Protokoll der Sitzung vom 16.12.2015

Neben dieser grundsätzlichen Kritik gibt es noch weitere Kritikpunkte am Gesetzeswerk selbst. Zu § 1: Hoheitliche Aufgaben, insbesondere schwere Grundrechtseingriffe bis hin zum Recht auf Leben sind aus unserer Sicht von Beamten durchzuführen. Diese Aufgabe soll Angestellten nicht übertragen werden. Es ist auch für Ihr Ziel nicht nötig, es auf diese vorgeschlagene Weise zu regeln.

Zweitens zu § 2 Abs. 1: Sie sagen, dass Sie keine Billigpolizei wollen, doch Sie tun das Gegenteil. Bei Ihrer Formulierung ist der Einsatz der Wachpolizei bei jeder Festnahme überall möglich. Das schließt die Suche von Personen, die irgendwann einmal festgenommen und bewacht werden sollen, mit ein. Das wollen wir nicht. Die Beamten auf der Straße wollen das auch nicht. Sie wollen erfahrene, voll ausgebildete Kollegen an ihrer Seite. Wenn Sie das anders sehen, bitte erheben Sie sich jetzt und sagen, dass ich falsch liege, dass sie wirklich nur einen sehr eng gefassten Rahmen brauchen, dann haben wir es wenigstens hier im Plenum klargestellt.

Drittens. § 2 Abs. 3: Sie sagen dort, die Aufgabe ist das, was gemacht wird. Wer während einer Rechtsklausur eine Maßnahme mit sich selbst begründet, bekommt schlicht und ergreifend keine Punkte. Das funktioniert so nicht.

Viertens: Bei der Einschränkung von Grundrechten haben Sie die allgemeine Handlungsfreiheit vergessen. Die ist sogar im Sächsischen Polizeigesetz zitiert. Im Übrigen habe ich danach auch in der Anhörung gefragt und Prof. Giesen hat gesagt, natürlich kann sie betroffen sein. Sie haben es nicht aufgenommen und diesen wichtigen Hinweis schlicht und ergreifend ignoriert.

Der fünfte und vorerst letzte Punkt in der Anhörung wurde vom Vorsitzenden des Hauptpersonalrats genannt, dass sie deutlich über 600 Wachpolizisten brauchten,

wenn Sie die Erstaufnahmeeinrichtungen bewachen wollen. Mit Ihrer Planung bekommen Sie noch nicht einmal zwei Beamte pro Erstaufnahmeeinrichtung in den Einsatz. Zur Frage, wie Sie die Wachpolizisten einsetzen wollen und wie viel Begleitpersonal an voll ausgebildeten Polizisten man braucht, musste der Sachverständige einräumen, dass man das noch gar nicht wisse. Es schließt sich also der Kreis, Kollege Pallas von der SPD-Fraktion und Kollege Hartmann von der CDU-Fraktion. Sie betonen immer wieder, dass das Personal endlich den Aufgaben folgen soll und dass Sie deshalb die Reform der Evaluation 2020 brauchen. Sie wiederholen Ihre Fehler und nun das auch noch mit einem Gesetz, das wirklich nur die Note „mangelhaft“ verdient.

Vielen Dank.

(Beifall bei der AfD)

Und nun die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Herr Abg. Lippmann, Sie haben das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Einer Anzeige der CDU-Fraktion in der „Sächsischen Zeitung“ vom gestrigen Tage durfte ich entnehmen: „2016 wird mit Sicherheit gut. Morgen beschließt der Landtag: Sachsens Polizei wird durch 550 Wachpolizisten im Objektschutz und bei der Personenüberwachung entlastet.“

(Beifall bei der CDU)

Jetzt klatschen Sie. Eine Anzeige, die viel verspricht, nur allein der Gesetzentwurf hält so ziemlich nichts von den Versprechen. Aber zuerst ist zu sagen, dass es schon ein ziemlicher Affront gegenüber dem Landtag ist, es gestern als Tatsache zu verkaufen, dass heute der Landtag etwas beschließt.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Zumindest ein paar Fragmente parlamentarischer Gepflogenheiten kann man von der sächsischen Union noch erwarten. Dazu hätte vielleicht gehört, dass man mit der Verkündung wegweisender Beschlüsse wartet, bis die Beschlüsse wirklich gefasst sind.

