Protokoll der Sitzung vom 16.12.2015

Um die Polizei aus der Misere zu führen, sind nach unserer Auffassung andere Maßnahmen Erfolg versprechend:

Erstens. Festlegung der Zielpersonalstärke für Beamte und Tarifbeschäftigte im Polizeidienst in Sachsen von mindestens 15 000 Beschäftigten im Ergebnis der Evaluierung durch die Fachkommission; denn die vorgeschlagenen zusätzlichen 1 000 Stellen schaffen nicht einmal den nötigen Ersatz für die bereits weggefallenen Stellen aus der von CDU und SPD in der vorangegangenen Koalition beschlossenen Reform.

Zweitens. Sofortige Anhebung des Einstellungskorridors auf 600 Anwärter und perspektivisch auf 800 ab 2017, um zügig die nötige Personalstärke zu erreichen.

Drittens. Veränderung der Ausbildung und des Praktikumanteils, um von den motivierten Beamten in Vorbereitung schnell viele in die Reviere und Streifenwagen zu bringen als direkte und gut ausgebildete Unterstützung. Das ist nach unserer Auffassung tausendmal sinnvoller als das, was Sie derzeit vorhaben; denn Sie wollen im Grunde in 2016 maximal 350 Wachpolizisten einstellen, sofern Sie diese bekommen.

(Albrecht Pallas, SPD: 550!)

Die HFA-Vorlage sagt 350 in 2016.

Viertens. Geeigneter als dieses halbgewalkte Gesetz ist es, finanzielle Anreize zu schaffen. Da bin ich ganz bei Ihnen: Wir müssen noch einmal ernsthaft darüber nachdenken, finanzielle Anreize zu schaffen, um Polizeibeamte auf freiwilliger Basis zur Ruhestandshinausschiebung zu bewegen. Die so gewonnenen zusätzlichen Beamten wären mit ihrer Berufs- und Lebenserfahrung eine echte Unterstützung für die hochsensible Aufgabe der Absicherung des Polizeidienstes.

Nach unserer Auffassung gibt es viele Möglichkeiten, die sächsische Polizei aus der Misere zu führen – aber nicht sofort; insofern gebe ich Ihnen absolut recht. Jedoch greift auch das von der Koalition eingebrachte Gesetz über die Wachpolizei nicht sofort, darüber sollten wir uns einig sein. Sie müssen erst einmal die Kapazitäten schaffen. Daran schließt sich das Bewerbungsverfahren an. Dann folgt die Ausbildung. Gegebenenfalls haben Sie Ende 2016 wirklich 350 Wachpolizisten. Das schauen wir uns an.

Der Bürger hat allerdings Anspruch darauf, dass „Polizei“ drin ist, wo „Polizei“ draufsteht. Ich glaube, dieses Problem bleibt trotz Ihres Gesetzes bestehen. Der Bürger hat Anspruch auf einen gut ausgebildeten und weitergebildeten Beamten, der die hoheitlichen Aufgaben zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit ohne Einschränkungen erfüllen kann und darf. Der Bürger hat im Grunde Anspruch darauf, dass wir diesen Gesetzentwurf nicht passieren lassen.

Wir werden uns zu dem Änderungsantrag der Koalition der Stimme enthalten. Schließlich ist es Ihnen gestattet, den eigenen Entwurf so zu bearbeiten, wie Sie es wollen.

(Albrecht Pallas, SPD: Meinen Sie den der AfD?)

Entschuldigung! Auch mir passiert so etwas; das will ich eingestehen.

(Christian Piwarz, CDU: Machen Sie ein Kreuz im Kalender!)

Bitte schicken Sie mir eine Kopie. Ich bezog das eigentlich auf den Änderungsantrag der AfD, den Kollege Hartmann vorhin in unvergleichlicher Weise kritisiert hat.

Wir werden dem Gesetz in Gänze nicht zustimmen, sondern es ablehnen.

Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei den LINKEN)

Die AfD-Fraktion. – Ach, eine Kurzintervention. Entschuldigung! Herr Pallas, bitte.

Ich möchte die Kurzintervention nutzen, um direkt auf Kollegen Stange zu antworten. Zum einen finde ich es sehr interessant – aber das ist uns wahrscheinlich allen eigen –, wie selektiv die Wahrnehmung von Anhörungen ausfällt. Natürlich werden dann die Expertenmeinungen vorangestellt, die in das eigene Konzept passen.

