Protokoll der Sitzung vom 20.11.2015

Gut hingegen ist der Ansatz, die Ausbildung von pädagogischen und künstlerischen Fachkräften qualitativ zu verbessern. Das ist ein wichtiger Schritt dahin, dass auch die Lehrkräfte selbst kulturelle Bildung als essenziellen Bestandteil ihres Unterrichts begreifen und engagiert durchsetzen. Sie hatten dazu schon ein Beispiel gebracht, Frau Kliese. Es gibt eben mehr Dinge zwischen Himmel und Erde, als unsere Schulweisheit sich träumen lässt – um es mit Hamlet zu sagen.

Ich war in der letzten Woche mit meiner Tochter in der Aufführung „Der Zauberer der Smaragdenstadt“ von Alexander Wolkow im Leipziger Schauspielhaus. Elli, die Hauptheldin, findet auf ihrem Weg in die Smaragdenstadt ihre treuen Begleiter – darunter Scheuch, eine Vogelscheuche, die gern Verstand hätte, da sie kein Gehirn besitzt, sowie den eisernen Holzfäller, dem das Herz fehlt. Erstaunlich zu beobachten war, dass bei den Kindern im Saal das fehlende Herz – wenn Sie so wollen, die fehlende Seele – ein größeres Thema war, mehr Reaktionen hervorrief. Das nicht Fassbare, das nicht logisch Hergeleitete, Abrechenbare fehlt.

Die Sehnsucht und Suche nach Orientierung in der Welt ist dem Menschen inhärent. Er braucht etwas mehr: Er braucht Herz und Seele, und darum geht es doch: Kindern, Jugendlichen, Erwachsenen, Senioren, Menschen

mit Behinderungen, Flüchtlingen, Erwerbslosen, vor allem auch den bildungsfernen Schichten alle Möglichkeiten zu geben, sich ganzheitlich bilden zu können und sie an diese Möglichkeiten so früh wie möglich heranzuführen.

Kunst und Kultur vermögen das. Sie vermitteln gemeinschaftliche Werte wie Moral, Empathiefähigkeit, Ethik, Solidarität und humanes Handeln. Sie öffnen und verbinden, kommen zuweilen sogar ohne Sprache aus. Sie geben der Fantasie Raum und sind nicht immer mit dem Verstand zu fassen. Und da ist er plötzlich, der Raum; und da ist sie plötzlich, die Zeit für Kreativität, für anderes, für Querdenken; da ist sie plötzlich, die Basis für Reflexion zur Entwicklung von Persönlichkeit, zu Toleranz, zu Mitgestaltung und damit zu Demokratie.

Die europäische Aufklärung hat uns dazu verholfen – entwickeln wir uns nicht zurück und geben wir unsere demokratischen Werte weiter. Kulturelle Bildung, Erkenntnis durch eigenes Erleben und Ausprobieren durch Miterleben und Hineinfühlen in andere rücken ein gerechtes, soziales und friedliches Zusammenleben verschiedenster Menschen und Ansichten in den Bereich des Möglichen.

Und damit haben Sie, wenn Sie langfristig denken, den Mehrwert von kultureller Bildung – keinen vorrangig pekuniären. Aber wenn Sie etwas Messbares brauchen, so ist es der Umgang der Menschen miteinander und mit ihrer Umwelt.

In diesem Sinne kann unsere Fraktion Ihrem Antrag – wenngleich er einige Lücken aufweist – zustimmen.

Haben Sie vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei den LINKEN)

Vielen Dank, Herr Sodann. – Für die AfD-Fraktion Frau Abg. Wilke. Sie haben das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kollegen! Der vorliegende Antrag der Regierungskoalition betrifft unser aller Kernkompetenz; denn die Kulturpolitik ist die einzige uns noch in Gänze verbliebene Zuständigkeit. Alles, was wir hier sonst beraten und beschließen, ist mehr oder weniger vorgeprägt durch Vorgaben, Mischfinanzierungen und sonstige Vereinbarungen. Also sollten wir unsere Spielräume im Sinne der Präambel des Gesetzes über die Kulturräume in Sachsen nutzen und beachten. Die Präambel besagt: „Die Freiheit des geistigen Lebens und die Freiheit der Künste sind Ausdruck der 1989 friedlich errungenen Freiheit der Bürger Sachsens und für die Zukunftsfähigkeit unserer Gesellschaft unverzichtbar.“