Aber zurück zum Inhalt. 2016 wird mit Sicherheit gut – ja wohl kaum, denn ohne den von CDU und SPD vor nahezu einem Jahrzehnt eingeleiteten, von Schwarz-Gelb verschlimmerten und dann von Schwarz-Rot nur halbherzig gestoppten Stellenabbau bei der sächsischen Polizei würden wir heute über diesen Gesetzentwurf gar nicht reden müssen und Sie brauchten gegenüber der Bevölkerung keine Sicherheitsversprechen für das kommende Jahr zu artikulieren. Denn worüber reden wir heute? Wir reden darüber, dass die Koalition offensichtlich auf der Suche nach dem letzten Strohhalm, um das selbst verschuldete Fiasko bei der Personalausstattung der Polizei zu korrigieren, eilends alte Gesetzentwürfe wälzte und die Wachpolizei aus den Tiefen hob.

Liebe Koalition! Hätten Sie den Gesetzentwurf lieber dort gelassen, wo er hingehört, in der Mottenkiste der Geschichte, statt ihn nun Sachsen als Heilsbringer in der aktuellen Sicherheitskrise zu verkaufen. Wir werden den Gesetzentwurf zur Wachpolizei ablehnen

(Christian Piwarz, CDU: Was für eine Überraschung!)

aus grundsätzlichen Erwägungen und aufgrund einer Vielzahl ungeklärter rechtlicher Fragen.

Wir haben es in Sachsen derzeit mit einer Sicherheitskrise zu tun. Angriffe auf Flüchtlingsunterkünfte und vielfältige Ausschreitungen rund um Versammlungen erfordern eben nicht nur quantitative, sondern auch qualitative Stärke der Polizei.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Eine gute Ausbildung ist dabei Dreh- und Angelpunkt guten polizeilichen Handelns, gerade in der schwierigen Situation. Es ist für uns der falsche Weg, auf gerade einmal drei Monate ausgebildete Polizisten zu setzen, denen es an jenen Kompetenzen fehlen wird, die es gerade mehr denn je braucht. Der Rektor der Polizeifachhochschule hat in der Anhörung überdies ausgeführt, dass aufgrund der schnellen Ausbildung der Wachpolizei an der Weiterbildung bei anderen Polizeibeamten gespart werden muss. Das zeigt, dass dieser Gesetzentwurf mehr Probleme schafft als er zu lösen vorgibt.

Zum Thema Sicherheit ist hier schon einiges angeführt worden. Die Wachpolizei wird nicht zwingend mehr Sicherheit bringen, vielmehr sind schlecht ausgebildete Wachpolizisten mit einer entsprechenden Bewaffnung nichts weiter – das sei in gebotener Deutlichkeit gesagt – als ein weiteres Sicherheitsrisiko auf zwei Beinen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Überdies ist durch die Koalition nicht mal im Ansatz substanziiert dargelegt worden, wie groß die Entlastung tatsächlich ist. Nach der Anhörung und nach Lektüre des Gesetzentwurfes gibt es mehr Fragen als Antworten. Ich habe das Gefühl, hier hat sich das Prinzip „die Hoffnung stirbt zuletzt“ durchgesetzt. Der Gesetzentwurf weist zudem eine Vielzahl handwerklicher Schwächen auf. Da lasse ich die durchaus gewichtige Frage weg, inwieweit hoheitliche Aufgaben auf Nichtbeamte übertragen werden können, obwohl sie eine sehr gewichtige ist, und nehme exemplarisch nur einen Punkt. Das Beisein des Polizeibeamten in § 3 Abs. 2 ist ein wunderschön undefinierter Rechtsbegriff. Wann bin ich denn bei jemandem? Machen wir es mal exemplarisch. Bin ich jetzt räumlich bei Herrn Hartmann, weil wir uns sehen können? Ist der Saaldiener bei mir, weil er sich zumindest im selben Raum befindet?

