzentwurf der Bundesregierung ausführen. Der Datenschutz muss bei der Digitalisierung der Energiewende unbedingt berücksichtigt werden. Es ist ein Thema, welches in den Zeiten von Hackerangriffen und Wirtschaftsspionage aktueller denn je ist.