Das sind goldene Worte, die man nicht, wie in dem Antrag und der Begründung ausgeführt, mit Polit- und verwaltungstechnokratischen Floskeln füllen und erfüllen sollte. Uns fehlt ganz einfach die Konkretisierung in Geist und Detail. Die Worte „mehr und besser“, „stärker“ und „fokussieren“ sind nicht die Bringer. Wo bleibt der Atem

des Freiheitsversprechens? Was ist spezifisch sächsisch an diesem Antrag? Der bürokratische Geist, der aus jedem Satz quillt? Wenn das unsere Kultur wäre, dann könnten und sollten wir unsere Kultushoheit gleich an der Brüsseler Garderobe abgeben. Die können uniformierte Regulierungen noch besser kreieren.

Der Antrag ist so uninspiriert, wie die ganze Koalition Kulturpolitik offenbar nur als eine Pflichtaufgabe aus dem Koalitionsvertrag betrachtet. Das haben die vielen Akteure und Nutzer der sächsischen Kultureinrichtungen nicht verdient. Die außerschulischen Lernorte mit ihren Leuchttürmen, zum Beispiel in Pulsnitz-Oberlichtenau, wo der Spielmannszug die Grundschulkinder an die Musik und die Musikinstrumente heranführt, sind Ansätze, die zeigen, wie es landesweit gehen kann. Ein weiteres Beispiel ist der Verein Philharmonische Brücken in Görlitz mit seinem Projekt PhilMehr – Schule. Dort helfen die Profis der Lausitzer Philharmonie Kindern und Jugendlichen der 5. bis 9. Klassen dabei, ein Instrument auszuprobieren, ein Konzert aufzuführen und sich mit der Wirkung klassischer Musik vertraut zu machen. Sie verschaffen sich dabei gleichzeitig einen Einblick in Arbeitsläufe und Zusammenhänge.

Ich möchte auch das Projekt „Oper mit 8“ in Görlitz erwähnen. Das örtliche Theater erarbeitet mit Kindern der 2. bis 4. Klassen die Oper „Hänsel und Gretel“. Dabei erfahren die Kinder alle Vorgänge, die mit der Aufführung und auch der Werbekampagne zu tun haben, und sind selbst die Akteure.

Wir müssen sicherstellen, dass mit dem Kulturraumgesetz auch in Zukunft solche und ähnliche kreativen Projekte in Sachsen nicht durch neue strategische Konzepte, Zuständigkeiten oder Vernetzungen bevormundet und damit gefährdet werden. Es geht also weniger um Planung und Planstellen als vielmehr um gegenseitige Inspiration, um Motivation sowieso. Hilfe zur Selbsthilfe ist eine Kulturleistung. Das könnte der spezifisch sächsische Akzent der kulturellen Bildung in Sachsen sein. Das hat Tradition in Sachsen.

Alles das bleibt aber auf halbem Weg stecken, wenn die Schulen zunehmend gezwungen sind, Kapazitätsengpässe zulasten der Kulturfächer auszugleichen. Der Mensch lebt eben nicht nur von den sogenannten MINT-Qualifikationen. Gerade weil diese aber unser Leben so sehr dominieren, brauchen wir den Ausgleich, den uns nur eine sehr aktive und lebendige Kulturszene verschaffen kann, vom Kindergarten bis in die Altenheime hinein. Diese ganzheitliche Sicht ist sicherlich in dem Antrag intendiert. Aber es ist nicht erkennbar, wie man dieser weitgespannten Herausforderung gerecht werden will.

Wir werden dem Sächsischen Kulturraumgesetz nur dann gerecht, wenn wir allen Beteiligten mehr Freiheit geben und weniger bürokratische Fesseln anlegen. Weniger Gremien und Formulare für mehr unterstützte Selbstorganisation – das ist der beste Kunst-Dünger für das Sächsische Kulturraumgesetz. Diesen Antrag so müssen wir daher ablehnen.