(Christian Piwarz, CDU: Prüfen Sie mal, ob Sie ganz bei sich sind, das hilft schon!)

Oder ist einzig und allein Herr Präsident bei mir, weil er momentan noch halbwegs auf mein Handeln hier am Pult Einfluss nehmen kann? Sie sehen, es ist eine Frage der

Interpretation; aber derlei Interpretationsnotwendigkeiten verbieten sich. Wir sind hier im polizeilichen Eingriffsrecht. Und das ist nicht die Schönwetterausfahrt der Gesetzgebung, wo man nach dem Motto „schauen wir mal“ und „wird schon schief gehen“ agieren können. Da erwarte ich, dass die Koalition sich der Kritik aus der Anhörung annimmt und nicht vollkommen an sich abperlen lässt. Was Sie hier machen, ist nicht der Anspruch, den wir als GRÜNE an eine ordentliche Gesetzgebung in diesem sensiblen Bereich haben.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Zu guter Letzt, die Generalforderung an die Opposition, die Alternative zu liefern, kam ja schon und wird in der nächsten Rederunde gleich noch kommen. Ich konstatiere dazu zwei Dinge. Erstens haben wir mehrfach in diesem Hohen Hause Alternativen dargestellt. Hätten Sie als Koalition beim letzten Haushalt der Opposition zugestimmt und die kw-Vermerke gestrichen, hätten wir einen Teil des Problems gar nicht.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Zweitens, werte Koalition, kümmern Sie sich doch erst einmal um Ihren eigenen Laden in Form der Staatsregierung. Offensichtlich hat man dort in Anbetracht Ihres gar glorreichen Vorschlages das Arbeiten erst einmal eingestellt, oder wie soll ich es mir sonst erklären, dass der Innenminister im Oktober zwar wortgewaltig und medienöffentlich den sofortigen Stopp des Stellenabbaus bei der Polizei verkündet hat, bis heute aber eine entsprechende Vorlage zur Aufhebung der kw-Vermerke dieses Haus nicht erreicht hat und der Staatsminister auf meine Anfrage zähneknirschend zugeben musste, dass dazu die Willensbildung in der Staatsregierung noch nicht abgeschlossen ist. Folglich führen Sie hier die Bevölkerung an der Nase herum. Das ist bei der Wachpolizei nicht anders. Sie werden auch mit diesem Heer an Hilfspolizisten das Sicherheitsversprechen, das Sie gestern der sächsischen Bevölkerung per Zeitungsanzeige gegeben haben, nicht einlösen können. Deshalb werden wir den Gesetzentwurf ablehnen.

(Beifall bei den GRÜNEN und des Abg. Enrico Stange, DIE LINKE)

Meine Damen und Herren! Das war die erste Runde. Gibt es Redebedarf für eine zweite Runde? – Die CDU-Fraktion nicht. Die SPDFraktion. Herr Pallas, Sie sind hier zweimal gemeldet. – Gut, Sie müssen nicht. Wenn es keine weiteren Wortmeldungen gibt – Herr Wippel, bitte.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen Abgeordnete! Ich nehme mir einmal die Zeit und mache ein paar konkrete Vorschläge.

(Zuruf aus der CDU: Drei Minuten!)

Nein, drei Minuten habe ich nachher. Nun habe ich 3,30 Minuten laut Plan. Es ist aber gut, dass Sie sich bei uns auskennen.

Was haben wir vor? Wir möchten wirklich konkrete Vorschläge machen. Ich kann Ihnen versprechen, wenn Sie uns zustimmen, dass wir nicht hinter das Ergebnis des Innenausschusses zurückfallen. Wir haben das, was der Innenausschuss beschlossen hat, in unseren Änderungsantrag integriert. Aus unserer Sicht ist es absolut zulässig, diesen heute an dieser Stelle noch zu stellen, da wir mit der Abstimmung noch nicht fertig sind.