Herr Stange, Sie haben auf den Sachverständigen Dr. Giesen hingewiesen, der eine sehr launige Performance geliefert hat. Auch wir haben uns mit seiner Stellungnahme auseinandergesetzt. Diejenigen seiner Anregungen, die uns als substanziiert und sinnvoll erschienen, haben wir in unseren Änderungsantrag aufgenommen.

Sie haben ferner die Frage des Waffentragens thematisiert und behauptet, den Wachpolizisten mangele es an interkultureller Kompetenz und an der Beherrschung von Deeskalationsmechanismen. Ich weise darauf hin, dass in der Anhörung auch das Aus- und Fortbildungskonzept für die Wachpolizei vorgestellt wurde. Es ist deutlich geworden, dass nach Abschluss der Ausbildung der Zugang zu Weiterbildungsmöglichkeiten keineswegs unmöglich ist. An die Ausbildung soll sich vielmehr eine intensive Fortbildung anschließen, um die Befassung mit Fragen von interkultureller Kompetenz und Deeskalationsmöglichkeiten nicht nur im Rahmen der zwölfwöchigen Ausbildung, sondern auch im Dienstbetrieb zu gewährleisten.

Was die Frage des Waffentragens angeht, so habe ich mir zuarbeiten lassen, dass die Summe der Stunden, in denen die Auszubildenden für die Wachpolizei sich an der Waffe praktisch ausbilden lassen und in denen sie auch Waffenrechtskunde erwerben, der Stundenzahl der Auszubildenden im regulären Polizeidienst entspricht. Allerdings vollzieht sich die Vermittlung der Inhalte für angehende Wachpolizisten deutlich komprimiert.

(Valentin Lippmann, GRÜNE: Waren wir in derselben Anhörung?)

Herr Pallas, Ihre Redezeit ist am Ende.

Ich bin auch am Ende. Danke.

Herr Stange, bitte.

Vielen Dank, Frau Präsidentin! Lieber Kollege Pallas, ich habe in Erinnerung – wir können gern noch einmal gemeinsam in das Protokoll schauen –, dass in der Anhörung nur ein sachverständiger Jurist, der verfassungsrechtlich, so denke ich, als honorig gilt, zu Gast war; das war Kollege Dr. Giesen.

Zweitens. Der Chef der Hochschule der Sächsischen Polizei, Herr Kogel, hat eindeutig gesagt, dass die Ausbildung und die Fortbildung der Wachpolizisten zulasten der Weiterbildung der regulären Beamten gehe. Jetzt wollen Sie mir sagen, dass in dem System, in dem die Ausbildung der einen zulasten der Weiterbildung der anderen geht, dennoch die Weiterbildung der einen sichergestellt werden könne. Das kommt für mich nicht ganz zusammen. Das wird nicht funktionieren, außer Sie weiten die Ausbildungskapazitäten wirklich schnell aus. Ich will Ihnen gern zugestehen, dass Sie das dann vielleicht hinbekommen. Wie Sie die Stunden, in denen normal auszubildende Polizeibeamte an der Waffe ausgebildet werden, komprimiert darstellen wollen, ist für mich schon ein mathematisches Problem.

Danke schön.

Meine Damen und Herren! Wir setzen in der Aussprache fort. Für die AfDFraktion Herr Abg. Wippel.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kollegen Abgeordnete! Bevor ich zur Wachpolizei komme, muss ich doch etwas in die jüngste Geschichte des Freistaates ausholen. Schon im Wahlkampf schrieb die CDU auf ihre Plakate, dass das Personal bei der Polizei Priorität habe. Dann führten wir eine Haushaltsdebatte, an deren Ende nur ein Teil des Stellenabbaus der Polizei – noch dazu halbherzig und mutlos – eingebremst wurde. Obwohl jedem klar war, dass wir in Sachsen weitere Polizeistellen abbauen werden, haben Sie, meine Damen und Herren von der Koalition, den Bürgern einen Polizeizuwachs durch eine zaghafte Erhöhung des Einstellungskorridors auf 400 weisgemacht.

Statt das Offensichtliche anzuerkennen und bereits ab diesem Jahr deutlich mehr Polizisten in die Ausbildung zu bringen als Pensionäre in den wohlverdienten Ruhestand zu schicken, haben Sie nichts in diese Richtung getan. Sie hätten es tun können; den finanzierten Änderungsantrag zum Haushalt hatten wir Ihnen vorgelegt. Aber in gewohnter Weise ist er von allen anderen Fraktionen in diesem Haus abgelehnt worden.

(Valentin Lippmann, GRÜNE: Er war nicht finanziert!)

Natürlich war er das!