(Beifall bei der AfD)

Nun die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Frau Abg. Dr. Maicher, Sie haben das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die GRÜNE-Fraktion begrüßt es ausdrücklich, wenn CDU und SPD die kulturelle Bildung in Sachsen voranbringen wollen. Der Antrag der Koalitionsfraktionen ist eine Erinnerung an ihre eigene Staatsregierung; sie soll einen Auftrag aus dem Koalitionsvertrag umsetzen, den sie sich ohnehin schon gegeben hat. Sie hat ja auch längst damit begonnen. Aber wenn es dem Anliegen Schwung verleiht, dann diskutieren wir darüber heute gern noch einmal.

Anträge der Opposition zu Themen, die auch im Koalitionsvertrag stehen, stellen die Koalitionsfraktionen meist als überflüssig dar. Begründet wird dies damit, dass die Staatsregierung keine Erinnerung brauche und längst am Arbeiten sei.

Liebe Kolleginnen und Kollegen von CDU und SPD, bitte lassen Sie doch dieses doppelte Spiel und arbeiten Sie auch Anregungen der Opposition konstruktiv ein!

(Beifall bei den GRÜNEN)

Dazu möchte ich Sie heute einladen.

Im Unterschied zur Koalition lehnt meine Fraktion Anträge nicht einfach deshalb ab, weil sie nicht aus den eigenen Reihen kommen, sondern wir wirken mit, wenn wir die Sache richtig finden. Daher werden wir Ihrem heutigen Antrag natürlich zustimmen.

Für die Erarbeitung des landesweiten Konzepts möchte ich Ihnen, Frau Dr. Stange, gern noch einige Anregungen mit auf den Weg geben, die ich aus vielen Gesprächen im Sommer in den Kulturräumen mitgenommen habe.

Richtigerweise wird in dem Antrag die Zusammenarbeit von Schulen und Kitas mit Kultureinrichtungen und Künstlerinnen und Künstlern betont. Das ist eine Schlüsselaufgabe. Bei Besuchen in Kultureinrichtungen oder der Wahrnahme von freiwilligen Zusatzangeboten in der Schule ist es jedoch sehr wichtig, die Lehrkräfte so einzubeziehen, dass sie ihre Schülerinnen und Schüler nicht nur abgeben müssen, sondern kulturelle Bildung auch enger an Unterricht und Lehrpläne anbinden können. Erst so finden Kultur und Schule zusammen. Das zieht viele praktische Schritte nach sich, wie Sie dies beispielsweise mit Bezug auf Aus- und Fortbildung auch formuliert haben.

Die Vernetzung der Partner ist enorm wichtig, um das Konzept für die vielfältigen Ansätze und Orte kultureller Bildung fruchtbar zu machen. Hieran schließen sich allerdings Fragen an: Erstens. Gelingt es, auch die beteiligten Ministerien enger und konkreter zusammenzubinden, als es bisher der Fall war? Zweitens. Was bedeutet

die Umsetzung Ihrer Forderung, bestehende Kooperationsstrukturen nachhaltig zu stärken und auszubauen?

Nach Auftaktveranstaltungen wird es eine organisatorische Lösung geben müssen; sonst verfliegt die Initiative wieder. Diese organisatorisch-strukturellen Fragen dürfen nicht erst am Schluss geklärt werden. Zeigen Sie den Partnern, die ja noch andere Projekte betreuen und andere Aufgaben haben als kulturelle Bildung, jetzt schon auf, wohin die Reise gehen soll! Andere Bundesländer haben für diesen Zweck zum Beispiel Landesbüros. Ich bitte darum, diese Option ausdrücklich ins Auge zu fassen.

Wichtige Punkte in dem Antrag sind Qualität und Wirksamkeit der Angebote. Hier halte ich es für eine Grundregel, dass die Angebote an den Bedürfnissen von Kindern und Jugendlichen wie auch von Erwachsenen ausgerichtet werden. „Audience Development“, also die Gewinnung neuen Publikums, ist eine Herausforderung für viele Kultureinrichtungen.

Aber die Lernziele kultureller Bildung richten sich eben nicht danach, wie bestehende Angebote schmackhaft gemacht werden können, sondern hier geht es um pädagogische Fragen, darum, wie kulturelle Bildung an Lebenswelten angeknüpft werden kann. Deshalb rate ich dringend dazu, die Beteiligung von Kindern und Jugendlichen mit unterschiedlichem sozialem Hintergrund umzusetzen, und zwar schon bei der Erstellung des Konzeptes. Fragen Sie doch einfach, wo und wie sie ihre Themen und Lebensfragen vertiefen wollen und was ihnen Literatur, Computerspiele oder Theater dabei bedeuten! Sie werden sehen: Dann stellt sich nicht immer so sehr die Frage, ob das eine dem anderen das Publikum wegnimmt.