Erstens möchten wir erst einmal klarstellen, dass es sich nicht um ein Wachdienstgesetz handelt. Vielmehr reden wir über eine Wachpolizei. Deswegen sollte es auch Wachpolizeigesetz heißen, nicht Wachdienstgesetz.

Zum Zweiten möchten wir, dass die Maßnahmen durch Beamte durchgeführt werden. Die neuen Wachpolizisten sollten aus unserer Sicht Beamte auf Widerruf werden. Somit haben wir klargestellt, wann das Widerrufsverhältnis endet. Das ist logisch. Das muss man machen. Das ist in diesem Sinne eine redaktionelle Anpassung.

Im § 3 Abs. 2 schlagen wir folgende Fassung vor: „Die Personenbewachung umfasst Maßnahmen zur Unterstützung der Landespolizei beim Vollzug des Gewahrsams. Festnahmen und Gewahrsamnahmen sind nur im Rahmen des Objektschutzes und im Beisein eines Polizeivollzugsbeamten zulässig.“ Unter dem Begriff Beisein wird die Möglichkeit der unmittelbaren Einflussnahme ohne technische Kommunikationshilfsmittel verstanden. Damit tragen wir existenziell zu einer Klarstellung bei, was eigentlich unter Beisein zu verstehen ist. Sie haben es unterlassen. Wir haben das nachgeholt. Im Weiteren formulieren wir dieses Gesetz so klar, dass es keinen Interpretationsspielraum mehr zulässt, wer wo und welche Maßnahmen treffen darf.

Ich komme zu § 3 Abs. 3: Der Objektschutz ist natürlich zur Verhinderung von Gefahren und zur Abwehr von Gefahren für gefährdete Objekte da. Wir haben den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz diesmal komplett in das Gesetz aufgenommen, weil wir es mit nicht so lange ausgebildeten Gesetzanwendern zu tun haben. Für diesen Fall gestalten wir es anwenderfreundlicher und tragen zur Sicherheit bei.

Unter viertens finden Sie redaktionelle Anpassungen. Unter fünftens und sechstens finden Sie die Änderungsanträge, die wir im Innenausschuss beschlossen haben. Diese wurden von Ihnen als CDU und SPD eingebracht.

Siebtens sollte die Ausbildung in Zukunft 16 Wochen und nicht 12 Wochen umfassen. Wir sollten hier nicht hinter das Bundesland Berlin zurückfallen und uns eine kürzere Zeit gönnen, obwohl man in Berlin noch weniger darf.

Achtens ist das, was wir im Grunde auch schon im Ausschuss besprochen haben. Entschuldigung, das ist ein Fehler von mir. Das haben wir noch nicht besprochen. Wir haben das Beherrschen der Fertigkeiten, die in der Prüfung getestet werden sollen, auf ein „Verfügen über

die Fertigkeiten“, also um eine Stufe, heruntergesetzt. Wenn man ernsthaft prüft, ob diese Kollegen diese Fertigkeiten schon beherrschen würden, dann würden alle Kollegen durch die Prüfung fallen. Das ist in 16 Wochen einfach nicht zu schaffen.

Ebenfalls haben wir die Prüfung konkretisiert. Wir möchten den Nachweis praktischer Kenntnisse zum Beispiel durch Situationstrainings. Wir möchten das Vorliegen von Fertigkeiten: Kann er mit der Waffe umgehen oder nicht? Wir möchten einen schriftlichen und mündlichen Prüfungsteil und kein lockeres Gruppengespräch.

Die allgemeine Handlungsfreiheit, die vorhin bereits angesprochen wurde, muss ebenfalls zitiert werden. Somit wird das Ganze rund.

Wenn Sie sich dem anschließen, dann haben wir ein Gesetz, mit dem man wirklich arbeiten kann. Wir finden uns dann am Ende nicht vor den Gerichten wieder und ernten Rechtsprechung. Tun Sie sich, uns und den zukünftigen Wachpolizisten und ihren Kollegen den Gefallen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der AfD)