Die notwendigen geeigneten Bewerber dafür hatte die Polizei später auch. Stattdessen gönnten Sie sich auf

Kosten der Sicherheit der Bürger und zugunsten des Finanzministers eine sogenannte Evaluation der Polizei. Das Ergebnis liegt nun vor. Allein, der große Wurf blieb aus.

Im Detail kann ich natürlich noch nicht darauf eingehen, da ich das Papier noch nicht kenne. Sie von der Regierungskoalition kennen es offensichtlich; das freut mich sehr.

(Valentin Lippmann, GRÜNE: Hat gestern der Minister persönlich geschickt!)

Von heute auf morgen? Im „EDAS“ war es nicht drin; dort hatte ich es noch nicht gefunden.

(Christian Hartmann, CDU: Die AfD-Fraktionsgeschäftsstelle fragen!)

Dann müssen wir die Geschäftsstelle fragen.

Was passierte noch? Ich wies darauf hin, dass wir Geld in die Hand nehmen müssen, um Beamte dazu zu bewegen, ihren Ruhestand hinauszuschieben. Das hat der Innenminister auf der Geburtstagsveranstaltung der Deutschen Polizeigewerkschaft am Folgetag auf dem Podium als Option anerkannt. Seitdem ist nichts passiert. Doch selbst von den Beamten, die 2015 willig waren, länger zu arbeiten, wurde gut die Hälfte wegen angeblich mangelnden dienstlichen Interesses nicht im Dienst behalten. Bei nur einem war der Grund die Nichtbelastbarkeit.

In Ihrer selbst geschaffenen Not lassen Sie uns heute über die Wiederauflage des Sächsischen Wachpolizeidienstgesetzes debattieren. Im Vorblatt zum Gesetzentwurf schreiben Sie unter der Rubrik „Alternativen“: „Keine.“ Das ist schlicht und ergreifend falsch; denn wir haben schon einige Alternativen gehört.

Doch nicht nur das: Sie führten aus, dass wir schon einmal eine Wachpolizei hatten und dass das alles problemlos funktioniert habe. Das ist sicherlich richtig. Es ist aber ein Unterschied, ob jemand ein Gebäude wie eine Synagoge gegen einen Einzeltäter schützt oder ob er vor einer Erstaufnahmeeinrichtung für Asylbewerber steht. Die Erstaufnahmeeinrichtung ist vor ausländerfeindlichen Einzeltätern oder kleinen Gruppen zu schützen, die durchaus gewaltbereit sein können. Diese Situation ist ähnlich, aber wegen der hochkochenden Emotionen seitens der Angreifer dennoch schwerer zu handhaben als der Angriff auf eine Synagoge.

Darüber hinaus müssen wir damit rechnen, dass Situationen entstehen, die noch gefährlicher sein können. Als Beispiel sei der Übergriff auf eine Polizeischülerin in Schneeberg genannt, die sich allein gegen fünf Täter durchsetzen musste und gerade noch so weggekommen ist. Ihre Situation ist vergleichbar mit der einer Wachpolizistin oder eines Wachpolizisten mit 12 Wochen Ausbildung.

Es könnten Situationen entstehen wie in Osnabrück, als ein Islamist versuchte, erfahrenen Polizisten ihre Waffen abzunehmen. Dies misslang, aber es waren erfahrene

Polizisten. Lassen Sie dies unerfahrene Wachpolizisten erleben.

Nehmen wir eine Situation, die ich mir nicht ausdenken muss, sondern die es regelmäßig gibt. Es gibt Streit an der Essensausgabe. Es gibt Streit wegen sexueller Übergriffe. Es gibt Christen, die mit dem Tode bedroht werden. Es gab schon erhebliche Ausschreitungen wegen angeblicher Beleidigungen des Propheten, der Moslems oder des Korans.

Auch wenn in der Anhörung des Innenausschusses gesagt wurde, die Wachpolizisten seien nur für außen zuständig – was glauben Sie eigentlich, wer bei den bis zu 1 900 verschieden schweren Straftaten pro Quartal zwischen Asylbewerbern in der Bütt steht, und zwar zuerst?

Ist das eine BFE? Nein, die Wachpolizisten mit ihrer Zwölfwochenausbildung und ihren Pistolen. Es ist bei diesem Ausbildungsstand und diesem Erfahrungsschatz allein eine Frage des Zufalls, wenn kein Wachpolizist in einer Hochstressphase überreagiert. Das können und wollen wir nicht verantworten. Deshalb fordern wir neben einer Verlängerung der Ausbildungszeit auf 16 Wochen die Einführung von nicht tödlich wirkenden Elektrodistanzgeräten für die Wachpolizei.