Zu guter Letzt noch ein Hinweis zur Verankerung in den Kulturräumen: Es würde die kulturelle Bildung in den ländlichen Räumen entscheidend stärken, wenn durch eine Novellierung des Kulturraumgesetzes und ein Landeskonzept selbstverständlich würde, dass die Netzwerkstellen nicht nur durch prekäre Beschäftigung betrieben werden müssen und dass sie handlungsfähige Partner aufseiten des Schulsystems bekommen.

Wir unterstützen dieses Anliegen und den Antrag.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN und des Abg. Franz Sodann, DIE LINKE)

Meine Damen und Herren! Das war die erste Runde.

Es gibt noch Wortmeldungen für eine zweite Runde. Für die CDU-Fraktion spricht Frau Abg. Fiedler. Bitte sehr, Frau Fiedler, Sie haben das Wort.

Vielen Dank, Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Dass wir diesen Antrag auf die heutige Tagesordnung gesetzt haben, hat vielleicht auch damit zu tun, dass uns dieses Thema ein sehr wichtiges ist. Es ist uns wichtig so, dass wir nicht nur im Aus

schuss darüber sprechen, sondern es auch im Plenum noch einmal aufrufen.

Dieses Thema hat eine Genese. Es begann in der vergangenen Legislaturperiode mit einer Großen Anfrage. Wir haben hier mit großer Mehrheit einen Entschließungsantrag verabschiedet. Es gab im Kulturausschuss eine Anhörung zu diesem Thema.

Frau Wilke, das, was Sie hier gesagt haben, zeigt einfach, dass Sie sich mit der Genese nicht beschäftigt haben.

(Karin Wilke, AfD: Doch!)

Heute sind wir schon beim zweiten Schritt. Nachdem die allgemeinen Themen behandelt worden sind und Verständigung darüber hergestellt worden ist, was kulturelle Bildung ist und was insoweit schon im Land passiert, wollen wir jetzt den zweiten Schritt gehen und stellen deshalb den vorliegenden Antrag zur Abstimmung.

Was ist kulturelle Bildung? Herr Sodann, es ist eben nicht nur Kultur und Musik, sondern es geht weit darüber hinaus. Wir haben heute den Vorlesetag. Literatur gehört dazu, Musik, Film, wie auch immer, es ist eine enorme Bandbreite. Ich sage das deshalb, weil ich noch einmal auf Ihren Vorwurf zurückkommen will, dass wir das nicht mit dem anderen Antrag, der sich auf die Musiklehrer bezieht, verbinden wollten: weil es nur ein Aspekt ist. Es ist ein wichtiger Aspekt, aber es ist nur ein Aspekt bei diesem Thema. Auch dem haben wir uns schon gewidmet, indem wir beispielsweise die Zielvereinbarungen mit den Musikhochschulen abgeschlossen haben, damit die Ausbildung für Musiklehrer vorangetrieben wird.

Wir haben den Antrag so gestellt, weil wir es nicht mit dem Theater- oder Orchestergutachten vergleichen wollen, weil wir hier eine andere Situation haben. Wir haben aufgrund der Vorarbeiten in den letzten Jahren für fast alle Kulturräume ein eigenes Konzept für kulturelle Bildung, sodass wir jetzt den Schritt gehen können, wo wir die verschiedenen Initiativen zusammenbringen müssen.

Zusammengefasst: Die Voraussetzungen sind gut. Es gibt gute Vorarbeiten. Das Engagement und das Klima für kulturelle Bildung ist da. Wir haben im Haushalt mit dem Kulturraumgesetz die entsprechenden Voraussetzungen geschaffen, indem Musikschulen unterstützt und JEKI, die Dachverbände weiterfinanziert werden. Jetzt geht es um den Schritt, die Koordinierung mittels Abstimmung und Kommunikation im Bereich der kulturellen Bildung und damit insgesamt die Qualität zu verbessern. Deshalb bitte ich um Ihre Zustimmung.

(Beifall bei der CDU und vereinzelt bei der SPD)